Protokoll der Sitzung vom 11.12.2018

nete mit der Geschlechtsbezeichnung „divers“ in den Sächsischen Landtag einzieht. Für die nächste Legislaturperiode setzen wir auf weniger Politprofis und mehr parteilose Fachleute. Hoffentlich nimmt damit die Politikverdrossenheit unserer Bürger etwas ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Mit Frau Kollegin Dr. Muster sind wir am Ende der Rederunde. Bei diesem Thema eröffnen wir jetzt natürlich eine zweite Rederunde in der 1. Aktuellen Debatte. Diese wird wiederum von der einbringenden CDU-Fraktion eröffnet. Herr Kollege Modschiedler, bitte.

(Patrick Schreiber, CDU: Das ist Gleichberechtigung!)

Das ist Gleichberechtigung. Bitte kommen Sie nach vorn.

(Martin Modschiedler, CDU: Hätte ich jetzt nicht reden sollen? – Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Gleichberechtigung. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich möchte zur Sachlichkeit zurückkommen. Wir reden von 100 Jahren Frauenwahlrecht. Das Reichswahlgesetz – das wissen wir jetzt – ist am 30. November 1918 in Kraft getreten. Dieses Gesetz garantiert das passive und das aktive Wahlrecht. Ja, wir wissen es, mit Unterbrechung beim passiven Wahlrecht. Aber diese Grundlage wurde im Jahr 1918 gesetzt.

Wir sehen also: Die Politik – wir – kann handeln. Dieses politische Handeln durch den Gesetzgeber hat weitreichende Veränderungen für die Gesellschaft geschaffen und eine äußerst positive Wirkung. Das Wahlrecht für die Frauen galt lange Zeit als unmöglich und – miesepetrig – auch als unnötig. Es bedurfte eines Rucks, der durch die Gesellschaft ging. Dann wurde es durch die Parlamentarier umgesetzt.

1919 konnten Frauen zum ersten Mal in Deutschland wählen, und sie konnten auch gewählt werden. Am 19. Januar fanden eben diese Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt. 300 Frauen haben kandidiert. 37 Frauen wurden schließlich gewählt. Insgesamt gab es 423 Abgeordnete. Das war ein guter Start. Diese Entscheidung, eben dieses Gesetz, hat Deutschland sehr verändert. Es hat es verbessert, und es spiegelt meiner Ansicht nach das eigentliche christliche Menschenbild wider.

Mann und Frau – Frau Meier, das haben Sie auch gesagt – sind gleichwertig. Ich füge hinzu: gleichwertig vor Gott. Wichtig ist, wir sollen – das haben Sie in Ihrer da noch nicht so emotionalen Rede auch angesprochen – Gutes bewahren und Neues wagen. Genau das sollten wir tun.

Damit kommen wir zu unserem nächsten Problem, und das wissen wir auch: Es gab erheblichen Widerstand in der Zeit und jede Menge und teils auch böswillige Kommentare gegen das Frauenwahlrecht; leider – und das müssen wir uns auch zu Gemüte führen – von der sogenannten konservativen Seite. Ein solcher Konservatismus, wie er damals herrschte, war und ist nicht zielführend. Konservativ ist meiner Ansicht nach die unantastbare Würde des Menschen. Sie ist selbstverständlich auf Frau und Mann und schlicht auf alle Menschen zu beziehen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Damit komme ich wieder auf das zurück, was Sie sagten, Frau Meier: Tradition ja, aber wir müssen uns auch Neuem öffnen. Da habe ich bei dem Verständnis bei einigen wenigen selbsternannten konservativen Damen und Herren auf der rechten Seite hier im Hohen Haus wieder einmal große Probleme. Frau Wilke, Sie haben sich mit Ihrer Rede wirklich gar keinen Gefallen getan. Das ist aber auch nicht konservativ, sondern meiner Ansicht nach ist das, mit dieser Diskriminierung, wie wir haben wieder verschiedene Leute in den Schwimmbädern – – Das ist Angstmacherei, und das halte ich für voll daneben.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der SPD – Sebastian Wippel, AfD: Das ist die Realität!)

Leider Gottes haben wir auf der anderen Seite des Plenarsaals aber auch eine – wie soll ich sagen – etwas eigenwillige Ansicht zu der Frage der Gleichberechtigung. Meiner Ansicht nach ist nämlich Gleichberechtigung nicht, dass alle Menschen das Gleiche tun, das gleiche Handeln und das gleiche Handeln wiederum mit gleichen Ergebnissen endet. Gleichberechtigung heißt für uns Christdemokraten, dass alle Menschen in der Gesellschaft die demokratische Freiheit haben, sich für das zu entscheiden, was ihnen als das Beste erscheint.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Da sind wir wieder bei unserer Arbeit. Dafür sind die gesetzlichen Grundlagen ebenso wichtig wie dieses Reichswahlgesetz von 1918 oder das schon genannte Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts. Das war nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1957.

Entscheidend ist nämlich, wie es im Alltag gelebt wird: Wie gehen wir mit unseren Mitmenschen um? Wie behandeln wir sie? Sind wir respektvoll im Umgang, und akzeptieren wir ihre freien Entscheidungen? Das ist für uns konservativ im besten Sinne. Politik muss handeln. Politik muss auf Veränderungen reagieren, und das politische Handeln muss den Mitmenschen dienen, genauso wie die Einführung dieses Frauenwahlrechts vor 100 Jahren. Ich denke, das war eine weise Entscheidung. Lassen wir uns auch zukünftig davon inspirieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die einbringende SPDFraktion wird durch Frau Kollegin Hanka Kliese vertreten, die hier das Wort ergreift.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eine Quotenfrau. Warum ist das so? Ich möchte Ihnen das gern unter Zuhilfenahme der Persönlichkeit Wolfgang Kubicki erklären. Wolfgang Kubicki wurde vor wenigen Tagen in einer Talkshow gefragt: Trauen Sie sich Kanzler zu? Er antwortete wie aus der Pistole geschossen: Ich traue mir alles zu.

Genau das ist der springende Punkt. Es gibt Menschen, die wie Herr Kubicki mit einer sonnigen Selbstwahrnehmung gesegnet sind, und es gibt andere Menschen, die manchmal an sich zweifeln. Sie sind sich nicht ganz sicher, ob sie das wirklich können. Solche Menschen sind oft Frauen.

Ich war auch so, als ich zum ersten Mal in den Landtag gewählt wurde. Obwohl ich schon zehn Jahre ehrenamtlich Politik gemacht und einiges geleistet habe, hätte ich nie für mich in Anspruch genommen, einen der ersten Listenplätze belegen zu dürfen.

Die Quote hat mir die Möglichkeit dazu gegeben. Die Quote hat mir die Möglichkeit gegeben hier zu zeigen, was ich kann, und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Darüber bin ich sehr froh.

Viele finden die Quote unsexy, unnötig, langweilig, empfinden sie als Zwang. Deswegen sollten wir auch über Alternativen nachdenken. Einen sehr schönen Vorschlag hat Rita Süssmuth gemacht. Rita Süssmuth sagte: Wer die Quote nicht will, der muss die Frauen wollen. Wenn das von den Fraktionen, die ein Problem mit der Quote haben, konsequent zu Ende gedacht und verinnerlicht würde, könnten wir uns vor Frauen gar nicht retten.

Leider ist das aber nicht der Fall. Diejenigen, die das größte Problem mit der Quote haben, haben auch die wenigsten Frauen in ihren Fraktionen. Genau da liegt das Problem. Genau deshalb werden wir auf die Quote in absehbarer Zeit nicht verzichten können.

Hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gibt es zwar eine gewisse Gleichheit; in der Politik werden Frauen und Männer aber dennoch oftmals ungleich behandelt. Frauen und Männer werden oftmals mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Frauen müssen sich andere Fragen gefallen lassen, etwa zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jede Frau in diesem Parlament, die schon einmal schwanger war, weiß, wie es sich anfühlt, wenn man überall gefragt wird, wie man das alles denn überhaupt schaffen wolle. Währenddessen bekommen Männer reihenweise Kinder, ohne dass ihnen diese Frage jemals gestellt wird. Diese Ungerechtigkeit ist ein Beispiel, an dem wir sehen, Kollege Modschiedler, dass es mit der Gleichheit noch nicht so ganz hinhaut.

Ein sehr schönes Lehrstück für diese Ungleichbehandlung: Am Wochenende wurde auf dem CDU-Parteitag bei

der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer häufiger moniert, dass „schon wieder“ eine Frau gewählt worden sei. Wahnsinn! Die letzten Jahrzehnte habe ich nie gehört, dass irgendjemand beklagt hätte, dass schon wieder ein Mann gewählt worden sei.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Einige hatten etwas Verdruss – Herr Patt, jetzt rede ich –,

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

weil tatsächlich nicht etwa Friedrich Merz gewählt worden ist, sondern eben eine Frau. Denn von Friedrich Merz versprach man sich, so war überall zu lesen, „endlich einen Macher“. Da frage ich mich doch: Wie kann es sein, dass man angeführt wird von einer Frau, die sich zu Recht „Leader of the free World“ nennen darf, und sich dann nach einem „Macher“ sehnt? Was ist ein „Macher“? Suchen Sie vielleicht einen Macker? Ich habe es nicht verstanden.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bestimmt kennen Sie Franz Josef Wagner. Er ist Kolumnist für die „Bild“Zeitung. „Post von Wagner“, hat das schon einmal jemand gehört? Das ist eine Art Selbsthilfegruppe für gesellschaftspolitisch Zurückgebliebene.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wagner schreibt entsprechende Briefe. Der letzte Brief, den er verfasst hat und den ich sehr beeindruckend fand, war an Angela Merkel gerichtet. Darin hat er ihr erst einmal ganz generös bescheinigt, dass sie in ihrer Amtszeit nicht alles falsch gemacht habe, aber eben doch sehr viel, zum Beispiel dass unter ihrer Ägide der Rechtspopulismus Einzug gehalten habe – ein Phänomen, das, wie wir wissen, ja ausschließlich in Ländern vorkommt, die von Frauen regiert werden.

(Heiterkeit bei der SPD und den LINKEN)

Am Ende schrieb er, er wolle ihr aber trotzdem einen Blumenstrauß schenken – nein, sogar viel mehr: einen ganzen Blumenladen. Das hat mich sehr beeindruckt. Was Franz Josef Wagner wahrscheinlich nicht weiß: Die Suffragetten haben bereits im Jahr 1913 Gewächshäuser angegriffen und zerstört. Ich persönlich lehne jede Form von Gewalt ab, auch gegenüber Blumen.

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das hatte unter anderem den Hintergrund, dass sie dem gängigen Frauenbild widersprechen wollten, wonach eine Frau zu sein habe wie eine Blume: zart, verletzlich und dekorativ. An dieser Stelle möchte ich sagen: Liebe Männer, wir möchten eure Blumen nicht, solange sie von dem Hauch von etwas Gönnerhaftem umweht sind. Wir

wollen in diesem Hause nicht mehr und nicht weniger als euren Respekt.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Abschließend möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Männern bedanken, die uns bereits mit diesem Respekt begegnen. Sie finden sich in den verschiedensten Fraktionen. Ich hoffe, dass es immer mehr werden.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion wurde hier vertreten durch Hanka Kliese. Als Nächstes spricht für die Fraktion DIE LINKE erneut unsere Kollegin Buddeberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen, vor allem lieber Kollege Modschiedler! Frauen und Männer sind vor dem Gesetz gleich, so weit würde ich mitgehen. Ob man sich das nun biblisch herleiten kann, dahinter würde ich als Pastorentochter doch einige Fragezeichen setzen. Bibelfest genug bin ich. In Anbetracht von Sätzen wie „die Frau sei dem Manne untertan“ und „das Weib schweige in der Gemeinde“ bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich das Frauenwahlrecht und die Rechte von Frauen wirklich biblisch herleiten lassen. Aber seis drum.

Ich möchte auf Herrn Kollegen Dierks zurückkommen, der – ich habe es vorhin gesagt – in der Zeitung zu der Frage, wie die Frauenquote in der Union verbessert werden könnte, mit dem Satz zitiert wurde: „So etwas lässt sich nicht zentral steuern.“ Doch, es lässt sich zentral steuern, es muss sogar zentral gesteuert werden, würde ich sagen; denn wenn es nicht zentral gesteuert wird, wird sich nichts ändern.