Wir werden dem Gesetzentwurf der LINKEN zustimmen, auch wenn wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Er bringt das sächsische Vergaberecht mit etwas anderen Schwerpunkten voran als unser Entwurf, aber er bringt es voran. Das ist es, was hier zählt.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Nein, gibt es nicht. Ich frage die Staatsregierung, wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dulig, bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häufig wird den Parteien vorgeworfen, man könne nicht mehr unterscheiden, wofür sie stehen. In diesem Fall stimmt es nicht. Man kann das ganz klar definieren und zeigen, woher und aus welchen Gründen bestimmte Positionen kommen.
Ich bin deshalb dem Kollegen Pohle dankbar, dass er aus seiner Sicht – auch als Handwerker – die Gründe dargelegt hat, warum er gegen eine Veränderung des Vergabegesetzes ist. Genauso wie – das wird jetzt niemanden wundern – ich Henning Homann sehr unterstütze mit seinem Blick auf das Thema: Was ist mit Beschäftigten – mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – auch im Hinblick auf die notwendigen Fragen des zukünftigen Fachkräftebedarfes unter gerechten Bedingungen auf dem Markt? So kann man auch Unterschiede deutlich machen, und das kann man auch ohne Schaum vor dem Mund, weil Sie am Schluss für alles eine Mehrheit brauchen. Deshalb ist es gut zu wissen, wofür eine CDU steht,
wofür eine SPD steht. Am Schluss geht es aber darum: Kann man sich auf bestimmte Dinge einigen, denn Sie brauchen eine Mehrheit. Und wenn es dafür keine Mehrheit gibt, heißt es noch lange nicht, dass deshalb die Parteien ihre Positionen aufgegeben haben. Das kann man auch einmal laut und deutlich sagen. Deshalb hat diese Debatte bisher zur Schärfung der Unterschiede beigetragen. Das ist nicht schlimm, sondern eher gut, dass die Leute sehen können, wofür bestimmte Parteien stehen.
Das bestehende geltende Vergabegesetz ist seit Anfang 2013 in Kraft. Es ist im Vergleich zu anderen Bundesländern ein sehr kurzes Gesetz und enthält lediglich Regelungen zum Anwendungsbereich, zum Nachweis der Eignung, zu freihändigen Vergaben, zur Prüfung und Wertung der Angebote, zur Weitergabe von Leistungen, zu Sicherheitsleistungen, zum Nachprüfungsverfahren sowie zum Vergabebericht. Jetzt sagen einige: Das reicht uns aus. Andere sind der Meinung: Nein, das geht uns nicht weit genug. Wir haben uns damals im Koalitionsvertrag darüber verständigt, dass wir das Vergabegesetz bis spätestens 2017 überarbeiten und nach europarechtlichen Vorgaben anpassen. Dabei sollten genauso Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung wie soziale und ökologische Kriterien geprüft werden.
Wie Sie wissen, gibt es diesen Entwurf nicht, weil wir keine Einigung in der Koalition gefunden haben. Darauf wurde jetzt auch schon hingewiesen. Trotz alledem bleibt die Frage: Was sind die Gründe, die dazu führen müssten, eine Veränderung vorzunehmen? Ich hätte es schon sehr begrüßt, wenn die diskutierten Regelungen zur Erhöhung der Tarifbindung, zur gleichen Entlohnung für Leiharbeiternehmer, zur Kontrolle und erforderlichenfalls Sanktionierung der Nichteinhaltung von Erklärungen, zur Berücksichtigung von innovativen, sozialen und ökologischen Kriterien Eingang in die Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes gefunden hätten. Im Ergebnis ist nun festzuhalten, dass es nicht gelungen ist, einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen. Deshalb haben wir keinen eigenen Gesetzentwurf eingebracht.
Nun möchte ich natürlich noch auf den Gesetzentwurf der LINKEN eingehen. Ja, es ist schon aufgefallen, dass weite Teile des Entwurfes dem entsprechen, was LINKE und SPD gemeinsam im Jahr 2012 im damaligen Gesetzgebungsverfahren eingebracht haben. Dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem möchte ich noch einige Anmerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf machen. Das zukünftige Vergabegesetz soll modern sein. Modern heißt nicht nur, in Anlehnung an das Oberschwellenrecht die strategischen Ziele aufzunehmen, also die Berücksichtigung von innovativen Ansätzen sowie von sozialen und ökologischen Aspekten. Modern heißt auch, es so umfänglich wie nötig und so kurz wie möglich zu machen. Diesem Anspruch genügt der Gesetzentwurf nicht. Das möchte ich auch begründen.
Der Anwendungsbefehl für die Unterschwellenvergabeordnung ist richtig und wichtig. Allerdings sieht der
Gesetzentwurf dadurch vor, dass die Auftragsvergaben aller öffentlichen Auftraggeber im Freistaat Sachsen ab dem 1. Januar 2020 ausschließlich mit elektronischen Mitteln erfolgen sollen. Das würde bedeuten, dass alle staatlichen und kommunalen Vergabestellen ihre Vergaben über sogenannte Vergabeplattformen durchführen müssen. Darauf ist ein Großteil der Kommunen schlichtweg gar nicht vorbereitet. Nach dem Entwurf sollen ÖPNV- und SPNV-Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigten bei der Ausführung der Leistungen mindestens nach den repräsentativen Tarifverträgen entlohnen. Der Ansatz ist für ein modernes Vergabegesetz richtig. Es fehlt allerdings eine Regelung dazu, wie und nach welchen Kriterien die Repräsentativität des anzuwendenden Tarifvertrages bestimmt werden soll. Sie wissen ganz genau, dass genau dort die Achillesferse ist.
Der Gesetzentwurf bestimmt hier lediglich, dass der Auftraggeber den oder die anzuwendenden Tarifverträge bestimmt. Die Feststellung der Repräsentativität eines Tarifvertrages können die Auftraggeber nicht leisten.
Was der Gesetzentwurf als Inhalt für einen jährlichen Vergabebericht fordert, ist mehr als erheblich. Es soll erfasst werden: Namen und Anschriften aller öffentlichen – gemeint ist wohl aller staatlichen – Auftraggeber sowie Sitz, Rechtsform und Beschäftigtenzahl der Auftragnehmer. Ferner soll die Erfolgsquote von kleinen und mittleren Unternehmen erfasst werden. Des Weiteren soll es eine Statistik zur Häufigkeit und Gründen für die Ablehnung ungewöhnlich niedriger Angebote geben. Unklar ist, warum der Vergabebericht eine Überprüfung der Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf die wirtschaftlichsten Angebote enthalten soll. Diese umfassende Ansammlung von Daten verursacht sehr viel Arbeit, bringt dem Leser des Vergabeberichts aber keinen nennenswerten Mehrwert.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Aufgerufen ist das „Gesetz zur Weiterentwicklung des Vergaberechts im Freistaat Sachsen“, Drucksache 6/13914, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Es wird abgestimmt auf der Grundlage des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich schlage vor, die einzelnen Bestandteile des Gesetzentwurfs zunächst zu benennen und dann en bloc abstimmen zu lassen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Abgestimmt wird über die Überschrift, Artikel 1, „Gesetz über Tariftreue, Sozialstandards und freien Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen“, „Sächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz“, Artikel 2, „Änderung der Sächsischen Haushaltsord
nung“, Artikel 3, „Änderung der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation und Besetzung der Vergabekammern des Freistaates Sachsen“, Artikel 4, „Änderung der Sächsischen Dienstleistungsrichtlinienverordnung“, Artikel 5, „Inkrafttreten, Außerkrafttreten“.
Meine Damen und Herren, wer den genannten Bestandteilen des Gesetzentwurfs seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? –
Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist den Bestandteilen des Gesetzentwurfes nicht entsprochen worden. Wird eine Schlussabstimmung gewünscht?
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Aussprache. Zunächst erhalten die Fraktionen in der Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPDFraktion, AfD-Fraktion das Wort und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir alle wissen, hat beim Vergaberecht nicht nur der Prüfauftrag des Koalitionsvertrages zur Erhöhung der Tarifbindung sowie zu sozialen und ökologischen Kriterien zu nichts geführt, Herr Kollege Pohle, sondern die nicht als Prüfauftrag, sondern fest vereinbarte Überarbeitung und Anpassung einer europarechtlichen Vorgabe ist gleich komplett ausgefallen.
Weil wir eine konstruktive Oppositionsarbeit machen, beschränken wir uns nicht aufs Kontrollieren und Kritisieren, sondern schlagen dort Lösungen vor, wo diese Koalition und die Staatsregierung nicht zu Potte kommen.
Es ist offensichtlich durchaus eine Grundsatzdebatte zwischen den Koalitionspartnern und auch hier in diesem Haus, die sich um das Vergaberecht abspielt. Dabei geht es wirklich ums Prinzip, wie etwa in der Position des Sächsischen Städte- und Gemeindetages deutlich wird, die da lautet – ich zitiere –: „Die Aufnahme von vergabefremden Kriterien in die Regelungen des Sächsischen Vergabegesetzes ist abzulehnen.“ Ich zitiere weiter: „Die dem Wettbewerb sowie einer sparsamen Haushaltsführung unterliegenden vergaberechtlichen Bestimmungen werden ansonsten umfunktioniert, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen. Das Vergaberecht eignet sich jedoch nicht, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu
korrigieren. Es hat nur eine transparente Auftragsvergabe und einen möglichst uneingeschränkten Wettbewerb zu gewährleisten.“
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, sind wir klar anderer politischer Meinung. Wir meinen, es ist Aufgabe der Politik, das große Bild im Auge zu behalten und mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten politische Ziele durchzusetzen. Das nennt man „Regieren“. Wir sind überzeugt, dass gerade das Vergaberecht geeignete und mittelfristig besonders wirksame Mittel bietet, die dies unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erlauben.
Wer volkswirtschaftliche Gesamtkosten und Gesamteffekte aus dem Auge verliert, wird sich am Ende wundern, warum er vor einer zutiefst unzufriedenen Gesellschaft mit einer Menge sich ansammelnder struktureller Probleme steht, obwohl er doch immer versucht hat, es irgendwie allen recht und billig zu machen.
Genau deshalb setzen wir einen Vergabegesetzentwurf dagegen, der es anders anpackt. Er spiegelt unsere Überzeugung wider, dass gerade unser aller Steuergeld besonders verantwortungsbewusst eingesetzt werden muss.
Derzeit kann sich die Wirtschaft gerade im Baubereich wirklich nicht über eine mangelnde Auftragslage beschweren. Ganz im Gegenteil. Es gibt deshalb den Einwand, dass zusätzliche Anforderungen bei der Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand dazu führen würden, dass niemand, der das nicht nötig hat, künftig noch öffentliche Aufträge annehmen würde. Solche Einwände müssen durchaus ernstgenommen werden; denn sie kommen aus der täglichen Praxis. Deshalb lassen Sie uns gern im Detail darüber diskutieren, wie ein modernisiertes Vergabegesetz auf solche Situationen hinreichend flexibel reagieren kann.
Wir alle wissen doch: Nach der Konjunkturdelle ist vor der Konjunkturdelle. Die Situation, in der nach privatem Auftragseinbruch gerade die öffentliche Hand mit Investitionsprogrammen zum Stabilitätsanker für viele Dienstleister und Anbieter wird, ist dann mit einem modernen Vergaberecht auch die Situation, in der Konsolidierungen einmal nicht zulasten der Unternehmen mit hoher Qualifikation, mit guten Sozialstandards und mit Umweltverantwortung gehen, sondern jene aussortieren, die sich mit Dumpingstrategien durch den Markt bewegen. Auch so kann eine Wirtschaft gestärkt aus Konjunkturzyklen hervorgehen. Auch so wirkt ein modernes Vergaberecht in Richtung Stärkung und Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft.
Recht vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, in Vorbereitung auf diese Debatte zum Entwurf eines Vergabegesetzes der GRÜNEN hatte ich kurz einen ketzerischen, aber zeitsparenden Gedanken. Dieser sagte mir: Ronald, such einfach deine Rede vom 17.04.2013 wieder heraus und halte sie noch einmal. Ihr Entwurf ist auch der von 2013.
Genau deshalb, sehr geehrter Herr Dr. Lippold, haben wir uns Ihrem Gesetzentwurf verweigert, wie Sie in Ihrer Presseerklärung nach der diesbezüglichen Ausschusssitzung feststellten. Wir haben uns vielmehr an dem großen französischen Philosoph Baron Montesquieu orientiert: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“