Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Ich komme zu den ersten beiden Prüfsteinen: Tagebauerweiterung. Der Kohleausstieg kann nämlich nur erfolgreich sein, wenn es keine Tagebauerweiterungen gibt. Wir haben so viele genehmigte Tagebaue, dass wir stattdessen über Tagebauverkleinerungen sprechen müssten. Es wäre an Sinnlosigkeit nicht zu übertreffen, wenn jetzt noch neue Dörfer oder Wälder abgebaggert werden müssten.

(Beifall bei den LINKEN)

Der Ministerpräsident kann bereits in der Runde am Donnerstag zeigen, wie er dazu steht. Der Abbaggerung von Pödelwitz, Obertitz und Mühlrose muss er eine verbindliche Absage erteilen.

(Staatsminister Martin Dulig: Das kann er gar nicht!)

Herr Wirtschaftsminister Dulig, ich habe Sie gestern im „Sachsenspiegel“ gehört. Sie sprachen davon, dass keine politische Entscheidung dazu möglich sei. Sie ist aber möglich. Es ist nicht Aufgabe der Kohleindustrie, diese Entscheidung herbeizuführen, und ich helfe Ihnen gern, wenn Sie dazu die Vorlage eines Erlasses brauchen. Ich schreibe Ihnen persönlich, wenn Sie das brauchen. Sie können sofort per Erlass regeln, dass es keine Abbaggerung dieser Dörfer mehr geben soll.

(Beifall und Heiterkeit bei den LINKEN – Staatsminister Martin Dulig: Ich bin Vertreter des Rechtsstaats!)

Sie sind derjenige, der Erlasse schreiben kann, und Sie können mich gern fragen, wie jetzt die Planungslage für diese beiden Dörfer ist. Ihre Abbaggerung ist noch nicht einmal beantragt. Das können Sie sofort beenden.

Zweitens haben Sie es in der Hand, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu gestalten. Dort müssen Sie etwas tun. Wir wissen, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien immer den letzten Platz in Deutschland einnehmen und bei der Speicher- und Netzinfrastruktur nicht vorwärtskommen. Und was musste ich gestern mit Entsetzen vernehmen? Sie stellen die Arbeit am neuen Energie- und Klimaprogramm ein. Das derzeitig gültige Zukunftskonzept für die Energiestruktur in Sachsen ist also sieben Jahre alt. Sie tun in Ihrer konkreten Arbeit so, als ob es kein Paris und kein neues EEG gegeben hätte und als ob die Kohlekommission nichts beschlossen hätte.

Die Redezeit ist abgelaufen, Frau Kollegin.

– Entschuldigung! Ein letzter Satz, bitte, Herr Präsident.

Sie tun so, als ob Sie davon sprechen würden, draußen findet die Digitalisierung statt, und Sie legen das Diskettenlaufwerk ein.

(Beifall bei den LINKEN)

Die zweite Aktuelle Debatte wurde durch die einbringende Fraktion DIE LINKE eröffnet. Nun spricht die CDU-Fraktion, ihr folgen SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und drei fraktionslose Abgeordnete. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Dr. Meyer.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Pinka, ich musste mich jetzt schon sehr an meinem Stuhl festklammern, um nicht aufzuspringen bei dem, was Sie hier von sich gegeben haben. Das ist wirklich schon unglaublich. Sie haben in Ihrem Debattentitel von „sozial verträglich“ gesprochen. Es ist nicht einmal auf die Menschen eingegangen worden, um die es in diesen Regionen nämlich auch geht.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Menschenrechte – etwas ganz Neues!)

Es wurde auch nicht einmal darauf eingegangen, dass es neben der sozialen und der Umweltkomponente auch eine wirtschaftliche gibt. Auf diese möchte ich eingehen.

Ich bin Energiewirtschaftler und komme aus der Oberlausitz, und ich will Ihnen sagen, dass die Zahlen, die mit der Energiewende und dem Ausstieg aus der Kohle verbun

den sind, ziemlich dramatisch sind. Wir werden bis zum Jahr 2022, wenn man den Empfehlungen der Kohlekommission folgt, einen Rückgang von 12,5 Gigawatt im Bereich der Stromerzeugung durch Kohle haben. Bis 2030 sind es 25 Gigawatt. Sie sind nicht einmal darauf eingegangen, woher der Strom künftig kommen soll, wenn wir aus der Kohle ausgestiegen sind.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Dr. Meyer?

Ja, gern.

Bitte, Frau Kollegin Pinka.

Herr Meyer, zu den Gigawattstunden und dem Herunterrechnen können wir später noch einmal diskutieren, welche Kraftwerke und Tagebaue dies betrifft.

Ich möchte Sie gern fragen: Geben Sie mir recht, dass Ihre Staatsregierung gerade alle Bürgerbeteiligungsprozesse stoppt, zum Beispiel zum Ausbau der erneuerbaren Energien, indem sie kein Klima- und Energieprogramm fortschreibt? Dazu gab es ja bei der SAENA Beteiligungsprozesse. Außerdem beendet sie quasi auch den Leitbildprozess, indem sie das Maßnahmenpaket jetzt bereits verabschiedet und die Zukunftswerkstatt Lausitz eigentlich außen vor lässt. Geben Sie mir darin recht?

(Staatsminister Martin Dulig: Falsch! Das ist falsch!)

Ich gebe Ihnen darin nicht recht. Das Letzte, das Sie ansprachen, die Zukunftswerkstatt Lausitz, ist genauso wie die Lausitzrunde und die Wirtschaftsregion Lausitz fester Bestandteil der Umsetzung dieser Empfehlungen. Sie sind Partner vor Ort, die die Kommunen und die Bürger abbilden, und sie sind natürlich einbezogen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Von daher haben Sie nicht recht, dass Beteiligungsprozesse gestoppt werden.

Ich will aber mit der wirtschaftlichen Komponente fortsetzen. Sie ist mir an dieser Stelle wichtig; denn wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, müssen wir diese Komponente immer mitberücksichtigen. Ich war in der letzten Legislaturperiode Umweltpolitischer Sprecher und denke, dass ich die Dinge ein Stück weit einschätzen kann. Ich habe mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem Emissionshandel beschäftigt. Daher ist es wichtig, auch auf die wirtschaftlichen Aspekte zu schauen.

Wir sehen jetzt, was ich vorhin sagte: Der Rückgang der installierten Kraftwerksleistung hat zur Folge, dass der Strompreis höher wird. Es ist natürlich schön, wenn die Kommission empfiehlt, dass sich das nicht auf die Verbraucher niederschlagen darf und es eine über den Bundeshaushalt finanzierte Kompensation geben muss. Das ist einerseits schön, andererseits ist es eine Milchmäd

chenrechnung, denn das Geld muss irgendwo herkommen. Es muss irgendwo verdient werden, und wenn künftig 2 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zugeschossen werden müssen, dann sind das Gelder, die für andere Zwecke nicht zur Verfügung stehen.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Deshalb will ich nochmals verdeutlichen: Diese Komponente muss man mitberücksichtigen. Für uns als CDUFraktion war es immer wichtig, dass wir Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit als Richtschnur unserer Energiepolitik verstehen, und das wird auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte jedoch nicht der Miesmacher sein. Ich bin froh, dass es auf Bundesebene in dieser Kommission, die ja sehr heterogen besetzt war, eine Einigung gegeben hat, von der ich sagen muss, dass die Ergebnisse für uns als Freistaat durchaus als große Chance zu sehen sind. Die vom Bund vorgesehenen Mittel sind für uns wichtig. Der Zeitraum ist ebenfalls wichtig sowie die Tatsache, dass es Revisionsklauseln gibt und man schaut, wie sich die Energieversorgung in Deutschland entwickelt, sodass man im Zweifelsfall Mitte der 2020er-Jahre nochmals umsteuern kann. Wir sehen jedoch gute Chancen in der Sonderfinanzierung durch das Thema Planungsbeschleunigung, das sehr wichtig ist, wenn es darum geht, neue Verkehrsinfrastruktur in Straße und Schiene zu ermöglichen. Das Thema Regionale Wertschöpfungsketten wird immer wichtiger. Wir werden also dafür Sorge tragen müssen, dass die Jobs in dieser Region erhalten bleiben und

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ach, jetzt doch!)

neue entstehen sowie mit den bestehenden Industrien im Bereich Metall, Chemie, Papier und Energiewirtschaft gemeinsam eine Grundlage geschaffen wird. Das Credo, das unser Ministerpräsident Michael Kretschmer immer ausgesprochen hat, „erst die Jobs und dann der Ausstieg“, ist unsere Richtschnur, und dabei muss es auch bleiben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Thomas Baum, SPD)

Ich möchte darauf eingehen, dass Sie eben den Wirtschaftsminister angegriffen und gesagt haben, er müsse Erlasse schreiben usw. Ich denke, ein hohes Gut unseres Rechtsstaats ist die Investorensicherheit. Ich warne sehr davor, jetzt zu beginnen, von bestätigten Plänen und Zusagen an die Investoren abzurücken

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Das sind nicht bestätigte Pläne!)

und künftige Investoren zu verunsichern. Das darf nicht passieren, und das werden wir auch nicht zulassen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben wir noch nie gemacht!)

Ich bin bereits auf die Einbeziehung der Region eingegangen mit der Lausitzrunde, aber auch mit der Zu

kunftswerkstatt, die sich vor Ort konkret den Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Forschung und der Innovation sowie den Verkehrsthemen widmet. Das ist ebenfalls wichtig. Die Staatsregierung hat gestern dankenswerterweise Vorsorge getroffen und eine neue Abteilung in der Staatskanzlei etabliert, die diese Strukturwandelprozesse koordiniert und aus der Regierung heraus begleitet. Das ist wichtig, und das finde ich auch gut.

Die Redezeit!

Von daher ist der Debattentitel aus meiner Sicht erfüllt. Wir werden in der zweiten Runde nochmals verdeutlichen, was energiepolitisch dranhängt.

Vielen Dank erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Dr. Meyer sprach für die CDU-Fraktion. Nun kommen wir zur SPDFraktion. – Ich sehe, es gibt noch einen Disput: eine Intervention, die Sie noch vortragen möchten, Frau Dr. Pinka. Eine Kurzintervention muss sich immer auf den vorangegangenen Redebeitrag beziehen, also in diesem Fall auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Dr. Meyer. Bitte.

Genau. Vielen lieben Dank. Ich würde gern das Mittel der Kurzintervention nutzen. – Zum Ersten möchte ich gern Folgendes sagen: Im Kommissionsbericht sind natürlich die Gigawattstundenleistungen dargestellt, die abgeschaltet werden müssen.

(Zuruf des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, herunterzurechnen, was das für die einzelnen Kraftwerke und Tagebaue bedeuten würde. Das heißt, bei uns sind im Jahr 2035 95 % des Lausitzer Reviers ausgekohlt, und die Tagebaue sind einfach erschöpft. Sie brauchen eigentlich keine Tagebauerweiterung. Ähnlich ist es im Mitteldeutschen Revier. Wir können uns gern hinsetzen und zusammen nachrechnen.

Zum Zweiten: Im Kommissionsbericht steht, dass Pödelwitz und Mühlrose noch nicht einmal beantragt worden sind. Warum sprechen wir denn überhaupt über nicht genehmigte Standorterweiterungen? Diese brauchen wir nicht, das können wir sofort lassen. Das können wir sofort durch Erlass regeln. Ich bin der Meinung, das ist möglich.