Wir als Freistaat können dort vorangehen und mit forschen. Bei Pestizidreduktion geht es nicht nur um diesen einen Stoff, sondern auch dabei könnten wir vieles unterstützen, damit man anders zurande kommt. Ein weiteres Schlagwort ist, dass dort Nützlinge ihre Arbeit machen. Es gibt vieles, was man im Prinzip totgespritzt hat. Auch andere Landwirte nutzen es, dass andere Pflanzen oder Insekten helfen, wiederum andere zu bekämpfen. Darüber kann man noch viel Wissen erlangen. Das nützt insbesondere der Biolandwirtschaft, aber auch der konventionellen Landwirtschaft.
Wir als Freistaat Sachsen sollten dort vorangehen. Den Antworten der Staatsregierung haben wir entnommen, dass man mehr oder weniger auf das wartet, was von der Bundesebene kommt. Ja, dort hat man einen Plan. Aber warum sollte man in Sachsen nicht einmal innovativ vorangehen, um für unsere Standorte eine Strategie bis 2022 aufzustellen und den Blick in die Zukunft zu richten, dass man tatsächlich mit wenigen dieser Stoffe auskommt? Damit hätten wir einen Mehrgewinn für die Landwirte. Ich hatte die Zahlen genannt, welche Umsätze in der chemischen Industrie gemacht werden. Wir reden immer davon, dass von dem, was auf dem Acker produziert wird, mehr beim Landwirt hängen bleiben soll. Wenn er weniger an die chemische Industrie bezahlt, dann bleibt mehr bei ihm hängen.
Zu den Auswirkungen auf die Umwelt. Wir reden immer über Artenschwund. Ich muss nicht die Horrorzahlen wiederholen. Auch dort müssen wir vorankommen. Das heißt für uns: Es ist für uns eine Aufgabe, die wir einfach nicht verschlafen dürfen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich mich in einer etwas merkwürdigen Situation befinde, da ich auf der einen Seite für meinen Betrieb entschieden habe, ökologisch zu wirtschaften, und auf der anderen Seite hier sage, dass es unklug wäre, Pflanzenschutzmittel generell zu verbieten. Das gilt insbesondere für Glyphosat. Das ist eines der am besten untersuchten Mittel,
Was haben Smartphones und Glyphosat gemeinsam? Die Nutzung von beiden könnte gefährlich, Krebs erregend sein und irgendwelche Spielsüchte auslösen. Warum diskutieren wir nur bei Glyphosat auf hohem intellektuellen Niveau und kaum bei Smartphones? – Weil ein Smartphone jeder nutzt, seinen persönlichen Nutzen daraus zieht und er bereit ist, irgendwelche diffusen Restrisiken zu tolerieren. Glyphosat nutzt eben nur eine sehr geringe Gruppe von Landwirten, die mit ihrer Tätigkeit die Grundlagen dafür schafft, dass wir 10 bis 12, maximal 15 % unseres Einkommens für Lebensmittel ausgeben.
Wer sagt, er will das alles nicht mehr, der muss auch deutlich dazusagen, dass der Preis für Nahrungsmittel dann wesentlich in die Höhe gefahren wird. Unabhängig davon möchte auch ich keinen Glyphosat-Einsatz wie in Amerika oder gar in Südamerika haben. Ich teile darin auch Ihre Ansicht ein Stück weit, Herr Günther, dass nicht alles mit Chemie zu machen ist.
Vernünftige Landwirte machen eine gute Kombination aus Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Pflanzenschutzmitteln, die immer weiter zu verbessern sind. Idealerweise geht es natürlich ohne. Aber selbst wenn man es ganz ohne macht wie im ökologischen Landbau, bekämpft man doch Un- und Wildkräuter, die dann auch nicht mehr da sind und irgendwelchen Insekten als Nahrungsgrundlage zur Verfügung stehen. In diesem Falle geschieht es nicht durch Chemie, sondern durch mechanische Unkrautbekämpfung.
Wie sieht Striegeln aus? Der Boden wird mit vielen, ein Zentimeter starken Zinken gekämmt, um Unkraut herauszureißen. Das überlebt in der Regel kein Nest eines Bodenbrüters, während die Gefahr, dass Bodenbrüter eine kurze Spritzmitteldusche nicht überleben, wesentlich geringer ist.
Was will ich also damit sagen: Wir teilen Ihren Ansatz nicht und gehen davon aus, dass für eine moderne Landwirtschaft Pflanzenschutzmittel unerlässlich sind, dass mit diesen auch ordentlich umzugehen ist, um Resistenzbildungen und Belastungen zu vermeiden.
Wenn ich mir so die Untersuchungsergebnisse der Landesuntersuchungsanstalt anschaue, dann haben wir im seltensten Fall mal Grenzwertüberschreitungen von Pflanzenschutzmitteln, was auch bestätigt, dass unsere Landwirte das alles tun. Unabhängig davon können wir auch noch auf reichlich Initiativen für Extensivierungsprogramme verweisen, aber damit werden wir am Ende eines Tages die Welt nicht mehr ernähren können.
Gestatten Sie mir noch zwei Zahlen: Wenn man mal so den Durchschnitt betrachtet, wie viel landwirtschaftliche Nutzfläche für einen Bürger dieser Welt zur Verfügung steht, dann sind wir jetzt bei ungefähr 2 500 Quadratmetern. Man prognostiziert, in 20, 30 Jahren sind wir noch bei 1 000 Quadratmetern. Wie groß die Fläche dann
wirklich ist, kann sich jeder ausrechnen – so ein Streifen von 10 mal 100 Metern –, und darauf soll dann jeder das anbauen, was er das ganze Jahr über zu essen gedenkt. Das ist das, was ich mir gelegentlich vorstelle: Wenn einfach keiner mehr Landwirtschaft macht, weil er sagt, ich bin es leid, mir diese öffentlichen Diffamierungen, diese öffentliche Besserwisserei anzutun, anzuhören. Meine Kinder wollen es eh nicht, die fragen, warum tust du dir das an? Machen wir einfach nicht mehr. Jeder bekommt seine 1 000 Quadratmeter, kann das dann nach bestem Wissen und Gewissen tun.
Ich glaube, dazu wird wohl niemand bereit sein. Ich bitte also hier um ein bisschen mehr Ehrlichkeit bei der Diskussion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Wer die gesellschaftliche Debatte um Glyphosat in den letzten Jahren verfolgt hat, der wird zugeben müssen, dass wir bei den unmittelbaren Anwendern ungeachtet aller öffentlichen Aufregung immer noch nicht wirklich weitergekommen sind.
Die konventionelle Landwirtschaft, also diejenigen, die rund die Hälfte der Landesfläche bewirtschaften, verteidigt Glyphosat nach wie vor als unverzichtbares Produkt mit jahrzehntealter Anwenderpraxis. Ökobetriebe, Umweltschützer und breite Teile der Verbraucherinnen und Verbraucher fordern dagegen ein Verbot.
Eine jahrzehntelange Anwendungspraxis kann allerdings nicht überzeugen, weil sich jede Zulassung dem ständigen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt stellen muss und weil die Zulassungsbehörden aus rein finanziellen Gründen zunächst auf Studien der Hersteller zurückgreifen, die aber entwickeln, um zu verkaufen. Mit objektiver, unabhängiger oder ökosystemischer Wirkungsbetrachtung hat eine solche Prüfung nicht viel zu tun.
Überdies arbeiten deutsche Zulassungsbehörden auch ausgesprochen langsam. Jedes vierte Pflanzenschutzmittel ist nur deshalb noch auf dem Markt, weil es eine Ausnahmegenehmigung zur Zulassungsverlängerung bekommen musste wegen Verfristung, und die bekommt man dann ganz ohne neue Prüfung zu Wirkung und Giftigkeit.
Manchmal arbeiten die Behörden wieder zu schnell, dann wohl eher, um lästigen Abstimmungen aus dem Weg zu gehen, wie jüngst, als das Agrarministerium im Bund im Alleingang mal 18 Zulassungen für Ackergifte en passant durchwinkte. So viel übrigens zur Ernsthaftigkeit der angekündigten Glyphosat-Minderungsstrategie aus dem Hause Klöckner.
Selbst die jährliche Liste der Widerrufe von Zulassungen kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Gesamtmenge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln steigt laut Umweltbundesamt, auch wenn der Einsatz von Herbiziden seit 2012 rückläufig ist. Der Optimist sagt an dieser Stelle: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen – oder vielleicht passender das Insekt –, aber es lebt – noch, fügt der Pessimist hinzu. Und recht gibt dem Pessimisten das weltweit seit Jahren beobachtete unerklärliche Bienensterben oder bei uns hier vor Ort die bekannte Krefelder Langzeitstudie zur Abnahme der Insekten. Dabei gibt schon die vorherrschende agrarwirtschaftliche Produktionsweise vor, welche Pflanzenschutzmittel entwickelt werden.
Glyphosat ist somit Ausdruck eines Agrarsystems, das immer mehr und immer billiger produzieren will, mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch, Tier, Boden und Umwelt, schreibt zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Natürlich gibt es andere Pflanzenschutzmittel – auch wesentlich giftigere –, aber keines ist so bekannt und umstritten wie Glyphosat und keines wird so breit angewendet. Glyphosat ist damit längst zu einer politischen Metapher geworden, die auf den einen Grundkonflikt zurückführt: Wie wollen wir unsere Landwirtschaft der Zukunft gestalten? Glyphosat-Verbote kratzen insofern nur an der Oberfläche eines Systems, das die Hauptursache für den beobachteten Artenschwund ist.
Die sachgerechte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die gute fachliche Praxis oder auch der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz konnten jedenfalls nicht verhindern, dass der Problemdruck auf dem Feld wächst – mit wenigen Fruchtarten, kurzgliedrigen Fruchtfolgen, großen Schlägen, großer Technik auf der einen Seite und geringer Artenvielfalt, belasteten Böden, abnehmender Zahl an Betrieben, gefährdeten Hofnachfolgen auf der anderen Seite.
Mit dem Problemdruck wächst die Erwartungshaltung der Menschen an den Berufsstand und die Politik. Ausdruck einer solchen Erwartungshaltung ist unter anderem das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns: das Volksbegehren Artenschutz. Ministerpräsident Söder will nun ein noch besseres Artenschutzgesetz in Bayern als Alternative vorlegen. Wir in Sachsen haben zwar kein eigenes Pflanzenschutzgesetz, aber das zeigt schon einmal, was auf Landesebene möglich wäre.
Anderswo geht man noch weiter. Bereits Ende 2017 hat das Land Kärnten in Österreich sein Pflanzenschutzgesetz geändert und – Zitat – die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat auf Landwirtschaftsflächen im Sinne des Vorsorgeprinzips für die Dauer von drei Jahren verboten. Auf Bundesebene verlangt gerade die Petition Pestizidkontrolle, die Zulassungsregelungen für Pflanzenschutzmittel zu verbessern.
Auch in Sachsen wurde Mitte Februar eine Petition gestartet, die Petition „Rettet die Bienen“. Herr Staatsmi
nister Schmidt, Sie können ja schon einmal überlegen, was Sie den inzwischen schon mehreren Tausend Petenten in Sachsen anbieten wollen. Der Verweis auf den Bund wird da so kurz vor den Landtagswahlen kaum Punkte im Koalitionsheftchen bringen.
Die Frage ist also eher: Will man Teil von Bewegung sein oder von Bewegung zum Jagen getragen werden? Die Richtung ist jedenfalls unumkehrbar und das Thema ist raus aus der Nische.
So ein bisschen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, erinnert mich der Glyphosat-Streit übrigens an die Kohledebatte: Erst jahrzehntelang die Wende ausbremsen und dann heulen, dass die Zeit knapp wird. Machen Sie doch bitte nicht bei der Agrarwende den gleichen Fehler, liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich doch einmal an die Spitze von Bewegung!
Die von den GRÜNEN beschriebenen Maßnahmen zum Glyphosat-Ausstieg sind sachgerecht und der Freistaat täte gut daran, zügig selbst aktiv voranzugehen. Er kann es ja auch gar nicht mehr anders, als dem Bund irgendwie gerecht zu werden. Denkbar wären ergänzend noch eigene sächsische Bundesratsinitiativen – jetzt müssen Sie zuhören, Herr Staatsminister! –
Sachsen hätte sich auch einfach der Bundesratsinitiative aus dem rot-rot-grün-regierten Thüringen anschließen können, statt sie nur zu blockieren. Das Artensterben ist nicht durch ein paar kosmetische Korrekturen zu stoppen. Wir brauchen eine Agrarpolitik, die die Ursachen für den Intensivierungsdruck bekämpft und damit erst eine deutliche Reduzierung von chemischen Pflanzenschutzmitteln für den Bauern möglich macht.
Ein klarer Glyphosat-Ausstiegspfad in Sachsen könnte ein Einstieg in den Ausstieg sein. Ich werde meiner Fraktion empfehlen zuzustimmen und ich richte noch einmal den Appell an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Gleiches zu tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde im März des letzten Jahres in den Landtag eingebracht. Es war kurz, nachdem im Bund der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD abgeschlossen wurde. Dazu werde ich im Verlauf meiner Rede aber noch kommen.
Wir haben hier im Hohen Haus schon oft über den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft debattiert. Aus
diesem Grund möchte ich heute nicht so sehr ins Detail gehen und mich nicht an den Extremausschlägen bei der Betrachtung dieser Problematik beteiligen.
Als ein der Landwirtschaft verbundener Politiker habe ich zu diesem Thema eine differenzierte Meinung. Für mich gilt grundsätzlich, dass Glyphosat und alle anderen Pflanzenschutzmittel so wenig wie möglich zum Einsatz kommen sollten, und wenn, dann nur dort, wo andere Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung scheitern oder – das ist auch wichtig – ökonomisch nicht vertretbar sind.
Dabei sind wir beim Kern des Problems: Wir müssen sinnvolle und ökonomisch vertretbare Alternativen für die Landwirtschaft finden; denn Fakt ist – darauf gehen Sie auch ein Stück weit in Ihrem Antrag ein, Kollege Günther –, der Ausstieg aus dem Glyphosat-Einsatz wird zu mehr Kosten in der Landwirtschaft führen. Es müssen auch Arbeits- und Produktionsprozesse umgestellt werden. Deshalb halte ich die Einigung, die CDU/CSU und SPD auf Bundesebene im Koalitionsvertrag erzielt haben, für einen sehr guten Kompromiss, der die Marktbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion einerseits und den Umweltschutz andererseits einbezieht.
Die Koalition von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Einsatz von Glyphosat einzuschränken und die Anwendung mittelfristig zu beenden. Dieser Absatz steht übrigens unter der Überschrift „Biodiversitätsschutz“.
Um den schrittweisen Ausstieg auf den Weg zu bringen, sollen gemeinsam mit der Landwirtschaft im Rahmen einer Ackerbaustrategie Alternativen entwickelt werden.
Nun kann man sagen, man hat sich auf Bundesebene verständigt, also lasst uns in Sachsen eine eigene Ausstiegsstrategie entwickeln, wie es die Fraktion der GRÜNEN in ihrem Antrag tut. So einfach ist es aber nicht. Das zeigt Thüringen. In Thüringen hat man vor zwei Jahren im Rahmen eines Projektes eine Minimierungsstrategie gestartet. In den dort vorgenommenen Feldversuchen wurde klar, dass alternative Verfahren von sehr vielen Faktoren abhängig sind – es ist schon teilweise genannt worden. Ich denke unter anderem an die Witterung, an die Standorte, also an die Lage der Grundstücke und Betriebe, und an den Einsatz der richtigen Technik.