Wolfram Günther
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Verlauf der letzten zehn Jahre, also seit 2009, sind jährlich zwischen 150 und 200 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Dazu kommen Tausende Verletzte, von Schwerverletzten bis Leichtverletzten. Wir sind der Auffassung, jeder einzelne Verkehrstote ist einer zu viel. Wir fordern deshalb ein umfassendes Konzept zur Vermeidung schwerer Unfälle. Wir möchten mit unserem Antrag „Vision Zero – Null Verkehrstote: schwere Verkehrsunfälle verhindern“ erreichen, dass der Freistaat grundsätzlich umschwenkt von einer Verkehrsplanung, die sich vor allen Dingen um Verkehrsflüssigkeit und Leichtigkeit, also Reisegeschwindigkeit im Fahrzeugverkehr leiten lässt, hin zu einer Verkehrspolitik, die von der Vermeidung von Unfällen gelenkt wird. Dabei müssen die Belange des Rad- und Fußverkehrs, die Sicherheit der Schulwege und der öffentliche Verkehr ganz deutlich im Fokus stehen.
Vielleicht ein Beispiel von mir zu Hause in LangenleubaOberhain: An der alten B 175 gibt es eine Stelle, wo die Schüler im Schülerverkehr umsteigen müssen. Man muss aus einem Bus herausspringen, hat 20 Zentimeter Platz auf einem Rasenstreifen. Dahinter kommt schon der Graben der Straße. Dann müssen die Schüler dort die Straße überqueren. Die Eltern beschweren sich seit Jahren, dass das unhaltbare Zustände sind, wenn die Kinder und Jugendlichen bei Wind und Wetter dort stehen. Das fast Erwartbare ist in diesem Jahr eingetreten: Ein elfjähriges Mädchen wurde genau dort überfahren.
Das sind Zustände, die wir grundsätzlich angehen müssen. Dazu gibt es diesen Ansatz „Vision Zero – Null Verkehrstote“. Der wurde in Schweden entwickelt und kommt aus der Arbeitssicherheit, dass man sagt, wir müssen uns einmal grundsätzlich die Prozesse anschauen. Wir müssen uns bewusst sein, dass Menschen Fehler machen, und wir müssen beim Umgang mit den Fehlern, die Menschen machen, die Gegebenheiten so organisieren, dass man ausgehend von den Belastbarkeitsgrenzen des menschlichen Körpers die Dinge so organisiert, dass möglichst schwere Verletzungen und Tote vermieden werden.
Im Verkehrsbereich ist sicher schon einiges passiert: Gurtpflicht, ABS – wir kennen das alles –, Rettungsintensivmedizin. Es ist viel passiert. Deshalb sind Verkehrstote im langfristigen Trend seit Jahrzehnten zurückgegangen.
Aber im Moment stagniert es hier in Sachsen. Die Zahlen, etwa im Vergleich zu den letzten Jahren, sind sogar gestiegen. Das heißt, wir müssen jetzt in der Verkehrspolitik den notwendigen nächsten Schritt machen.
Diese Vision, die in Schweden entwickelt wurde und schon seit einigen Jahren angewandt wird, hat verschiedene Bausteine. Dabei geht es zum einen um Mensch und Gesellschaft, dass man sagt, wir müssen in allererster Linie möglichst die besonders gefährlichen Verkehrsarten verlagern. Wenn wir vom motorisierten Verkehr auf Bus und Bahn verlagern, ist das 40-mal sicherer. Dann ist ganz viel gemacht. Wir müssen an die Promillegrenzen heran, auch an die Fahrzeugtechnik, wie Karosserien gestaltet sind, aber auch für Lkws diese Abbiegeassistenzsysteme, die Geschwindigkeiten, mit denen Lkws abbiegen, und Straße und Lebensraum begreifen, Gestaltung unseres Straßenraums. Er muss, weil Menschen Fehler machen, letztlich Fehler verzeihend sein. Ein wesentlicher weiterer Punkt ist die Regelgeschwindigkeit.
Mit diesem Konzept, das in Schweden und mittlerweile auch in der Schweiz angewandt wird, hat man es geschafft. Auf 100 000 Einwohner 2018 gibt es in Schweden nur noch 2,8 Tote, in der Schweiz 2,7, und in Deutschland sind es 4,1. Sachsen liegt leider noch über diesem Durchschnitt mit 4,9 Toten pro Jahr. Das ist ein Auftrag an uns als Politik, dass wir von dieser Zahl herunterkommen.
Im aktuellen Verkehrswegeplan für 2030 gibt es schon erste Ansätze. Man will die Anzahl der Getöteten um 40 % reduzieren. Wir sagen, das ist nicht ambitioniert genug. Null Verkehrstote muss das Ziel sein. Da muss man schauen, was man erreicht. Aber wenn man sich schon vornimmt, dass es bei Verkehrstoten bleiben kann, wird man nie ambitionierte Ziele erreichen können. Die Todeszahlen stagnieren ja. Wir haben auch Haushaltsmittel in Höhe von 300 000 Euro zur Entschärfung von Unfallschwerpunkten eingestellt. Das ist sicher nicht der große Wurf, und wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Ausstattung mit Personal in unserer Straßenbauverwaltung ein wichtiger Punkt ist.
Deshalb fordern wir ganz konkret in unserem Antrag, dass wir ein solches Konzept „Vision Zero“ nach Vorbild von Schweden und der Schweiz auch hier für Sachsen aufstellen: dass wir Sicherheitsaudits für das sächsische Straßennetz durchführen, gestaffelt nach Straßenklassen, dass wir ein Förderprogramm Schulwegesicherheit für Kommunen auflegen, damit genau solche Dinge wie bei mir zu Hause, wie im Gymnasium Penig, nicht mehr passieren, dass man dort Geld für Schulwege an Staatsstraßen mit Geh- und Radwegen in die Hand nehmen kann, um diese auszustatten. Wir brauchen ein Sonderprogramm für die
Unterstützung von Kommunen und die Beseitigung von Unfallschwerpunkten. Hierbei haben wir ja schon einiges, was wir in den letzten Jahren erhoben haben. Sicherlich müssen wir noch viel mehr Gewicht in die Öffentlichkeitsarbeit und in die Verkehrsmobilitätserziehung legen.
Auch Verkehrskontrollen durch die Polizei und Lkws im Eigentum des Freistaates mit Abbiegeassistenzsystem sind sehr sinnvolle, nützliche Ansätze. Wir müssen auch Überholabstände regeln und Fahrradstraßen besser möglich machen. Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es freut mich, dass wir uns darüber einig sind, dass jeder Verkehrstote einer zu viel ist. Deswegen ist es nicht verständlich, warum die Staatsregierung den Kernpunkt unseres Antrages „Null Verkehrstote“ ablehnt. So etwas kann man schlichtweg nicht ablehnen, wenn man das, was man vorher gesagt hat, ernst meint. Es geht nämlich genau darum, dass auch sämtliche Richtlinien, alles, wofür Geld ausgegeben wird – – Es geht immer um die Flüssigkeit und die Leichtigkeit des Verkehrs. Das ist aktuell der Maßstab.
Wir sagen: Dazu brauchen wir eine grundsätzliche Wende. Das Ziel muss sein: null Verkehrstote.
Es wurde dargelegt, was über die Jahrzehnte erreicht wurde. Auch dazu habe ich schon Ausführungen gemacht. Es ist richtig, es ist viel erreicht worden, von Airbags über die Anschnallpflicht bis hin zu manchen Richtlinien und Strafen, die erlassen worden sind. Es ist sowohl für die Fahrzeugführer als auch für die Fahrzeuginsassen weniger
gefährlich geworden. Das nützt aber den Radfahrern und Fußgängern im Straßenverkehr nichts. Wenn jemand mit seinem Fahrzeug auf einer gut ausgebauten Straße, die mit Leitplanke versehen ist, abkommt, dann besteht nicht die Gefahr, dass er im Graben landet, weil er vom Airbag aufgefangen wird. Aber der Radfahrer, den er erwischt, hat keine Chance. Hier muss ein grundsätzliches Umdenken geschehen, das wir einfach brauchen. Ich möchte nicht, dass das hier kleingeredet wird.
Am Ende zählen immer die Zahlen – ich hatte sie vorhin genannt. Schweden und die Schweiz sind vorangegangen. Dort sind es 2,7 Verkehrstote auf 100 000 Einwohner, in Deutschland sind es 4,1 Verkehrstote und in Sachsen sind es 4,9 Verkehrstote. Bei diesen Zahlen kann man nicht sagen, dass die getroffenen Maßnahmen ausreichen. Danke für jede einzelne Maßnahme, sie waren alle richtig, aber es reicht nicht aus. Das ist keine Forderung der Opposition, dass es immer weitergeht, sondern es ist ja machbar. Dieses Konzept liegt vor, wir müssen es nur endlich umsetzen.
Ich möchte nicht auf einzelne Punkte eingehen, denn alle Vorredner haben dazu schon etwas gesagt. Da die Staatsregierung schon gesprochen hat und niemand mehr sprechen wird, habe ich wirklich die Ehre, das letzte Wort zu haben. Weil ich weiß, dass neben dem Wunsch nach Gesundheit und Glück und all den Dingen Zeit ein wesentlicher Faktor ist, die niemand von uns bei allem Wissen über Physik und Relativität vermehren kann, möchte ich es kurz machen: Ich möchte jetzt nicht alle Personen aufzählen, denen ich danke, sondern sage nur: Ich danke allen Menschen, die um mich herum sind und die es mir und meiner Fraktion leicht und schön gemacht haben, hier gewesen zu sein. Ich höre jetzt einfach auf und erspare uns den Rest. Ich wünsche uns einen schönen Sommer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Aktuelle Debatte steht unter folgendem Titel: „Froschlöffel und Kratzdistel, Hochmoor-Gelbling und Wildkatze retten – die Warnung des Weltbiodiversitätsrates gilt auch für Sachsen“. Es kommen ganz kleine Dinge zusammen – mit solchen, die ganz groß klingen. Genau das ist das Problem bei diesem Thema. Dabei ist häufig von einzelnen Arten die Rede, wo der eine oder andere denkt: Das habe ich noch nie gehört, brauche ich nicht, hat mir bisher nicht gefehlt. Was soll es? Gleichzeitig summieren sich aber viele solche kleinen Dinge zu einer ganz großen Angelegenheit, die uns alle angeht. Deshalb auch so eine Warnung des Weltbiodiversitätsrates.
2008 hatten wir schon einmal eine Krise. Mit der Lehman-Brothers-Pleite ging die Bankenkrise los. Da war das Schlagwort immer „too big to fail“ – zu groß zum Scheitern. Einzelne Bankhäuser müssen unbedingt gerettet werden, damit nicht das große System insgesamt zusammenbricht. Dafür wurden weltweit Milliarden ausgegeben. Die Zahlen für Deutschland: ungefähr 68 Milliarden Euro.
Jetzt haben wir hier eine ökologische Krise. Da ist das Artensterben nicht die einzige, der Klimawandel ist die andere große Krise. Jetzt ist die Frage: Was ist uns das wert? Was ist hier „too big to fail“? Welche einzelne Art löst welche Kettenreaktion aus? Es geht tatsächlich ums Eingemachte bei uns.
Der Weltbiodiversitätsrat hat – im übertragenen Sinne – eine Biodiversitätsbilanz mit tiefroten Zahlen für unsere industrialisierte Welt vorgelegt. Von den weltweit vorkommenden acht Millionen Arten wird innerhalb weniger Jahrzehnte eine Million verschwunden sein. Mit ihnen sterben ganze Lebensräume. Die Frage ist immer: Wann kommt der Kipppunkt? Das ist eine Bewegung, die sich
selbst verstärkt. Je mehr Arten verschwinden, umso weniger widerstandsfähig sind Lebensräume, sind Arten. Nahrungsketten werden unterbrochen. Das ist eine Bewegung, die immer dramatischer wird. Es wird davon gesprochen, dass wir seit den letzten zehn Millionen Jahren ein zehn- bis hundertfach stärkeres und sich beschleunigendes Artensterben haben. Das wird von den Biologen tatsächlich nur noch mit der Zeit verglichen, als die Dinosaurier ausgestorben sind.
Was heißt das für uns in Sachsen? Wir müssen uns nur die Roten Listen anschauen, die unser Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie erstellt. Von den hier heimischen Brutvogelarten sind 7 % bereits ausgestorben – nur noch die Hälfte hat keinen Gefährdungsstatus. Von den Tagfaltern sind schon 14 % ausgestorben – nur noch ein Viertel hat keinen Gefährdungsstatus. Von den Lurchen und Kriechtieren sind schon 8 % ausgestorben – nur noch ein Drittel hat keinen Gefährdungsstatus. Von den Säugetieren sind 11 % ausgestorben – nur noch ein Drittel bis ein Fünftel hat keinen Gefährdungsstatus. Von den Farnen und Samenpflanzen sind 9 % ausgestorben. Nur ein Drittel hat keinen Gefährdungsstatus. Man könnte die Liste fortsetzen.
Was ist da so verschwunden? Bei den Pflanzen sind das etwa die Ackerringelblume und das Wanzenknabenkraut. Das sind Pflanzen, die früher einmal üblich waren. Beim Auerhuhn gab es 1997 die letzte Brut. Bei der Großtrappe hatten wir 1994 den letzten Nachweis. Der Große Brachvogel hat 1999 das letzte Mal ein Revier besetzt. Von den Wirbeltieren ist es zum Beispiel der Gartenschläfer. Hier gab es 2006 den letzten Nachweis. Bei uns ist das europäische Ziesel ausgestorben. Ebenso betrifft das den europäischen Nerz. Er ist ganz wichtig für unsere Kulturgeschichte. Früher war bei sämtlichen Fürsten die Staatsbekleidung aus diesem Fell.
Vom Aussterben sind solche Arten wie die Weißtanne, die Edelschafgarbe, der Grasblättrige Froschlöffel, Frauenmantel, Adonisröschen, drei Eisenhutarten, vier Glockenblumenarten, 14 Seggenarten, drei Kratzdistelarten, fünf Nelkenarten. Das kann man beliebig fortsetzen.
Von den Säugetieren sind bedroht der Feldhamster, die Wildkatze – noch vor wenigen Jahren unvorstellbar. Von den Faltern ist es unter anderem der Hochmoor-Gelbling.
Wir haben da eine ganz schlimme Tendenz. Man kann zum Beispiel bei den Vogelarten sehen, wie die Gefährdung regelmäßig steigt. 1999 stand auf den letzten Roten Listen die Bekassine als nur stark gefährdet. 2015 ist sie schon vom Aussterben bedroht. Dasselbe gilt für die Haubenlerche. Auch sie ist von stark gefährdet auf vom Aussterben bedroht gewechselt, ebenso der Kiebitz, das Rebhuhn. Der Kuckuck war damals noch auf der Vorwarnliste. Jetzt ist er schon gefährdet. Diese Namen ließen sich endlos fortsetzen. Wir könnten noch die verschiedensten Entenarten erwähnen oder den Steinkauz, die Kornweihe, das Birkhuhn, die Ringdrossel. Die Entwicklung ist dramatisch. „Too big to fail“ – wo wird der Punkt sein, an dem es für uns kein Zurück mehr gibt?
5 Minuten meiner Redezeit sind um. In der zweiten Runde werde ich Weiteres ausführen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Thema ganz bewusst als Aktuelle Debatte und nicht als Antrag gewählt, damit wir ohne Zwang – und weil man einem Antrag vielleicht nicht zustimmen kann, weil er aus der Opposition kommt – einmal gemeinsam über dieses Thema reden können.
Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass wir, genauso wie wir dem Klimawandel nur gemeinsam begegnen können, auch das Artensterben nur gemeinsam aufhalten können. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine Aufgabe von einigen Naturschützern, die sich als solche ausweisen. Es ist eine Aufgabe, der sich alle Parteien stellen müssen. Auch wenn es die eine Partei vielleicht nicht ganz hinbekommt, werden wir damit leben müssen. Aber der gesellschaftliche Konsens, das hier anzugehen, sollte breit genug sein.
Vor diesem Hintergrund bin ich ein wenig erstaunt, lieber Herr Kollege Hippold von der CDU, wenn Sie sagen, unser Debattentitel sei populistisch. Was, bitte, ist an unserem Titel populistisch, wenn wir sagen, dass die Warnung des Weltbiodiversitätsrates ernst zu nehmen ist?
Das ist alles andere als populistisch. Das ist eine Aufgabe, die an die gesamte Bevölkerung gerichtet ist. Vielleicht meinen Sie ja das im positiven Sinne.
Natürlich gibt es auch Dinge, bei denen wir in Sachsen etwas anders machen müssen. Sich jedes Mal hier hinzustellen – das haben Sie schon im Jahr 2015 getan, als wir GRÜNE es das erste Mal als Aktuelle Debatte auf die Tagesordnung gebracht haben – und zu sagen: Wir machen doch in Sachsen schon so viele schöne Sachen, uns geht es hervorragend – aber das reicht nicht.
Ich glaube, es war deutlich genug, was ich Ihnen vorhin mit Zahlen belegt habe. Die Tendenz ist dramatisch, und sie geht nach unten und nicht nach oben. Deshalb haben wir riesige Aufgaben vor uns und können uns nicht zufrieden zurücklehnen. Das hat mit einzelnem Artensterben zu tun. Das hat auch mit kompletten Lebensräumen zu tun, die hierbei verloren gehen. Lebensraumtypen, die europäisch geschützt sind – Anhang 1 der FFH-Richtlinie: In Sachsen haben wir 47 Lebensraumtypen und bei 20 von denen gibt es eine Verschlechterung. Dazu gehört auch die Flachlandmähwiese. Deutschland wird derzeit von der Europäischen Union verklagt, weil es die Ziele nicht einhält. Damit haben wir auch in Sachsen etwas zu tun, da wir keine ausreichenden Schutzgebiete ausgewiesen haben. Diesbezüglich wären Deiche und Deichvorländer sehr geeignet gewesen. Das haben wir aber nicht gemacht.
Zu einem anderen Punkt. Die Hartholzaue ist ebenfalls ein Lebensraumtyp, der davon betroffen ist. Auch diesbezüglich gibt es Probleme. Ich nenne hierzu den Leipziger Auwald und die Burgaue, wo um das Jahr 2011 herum ohne Genehmigung durch Freistaatsbehörden Tausende Bäume gefällt worden sind. Jetzt haben wir dort einen drohenden kompletten Verlust solcher Lebensräume. Genauso werden solche Themen wie die Wiedervernässung nicht angegangen. Es drohen gesamte Lebensräume zu vertrocknen. Wir können zwar im Kleinen etwas tun, aber dabei möchte ich gar nicht stehen bleiben: Ich bin damit bei der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, das heißt, es muss sektorenübergreifend sein.
Auch diesbezüglich sollten wir die Hinweise des Weltbiodiversitätsrates ernst nehmen, der sagte: Die Ziele, die wir im Klimaschutz haben, müssen wir zusammen denken, auch mit denen im Artensterben. Das heißt: Was bei dem einen nützt, nützt im Zweifel auch bei dem anderen. Dazu kann man sich zum Beispiel überlegen, wie man CO2 speichern kann. Damit ist man ganz schnell bei Aufforstungsprogrammen, bei Extensivierungen von Flächennutzungen und bei dem Ziel der Landwirtschaft, einen Humusaufbau strategisch anzustreben, weil das ganz viel CO2 bindet.
Das alles sind Dinge, die man dort machen kann: Renaturierung von Mooren in größerem Maßstab. Einiges können wir in Sachsen machen, anderes muss gemeinsam auf der Welt passieren. Diese Aufgaben sind einfach
gemeinsam anzugehen. Da gibt es kein Entweder-oder, wie das hier von der rechten Seite immer dargestellt wird, sondern das ist einfach eine Aufgabe, wofür wir alle gewinnen müssen. Wir müssen auch zu einem gemeinsamen Handlungsrahmen kommen.
Ich möchte jetzt nicht noch mehr Zahlen von einzelnen Arten und Lebensraumtypen aufzählen, denn ich glaube, dass es deutlich geworden ist: Ja, wir unternehmen seit Jahren etwas, wir haben Schutzprogramme für einzelne Arten und machen mal im Kleinen etwas. Jetzt kümmern wir uns ganz gezielt um das Birkhuhn im Erzgebirge. Wir haben für den Schwarzstorch etwas gemacht und auch mal für den Lachs. Das ist alles wunderbar. Das ändert aber nichts am Großen und Ganzen. Im Großen und Ganzen ist es einfach dramatisch. Das ist auch keine Angstmacherei, sondern es ist einfach für uns ein Aufruf zum Handeln. Das ist genau das, was der Weltbiodiversitätsrat will. Er will, dass wir vom Erkenntnispunkt endlich zum Handeln kommen. Das können wir nur alle gemeinsam machen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zur AfD: So ein Schwachsinn! Wie kann man als sächsischer Abgeordneter, als Vertreter eines Landes, das schon seit fast 30 Jahren Mitgliedschaft in der EU ein Nettoempfänger ist – über 20 Milliarden Euro sind seitdem hierhergeflossen –,
nur einen solchen Käse erzählen, dass wir unser Steuergeld besser hierbehalten sollten? Dann hätten wir 20 Milliarden Euro weniger hier im Land!
Wir haben es ja heute schon debattiert: Bei der EU geht es ja nicht nur um Geld. Für uns ja – hier ist es diese wertvolle Aufbauhilfe gewesen. Es ist aber vor allen Dingen ein Friedens- und Wohlstandsprojekt, das sehr, sehr vielgestaltig wirkt.
Nun zurück zur eigentlichen LEADER-Förderung: Das ist einmal ein Programm – es gibt noch ein zweites, das in Sachsen vorbildlich wirkt und wovon man sich noch viel mehr wünschen würde, nämlich „Kulturräume“ –, wo wir es geschafft haben, dass Förderung tatsächlich vor Ort durch die Akteure entschieden wird, und zwar mit einem langfristigen Plan, was man vor Ort machen will. Hier greift das Subsidiaritätsprinzip: Vor Ort weiß man am besten, was man damit machen kann, aber das Geld kommt und wird durchgereicht. Dieses Prinzip könnte man eigentlich noch auf viele andere Bereiche ausweiten.
Die ganze LEADER-Förderung ist eigentlich eine reine Erfolgsgeschichte für unseren Freistaat. Was wäre nun eigentlich zu wünschen? Wir hatten beim Übergang der ersten Förderperiode von ILE bis 2013 sowie anschließend zu LEADER einige Brüche. Eine Zeit lang wusste man nicht, wie es nun funktioniert; es floss kein Fördergeld. Wir müssen es jetzt schaffen, dass eine Kontinuität Einzug hält. Das sagen auch alle Akteure vor Ort. Es geht ja nur darum, tatsächlich mittel- und langfristige regionale Strategien zu entwickeln, wo man hinkommen will. Da ist Kontinuität oft sogar wichtiger als die Summen, die gezahlt werden, da wir uns auch immer die Frage stellen, wie lange wir in welchem Umfang noch über EU-Gelder verfügen. Auch das wird LEADER sicherlich gut verkraften können. Adressiert an die Akteure vor Ort, muss man sicherlich noch viel mehr darauf schauen, was wirklich nachhaltige Projekte sind. Auch in LEADER wurden schon Ortsumgehungsstraßen und Ähnliches gefördert. Hier muss man sich fragen: Was sind innovative zukunftsfähige Dinge, die vor Ort richtig was anstoßen? Diesbezüglich ist viel mehr Positives passiert, als auch wir GRÜNE im Detail kritisieren würden. Insofern gilt: Die Welt wird nie ganz heil sein.
Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was meine Vorredner schon Positives über LEADER gesagt haben. Ja, es muss mit hoher Kontinuität fortgesetzt werden. Das ist ein Programm, wie wir GRÜNE uns regionale Förderung vorstellen würden.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Moderne Umweltpolitik mit innovativen Lösungen für Sachsen“ – das ist das Thema der Fachregierungserklärung; es geht also um moderne Umweltpolitik. Dazu stelle ich einmal, bevor ich zu meinem Redebeitrag komme, etwas Naheliegendes fest: Sowohl der Rede des Kollegen Hippold als auch denen anderer Kollegen, aber auch der Rede des Herrn Staatsministers habe ich entnommen, dass es so ein Bild von Nachhaltigkeit gibt – grundsätzlich teilen wir das ja –, dass man ökologische Fragen, wirtschaftliche Fragen und soziale Fragen in Ausgleich bringen muss. Aber dann kommt immer der Nebensatz, Umweltschutz muss man sich leisten können, muss die Wirtschaft erwirtschaften können.
Dem möchte ich deutlich widersprechen: Dass man überhaupt Wirtschaft betreiben kann, dass man überhaupt sozialen Wohlstand erarbeiten kann, dafür ist die intakte Umwelt die Basis.
Hier geht es um unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb kann man immer nur wiederholen: Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts.
Danke schön, Herr Staatsminister, für den Rückblick auf die Zeit von vor 30 Jahren. Dazu habe ich eine leicht andere Auffassung als Sie, Frau Kollegin Pinka. Unsere Gewässer waren damals schlichtweg tot.
Deshalb sind diese neuen Belastungen – ob hochgefährliche Neonicotinoide, Mikroplastik oder Antibiotika – heute kreuzgefährlich; aber nur deshalb, weil dort überhaupt wieder Leben drin ist. Da sind wir schon auf einem anderen Niveau, auch wenn die Giftigkeit dieser Neonicotinoide teilweise exponentiell höher ist als manch anderes Pestizid, das wir vor 30 Jahren verwendet haben. – So weit einmal sachlich.
Ich hätte mir erhofft, dass man das Augenmerk mehr auf einen Ausblick statt auf einen Rückblick lenkt, denn die DDR und ihr Umweltlevel ist ja nun wirklich das allerniedrigste Level, das man sich als Vergleich nehmen kann, und das sollte heute, im Jahr 2019, nicht mehr unser Vergleichsmaßstab sein.
Es geht um die Zukunft. Darüber habe ich mich auch bei der Gewichtung der Rede gewundert: Ich sehe im Umweltbereich vor allem in Naturschutzfragen die Hauptfrage im Erhalt unserer Biodiversität, Artenvielfalt. Zwar wurde Artenschutz genannt und es wurde auch erwähnt, dass ein Rückgang bei den Insekten zu verzeichnen ist, aber dass wir hier gerade ein Insektensterben erleben, dass die Biologen davon ausgehen, dass wir nach den verschiedenen Aussterbewellen, wie wir sie etwa bei den Dinosauriern hatten, gerade die richtig große Aussterbewelle erleben – diese Dramatik hätte ich mir hier auch einmal vom Umweltminister deutlich ausgesprochen gewünscht.
Dafür war es auch bezeichnend, dass in der gesamten Rede immer von Unternehmen, von Hochschulen, auch von unseren Landwirtschaftsbetrieben und Forstbetrieben die Rede war. Die Umweltschützer, die Naturschützer wurden als Ehrenamtliche in einem einzigen Satz erwähnt – das kann ich schlicht nicht nachvollziehen.
Deshalb möchte ich es an dieser Stelle einmal machen: Allen ehrenamtlichen Naturschützern – auch den beruflichen Naturschützern, die sich täglich darum kümmern –, ein herzliches Dankeschön für ihre Arbeit!
Es wurde auch kurz vom Staatsminister erwähnt, dass noch immer 56 % unserer Biotoptypen in Sachsen gefährdet sind – eine wichtige Aussage –, aber gleich im Anschluss geht es wieder los mit modernen Technologien. Wo ist denn dann die Lösung dafür, für unsere Roten Listen? Nur 45 % – also weniger als die Hälfte der Arten – haben aktuell keinen Gefährdungsstatus mehr, das ist doch dramatisch! Dabei gibt es noch unterschiedliche Gewichtungen. Etwa bei den Brutvogelarten, Offenlandarten sind schon knapp 90 % in einem Gefährdungsstatus. Darauf kann man hinweisen.
Es gibt einzelne Arten, die Sie herausstellen, bei denen es Verbesserungen gibt – Sie nennen den Atlantischen Lachs oder auch den Kranich; Herr Kollege Hippold hat es noch um den Biber ergänzt –, ich weiß gar nicht, ob der Graureiher erwähnt wurde. Das nützt aber nichts bei einzelnen Arten, um die wir uns kümmern, wenn es in der Summe zurückgeht.
Wir haben nämlich das Problem, dass wir allein zwischen den Jahren 1998 und 2009 knapp 13 Millionen Brutvogelpaare in Deutschland verloren haben. Das ist ein Rückgang um 15 % – in so kurzer Zeit. Das betrifft auch Allerweltarten, die früher niemand hat zählen wollen, wie den Star – Rückgang des Bestandes in dieser kurzen Zeit um ungefähr 42 %. Ich freue mich, dass es vielleicht einen Graureiher mehr gibt. Das nützt aber nichts für das Gesamtproblem.
Insekten – wir haben es angesprochen – machen 70 % aller Arten aus. Auf den gesamten Roten Listen, die wir haben, ob es Falter oder Ameisen sind, sind es immer ungefähr 50 %, die gefährdet sind. Es muss etwas passieren.
Wir wissen, es geht nicht nur um die Artenanzahl, sondern auch um die Biomasse insgesamt. Wenn wir wissen, dass zwischen 70 % und 80 % der Biomasse der Insekten, die das Fundament der Nahrungskette ausmachen und für uns ihre Ökosystemdienstleistungen erbringen, in weniger als 30 Jahren verschwunden sind, dann sollte uns hier heiß und kalt werden, und das sollte im Zentrum einer Fachregierungserklärung stehen.
Ich möchte auch noch kurz erwähnen, dass diese Erhebung in Naturschutzgebieten stattgefunden hat. Auf der freien Fläche draußen hat es noch niemand gemacht. Sie sind wahrscheinlich auch schon nahezu klinisch tot.
Nur weil es immer gesagt wird – es gibt auch sächsische Zahlen. Die haben wir im eigenen Ausschuss gehört. Die Fachleute waren da, die es zum Beispiel im Leipziger Auwald untersucht haben: Rückgang der Wildbienen um
90 % in den Jahren von 2002 bis 2016 – das ist gerade aktuell. Bei den Hummeln beträgt der Rückgang 86 %. Die Zahl der Arten ist um 58 % zurückgegangen. Das ist dramatisch.
Dann kommen wir – wir sind beim Auwald; danke schön, aber ich habe jetzt keine Lust –
zu den Schutzgebieten – gern hinterher eine Kurzintervention. Der letzte Bericht, den ich habe, etwa zu Natura 2000 – das ist das wertvollste, was wir an Schutzgebieten haben –, besagt, dass ein günstiger Erhaltungszustand in 25 % der Gebiete besteht – na toll! –, ein ungünstiger Erhaltungszustand in 41 % der Gebiete und ein schlechter Erhaltungszustand in 20 % der Gebiete. Das ist der Stand des Naturschutzes dort.
Wenn es um Lebensraumtypen geht, dann betrifft ein günstiger Erhaltungszustand gerade einmal 32 %. Der ungünstige Erhaltungszustand beläuft sich auf 49 % und der schlechte Erhaltungszustand auf 13 %. Auch das sind Zahlen, die ich mir in solch einer Regierungserklärung gewünscht hätte, weil das unsere Aufgabe für die Zukunft ist, wie wir zu Verbesserungen kommen.
Das betrifft nicht nur die Natura-2000-Gebiete, sondern alle Schutzgebiete. Wir haben mit Millionenaufwand Managementpläne erarbeitet. Wenn wir schon einmal Gebiete ausweisen, in denen die Natur erhalten werden soll, dann muss man sich aktiv darum kümmern. Leider gibt es aber keine Umsetzung. Es gibt nämlich kein Personal, das es machen könnte. Zwar sieht das Naturschutzgesetz vor, man könnte Naturschutzwarte einsetzen, Ranger oder so etwas; es passiert aber alles nicht.
Genau das Gleiche ist es beim Biotopverbund und bei der Biotopvernetzung. Das ist einer der wesentlichen Hebel, um etwas zu bewegen. Dazu gibt es auch keine Aussage in Ihrer Regierungserklärung.
Wir haben es noch nicht einmal geschafft, alle Gebietsverordnungen überhaupt auf den aktuellen Stand zu bringen. Auch das ist ein Armutszeugnis.
30 Jahre nach dem Ende der DDR gelten hier teilweise noch DDR-Regelungen.
Ein anderes Thema: Gewässer. Das haben Sie offen als Schwäche und Handlungsfeld genannt. Warum, bitte schön, haben Sie aber keine Zahlen genannt, um es deutlich zu machen? Wenn das eigene Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagt, dass von unseren Oberflächengewässern, von 481 natürlichen Oberflächengewässern, aktuell circa 4 % in einem guten ökologischen Zustand seien – 4 %! das bedeutet, 96 % sind es nicht –, dann ist das doch vielleicht einer Erwähnung wert.
Die Wasserrahmenrichtlinie, die diese Daten vorgibt, gibt es mittlerweile seit 19 Jahren. Es hätte eigentlich schon
bis zum Jahr 2015 etwas erreicht werden sollen. Das wissen wir. Das liegt auch schon in der Vergangenheit. Wir müssen uns einmal ordentlich auf den Weg machen. Die Anstrengungen dazu sehe ich in dieser Tiefe aber auch nicht. Dann kann man gleich noch andere Themen ansprechen, etwa was die Ursache dafür ist, nämlich nicht nur der ökologische, sondern auch der chemische Zustand – Nitrat.
Deutschland ist vor dem EuGH auf Antrag der EUKommission gerade erfolgreich verurteilt worden, weil wir zu hohe Nitrat-Werte haben. Hier die Zahlen vom LfULG: Knapp die Hälfte der Grundwasserkörper ist in einem schlechten chemischen Zustand und knapp ein Viertel ist zu stark mit Nitrat belastet. Dann weiß man, dass es gesundheitsgefährlich ist. Deshalb gibt es diese Grenzwerte von 50 Milligramm pro Liter. Auf Sachsen hochgerechnet, sieben Postleitzahlbezirke, ist der Wert sogar um mehr als das Doppelte überschritten. Das heißt für unsere Wasserwerke, dass sie Trinkwasser mischen müssen. Die Trinkwassergewinnung ist auch schon an Brunnen eingestellt worden. Das zahlt dann auch der Bürger mit – abgesehen von allen anderen Kosten, die damit verbunden sind.
Man weiß auch, dass die damit verbundene Eutrophierung, die Überdüngung von Gewässern, naturschutzfachlich hochgefährlich ist. Die Gewässer können nicht nur umkippen, mit Veralgung, wenn der Sommer warm wird, sondern überhaupt ist es schädlich für alle Arten, die darin sind. Deshalb sagt man, Vorsicht ist eigentlich schon ab 25 Milligramm pro Liter geboten.
Ich wundere mich darüber, dass die Staatsregierung in diesem Hitzesommer, in dem die ganzen Grünflächen brachlagen, 98 Anträge von Landwirten, die noch nach der Frist ihre Gülle ausbringen wollten, in 100 % der Fälle genehmigt hat. Damit sind wir beim Wasser.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns zum Beispiel ein Auenprogramm vorgenommen. Dabei ist nicht allzu viel passiert. Wir erstellen Hochwasserschutzkonzepte für Gewässer anstelle von Gewässerentwicklungskonzepten. Unsere Gewässer sind mit unsere wertvollsten Naturräume. Sie sind nämlich noch am naturnächsten. Dazu wieder eine Zahl: Seit dem Jahr 2002 haben wir mehr als 2 Milliarden Euro für den Hochwasserschutz ausgegeben und davon weniger als 1 % für ökologischen Hochwasserschutz. Das heißt, mehr als 99 % entfallen auf technische Maßnahmen. Das ist genau das gleiche Denken, das ich am Anfang festgestellt habe, was die Umweltpolitik betrifft: Man könnte alles technisch lösen. Das kann man nicht.
Ein anderes Schlagwort: Flächenverbrauch. Dabei haben wir eine völlige Entkopplung von Entwicklungen zur Demografie. Im Jahr 1990 waren noch 10 % der Landesfläche Verkehrs- und Siedlungsflächen. Jetzt sind wir schon bei mehr als 13 %. Vielleicht interessiert es auch Sie als selbst erklärter Anwalt der Landwirte, dass näm
lich allein 3 % der Landwirtschaftsfläche verlorengegangen sind – wertvollster Ackerboden. Dafür haben wir in Mitteleuropa eine Verantwortung weltweit; denn diese guten Böden gibt es nicht überall. An dieses Problem muss man einfach herangehen.
In den Jahren von 2005 bis 2015 waren es im Durchschnitt 8 Hektar täglich, die wir verbraucht haben. Wo ist ihre Strategie dazu? Stattdessen höre ich von Verkehrs- und Landesentwicklungsplänen. Es sind 130 neue Ortsumgehungen geplant – Prost Mahlzeit! Hier gleich um die Ecke ist der Industriepark Oberelbe auf 140 Hektar bestem Ackerboden und Naturschutzflächen geplant.
Wie kann man denn im Jahr 2019 noch so einen Wahnsinn planen? Dafür gibt es noch nicht einmal Investoren, die dorthin wollen. Sie möchte man später erst dorthin locken.
Stolze Aussage von Ihnen zum Thema Waldumbau: 33 000 Hektar seien schon umgebaut worden. Man muss nur dazu wissen, dass wir mehr als 520 000 Hektar im Land haben. Das heißt, wir haben seit dem Jahr 1990 immerhin schon 6,3 % umgebaut. Wenn wir so weitermachen, dann dauert es noch ein paar Jahrhunderte.
Ein anderer Punkt: Artensterben, Pestizideinsatz. Auch das kam bei Ihnen gar nicht vor. Das ist ein Thema. In Deutschland waren es im Jahr 1995 noch 30 000 Tonnen Wirkstoffe pro Jahr. Im Jahr 2017 waren es 35 000 Tonnen. Dabei besteht, auf Sachsen heruntergebrochen, kein Unterschied.
Dann die Erfolgsmeldung beim Ökolandbau, dass die Anbaufläche gewachsen sei. Ja, das kann man so sagen. Wenn man sich diese Flächen anschaut, dann haben wir aber gerade einmal 6,4 % erreicht. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7,5 %. Selbst die anderen ostdeutschen Bundesländer erreichen mehr: Brandenburg 10,4% und Mecklenburg-Vorpommern 10,1 %.
Im Landesentwicklungsplan haben wir uns einmal für das Jahr 2010 10 % vorgenommen. Davon sind wir weit entfernt.
Ich sehe gerade auf die Uhr. – Abfall. Wir haben schon die Zero-Waste-Strategie angesprochen. Dabei kommen wir nicht voran. Besonders dramatisch ist, dass in solch einer Rede –
– das Thema Klimawandel und Klimaschutz nicht im Kern enthalten ist.
Das nur kurz am Rande:
Der CO2-Pro-KopfVerbrauch in Sachsen liegt mit 12,2 Tonnen weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt mit 9,5 Tonnen, und in Sachsen liegen von den zehn Haupt-CO2-Produzenten in ganz Europa –
– zwei dieser Verursacher.
Wir haben mehr als genug zu tun in Sachsen, und auch eine Fachregierungserklärung hätte durchaus mehr Anspruch und ein bisschen mehr Inhalt haben können.
Vielen Dank.
Zunächst zu der ersten Frage, wenn man aktuell anstehende Gefahren wie Waldsterben etc. anspricht: Ja, genau das hat dazu geführt, dass man etwas dagegen getan hat. Das genau ist nämlich Politik: Probleme erkennen, Gegenmaßnahmen ergreifen und dadurch verhindern, dass diese Folgen eintreten, die sonst ungehindert eintreten. Das ist erfolgreiche grüne Politik. Man kann natürlich auch den Kopf in den Sand stecken.
Zum Thema Panikmache oder Umgang mit Fakten. Ich habe aufgrund meiner Redezeit darauf verzichtet – auch bereits vorhin –, auf Ihre Dinge einzugehen, weil es geradezu lächerlich ist. Das wissen mittlerweile sämtliche Schüler. Da müssen Sie nur einmal zu einer Friday-forFuture-Demo gehen. Die können das einzeln auseinandernehmen, was Sie vorher für ein Zeug dargelegt haben. Das kann man seiner Zielgruppe gemäß gern vortragen, es ist aber nach außen einfach nicht ernst zu nehmen. Wenn Sie uns dann fragen, warum wir GRÜNEN etwa massenhaft Windkraft in den Wald setzen wollen, – –
Wir können quasi auch in Dauerschleife gehen. Wir GRÜNEN haben als Landesverband in Sachsen einstimmig einen Beschluss gefasst, dass wir keine Windkraft im Wald wollen.
Ja, wir finden uns hier im sächsischen Parlament wieder. Finden Sie sich einfach einmal damit ab. Es geht um die Lösung von Zielkonflikten; es geht um das Problem, wenn der Klimawandel so weitergeht, dass dann ein Großteil der Arten, die Sie jetzt gern schützen wollen, gar nicht mehr von den Lebensraumansprüchen her vorkommen könnte.
Das heißt, Klimaschutz ist gleichzeitig auch Artenschutz. Dann gibt es keine gute oder schlechte Windkraftanlage, es gibt nur eine gute oder schlechte Planung oder einen
guten oder schlechten Standort. Damit haben wir GRÜNEN uns – entgegen Ihrer Baustelle, die einfach pauschal und ideologisch abfrühstückt – nämlich detailliert auseinandergesetzt. Googeln Sie einmal ein bisschen im Netz, dann finden Sie unsere Beschlüsse dazu. Sie werden ein paar Seiten finden, auf denen auch wieder das Vorgehen bei jeder einzelnen Anlage abgearbeitet wird. Im Übrigen haben wir auch einen Windkraft-Zielkonflikt im Naturschutz, bei anderen Energieanlagen, bei FreiflächenFotovoltaik, bei Biogasanlagen, bei Wasserkraftwerken, überall. Man kann die Probleme aber lösen, weil –
Ich möchte kurz eine Nachfrage zu der Aussage, Umweltschutz müsse man sich leisten können, wenn man ausreichend Wohlstand habe, stellen. Können Sie sich vorstellen, dass vielleicht der Umstand, dass man gerade hungert oder friert, eine Folge davon ist, dass man seine Umwelt zerstört hat, und es deshalb gerade nicht klug ist zu schauen, ob ein Cent für Umweltschutz übrig ist, sondern der Umweltschutz die Basis dafür ist, dass man überhaupt weitermachen kann? Das könnte auch die Frage nach dem Klimawandel sein und warum manche Menschen eigentlich fliehen müssen. Denn sie können in ihrer Region nicht mehr leben. Das hat etwas mit Umweltzerstörung zu tun.
Können Sie das nachvollziehen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch ausdrücklich lieber Herr Kollege Fischer! Die Welt ist schon viel weiter, als Sie es befürchten. Ich lese Ihnen einmal etwas vor. Es konkretisiert sich schon:
Enteignungszweck: Nach diesem Gesetz kann nur enteignet werden, um erstens entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten, zweitens unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke, die nicht im Bereich des Bebauungsplans im Zusammenhang mit bebauten Ortsteilen … liegen, einer baulichen Nutzung zuzuführen, Grundstücke einer baulichen Nutzung zuzuführen, wenn ihr Eigentümer die Verpflichtung nach anderen Paragrafen nicht erfüllt. Man kann das nämlich konkret formulieren. Wie finden Sie das?
Niemals! Ich lese hier gerade den § 85 des Baugesetzbuches vor. Das gilt seit 1960,
zuletzt novelliert 2017. –
Gibt es den, oder gibt es den nicht? Wer hat den beschlossen?
Ich kann auch einmal den § 77 aus dem Bundesberggesetz vorlesen. Nach den Vorschriften dieses Kapitels kann auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung – das ist dasselbe wie Enteignung – durchgeführt werden, soweit die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebs oder Aufbereitungsbetriebs einschließlich dazugehöriger … Tätigkeiten, Einrichtungen zur Nutzung eines Grundstücks notwendig ist.
Jetzt können Sie sagen, das sei ja Bundesrecht. Damit haben wir nichts zu tun. Ich lese noch das Sächsische Straßengesetz vor, § 43. Daran hat die sächsische CDU, glaube ich, einen Anteil. § 43 Abs. 1: Die Träger der Straßenbaulast haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht. Die Enteignung ist zulässig, soweit sie zur Ausführung eines nach Vorschrift § 39 festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist. Einer weiteren Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung bedarf es nicht.
Wir reden also bei Enteignung nicht über irgendetwas Neues, sondern wir reden über Dinge – –
Entschuldigen Sie bitte, ich bin seit 2004 zugelassener Rechtsanwalt, und einige meiner Brötchen habe ich damit verdient, dass ich insbesondere Landwirte vertreten habe, die enteignet werden sollten. Das war Teil meines Geschäftsfeldes.
Und das waren nicht die GRÜNEN, die sie enteignen wollten. – Das vielleicht einmal zur Dämpfung der Emotionen.
Das ist Alltag in Deutschland. Um gleich einem Mythos vorzubeugen: Unser Bundesvorsitzender Robert Habeck hat genau das gesagt, nämlich: Wenn Brachen in Städten nicht bebaut werden, dann kann man auch über Enteignung nachdenken. Das gibt § 85 Baugesetzbuch schon seit 1960 so vor.
Danke schön.
Wenn wir heute über das Mietproblem reden: Ja, die Frage der Wohnung hat sich in den Großstädten zu der sozialen Frage Nummer eins entwickelt. Wir beschäftigen
uns deshalb hier wiederholt damit, weil das eine unglaubliche Dynamik gewonnen hat. Etwa in der Stadt Leipzig gibt es seit 2013 Mietpreissteigerungen um über 25 %. Da ist man jetzt bei 7,30 Euro. In Dresden – aktuelle Zahlen – ist man im Schnitt bei 7,60 Euro. Aber auch schon über 12 Euro ist nicht mehr ganz unnormal. Das kommt häufiger vor.
Das sind enorme Verschiebungen. Wenn wir über die Attraktivität unseres Landes reden und darüber reden – Leuchtturmpolitik ist als Begriff keine Erfindung von uns GRÜNEN, den hatten Sie einmal –, warum die Großstädte noch als Leuchtturm funktionieren, wo Leute bundesweit hinziehen, so hat das unter anderem auch mit dem verfügbaren und bezahlbaren Wohnraum zu tun. Wenn es diesen nicht mehr gibt, ist dieser Trend ganz schnell wieder gebrochen.
Wenn wir darüber reden, was man im Wohnungsbau tun kann – auch das haben wir schon mehrfach vorgetragen –, dann gibt es nicht ein Element, sondern man muss in den sozialen Wohnungsbau Geld hineinpumpen. Ich kann es nur immer wiederholen: Der Bund gibt 142 Millionen Euro. Er erwartet, dass wir es verdoppeln. Wir geben im Jahr 40 Millionen Euro hinein. Wir haben als GRÜNE im Haushalt einen Antrag gestellt, 200 Millionen Euro zu nehmen, damit man die fehlenden 5 000 Wohnungen jährlich bauen kann.
Wir haben gesagt, die Förderrichtlinie, die wir haben, hat einige Hänger. Sie hat nämlich eine Mietpreisbremse nach unten. Dann muss ich mindestens 6,50 Euro nehmen, was teilweise über den Kosten der Unterkunft liegt. Sonst wird mir Fördergeld gestrichen. Das müsste man einmal ändern. Wir haben gesagt, man muss auch die Mietraumbindung über diese 15 Jahre hinaus verlängern, damit das attraktiver wird. Wir haben noch andere Dinge gesagt, zum Beispiel dass der Sozialwohnungsbau nicht alles ist. Man muss es verstärkt für kooperative Wohnformen, für Bauprojekte dorthin schieben. Man muss es auch bei anderen Kommunen möglich machen, und vor allen Dingen braucht man Verfahrensvorschriften. Die Städte haben teilweise Probleme, Umsatzsteuer, EU-Beihilferecht, diese muss man ordentlich in den Griff bekommen.
Wir sagen auch, es braucht noch weitere Instrumente. Die Mietpreisbremse haben wir schon angesprochen, die in Sachsen immer noch nicht gilt, wobei es die Kappungsgrenze gibt. Das sind fast dieselben Voraussetzungen. Wir brauchen endlich ein aktives Flächenmanagement, nicht nur für kommunale Flächen, sondern auch für Flächen des Freistaates – das passiert aber nicht –, damit man auf Brachen, die es in den Städten gibt, –
– Wohnraum schaffen kann. Weil wir immer den ländlichen Raum ansprechen: Nicht jedes Problem kann man wohnungspolitisch lösen, sondern manche müssen sektorübergreifend gelöst werden.
Bahnerschließung – all diese Dinge wurden schon angesprochen – und Vergabekonzepte möglich machen. Das sind alles Punkte, die wir brauchen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es bricht nicht gleich der Sozialismus aus, wenn im begründeten Einzel
fall Enteignungen stattfinden. Das ist einfach bundesrepublikanische Normalität. Wenn es um generelle Enteignung ginge, wie in der DDR, dann wären wir GRÜNEN deutlich dagegen, darauf können Sie sich verlassen.
Ein Hinweis an Kollegen Fritzsche: Für die Überlegungen, dass dieses Geld vom Bund zielgerichtet für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt und möglichst verdoppelt wird, sprechen sich auch Ihre Unionskollegen aus. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an Herrn Rehberg, CDU, oder an, als er noch im Amt war, Herrn Ramsauer, CSU. Diese haben das zum Thema gemacht und sogar darüber diskutiert, ob sie das nicht noch rechtsverbindlicher machen können oder das Geld wieder wegnehmen.
Wir möchten auch darauf hinweisen, und zwar aus dem Grund, dass hier kein Klassenkampf ausbricht: Natürlich gibt es unter Wohnungs- und Hauseigentümern genauso viele Miethaie und Spekulanten, wie es ganz normale private Leute gibt, die dort ihr ganzes Erspartes hineinversenkt haben; genauso wie es auch einige Fonds geben mag, in denen manche Leute ihr Rentenkapital darin haben, aus dem man als Angestellter privat seine Riesterrente oder was auch immer für eine Rente herausbekommt. Es ist nicht gut oder böse, Hauseigentümer oder Mieter zu sein, aber das führt nicht dazu, dass wir die Probleme in den Großstädten nicht ernst nehmen müssten.
Wenn wir dort diese Dynamik mit den steigenden Mieten und dem knappen Wohnraumangebot haben, dann haben wir ein Problem, und dann müssen wir es lösen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen – besonders an Herrn Kollegen Fischer gerichtet, der, glaube ich, nicht mehr anwesend ist –: Die Wohnungsprobleme der großen Städte Leipzig und Dresden werden wir nicht in Coswig lösen können. Das ist mir auch fast zu absurd, als dass ich das jetzt im Einzelnen noch einmal erläutere.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Worüber reden wir überhaupt? Die Großschutzgebiete in Sachsen sind eines unserer Tafelsilber. Es sind circa 500 Quadratkilometer, das sind etwa 2,7 % unserer Landesfläche.
Wir unterhalten uns hier sehr oft über Naturschutz und unsere Probleme beim Artenschutz. Das hat natürlich auch etwas mit Flächen zu tun, auf denen das passiert. Die Frage ist, ob der Naturschutz auf den Flächen, auf denen er stattfinden soll, funktioniert.
Wir haben gerade gehört: Sachsen geht einen ganz einsamen Sonderweg, was die Organisation seiner Großschutzgebiete anbelangt. Es ist nationaler und internationaler Standard, dass diese direkt der Obersten Naturschutzbehörde, nämlich dem Ministerium, untergeordnet sind. In Sachsen sind sie jedoch dem Staatlichen Forstbetrieb untergeordnet.
Wenn man so einen Sonderweg geht, muss es gute Gründe dafür geben. Vor allen Dingen müssten dann die Ergebnisse stimmen. Man konnte aber bis jetzt noch keine
richtige Begründung dafür hören, was daran besser sein soll, als es direkt unterzuordnen. Die Ergebnisse stimmen auch nicht so richtig.
Es wurde eben angedeutet, dass die Umsetzung der Natura-2000-Ziele – diese Großschutzgebiete sind europäische Schutzgebiete – nur zu 26 bis 43 % der Erhaltungsmaßnahmen – letzter offizieller Stand 2014 – erfolgte. Bei Entwicklungsmaßnahmen sind es nur 25 bis 64 %.
Die Eingruppierung in den Sachsenforst fand für den Nationalpark Sächsische Schweiz 2002 statt, für alle anderen Schutzgebiete 2008. Das ist schon ein paar Jahre her. Es ist bisher noch nicht abzusehen, dass wir dort wirklich vorankommen.
Jetzt wird gefragt: Warum schlagt ihr auf den Sachsenforst ein? Ich möchte es noch einmal wiederholen, dass keiner etwas gegen den Sachsenforst hat. Der Sachsenforst soll seiner Aufgabe nachkommen, nämlich Forstwirtschaft, Naturschutz, aber auch die Zugänglichmachung für die Bevölkerung, also die Erholungsfunktion, unter einen Hut zu bringen. Großschutzgebiete zu betreuen ist einfach Naturschutzarbeit.
Wir können uns die Großschutzgebiete einmal anschauen. Es sind nur vier. Da wären die Gohrischheide und Elbniederterrassse. Was sind dort die Schutzgebietsziele? Binnendünen mit offenen Grasflächen, trockene Heiden, wo Sukzession und Entwicklung stattfinden soll. Was hat denn das mit Forstwirtschaft, mit Waldwirtschaft zu tun? Da geht es um etwas ganz anderes.
Oder das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Zusammen mit dem Niederlausitzer Teil ist das die größte zusammenhängende Teichlandschaft ganz Mitteleuropas. Das ist eine einzigartige Kulturlandschaft. Da geht es um den Erhalt von Teichgruppen, um feuchte und trockene Heiden, um Feuchtwiesen, um grünlandreiche Flussauen und dann um angrenzende Waldgebiete. Was, bitte schön, hat das mit einem Forstbetrieb zu tun?
Oder die Königsbrücker Heide. Das ist ein riesiger ehemaliger Truppenübungsplatz, auf dem zu DDR-Zeiten die Atomraketen der Sowjettruppen gelagert wurden, die auf Köln gerichtet waren. Das Gebiet können wir jetzt wieder betreten. Es ist das größte Schutzgebiet in ganz Sachsen und immerhin das zwölftgrößte ganz Deutschlands. Es ist auch das erste anerkannte Wildnisgebiet Deutschlands. Dort geht es um offene Sandflächen, Sand- und Magerrasen. Dort geht es mit den Pflegemaßnahmen Heidelandschaft genau darum, das, was damals durch die militärische Nutzung freigehalten worden ist, zu belassen und diese Sukzession, dieses Zuwachsen, den Waldaufwuchs zu verhindern. Da schaut man, wie man das am besten schafft. Das ist genau das Gegenteil von Wald.
Das sind die bestehenden Schutzgebiete. Dann diskutieren wir gerade, ob vielleicht solche Großschutzgebiete noch an anderen Stellen ausgewiesen werden können. Wir GRÜNEN thematisieren, dass das, was in allen Elbanrainer-Bundesländern Deutschlands erfolgt ist – nämlich die
Elblandschaft als Elbebiosphärenreservat auszuweisen –, auch in Sachsen erfolgen soll. Das hat auch nicht sehr viel mit Forstwirtschaft zu tun.
Eine ähnliche Diskussion gibt es gerade im Osterzgebirge. Was ist dort schützenswert? Dort geht es um die Erzgebirgswiesen und die offenen Steinrücken in der Landschaft.
Wenn ich alles zusammennehme, dann frage ich mich, wie man auf die Idee kommen kann, dass das in einem Forstbetrieb am besten aufgehoben ist, und warum man das macht. Die Ergebnisse zeigen ja, dass das nicht funktioniert.
Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Wir müssen zu den nationalen und internationalen Standards kommen. Diese Schutzgebiete müssen unter Naturschutzverwaltung kommen. Diese gehört, wie das überall der Fall ist, unter die oberste Naturschutzbehörde, das Ministerium.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte einmal klarstellen, da hier immer vorgetragen wird, die Sachverständigen hätten diesem Antrag nichts abgewinnen können: Nein, die Sachverständigen haben nur darauf hingewiesen, dass sie der Idee, die Großschutzgebiete beim LfULG anzusiedeln, nicht folgen, sondern es zielführend und standardgemäß sei, sie direkt der obersten Behörde unterzuordnen. Die Vertreterin von EUROPARC hat darauf hingewiesen, aber auch die Praktiker aus den Verwaltungen in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, die wir vor Ort hatten. Deshalb stellen wir unseren Änderungsantrag. Wir haben diesen Hinweis aufgenommen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal deutlich machen: Hier wird viel von Misstrauen gegenüber dem Forst gesprochen. Was ich aber höre, das ist ein ganz deutliches Misstrauen gegenüber Naturschützern. Großschutzgebiete eins zu eins mit Wald- und Forstbewirtschaftung gleichzusetzen – ich hatte mir vorhin viel Mühe gegeben vorzutragen, dass es in den Gebieten eben gerade nicht um Wald und Forst geht, sondern um die gesamten anderen Biotoptypen, die mit Forstwirtschaft nichts zu tun haben. Genauso wie wir sagen, Forstwirtschaft sollen doch, bitte schön, die Förster machen oder Landwirtschaft doch bitte die Landwirte, kann man doch wohl sagen: Naturschutz sollen, bitte schön, die Naturschützer machen,
und nicht: Naturschutz – das müssen aber die Forstprofis machen. Das ist geradezu absurd, und ich verbitte mir dieses Misstrauen gegenüber den Naturschützern. Als könnten sie das nicht! Sie haben eine hervorragende Ausbildung dafür. Wenn dann noch das Argument kommt, „ja, aber seid doch froh, der Forst hat doch die Mittel“, dann frage ich mich: Warum hat denn der Naturschutz nicht die Mittel, um Naturschutz zu machen? Vielleicht sollten wir dort einmal ansetzen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich einmal positiv feststellen: Der Äußerung vom IWH in Halle und genauso der vom ifo Institut in Dresden vom letzten Jahr, dass man Investitionen in den ländlichen Raum beenden solle, da das nichts bringe, widersprechen wir alle gemeinsam. Das ist richtig. Es macht mich erst einmal zufrieden, dass wir uns in diesem Hohen Haus einig sind. Dass wir uns über die Gründe uneinig sind, wie die Institute auf diese Idee kommen können oder warum es vielleicht berechtigt ist, dass man von einer Spaltung von Stadt und Land spricht, ist auch naheliegend.
Man muss erst einmal festhalten: Ja, viele Ursachen in den Neunzigerjahren lagen in dem, was ist in den 40 Jahren davor passiert ist. Dass wir 1989 ein Industriemuseum waren und keine leistungsfähige Wirtschaft als wirtschaftliche Grundlage für eine Landesentwicklung hatten, hat etwas mit den Jahrzehnten der Politik davor zu tun. Denn noch vor den Zeiten des Zweiten Weltkrieges waren sehr viele große und wichtige Unternehmen in Sachsen beheimatet. Aber das ist Geschichte. Man kann darüber lamentieren oder man kann nach vorn schauen. Ich glaube, dass das, was danach passiert ist – also bestimmte Leuchttürme zu setzen –, nicht grundsätzlich falsch gewesen ist. Es ist nur immer die Frage, ob man das eine tut und deswegen nicht das andere lässt.
Was muss man aber konstatieren? 30 Jahre nach der friedlichen Revolution kann man sich nicht mehr hinstellen und alles mit den Folgen der DDR erklären. Das hat dann auch viel mit dem zu tun, was in diesen 30 Jahren passiert ist. Kollege Gebhardt hat ganz richtig das Abgehängtsein des ländlichen Raumes angeführt. Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen. Wie viele Bahnkilometer
haben wir denn erst abbestellt und dann komplett eingestellt? Wie viele Polizeireviere haben wir geschlossen? Wie viele Schulen haben wir geschlossen? Das Ganze korrespondierte auch mit anderen staatlichen Unternehmen, etwa der Bundespost, die ihre Filialen geschlossen hat, Privatunternehmen, Kinos, die dichtgemacht haben. Ganz viele Dinge, die eigentlich das Leben lebenswert machen, die auch als Infrastruktur gebraucht werden, sind real verschwunden. Das sind die Gründe, warum es real schwieriger ist, im ländlichen Raum zu leben.
Jetzt ist die Frage, was wir heute daraus machen. Ja, das ist alles passiert. Wo aber geht es in der Zukunft hin? Wir sind uns doch einig, dass wir nicht nur auf die Städte schauen wollen, sondern dass wir den ländlichen Raum entwickeln wollen und wir eben das eine tun, ohne das andere zu lassen. Da ist es sicherlich nach wie vor sinnvoll, auch in großen Städten vielleicht Ansiedlungen zu fördern, die vor allem in einen Ballungsraum gehören und nicht irgendwo auf die grüne Wiese. Aber wir müssen auch schauen, was im ländlichen Raum passieren kann. Nur über große Unternehmen oder die Ansiedlung von Dax-Unternehmen zu sprechen wird uns nicht weiterbringen. Ich glaube, der Ansatz sollte vielmehr sein, nachhaltig aus dem, was da ist, etwas zu entwickeln.
Unser ländlicher Raum ist extrem vielfältig. Er ist nach wie vor, trotz allen Lamentierens über den demografischen Wandel, voll mit Menschen, die etwas tun wollen. Die müssen eben auch nur die Möglichkeit dazu haben. Das heißt nicht, dass die Politik festlegt, was als großer oder kleinerer Leuchtturm irgendwo hinkommt. Ich glaube, es ist viel klüger zu schauen, was vor Ort entsteht, die Grundlagen dafür zu schaffen und dann diese von selbst wachsenden Pflanzen zu gießen.
Und die brauchen einiges. Da haben wir jetzt schon ganz richtig den öffentlichen Verkehr angesprochen. Da wir in diesem Land jahrelang in der falschen Richtung unterwegs waren, müssen wir das jetzt herumdrehen. Wir brauchen eine Angebotsoffensive im öffentlichen Verkehr. Wir brauchen wieder ein starkes Rückgrat Schienenverkehr im Land, denn ganz viele Menschen brauchen das heute, ob das der Güterverkehr ist oder ob es darum geht, erreichbar zu sein. Viele Leute fahren heute gar nicht mehr Auto. Und wenn die auf ihrer Bahn-App keinen Zielpunkt finden, dann werden sie nicht dort wohnen bleiben, wenn sie von dort kommen, bzw. sie ziehen gar nicht erst dorthin, auch nicht, wenn sie ein kleines Unternehmen aufmachen wollen, zu dem ihre Kunden hinkommen sollen.
Genauso müssen wir diese Versäumnisse im Breitbandausbau aufholen. Bei der Wirtschaftsentwicklung spricht man nicht mehr unbedingt vom Zurückholen. Es kommt auch nicht darauf an, Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse herzustellen, dass überall mit Großunternehmen höchste Löhne erzielt werden müssen. Es geht auch um Lebensqualität. Das hat auch etwas mit Lebenshaltungskosten zu tun. Manchmal komme ich mit viel weniger gut aus, wenn es angenehm zu leben ist. Da haben wir im
Freistaat wirklich einiges zu bieten. Wir sind dafür, die weichen Standortfaktoren zu stärken.
Ich komme noch einmal zur Ansiedlung von kleinen Unternehmen. Man spricht heute von Arbeit und Wirtschaft 4.0. Das heißt, jeder kleine Unternehmer kann theoretisch von zu Hause aus arbeiten.
Ich denke an BadenWürttemberg, wo es in jedem Dorf einen Weltmarktführer gibt. Es geht nicht darum, das Vergangene herzuholen, sondern neue Dinge sich entwickeln zu lassen. Ich wäre zuversichtlich, wenn wir da die Basis schaffen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die grüne Landtagsfraktion hat das Baumschutzgesetz eingebracht, ein Gesetz zum nachhaltigen Schutz der Bäume hier in Sachsen. Warum?
2010 hat die damalige Koalition aus CDU und FDP empfindlich in das Naturschutzgesetz eingegriffen und es den Kommunen mehr oder weniger unmöglich gemacht, Bäume und Gehölze auf ihrem Territorium wirksam zu schützen. Das war ein sehr starker Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungshoheit.
Was hat man dort konkret gemacht? Man hat etwa untersagt, Gehölze, Bäume mit einem Stammumfang bis zu einem Meter unter Schutz zu stellen. Man hat verboten, Obstbäume, Nadelbäume, Pappeln, Birken, Baumweiden, Totholz auf bebauten Grundstücken überhaupt unter Schutz zu stellen. Man hat für die verbliebenen Gehölze, für die man überhaupt noch Satzungen haben kann, gesagt, wenn dort Anträge auf Fällgenehmigung gestellt werden, müssen sie innerhalb von drei Wochen bearbeitet sein. Ansonsten tritt eine Genehmigungsfiktion ein, und die Kommunen dürfen für diese Verfahren keine Kosten erheben. Das war der Inhalt.
Warum ist das für uns ein Thema? Warum sagen wir, wir brauchen einen nachhaltigen Schutz der Gehölze hier in Sachsen? Bäume sind für sich genommen Arten. Wir haben ein enormes Problem mit dem Rückgang der Artenvielfalt, überhaupt mit dem Artensterben, mit dem Rückgang von Pflanzen. Das haben wir hier schon mehrfach debattiert. Die Gehölze sind für sich genommen lebendige Mitwesen. Das sind Arten, Pflanzen, die leben müssen.
Gleichzeitig sind sie aber auch Lebensstätte für eine Reihe von Arten. Es gibt eine Unmenge von Vögeln, Fledermäusen, Käfern, die einfach nur in oder auf Bäumen leben können. Auch das ist ein Problem zum Thema Artenvielfalt. Der nicht ausreichende Schutz von Bäumen ist einer der Gründe, warum wir die Probleme mit dem Artensterben haben.
Gleichzeitig sind Bäume eminent wichtig. Alle Menschen leben vom Sauerstoff. Wo kommt er her? Der Sauerstoff kommt von den Pflanzen. Da brauchen wir ganz wesentlich auch die Bäume. Ja, wir Menschen brauchen die Bäume. Wir brauchen sie auch für alles, was mit dem Klimaschutz im Zusammenhang steht. Die Kommunen brauchen die Bäume. Wir wissen, es wird immer heißer, und wir wissen, jeder weiß, selbst der fröhlichste nichtgrüne Kraftfahrzeugnutzer, wo er im Sommer sein Auto parkt, nämlich nicht auf der freien Fläche, sondern unter einem Baum. Wir wissen alle, wo wir uns bewegen, auch unsere aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr älteren Menschen, wissen, wo sie sich in den immer heißeren Sommern überhaupt noch in Städten aufhalten können, nämlich dort, wo es noch halbwegs schattig ist: Ein Baum kühlt um mehrere Grad ab.
Zudem brauchen wir die Bäume zur Luftreinhaltung. Wir wissen es: Ob es in all den Diskussionen um Stickstoffoxide oder um Feinstaub geht, so ist deren Reduzierung eigentlich nur möglich, wenn man genügend Grün hat, genügend Bäume hat, die diesen Dreck aus der Luft herausfiltern.
Nicht zuletzt brauchen wir auch unsere Bäume und Gehölze überhaupt für attraktive Stadtbilder, Kommunalbilder; das ist einfach das A und O. So sieht es hier bei uns in Mitteleuropa und auch in unseren sächsischen Kommunen aus.
Ja.
Ich filtere jetzt mal aus Ihrer Frage heraus, ob wir als GRÜNE hier in Sachsen dafür sind, Wald zu schützen, auch im Zusammenhang etwa mit Windkraft. Nun kann ich Ihnen sagen: Ja! Dazu haben wir sogar einen Beschluss unseres Landesverbandes, einen Parteitagsbeschluss, in dem genau das zum Ausdruck kommt, indem wir hier in Sachsen sagen: Ja, Windkraft im Wald ist für uns problematisch. Wir sehen auch nicht die Notwendigkeit. Vielleicht beschäftigen Sie sich einmal damit. Das bekommen Sie im Internet ganz leicht gegoogelt. Da müssen Sie nur mal nachschauen. – Ich überlege gerade: Ich glaube, in Glauchau haben wir diesen unseren Beschluss gefasst. Viel Spaß bei der WebSuche!
Dann also zurück zur Debatte hier. Bäume – wir sehen es, auch Sie – sind etwas, was die Menschen emotionalisiert. Es gibt kaum etwas, was die Leute mehr auf die Palme bringt, als wenn Bäume gefällt werden. Wir erinnern uns auch: Etwa im Zusammenhang mit diesem Baumschutzgesetz gab es eine Petition, die der BUND angeschoben hat. Über 6 000 Menschen haben das unterschrieben. Sie können sich mal mit Verwaltungen in den Kommunen oder mit Leuten in den Umweltverbänden unterhalten, was dort das regelmäßige Thema ist: Immer wieder, wenn Bäume gefällt werden, bewegt das die Menschen. Das ist also eines der wesentlichen Themen der Verbände.
Ich erinnere auch an Folgendes: Wir haben die Landesarbeitsgemeinschaft der Umweltverbände in Sachsen. Das ist deren Thema. Regelmäßig kommt das auf die Tagesordnung. Wir sagen: Da muss was passieren! Genau in diese Kerbe haut auch unser Gesetzesantrag.
Jetzt können wir mal schauen, was denn die Folge des Gesetzes war. Na, ganz klar, das Ziel war ja, Baumfällungen zu entbürokratisieren, es einfacher zu machen. Gesetzesziel war, dass einfacher und schneller mehr gefällt werden darf. Deswegen kann man wohl auch sagen: Ja, mit all diesen Instrumenten ist auch mehr passiert.
Ich erinnere etwa an unsere Anhörung, die wir dazu im Umweltausschuss hatten. Da hat etwa der BUND berichtet, dass er bei 72 Kommunen nur so zu den Zahlen einmal nachgefragt hat. 2009, noch vor dem Gesetz, gab es 15 500 Anträge, 11 000 Fällgenehmigungen und 17 500 Ersatzpflanzungen. 2011, nach Inkrafttreten des Gesetzes, waren es nur noch 4 000 Anträge, 3 200 Genehmigungen und 4 000 Ersatzpflanzungen. Das heißt, für einen Großteil wurde gar nicht mehr nachgefragt, und natürlich gab es auch viel weniger Ersatzpflanzungen.
Auch der Vertreter der Stadt Dresden hat eindrucksvoll an mehreren Bildern nachgewiesen, wie innerhalb kürzester Zeit komplette Grundstücke von Bäumen leergeräumt
wurden. Das ist eben nicht nur ein subjektives Empfinden, sondern man kann es überall nachvollziehen. Aber natürlich kann ich Ihnen nicht die genauen Zahlen geben; denn da ja die Genehmigungspflicht abgeschafft worden ist, gibt es dazu selbstverständlich auch keine Statistik mehr.
Diese Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltungshoheit wurden von den Vertretern der Kommunen in der Anhörung immer wieder vorgebracht. Sie haben auch die Problematik mit der 3-Wochen-Frist erläutert, dass deren Einhaltung angesichts der Verwaltungsabläufe eigentlich unmöglich für sie ist, mit Posteingang und -ausgang, wie viele Arbeitstage das sind, welches Gebiet sie haben, und sie haben vor allen Dingen verdeutlicht, dass es nicht angehe, diese Kosten nicht erheben zu können.
Die Feststellung von allen Vertretern lautete: Ja, signifikant nimmt der Baumbestand in den Kommunen ab. Auch wenn keiner die konkreten Zahlen nennen kann, geht man aber allein in der Großstadt Leipzig nach eigener dortiger Schätzung von einer vierstelligen Zahl Bäume aus, Jahr für Jahr, die in der Summe weniger da sind.
Das können wir uns nicht erlauben.
Ein Aspekt ist jenseits aller Anträge, dass dies auch etwas mit der Wertschätzung für Bäume zu tun hat. Auch das war ein wesentlicher Hinweis der Kommunalvertreter. In der Vergangenheit war es etwa so: Allein die Tatsache, dass die Baumschutzsatzung vorhanden war, führte dazu, dass etwa bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, wenn ein Nachbar den anderen aufforderte, den Baum zu fällen, weil er ihn störe, klar war, dass es da einen Schutz gibt und dies daher nicht so einfach ist. Heutzutage gibt es diesen Schutz nicht mehr. Das führt häufig dazu, dass bei jemandem, der keinen Ärger will, auch dann, wenn er seinen Baum eigentlich behalten will, um des lieben Friedens willen der Baum eben gefällt wird.
Eine weitere Folge sind Missverständnisse. Nur weil die kommunalen Baumschutzsatzungen nicht mehr wirksam zum Baumschutz führen, heißt das nicht, dass auch geschützte Biotope im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und des Sächsischen Naturschutzgesetzes nicht geschützt sind. Regelmäßig sind nämlich Altbäume auch Lebensstätten: Obstbäume, Weiden, Pappeln. Etwa Pappeln und Weiden an feuchten Standorten sind auch nach der eigenen Verwaltungsvorschrift „Biotopschutz“ des sächsischen Umweltministeriums geschützte Biotope. Nur kann das der normale Bürger schlichtweg nicht auseinanderhalten.
Natürlich sind diese alten Bäume auch Lebensstätten streng geschützter Arten, etwa von Holz bewohnenden Käferarten – Eremit, Heldbock, marmorierter Rosenkäfer – und von zahlreichen streng geschützten Fledermausarten. Die Bäume sind Lebensstätten. Dort sind die Vogelnester von geschützten Arten. All das kann der normale Bürger nicht erkennen.
Damit komme ich zum Thema Entbürokratisierung; auch das haben die Vertreter der Städte eindrucksvoll dargelegt. Die Belastung der Verantwortlichen ist nicht weniger
geworden, sondern durch die Unsicherheit – Nachbarn, die sich melden, oder Leute selber, die nicht wissen, ob sie fällen dürfen oder nicht – müssen sie gleichwohl viel häufiger hinauskommen und Dinge begutachten, bei denen früher einfach klar war, dass es nach der Baumschutzsatzung einen klaren Antragsweg gibt oder man eben einen bestimmten Antrag auch gar nicht stellen muss.
Nicht zuletzt sind bestimmte Bäume selbst streng geschützt, etwa die Schwarzpappel. Jetzt zeigen Sie mir mal die normalen Bürger, die die Schwarzpappel von Hybriden oder anderen Pappelarten unterscheiden können! Das ist nämlich etwas, was nur der Fachmann kann. Auch da ist also die Folge mehr Bürokratie.
Nicht zuletzt ist es durch diese Baumschutzsatzungen, die erst ab einem Stammumfang von einem Meter greifen, nicht mehr möglich, solche Gehölze wie die Elsbeere, zahlreiche Wildrosenarten und zahlreiche wilde Brombeerarten, die auf Roten Listen in Sachsen stehen, überhaupt zu schützen. Auch das ist eigentlich ein Unding.
Nimmt man dies alles einmal zusammen, wird diese Absurdität deutlich: Wenn Kommunen heutzutage Klimaschutzprogramme und Luftreinhaltepläne umsetzen
wollen, wenn sie attraktive Stadtentwicklung machen wollen und dazu Gehölze brauchen, so können sie dies alles nicht nur auf eigenen Grundstücken verwirklichen, sondern auch auf Grundstücken der Bürgerinnen und Bürger. Es geht darum, dass sie die Möglichkeit dazu haben. Es geht nicht darum, dass wir als Landtag dekretieren, was geschützt ist, sondern nur um kommunale Selbstverwaltungshoheit, um diesen Baumschutz überhaupt zu verwirklichen.
Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.
Sie nehmen Bezug auf die Kommunen, auch auf die Anhörung. Es waren Vertreter der Städte Leipzig und Dresden anwesend. Ich habe das Protokoll heute sogar zufällig dabei. Sie haben ausdrücklich und sehr ausführlich dargelegt, wie der Baumbestand zurückgeht. Wie kommen Sie jetzt zu Ihrer Schlussfolgerung, dass die kommunalen Vertreter das Gegenteil dort dargestellt hätten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst einmal: Worum geht es bei unserem Antrag: Sachsens Landwirte beim Ende des Glyphosats zu unterstützen und die Chancen zu nutzen, um zu einer generellen Pestizidreduktionsstrategie zu kommen.
Glyphosat ist von den Pflanzenschutzmitteln respektive Pestiziden das meist eingesetzte Mittel. Es handelt sich dabei um ein Totalherbizid. Das heißt, es tötet grundsätz
lich alle Pflanzen ab. Dieses Mittel wird auf EU-Ebene zugelassen. Die jetzt noch bestehende letzte Zulassung wurde 2017 nur bis zum Jahr 2022 verlängert und läuft aller Voraussicht nach bis dahin aus. Es ist also nicht abzusehen, dass es eine weitere Verlängerung gibt. Das heißt – ganz abgesehen davon, ob man es begrüßt oder nicht, was wir GRÜNE ausdrücklich tun –, der Fakt steht: Glyphosat ist nach 2022 nicht mehr einsetzbar.
Das bedeutet, dass sich, wenn gleichzeitig zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe ihre gesamte Produktionsweise darauf ausgerichtet haben, mit Glyphosat zu arbeiten, dort etwas ändern muss. Der Einsatz von Glyphosat, das heißt die pfluglose Bodenbearbeitung, ist von staatlicher Seite stark unterstützt worden.
Es sei nochmals gesagt: Es ist ein Totalherbizid. Es nennt sich zwar Pflanzenschutzmittel, aber andere sagen auch, dass es letztlich nichts anderes als ein chemischer Pflug ist. Es ersetzt nämlich das Pflügen, bringt alle anderen Pflanzen aus dem Boden heraus, die der Landwirt als Unkraut sehen kann, und das funktioniert in dieser Art und Weise nicht mehr.
Man hat es eingeführt mit Argumenten wie zum Beispiel dem Erosionsschutz am Boden. Wenn das jetzt endet und Landwirte auch durch staatliches Handeln dazu gebracht worden sind, Glyphosat in diesen Mengen einzusetzen, dann muss es Alternativen dazu geben.
Als Hintergrund sei genannt, um welche Zahlen es dabei geht: In Deutschland werden circa 48 000 Tonnen Wirkstoffe an Pestiziden jährlich verkauft und eingesetzt, davon sind ungefähr 10 % Glyphosat. Das ist ein Markt von reichlich 1,3 Milliarden Euro, der eine erhebliche Bedeutung hat.
Wenn es ohne gehen soll, gibt es auch die Diskussion: Ersetzen wir es vielleicht durch andere Wirkstoffe? Man muss feststellen, dass es im Moment kein vergleichbares chemisches Mittel gibt, was diese Wirkung von Glyphosat hat. Man könnte sie vielleicht durch einen Cocktail von sehr vielen Stoffen erreichen, aber die Auswirkungen solch eines Cocktails bzw. dieser Stoffe auf die Umwelt und eventuell auf die menschliche Gesundheit sind schwer absehbar.
Es gibt auch die Erfahrung, dass es bei Pflanzenschutzmitteln, egal welcher Art, ähnlich ist wie in der Medizin. Neue Stoffe kommen auf den Markt und werden eingesetzt. Über die Dauer der Anwendung – die Dosis macht bekanntlich das Gift – steigen die Erfahrungen mit den negativen Folgen. Irgendwann weiß man, dass beim Kosten-Nutzen-Verhältnis vielleicht die Nachteile überwiegen. Viele Stoffe werden nicht mehr zugelassen. Selbst wenn das nicht passiert, ist es auch ganz normal in der Natur: Je länger ich Wirkstoffe einsetze, „mendeln“ sich dann immer die Pflanzenarten heraus, die dagegen resistent werden – Zahlen von Bayer, einem großen Konzern. Dieser Hersteller sagt: Weltweit gibt es schon über 250 Unkräuter, gegen die es keine wirksamen Mittel mehr gibt. Dort immer weiterzumachen und darauf zu setzen, dass man das vielleicht chemisch wieder in den Griff bekommt, ist schwer denkbar und es ist auch nicht sehr klug.
Deswegen besteht Einigkeit bis hin zum Koalitionsvertrag auf Bundesebene – CDU und SPD –, dass man tatsächlich zu einem Ausstieg aus Glyphosat und zu einer deutlichen Reduktion der Pflanzenschutzmittel kommt. Genau in diese Richtung geht unser Antrag.