Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der zweiten Runde ist es dann gut. Mir geht es nur noch um eine Sache, den zweiten Teil mit der Exekutive. Vielen Dank, Herr Kollege Bartl hat nämlich genau dieses Thema angesprochen. Die Frage ist: Was soll denn das? Was macht denn der Richter? Der Richter ist in dem Verfahren, das heißt, er urteilt. Und was macht er? Entweder spricht er frei oder er verurteilt. Was macht vorher die Staatsanwaltschaft? Sie ist die Herrin des Verfahrens bis zur Erhebung der Anklage. Dann prüft der Richter: Ist das okay, kann man das verhandeln oder nicht? Also ist er Herr des Verfahrens. Das heißt, hier ist eine ganz klare Trennung. Die Staatsanwaltschaft kann die Anklage erheben.
Jetzt haben wir dieses Verfahren, was Herr Bartl vorgibt, wo er mit der Mischmaschine agiert. Der Richter sagt okay, ich möchte trotzdem einstellen. Das heißt, er springt in das Verfahren der Staatsanwaltschaft wieder hinein. Dann ist die Staatsanwaltschaft wieder die Herrin des Verfahrens und fragt: Kann ich einstellen?
Herr Bartl, ist der § 153 StPO gerade in Sachsen abgeschafft worden? – Nein, es gibt ihn weiterhin. Der Staatsanwalt kann weiterhin entscheiden, ob er einstellt oder nicht und auch das Gericht kann immer noch weiter fragen. Wenn ein Staatsanwalt sieht, dass ein Verfahren bei Gericht so läuft, wie es läuft, und der Richter sagt: Freunde, so sieht es aus; wollen wir nicht einstellen?, wird er wahrscheinlich nicht dagegen vorgehen. Es ist doch gar kein Zwang in dieser Richtlinie.
Jeder Referendar, der hier mal seine Ausbildung gemacht hat, musste Staatsanwaltsdienste machen. Da hat man genau diese Rundverfügung mitbekommen. Das heißt nicht mehr als: Was kostet was? Damit geht man rein.
Das ist Ländersache und das wird hier verhandelt. Das steht hier im Gegensatz zueinander, der Richter entscheidet. Er macht die Rechtsprechung. Der Staatsanwalt bringt das Verfahren ein und klagt an. Deswegen heißt er Anwalt.
Danke, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege. Darf ich Sie richtig verstehen, diese Rundverfügung mit den vorgegebenen Parametern, was der Staatsanwalt zu tun und zu lassen hat, gilt nur, solange er die Akten hat? Wenn er im Gericht ist, darf er jenseits von 10 Euro oder jenseits von 3 bis 5 Gramm Betäubungsmittel wieder zustimmen? Ist das die softe Variante?
Sie haben genau diesen Denkfehler mit der Strafverfolgung. Er kann nicht einfach sagen, es besteht kein öffentliches Interesse oder es ist geringwertig, deshalb stellen wir es mal nach § 153 a ein. Da sind andere Richtlinien dran. Jetzt sind wir in der mündlichen Verhandlung vor Gericht, der Richter hat zu entscheiden. Der Richter kann sagen, er geht unter § 153 und sucht das Rechtsgespräch. Dann stellt sich die Frage: Einstellung ja oder nein? Wenn der Richter sagt, es ist nicht alles dran, was dran ist, dann hat er die Möglichkeit zu sagen, ich stimme einer Einstellung nach § 153 zu.
Wenn das nicht so wäre, dann hätte der Generalstaatsanwalt gerade ein Gesetz verbreitet. Das ist es nicht, es ist eine Richtlinie, eine Richtschnur. Das wissen wir doch alle, die wir als Referendare da mal gesessen haben. Der Richter gibt den Hinweis und nach dem Hinweis nehmen sie das Telefon in die Hand und rufen den Staatsanwalt an: Geht das oder geht das nicht? Dann fragt er, was hat der Richter gesagt? Gut, dann stellen wir ein. Hallo, das ist eine Richtlinie, nicht mehr und nicht weniger. Sie versuchen hier gerade etwas zu einem Gesetz zu machen, und das ist es nicht.
Ich habe noch eine Nachfrage. Gelten die Vorgaben zur Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft nicht hinsichtlich ihres Antragsverhaltens in der Verhandlung? Das will ich einfach wissen.
Gelten die Vorgaben, die jetzt zu den verschiedensten Fragen in der Rundverfügung drin sind, zum Beispiel die Anwendung des § 44, Fahrverbot, die Betäubungsmittelwertgrenzen oder Geldstrafen für das Handeln des Staatsanwalts, im Verfahren nicht, wenn der Richter eine andere Auffassung hat?
Wenn der Richter eine andere Auffassung hat, hat er immer noch die Möglichkeit, wenn der Staatsanwalt Nein sagt, zu verurteilen oder, wie sie sagen, den Strafvorbehalt zu machen.
Zur Nachfrage an Sie, Herr Bartl: Der Staatsanwalt hat mit dieser Richtlinie zu entscheiden, wann er wie Anklage zu erheben hat und wann er wie nach § 153 das Verfahren einzustellen hat. Diese Sachen muss man eingrenzen. Und nun kommen wir wieder zum Ursprung: Die Frage der Rechtsprechung hat mit der Frage der Staatsanwaltschaft nichts zu tun. Dass der Justizminister oder der Generalstaatsanwalt in die Exekutive eingreift und die Rechtsprechung verändert,
Das war Kollege Modschiedler für die CDU-Fraktion. Jetzt spricht Kollege Baumann-Hasske für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist das Thema schon ziemlich ausdiskutiert. Ich bin auch der Auffassung, dass diese Rundverfügung der Generalstaatsanwaltschaft kein unzulässiger Eingriff in die Justiz und vor allem in die richterliche Unabhängigkeit ist.
Es ist kein Eingriff in die unabhängige Rechtsprechung. Herr Bartl, wenn das so wäre, dann wäre die BundesRiStV, die Sie vorhin zitiert haben, – –
Bundeseinheitlich hin, bundeseinheitlich her, da wird den Gerichten eine Vorgabe gemacht, und zwar unterhalb der gesetzlichen Ebene.
Den Staatsanwälten, na klar, aber das ist doch im Grunde auch eine Anordnung, die keinen Gesetzescharakter hat. Natürlich kann die Staatsanwaltschaft Richtlinien erlassen, mit denen die Vorgehensweise der einzelnen Staatsanwälte im Verfahren Vorgaben bekommt. Dass er letzten Endes im Verfahren selber entscheiden kann, ist eine andere Frage. Insoweit ist der Staatsanwalt vom Richter zu unterscheiden und ist als Teil der Exekutive weisungsgebunden.
Aber in der Tat: Insoweit ist der Staatsanwalt auch vom Richter zu unterscheiden; er ist Teil der Exekutive, und er ist weisungsgebunden. Das ist schon ein Unterschied zum Richter. Ich glaube, dass die Unabhängigkeit der Justiz dadurch nicht beeinträchtigt ist.
Bei alledem möchte ich noch einmal unterstreichen, was vorhin schon erwähnt wurde und mir aber auch sehr wichtig ist: Wir brauchen natürlich für all das, was hier geplant ist, das notwendige Personal in der Justiz und auch bei den Strafverfolgungsbehörden. Zurzeit und im laufenden Haushalt bemühen wir uns darum, für mehr Personal zu sorgen. Aber man muss klar sagen: Mit dem, was als Verfügung des Generalstaatsanwalts in die Welt gekommen ist, wird mehr Personal benötigt werden. Ob das den Kalkulationen zugrunde liegt, die wir beim Haushalt angestellt haben, darüber muss man dann noch einmal nachdenken. Ich glaube, dass dadurch wieder mehr Personal benötigt werden wird.
Wird von der AfD noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Das ist auch nicht der Fall. Dann frage ich ganz allgemein. Mir liegt jetzt als Rednermeldung noch Herr Stange vor. – Herr Bartl möchte noch einmal sprechen. Hat die CDU noch Redebedarf? – Nein. – Dann Herr Bartl, bitte.
Die Feinheiten der Gesamtzusammenhänge erfahren wir morgen in der Fachregierungserklärung. Reden wir einmal über die Konstellation, das Konzept, wie es mit der generellen Strafverschärfungsmarschrichtung in die Justiz hineinwirkt und welche Konsequenzen es hat.
Es ist doch nicht bestreitbar, wenn Sie sagen, in Zukunft sind derartige Delikte, die momentan unter Bagatell- und Kleinkriminalität fallen, die nebenbei bemerkt, früher sogenannte Übertretungen waren – bis zum Jahr 2000 – – Bis zum Jahr 1974 gab es im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland Verbrechen, Vergehen und Übertretungen. Diese Übertretungen wurden mit der Konsequenz abgeschafft, dass jede Bagatellkriminalität jetzt zunächst eine Straftat ist. Aber man hat eine prozessuale Lösung gefunden, nämlich über §§ 153, 153a, 154. Wenn Sie den Riegel zumachen und bei Kleinstkriminellen jetzt automatisch mit Geldstrafen und Ähnlichem reagieren, bekommen Sie zunächst bei Kleinstkriminalität die Konsequenz – da es meistens Menschen sind, die aus Betäubungsmittelabhängigkeit, aus Wohnungslosigkeit, aus Not oder Ähnlichem so handeln –, dass sie in Größenordnungen über Ersatzfreiheitsstrafen in die Justizvollzugsanstalten marschieren.
Sie werden die Konsequenz bekommen, dass – wenn diese Frage, die irrationale Fortsetzung von Beweiserhebungen, nicht mehr ohne Weiteres über die Einstellung im Verfahren möglich ist – verurteilt wird, wie Kollege Modschiedler sagte, mit der Folge, dass in Größenordnungen Rechtsmittel bei den Landgerichten eingelegt werden können. Die Landgerichte werden belegt werden. Wenn der Richter sich behilft, weil er in der Einstellung nicht mehr frei hantieren kann und die Verwarnung mit Strafvorbehalt ausspricht – das habe ich vorhin schon gesagt –, dann gibt es die Androhung mit Bewährung. Der Soziale Dienst bei den Landgerichten muss die Bewährungskontrolle vornehmen.
Wenn Sie mit diesen Parametern, von 3 bis 5 Gramm Crystal im Besitz zu haben oder damit zu handeln, mit einem Jahr Freiheitsstrafe bei Ersttätern herangehen, dann können Sie jetzt schon klar erkennen, dass Sie das Bauvorhaben mit der JVA in Zwickau weglassen können; dann reicht die Dimension der JVA nicht aus.
Wenn jemand schon beim ersten Mal noch Bewährung bekommt, dann marschieren sie beim zweiten Mal alle durch die Bank rein. Wir bekommen eine Konsequenz
durch Ersatzfreiheitsstrafen, durch Untersuchungshaftstrafen, wo alles, was wir mehr oder weniger an Personal im Justizvollzug und im Strafverfolgungsbereich, an Richtern und Staatsanwälten eingestellt haben, nicht mehr passt.
Die hinzugekommenen 30 Planstellen – meines Wissens etwa neun Staatsanwälte und fünf Richter – werden für die hinzugekommenen 10 000 Verfahren – der Herr Justizminister sagt: Pro Jahr kommen 10 000 Verfahren dazu – –
Ich weiß nicht, wie solide die Schätzung ist, aber die 10 000 Verfahren, die hinzukommen, haben zur Konsequenz, dass es alles keine Verfahren sind, die in einer Viertelstunde weg sind. Ich kenne so viele Verfahren wegen Bagatellkriminalität, bei denen aus der Beweislage heraus zwei Tage verhandelt wird oder bei denen es durch alle Instanzen geht, weil gerade das rechtsstreitig ist. Wenn Sie bei jedem, der in irgendeiner Form eine allgemeine Straftat begeht – von Sachbeschädigung über Beleidigung oder wie auch immer –, wenn Sie dort auch noch überall die Fahrerlaubnis entziehen bzw. Fahrverbot aussprechen, dann wird bei keinem Prozess der Deckel draufkommen. Sie werden alle über die Instanz klagen, weil sie die Fahrerlaubnis brauchen, um beispielsweise ihren Beruf auszuüben.
Da geht es um die Frage, ob ich – Kollege Mackenroth, da habe ich einen Dissens mit Ihnen – – Der Bundesgesetzgeber hat die Richtlinien zum Straf- und Bußgeldverfahren speziell mit Vorgaben für die Staatsanwaltschaft ganz bewusst als Anhang zur Strafprozessordnung unter der Maßgabe gemacht, dass in der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel die Einstellungspraxis nahezu einheitlich ist.