Protokoll der Sitzung vom 11.12.2018

Ich will es deshalb gegenüberstellen, weil die Idee der gemeinsamen europäischen Armee genau in der Diktion vorgeschlagen wird, die sich gegen eine Partnerschaft mit Russland richtet. Damit geht es in die Kontinuität der Entwicklung seit 2001 hinein. Damals – das haben wir schon einmal hier im Hohen Hause diskutiert – hat der damalige und jetzige Präsident Russlands, Wladimir Putin, vorgeschlagen, eine strategische Partnerschaft unter Einbindung Russlands zu entwickeln, die alle Bereiche umfasst und damit tatsächlich eine echte Initiative für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Europa geworden wäre – für Abrüstung und für Frieden.

Stattdessen hat man sich dazu entschieden, die Politik genau andersherum zu fahren. George W. Bush hat damals Russland zur Regionalmacht abgestuft, und in Europa ist man der Auffassung, dass Russland der direkte Gegner sein wird.

Meine Damen und Herren, wir kommen nicht mehr auf die Idee – und das ist in einer Diskussion, wenn es um die Friedenssicherung in Europa geht; wenn es darum geht, Abrüstung zu gestalten –, dass wir andere Beziehungen zu Russland aufbauen müssen, als sie derzeit gestaltet werden.

Ja, es gibt bereits eine enger werdende Kooperation der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Verteidigungsfragen. Wenn allerdings – wie ich es dem jüngsten „Spiegel“ entnommen habe – der europäische Verteidigungsfonds offenbar gegen geltendes Recht verstößt, was ein Rechtsgutachten ergeben hat – aus diesem Fonds sollten 13 Milliarden Euro aus dem nächsten Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 verausgabt werden –, dann macht es mich schon stutzig, wenn hier über einen solchen Fonds Rüstungsgüter entwickelt werden sollten, dieser Fonds aber dann ganz klar gegen europäisches Recht verstößt, weil solche Aufgaben eben nicht aus dem Gemeinschaftshaushalt zu finanzieren sind.

Das heißt, wir sind in einer Situation, in der man in der Europäischen Union bewusst in Kauf nimmt, gegen geltendes Recht zu verstoßen, um solche Rüstungsvorhaben zu verwirklichen; und wir sind in einer Situation, in der man die Politik viel stärker auf Konfrontation statt auf Kooperation ausrichtet. Dass der Westen an dieser Konfrontation, die über die letzten Jahre entstanden ist, eben nicht nicht schuld ist, das will ich Ihnen in der nächsten Runde erleuchten.

So weit erst einmal herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Jetzt kommt die CDUFraktion zu Wort und zum Rednerpult schreitet gerade Herr Kollege Pohle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich jetzt, dass die Linkspartei noch eine dritte Runde ankündigt, wobei es mich, wie Kollege Meyer schon sagte, auch etwas verwundert, weshalb man aktuell in Sachsen – vom Willen geleitet, dem Frieden zu dienen – Plänen für eine europäische Militärunion eine klare Absage erteilt. Ersetzt man nur das eine Wort „Absage“ durch das Wort „Zusage“, wird aus einer linkspopulistischen Diskussion schnell ein sinnvolles Anliegen. Zwar blieben Außen- und Verteidigungspolitik dann immer noch Themen der Bundesrepublik, aber selbstverständlich hat auch der Freistaat Sachsen ein ureigenes Interesse an sicheren und friedlichen Verhältnissen in Europa.

Dass die Linkspartei dies nicht hat, wundert mich zumindest teilweise; denn vielleicht erinnern Sie sich auch noch an die „Fibel“, unser erstes Lesebuch in der Schule. In dieses hatten Ihre Vorgänger von der SED ein Gedicht abdrucken lassen, das wie folgt schloss: „Und bald macht er sich rund“ – –

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das fanden die Blockflöten aber auch schön!)

Ja, ja, aber lassen Sie es mich einmal zu Ende bringen, das ist ja gar nicht schlecht. Erst einmal ausreden lassen, dann den Sinn vielleicht verstehen:

„Und also bald macht er sich rund, zeigt seinen dichten Stachelbund und trotzt getrost der ganzen Welt, bewaffnet, doch als Friedensheld.“ – Das Gedicht stammt von Wilhelm Busch und heißt „Bewaffneter Friede“.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Vorgänger hatten offensichtlich ein Gespür dafür, dass sich Frieden deutlich einfacher aufrechterhalten lässt, wenn er wehrhaft ist. Deutschland war noch nie in seiner langen Geschichte in einer so günstigen verteidigungspolitischen Situation wie heute.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Und Sie orientieren sich an dem?!)

Es ist ein Fakt. – Dank der europäischen Einigung sind wir lückenlos von Verbündeten umgeben. Nie konnten

Deutsche auf eine längere Friedensperiode zurückschauen.

Diese komfortable historische Situation aufrechtzuerhalten sollte uns jede Mühe wert sein. Der Weg in eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion, die 2001 in Nizza begonnen wurde, dient einzig und allein dem Ziel, diesen gewonnenen Frieden auch künftig zu sichern; denn mit dem Wegfall der innereuropäischen Bedrohung sind die Bedrohungen von außen leider nicht verschwunden. Der Kampf gegen den Terrorismus beweist eindrücklich, dass nur das Zusammenwirken der europäischen Staaten ein akzeptables Maß an Sicherheit gewährleisten kann.

Gemeinsames Handeln erfordert auch gemeinsame Strukturen. Sie selbst verkünden bei jeder Gelegenheit, wie wichtig Ihnen die europäische Integration sei; nur, wenn es zum Schwur kommt, wenn diese Integration Anstrengungen und Geld kostet, schlagen Sie sich in die Büsche.

Ich kann Ihre Ablehnung an dieser Stelle absolut nicht verstehen. Wir reden über die militärische Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn, nicht etwa mit Saudi-Arabien, Iran oder China. Es sind die Staaten, mit denen wir wie mit keinen anderen durch gemeinsame Interessen und Werte verbunden sind.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Aber Sie liefern Waffen!)

(Marco Böhme, DIE LINKE: An Saudi-Arabien!)

Ja, aber mit denen wird, ich sage einmal, nicht in ausschließlicher Form Krieg geführt. Schauen Sie einmal. Die militärischen Auseinandersetzungen werden überwiegend mit AK 47 geführt und mit anderen Waffen.

In den Bereichen, in denen wir als Freistaat direkt tätig werden können, tun wir schon längst alles, was möglich ist, um das gute Verhältnis zu unseren Nachbarn in Polen oder in Tschechien zu erhalten und zu vertiefen. Wir fördern wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit und stärken die gemeinsamen Sicherheitsbemühungen im Kampf gegen die Kriminalität. Unsere Verbindungsbüros in Prag und Breslau betonen den Wert, den wir unseren gutnachbarschaftlichen Beziehungen beimessen.

Ich weiß absolut nicht, was daran schlecht sein sollte, wenn die seit dem Jahr 1989 bestehende deutschfranzösische Brigade durch eine deutsch-polnische oder deutsch-tschechische ergänzt werden würde. Vielleicht könnte eine solche Brigade wieder an einem Standort im Freistaat Garnison beziehen. Eine Stadt wie Frankenberg etwa hat erfahren, welcher enorme wirtschaftliche Impuls mit der Schließung von Militäreinrichtungen der Region verloren gegangen ist.

Die Herausforderungen der Sicherheitspolitik sind nur gemeinsam zu bewältigen. Das praktizieren wir doch längst. Oft stoßen wir auf manchmal lächerlich kleine Probleme wie etwa in ganz Europa unterschiedliche

elektrische Gerätestecker, die uns verdeutlichen, dass unsere Zusammenarbeit ausgebaut werden muss und einheitliche Standards braucht.

Wenn mitunter schon der Gerätestecker Probleme bereitet, dann ist unschwer vorstellbar, was geschätzte 160 Verteidigungs- und Waffensysteme in den 27 EU-Ländern an Abstimmung und Koordination verlangen. Berücksichtigt man dann noch, dass unsere Verteidigungspolitik über mehrere Jahrzehnte stark unterfinanziert war, was zu den bekannten, teilweise im kritischen Bereich liegenden Ausstattungsdefiziten unserer Bundeswehr führte, dann wird doppelt deutlich, dass jeder in die Verteidigung investierte Euro absolut rationell eingesetzt werden muss. Das ist nur bei engster technischer und organisatorischer Abstimmung mit unseren Partnern möglich.

Bei der Komplexität der Sicherheitsanforderungen ist es eben nicht mehr sinnvoll, wenn jeder der europäischen Partner versucht, jedes Problem selbständig zu lösen. Vielmehr erhöht Spezialisierung sowohl die wirtschaftliche Darstellbarkeit als auch die Problemlösungskompetenz.

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Insofern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, lieber Kollege Stange, schauen Sie noch einmal in das Lesebuch. Glauben Sie mir, in diesem Falle gilt: Von Wilhelm Busch lernen, heißt siegen lernen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Nach der CDU-Fraktion könnte jetzt die SPD-Fraktion das Wort ergreifen. – Kein Redebedarf. Die AfD-Fraktion? – Auch nicht. Die Fraktion der GRÜNEN hat noch 51 Sekunden. Wahrscheinlich kein Redebedarf. Dann eröffnen wir jetzt die dritte Runde. Bitte, Herr Kollege Stange, für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz etwas geraderücken.

Wenn wir von der europäischen Verteidigung sprechen und gleichzeitig von Terrorismus oder Frontex, dann sind die Dinge durcheinandergebracht. Sie haben miteinander so nichts zu tun.

Wenn wir von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien sprechen, Kollege Pohle – sie sind jetzt eingestellt worden, zumindest habe ich es so vernommen, aufgrund des bestialischen Mordes an dem Journalisten Khashoggi –, dann muss man gleichzeitig auch sagen, dass es uns nicht gestört hat, über Jahre hinweg Rüstungsgüter nach SaudiArabien zu exportieren.

Wenn man heute die Medien aufmerksam verfolgt, dann hört man, dass dort im Jemen 20 Millionen Menschen,

also fast zwei Drittel der Bevölkerung, derart unter dieser militärischen Auseinandersetzung leiden, dass sie hungern und keinen Zugang zu ausreichender Nahrung haben.

(Ronald Pohle, CDU: Das ist eine fürchterliche Lage!)

Das muss man zur Kenntnis nehmen. Das hat uns aber über Jahre nicht daran gestört, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien fortzusetzen. Ich will darauf hinweisen.

Das ist, denke ich, ein Messen mit einer sonderbaren Elle. Es steht uns, glaube ich, in der Europäischen Union und auch in Deutschland nicht gut zu Gesicht, wenn wir an solche Staaten Rüstungsgüter exportieren.

Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs die Präambel unserer Verfassung zitiert. Ich will Ihnen sagen, was aus unserer Sicht dringend erforderlich ist.

Wir müssen uns in der Europäischen Union tatsächlich zu dieser Mitverantwortung an der Situation bekennen, die wir in Europa haben, und ich meine ganz Europa, und die strategische Gesamtsituation, glaube ich, sehr wohl beachten.

Andreas Zumach hat dazu in der „taz“ unter anderem wie folgt geschrieben:

„Zu dieser Mitverantwortung gehören die Osterweiterung der NATO unter Bruch des Versprechens, das die Regierung Kohl/Genscher Moskau 1990 nachweislich gegeben hatte. Weiterhin der NATO-Gipfelbeschluss von 2008 mit der Option der Aufnahme der Ukraine sowie die Assoziationsverhandlungen zwischen der EU und der Ukraine, bei denen Brüssel die damalige Regierung in Kiew vor die fatale Alternative stellte, sich wirtschafts- und handelspolitisch zwischen Moskau und dem Westen zu entscheiden. Und schließlich gehört zur Mitverantwortung Deutschlands und seiner EU-und NATO-Partner die uneingeschränkte Unterstützung für die neue Regierung in Kiew, und zwar auch dann noch, als diese gleich nach ihrer Machtübernahme im Februar 2014 drohte, das bis 2042 vereinbarte Abkommen mit Moskau über die Nutzung der Marinebasis Sewastopol auf der Krim durch russische Seestreitkräfte zu kündigen.“

All das ist darauf gerichtet, die Partnerinnen und Partner in Europa, die man dazu gewinnen will, gegen Russland in Stellung zu bringen. Das ist eine fatale Entwicklung, die eben nicht auf Frieden ausgerichtet ist,

(Sebastian Fischer, CDU: Dann sagen Sie aber auch einmal was zur Ukraine! Das ist einseitig!)

die eben nicht mehr Sicherheit in Europa bringen und die eben nicht mehr Vertrauen organisieren wird.