Jetzt zeigen Sie mit dem moralischen Zeigefinger auf andere. Zugegeben, Sie waren nicht die Einzigen. Auch andere Parteien haben sich in diesem Verfahren nicht rechtsstaatlicher Standards bedient,
Es wird mit Sicherheit strafrechtliche Konsequenzen für Herrn Schiemann, Herrn Schollbach und Herrn Staatsminister Piwarz geben.
Ja, ich weiß, aber es wäre schön, wenn die anderen so laut sind, dass sich das Präsidium auch einmal einmischt.
Ich verwarne Sie. Sie haben die Sitzungsleitung nicht zu kritisieren, Herr Wurlitzer. Sie wissen das genau – nach unserer Geschäftsordnung.
(Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Aber nach unserer Geschäftsordnung habe ich eineinhalb Minuten Zeit zu reden!)
(Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Dann müssen Sie eingreifen, wenn mir das nicht gewährt wird! Die eineinhalb Minuten sind sowieso kurz!)
Sie haben sie deutlich überzogen. Ich verwarne Sie nochmals. Wenn Sie weiterreden, bekommen Sie einen Ordnungsruf.
Wir sind am Ende der Rederunde angekommen und eröffnen eine weitere. Es hat natürlich die einbringende Fraktion das Wort. Bitte, Herr Kollege Bartl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bringen wir es doch einmal auf den Punkt. Zunächst einmal, Herr Kollege
Ich kann mir ungefähr vorstellen, was an dem berühmten Tisch los ist, wenn die Strafverteidigerin Uta
In der „SZ“ war ein Beitrag, ein Interview mit dem Chef des Anwaltsverbandes. Heute steht in der „Freien Presse“ ein Interview mit dem Sprecher der Neuen Richtervereinigung Landesverband Sachsen, Mitglied des Bundesverbandes. Lesen Sie es doch einfach einmal nach, wie die Anwälte, wie die Richterschaft diese Sache reflektieren, und gehen Sie nicht so leichtfüßig darüber hinweg.
Was hier steht ist die Frage – ich sehe es anders als meine Kollegin Frau Meier, meine sehr verehrte Frau Kollegin –, ob in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung eingegriffen wird.
Ich sage Ihnen einmal Folgendes: Wenn der Justizminister in einem Interview „Nein“ sagt – das richtet sich zunächst einmal nur an die Staatsanwälte –, dann reibe ich mir schon verwundert die Augen. Dem Staatsanwalt in Sachsen ein strammes Law-and-Order-Korsett aufzuerlegen, ist nicht bedenkenlos. Dabei hilft schon ein Blick in die Kommentierung zum Gerichtsverfassungsgesetz, konkret zum zehnten Titel: Staatsanwälte. „Zunächst gehört die Staatsanwaltschaft zur Exekutive und sie ist weisungsgebunden. Jedoch ist die Staatsanwaltschaft eine Institution sui generis, sie verwaltet nicht, sondern arbeitet auf Rechtsprechung hin. Somit gehört sie zum Funktionsbereich der Rechtsprechung und erfüllt gemeinsam mit dem Richter auf dem strafrechtlichen Gebiet die Aufgabe der Justizgewährung.“ Vergleiche Bundesverfassungsgericht Band 9, Seite 23 ff. Das ist die gerichtsverfassungsseitige Lage.
Sie sind, wenn Sie als Staatsanwalt im konkreten Verfahren handeln, Bestandteil der Rechtspflege und eben nicht mehr der Exekutive. Deshalb geht es nicht an, da reicht der Blick in dieses Gerichtsverfassungsgesetz, dass die der dritten Gewalt in der Rechtsprechung zugeordnete Staatsanwaltschaft einen Ukas vom Generalstaatsanwalt bekommt, das er in Zukunft so und so und so zu beantragen hat. In Zukunft hat er bei 3 bis 5 Gramm Crystal mit allem Drum und Dran ein Jahr zu beantragen und in Zukunft, wenn es mehr als 10 Euro sind oder schwarz gefahren wurde, das Verfahren nicht mehr einstellen darf, sondern anklagen muss – und anderes mehr. Das ist das Problem, dass eine Reihe von Kollegen hier das überhaupt nicht raffen. Das ist keine Heeresangelegenheit, es ist Recht. Es ist wirklich eine andere Frage.
Wenn aber dem so ist – das ist nicht abenteuerlich, es ist einfach ein Privatissimo in Staats- und Rechtstheorie und -praxis. Manche sagen, die Staatsanwaltschaft ist Mittlerin zwischen der Exekutive und Gerichtsbarkeit durch ihr
Handeln – alles Zitate aus Gerichtsverfassungsgesetzkommentaren –, „ihr Handeln stellt eine Vermengung im System der Gewaltenteilung dar“. Da muss ich eben mit Weisungen an die Staatsanwaltschaft, ihr Handeln im konkreten Verfahren betreffend, behutsam umgehen.
Ich sage Ihnen: Wenn der Herr Justizminister, weil der Generalstaatsanwalt oder weil der MP in der Richtlinienkompetenz das will, etwas an den Vorgaben ändern will, dann sollen sie es über den Bundesrat machen, sollen es in die RiStBV hineinbasteln, über die JuMiKo, aber doch nicht für Sachsen ganz andere Parameter setzen, als sie anderswo in der Republik gelten. Aus welcher rechtsstaatlichen Rechtfertigung kommt in Zukunft in Sachsen der beim Schwarzfahren, beim Kleindiebstahl im Laden, beim Marihuana-Pfeifchen-Rauchen ertappte Kriminelle
wesentlich schlechter weg als in Berlin, Schleswig-Holstein oder in Erfurt? Aus welchem Grund? Mit welcher Rechtfertigung?
Nein, im Gesetz steht etwas anderes. Im Gesetz steht etwas anderes. Sie waren doch einmal Justizminister. Die RiStBV ist nicht Gesetz, sie hat aber Rechtscharakter. Die Vorgaben in dieser RiStBV binden natürlich auch den Freistaat Sachsen. Man kann sie nicht einseitig ändern.
Der in der Verhandlung anwesende Staatsanwalt darf eben – das ist das Problem, wenn einmal die Order so ist; wir kommen jetzt über das Stadium der Staatsanwaltschaft hinaus, wir sind im konkreten Verfahren drin – nicht mehr zustimmen. Jetzt will der Richter aus dem Prozessgang heraus das Verfahren einstellen. Das geht nach der Weisung nicht mehr, weil der Staatsanwalt nicht mehr zustimmen darf. Das hat zur Konsequenz, dass damit auch die Richter anders handeln müssen. Die Konsequenz wird sein, wenn kein Verfahren mehr geklärt und kein Rechtsfrieden mehr hergestellt werden kann, indem eingestellt wird – weil das und das schon erzieherisch wirkt und wir davon ausgehen, dass der Angeklagte bereits seinen Denkzettel weg hat –, wenn das nicht mehr geht, wird es in Masse durch die Richter Verwarnungen mit Strafvorbehalt geben.