Kathrin Kagelmann
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Danke schön. Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! „Es sieht aus wie Wald, ist aber kein Wald!“ – so einfach und treffend karikierte Freiherr von Rotenhan, Waldbesitzer unter anderem in der brandenburgischen Lausitz, während einer Veranstaltung an der Forstuniversität in Tharandt einmal den Unterschied zwischen Wald und Forst. In beiden stehen Bäume, aber der Forst ist anders entstanden, ist weniger struktur- und damit artenreich und dient überwiegend anderen Zwecken.
Auch wenn der Waldumbau gerade diesen sichtbaren Unterschied bearbeitet, bleibt der grundsätzliche Zielkonflikt zwischen naturnaher Forstwirtschaft und natürlicher Waldentwicklung bestehen. Wer nämlich Forstwirtschaft betreibt, will zuerst und hauptsächlich Holz erzeugen – als einen sehr wichtigen, weil vielseitigen nachwachsenden Rohstoff. Dafür wird er pflanzen, jagen, kalken, sprühen, entnehmen – also eingreifen –, und wenn er kann, wird er kaum etwas dem Zufall überlassen.
Diese zielgerichteten menschlichen Eingriffe unterbleiben im natürlichen Ökosystem Wald. Dort regelt die Natur das selbst und wir können – mal großflächig, mal kleinflächiger – Phasen des Zerfalls neben Phasen des Aufwuchses erleben. Fachleute nennen das Mosaik-Zyklus-Theorie. Weil gerade die verschiedenen Waldentwicklungsstadien zwischen Aufwuchs und Zerfall und ihre reichen Randstrukturen die hohe Artenvielfalt hervorbringen, gibt es in Naturschutzwäldern häufig schutzwürdige Gebiete.
Beides ist weder gut noch schlecht. Die angestrebten Ziele sind einfach verschieden. Schlecht ist nur, wenn dieser Zielkonflikt ignoriert wird. Das ist die Krux in der Debatte um Forstpolitik, um Struktur und Aufgaben eines sächsischen Staatsbetriebes.
Es geht und ging nie darum, irgendwem Sachkompetenz abzusprechen, nicht den Forstleuten, aber auch nicht den Naturschützern, die im Übrigen vielfach ebenso eine universitäre Ausbildung durchlaufen haben. Aber beide Ziele auf derselben Fläche gleichermaßen verwirklichen zu wollen, das muss schiefgehen, noch dazu, wenn man dem Staatsbetrieb vor der Übernahme der Großschutzgebiete im Jahr 2008 noch eine Hungerkur in Gestalt eines
Personalabbauprogramms verpasst hat, was – wie überall in Verwaltungen zu beobachten – immer dazu führt, dass an der Basis die Hände für die ganz praktischen Arbeiten noch knapper werden. Dafür schreibt der Staatsbetrieb nun verstärkt Leistungen aus, was die Qualität forstlicher Eingriffe nicht zwingend erhöht.
Wie schief die Entwicklung läuft, ist objektivierbar, weil es gemessen wird: mittels der Evaluationen der Managementpläne der Schutzgebiete. Danach sind seit Jahren die mit den FFH-Managementplänen in den frühen 2000er- Jahren festgelegten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen weit überwiegend noch nicht einmal zur Hälfte erfüllt, und das, obwohl im Staatswald vorbildlich gewirtschaftet werden soll.
Vor Kurzem haben wir hier im Landtag außerdem über den Anteil von Naturwaldzellen und Totholz im Staatsforst oder Kernzonen in Schutzgebieten als wichtige Elemente für einen natürlichen, artenreichen Wald gesprochen. Auch da hinkt Sachsen hoffnungslos seinen eigenen Zielstellungen hinterher und schafft Sondermodelle, die den Zielen nicht gerecht werden. Aber Sachsen hinkt doch nicht hinterher, weil die Förster im Staatswald deren Bedeutung ignorieren oder anders einschätzen. Der Förster muss in seinem riesengroßen Revier schlicht wirtschaftliche Prioritäten setzen in einem Betrieb, dessen Einnahmen die staatlichen Zuschüsse mindestens decken sollen, und das bei weiter wachsenden Anforderungen, gerade aktuell nach dem Rekorddürrejahr 2018 nach Stürmen und Bränden und vor einem Großangriff der Borkenkäfer.
Es ist daher politisch unverantwortlich, den Staatsbetrieb und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder neu in diesen Konflikt zu treiben, statt ihn aufzulösen, zumal sich der Konflikt aufgrund des Klimawandels einerseits und der zu erreichenden Biodiversitätsziele andererseits weiter zuspitzen wird. Deshalb haben wir vor einiger Zeit eine einfache Lösung in Form eines Gesetzentwurfes vorgeschlagen, nämlich: Naturschutzgebiete haben andere Funktionen für die Gesellschaft zu erbringen, unabhängig vom konkreten Waldanteil. Sie sind deshalb aus dem Staatsbetrieb herauszulösen und als eigenständige Sonderbehörde direkt der Obersten Naturschutzbehörde fachlich, personell und finanziell zu unterstellen.
Wir haben uns an dieser Stelle aufgrund der Hinweise aus der Sachverständigenanhörung sogar noch einmal selbst korrigiert und unterstellen die Behörde in unserem Änderungsantrag direkt dem Ministerium und nicht – wie noch
in der Ursprungsfassung des Gesetzentwurfes – dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. In jedem Fall soll nach unserer Vorstellung der Aufgabenübertragung an die Sonderbehörde für Großschutzgebiete das Fachpersonal aus dem Staatsbetrieb selbstredend folgen, soweit die Gebiete Wald enthalten. Dies nur zur beleidigten Attitüde, wir würden Förstern Sachkompetenz absprechen. Das schließt gerade nicht aus, dass man mit Naturschutzsachverständigen zusammenarbeitet. Es führt vielmehr dazu, dass die Prioritäten klar geregelt sind.
Im Übrigen scheint fachübergreifende Zusammenarbeit dringend geboten, wie wir in der jüngsten Anhörung zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfungen gehört haben. Ein Sachverständiger hat dort sehr plastisch dargestellt, dass es immer anspruchsvoller wird, bei solchen Prüfverfahren, in diesem Fall für Projekte, die Schutzgebiete queren oder tangieren, den naturschutzfachlichen Erfordernissen gerecht zu werden. Deshalb beschäftigt sein Planungsbüro bereits ein Dutzend Biologen, um Auswirkungen auf das Ökosystem Wald zu untersuchen. Das scheint mir der praktische Beleg dafür zu sein, dass in Naturschutzfragen selbst der studierte Förster an seine fachlichen Grenzen stößt.
Der Logik einer Trennung der Verwaltung und Bewirtschaftung von Großschutzgebieten und dem Staatsforst verschließt sich im Übrigen bundesweit nur Sachsen. Das hier ist also keine links-grüne spinnerte Idee. Das ist einfach überwiegende Praxis in den Ländern.
Keine Sorge, meine Damen und Herren, der Staatswald hat auch ohne Schutzgebiete in Zukunft noch viel zu tun.
Ich bitte Sie um Unterstützung des Gesetzentwurfes.
Herr Präsident! Auch ich möchte von meinem Recht nach § 94 Abs. 1 der Geschäftsordnung Gebrauch machen.
Warum habe ich das Gesetz abgelehnt? Zunächst sei gesagt: Ich verwende dieses Instrument nach der Geschäftsordnung sehr gewissenhaft. In 14 Jahren habe ich es heute erst zum zweiten Mal angewandt. Deshalb lasse ich mir an dieser Stelle ungern Klamauk vorwerfen. Mir ist diese Abstimmung heute zu wichtig, als dass ich mir von Ihnen Theater vorwerfen lassen möchte.
Warum habe ich das Gesetz abgelehnt? Ich erkenne in diesem Gesetz eine Schieflage. Es ist eine deutliche Schieflage zwischen den Rechten der Bürgerinnen und Bürger einerseits und den Eingriffsrechten des Staates andererseits. Jeder Bürger muss sich nach diesem Gesetz – gegebenenfalls verdachtsunabhängig, anlasslos – ausweisen. Ich wohne zudem im Grenzgebiet, und dort ist das natürlich noch eklatanter.
Aber die schwarzen Schafe, die es überall in der Bevölkerung gibt, demzufolge auch in der Polizei, müssen sich bei Rechtsverstößen nicht einmal ausweisen. Sie sind nicht ermittelbar, weil sie nicht gekennzeichnet werden. Diesen Widerspruch können Sie niemandem draußen erklären, mir auch nicht.
In der Diskussion wurde mehrfach von der Motivation für dieses Gesetz gesprochen. Herr Pallas, um die Motivation für ein Gesetz geht es mir – zumindest an dieser Stelle – nicht. Gut gewollt ist noch längst nicht gut gemacht. Das ist eben die Schwierigkeit. Es hat mich in der Diskussion wirklich betroffen gemacht, mit welcher Nonchalance Sie solche gravierenden Eingriffe in die Bürgerrechte der Menschen vornehmen. Damit lassen Sie auch erkennen, wie wenig Sie aus der Vergangenheit gelernt haben.
Diese Koalition, die meiner Fraktion gern und häufig an allen möglichen und unmöglichen Stellen immer wieder gern 40 Jahre DDR anlastet, geht aufgrund einer fiktiven Bedrohungslage hierbei über Grundrechte hinweg. Dabei kann es einem nur kalt den Rücken herunterlaufen. Ich denke, jeder Weg – auch der falsche, Herr Pallas – beginnt mit einem ersten Schritt, und dies ist der erste Schritt hin zu einem Polizeistaat.
Recht vielen Dank. Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Tja, Herr Baum, das ist nun einmal das Problem. Langsam wird es ein wenig übergriffig. Da überschüttet seit der letzten Doppelhaushaltsdebatte die Staatsregierung den ländlichen Raum großzügig mit diversen Wettbewerben und Fördergeldern, aber das undankbare Volk tanzt immer noch nicht auf der Straße. So kann es gehen.
Wenn man sich schon bemüßigt fühlt, dem ländlichen Raum jetzt so viel Aufmerksamkeit zu schenken, dann hat man in der Vergangenheit offensichtlich irgendetwas verpasst. So viel verlorengegangenes Vertrauen kann man auch nicht in zwei Jahren zurückkaufen.
Was ist aus meiner Sicht die Aufgabe der Staatsregierung? Die Staatsregierung muss Körperschaften dauerhaft in die Lage versetzen, die Grundlagen für gleichwertige soziale und wirtschaftliche Entwicklungen vor Ort zu schaffen.
Begeben wir uns einmal in die Niederungen der Kommunalpolitik; gehen wir in meinen Heimatlandkreis Görlitz, auch Heimatlandkreis unseres Ministerpräsidenten.
Wie sah es dort mit der freistaatlichen Fürsorge für gleichwertige Lebensverhältnisse aus? Beginnen wir gleich einmal mit einem der großen Fehler – er liegt mehr als zehn Jahre zurück: Mit der letzten Kreisgebietsreform versuchte man, drei wirtschaftlich schwache, finanziell klamme und demografisch unausgewogene Kommunen zusammenzupappen und daraus einen prosperierenden Landkreis zu generieren.
Das ist natürlich glorreich gescheitert und musste scheitern. Die Strukturschwäche der Region war bekannt. Die mehrfache Grenzlage der Ausgangsgebietskörperschaften war bekannt: Grenze zu Tschechien, Grenze zu Polen, inländische Grenze zu Brandenburg. Das halbiert den Radius von Wirtschaftsentwicklung und macht es Görlitz heute extrem schwer.
Was haben wir heute? Der Landkreis Görlitz, welch Wunder, hat die ungünstigste Bevölkerungsstruktur, die höchsten Soziallasten und schiebt einen Bug von 24 Millionen Euro Altschulden vor sich her – super. Dann hat man in der Kommune natürlich auch kaum Geld, um gegen den demografischen Trend anzukämpfen.
Zusätzlich kam die von meinem Kollegen Gebhardt erwähnte Zentralisierungsstrategie. Wir haben gegen die Schulschließungspolitik angekämpft. Sie erinnern sich an die Schulrebellen von Seifhennersdorf, die letztlich – an dieser Stelle zumindest – diese Politik tatsächlich zu Fall gebracht haben. Und dabei war gegen all diese Unbill ein Kraut gewachsen. Man hätte solidarisch im Instrument Finanzausgleichsgesetz umverteilen können.
Bis zum heutigen Tag kämpft der Landkreis Görlitz, kämpft der Kreistag um einen Nachteilsausgleich in Form eines Demografiefaktors im FAG – erfolglos. Stattdessen dürfen wir uns immer mal wieder über Brosamen zwischen 1 und 3 Millionen Euro freuen, und das auch erst nach langen Verhandlungen. Hier ist die Verantwortung der Staatsregierung! Ich erwarte, dass man der kommunalen Ebene mehr Gestaltungsspielraum einräumt und ihr mehr vertraut. Wir haben mehrfach vorgeschlagen: Machen Sie regionale Fonds auf. Zuletzt, im letzten Doppelhaushalt, haben wir einen Perspektivsicherungsfonds vorgeschlagen, denn wir wissen unten am besten, was wir brauchen. Das ist auch der Unterschied zu den hochgelobten Projekten und Wettbewerben, die jetzt allerorten ausgerufen werden.
Nun gibt es auf einmal eine neue Hoffnung oder eine neue Herausforderung in der Lausitz: Strukturwandel. Auf einmal ist eine Unmenge Geld da, und vor Ort weiß man kaum, wohin mit dem vielen Geld. Das ist auch kein Wunder. Die Staatsregierung hat 30 Jahre lang die Energiewende blockiert. Da kann man natürlich vor Ort auch keine Gedanken entwickeln, um ein Leitbild für eine zukünftige Lausitz aus dem Boden zu stampfen.
Schauen wir einmal in die Projektliste der Infrastrukturmaßnahmen, die die Lausitzer Kreise jetzt eingereicht haben: Das ist der papiergewordene Nachweis der jahrzehntelangen Ignoranz von gleichwertigen Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land. Straße, Schiene, Breitband – über 100 Infrastrukturmaßnahmen. Sie sind doch nicht innovativ, das sind Uraltprojekte, die teilweise seit Jahrzehnten auf ihre Umsetzung warten.
Meine Damen und Herren! Ich hätte noch einige Beispiele. Ich sage Ihnen nur eins: Geben Sie der kommunalen Ebene mehr Vertrauen. Lassen Sie insbesondere in Bezug auf Strukturwandel einen Strukturwandel von unten zu, der die Leute mitnimmt, denn sie wissen, was wir vor Ort brauchen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Für mich ist Politik immer dann am peinlichsten, wenn sie ihr Versagen am Anspruch, beständig um einen gesellschaftlichen Interessenausgleich zum Vorteil der Gemeinschaft zu ringen, so dilettantisch bemäntelt, dass die Klientelbevorteilung an jeder Stelle hervorlugt.
Das Baum-ab-Gesetz ist ein Paradebeispiel für solch peinliche Klientelpolitik. Allein steht Sachsen damit allerdings nicht da. Deutschland ist ja ein Land, in dem
die freie, vor allem schnelle Fahrt für freie Bürger zum Quasi-Menschenrecht erhoben wurde. Da verwundert es einen auch nicht mehr, dass in einem solchen Grundwertekanon nun die freie Säge aufgenommen werden musste.
Besonders entlarvend und beschämend für die schwarzgelbe Regierungsära ist die Tatsache, dass dieses Gesetz ausgerechnet im UN-Jahr der Biodiversität 2010 eingeführt wurde. Ich kann mich noch lebhaft an zahlreiche Veranstaltungen landauf, landab erinnern, bei denen eine engagierte Bürgerschaft Monate vor dem Gesetzesvorhaben Sturm dagegen gelaufen ist. Erfolglos – war ja kurz nach, nicht kurz vor Wahlen. Bis heute – acht Jahre später – erreichen den Petitionsausschuss regelmäßig Eingaben zur Rückholung dieses Irrsinns, darunter die von Kollegen Günther angesprochene Petition mit mehreren Tausend Unterschriften. In allen Anhörungen zur Thematik, sowohl bei Änderungen des Naturschutzgesetzes 2010 als auch in jeder der nachfolgenden Heilungsversuche, auch der LINKEN, kann man sehr gut nachlesen, dass bei der Vielzahl der Sachverständigen immer die gleichen meinen zu profitieren, während unverändert die große Mehrheit der Sachverständigen ausführt, dass die Gesellschaft verliert.
Wie die Gesellschaft verliert, belegte ein Sachverständiger im Rahmen der Anhörung zu dem GRÜNENGesetzentwurf mit einem eindrucksvollen Baum-wegBilderreigen aus der Landeshauptstadt. Er kommentierte resigniert: „Viele Grundstücke sind grün, sie sind nicht wegen der Bäume, sondern wegen des Rasens grün. Dann ist Schluss.“ Damit das aber 2010 nicht zu stark auffiel, wurde weiland von den freiheitlich demokratischen Vätern der Gesetzesänderung immer wieder die Keule des Bürokratieabbaus für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen geschwungen.
Paragrafenpranger und Eierschecke an der Autobahn. Das waren überhaupt die einzigen zwei PR-Projekte aus FDPRegierungszeiten, die mir in Erinnerung geblieben sind. Wobei der Paragrafenpranger schließlich versandete und die Eierschecke-Aktion nur einem einzigen Bäcker temporär geholfen haben dürfte. Ich würde mir also überlegen, liebe CDU-Kollegen, wem Sie da folgen wollen.
Beim Baum-ab-Gesetz ging es überhaupt nicht um Entbürokratisierung. Es ging und geht im Kern um die Stärkung von Eigentümerrechten, und zwar in diesem Fall konkret über die Begrenzung des Geltungsbereichs von Baumschutzsatzungen. Das kann man ja so wollen, nur lehrt die Erfahrung, dass das hehre Ziel von Entbürokratisierung in der Umsetzung allzu häufig mit einer simplen Umverteilung von Lasten beerdigt wird. Meistens führt diese Umverteilung auch noch zu neuerlichen Unsicherheiten – Stichwort: geschützte Baumarten oder Biotope.
Eigentum unterliegt aber ebenso einer Gemeinwohlverpflichtung. Das bedeutet, dass die Stärkung der Rechte von in diesem Fall Grundstückseigentümern abgewogen werden müssen mit den Rechten der Gemeinschaft auf saubere frische Luft, auf ein gesundes Stadtklima, auf ein
grünes Orts- und Landschaftsbild oder auf Artenvielfalt. Gerade dieses letzte Ziel gewinnt in der Öffentlichkeit rasant an Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mir deshalb zweimal überlegen, welche Interessen Sie in der heutigen Zeit voranstellen wollen. Ohnehin war und ist es absurd, eine Kommune von einer Last befreien zu wollen, die sie sich, wenn überhaupt, nur selbst auferlegt hat. Vor dem Erlass hat nämlich jede Gemeinde eigenverantwortlich geprüft, ob überhaupt und in welchem Umfang eine Baumschutzsatzung erforderlich ist und ob der gegebenenfalls einhergehende Aufwand für die Gemeinde zu stemmen ist.
Zeitgleich wurde die Kommune mit der Gesetzesänderung generös von ihrem Recht befreit, für ihren Aufwand Verwaltungsgebühren erheben zu können. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, war dann kein kleiner Eingriff mehr in kommunale Selbstverwaltung. Das war eher eine umweltfachliche Teilresektion oder schlicht Erpressung.
Wenn viele Kommunen trotz des angeblich so immensen Verwaltungsaufwandes eine Baumschutzsatzung erlassen hatten und auch Jahre nach ihrer angeblichen Entlastung von Verwaltungsaufgaben immer noch die wichtige Funktion von Baumschutzsatzungen betonen, dann spricht das doch eine eindeutige Sprache. Das ist auch nur logisch; denn gerade in den städtebaulichen Verdichtungsräumen wächst angesichts der anhaltenden Baukonjunktur die Bedeutung von kommunalem Großgrün. Was machen jetzt die Kommunen, wenn ihnen der Überblick verloren zu gehen droht, weil deutlich weniger Anträge oder Anzeigen auf Baumfällungen eingehen müssen?
Es gibt Kommunen, die ganz aufgegeben haben, weil eine halbe Satzung eben keine volle Schutzwirkung mehr entfalten kann.
Dann gibt es diejenigen, die sich ihrer Verantwortung weiterhin stellen. Sie können mehr beraten, sie können stärker kontrollieren, sie können einzelne Bäume als Naturdenkmal schützen oder Bebauungspläne naturschutzfachlich überarbeiten. Das alles ist Stückwerk. Aber Kommunen, die ihren Einfluss auf die grüne Entwicklung ihrer Stadt behalten wollen, werden dies tun müssen.
Der Verwaltungsaufwand für diese satzungsfreien Baumschutzanstrengungen dürfte mindestens genauso hoch sein, eher noch höher, dazu aber deutlich weniger verbindlich. Die Kosten – gegebenenfalls auch für Nachpflanzungen – tragen die Kommunen jetzt alleine. Saubere Sache!
Der schwarz-gelbe Geniestreich aber war die Genehmigungsfiktion von drei Wochen. In der Praxis, so die Sachverständigen in der Anhörung, bedeutet das eine effektive Prüfzeit von lediglich neun bis zwölf Arbeitstagen für ein rechtssicheres Urteil. In Niesky wäre das alles ja noch machbar. In Dresden aber ist es „der Oberhammer“ – nicht meine Wortwahl, sondern die eines Sachverständigen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition! Es ist sicher nicht leicht, sich zu korrigieren, aber es ist vernünftig und kann so befreiend sein. Auf der Grundlage des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Sie nun wieder eine Chance, sich zu korrigieren.
Meine Kollegin Frau Dr. Pinka hat Ihnen in ihrer Erwiderung zur Gesetzesverabschiedung 2010 ein sehr schönes Zitat des Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker zum Nachdenken mitgegeben, das ich heute, weil es so passend ist, gern noch einmal wiederhole: „Verstand dient der Wahrnehmung der eigenen Interessen. Vernunft ist die Wahrnehmung des Gesamtinteresses.“
Diesem Gesamtinteresse hat Politik zu dienen. Seien Sie also bitte vernünftig. DIE LINKE wird es sein: Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Wer die gesellschaftliche Debatte um Glyphosat in den letzten Jahren verfolgt hat, der wird zugeben müssen, dass wir bei den unmittelbaren Anwendern ungeachtet aller öffentlichen Aufregung immer noch nicht wirklich weitergekommen sind.
Die konventionelle Landwirtschaft, also diejenigen, die rund die Hälfte der Landesfläche bewirtschaften, verteidigt Glyphosat nach wie vor als unverzichtbares Produkt mit jahrzehntealter Anwenderpraxis. Ökobetriebe, Umweltschützer und breite Teile der Verbraucherinnen und Verbraucher fordern dagegen ein Verbot.
Eine jahrzehntelange Anwendungspraxis kann allerdings nicht überzeugen, weil sich jede Zulassung dem ständigen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt stellen muss und weil die Zulassungsbehörden aus rein finanziellen Gründen zunächst auf Studien der Hersteller zurückgreifen, die aber entwickeln, um zu verkaufen. Mit objektiver, unabhängiger oder ökosystemischer Wirkungsbetrachtung hat eine solche Prüfung nicht viel zu tun.
Überdies arbeiten deutsche Zulassungsbehörden auch ausgesprochen langsam. Jedes vierte Pflanzenschutzmittel ist nur deshalb noch auf dem Markt, weil es eine Ausnahmegenehmigung zur Zulassungsverlängerung bekommen musste wegen Verfristung, und die bekommt man dann ganz ohne neue Prüfung zu Wirkung und Giftigkeit.
Manchmal arbeiten die Behörden wieder zu schnell, dann wohl eher, um lästigen Abstimmungen aus dem Weg zu gehen, wie jüngst, als das Agrarministerium im Bund im Alleingang mal 18 Zulassungen für Ackergifte en passant durchwinkte. So viel übrigens zur Ernsthaftigkeit der angekündigten Glyphosat-Minderungsstrategie aus dem Hause Klöckner.
Selbst die jährliche Liste der Widerrufe von Zulassungen kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Gesamtmenge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln steigt laut Umweltbundesamt, auch wenn der Einsatz von Herbiziden seit 2012 rückläufig ist. Der Optimist sagt an dieser Stelle: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen – oder vielleicht passender das Insekt –, aber es lebt – noch, fügt der Pessimist hinzu. Und recht gibt dem Pessimisten das weltweit seit Jahren beobachtete unerklärliche Bienensterben oder bei uns hier vor Ort die bekannte Krefelder Langzeitstudie zur Abnahme der Insekten. Dabei gibt schon die vorherrschende agrarwirtschaftliche Produktionsweise vor, welche Pflanzenschutzmittel entwickelt werden.
Glyphosat ist somit Ausdruck eines Agrarsystems, das immer mehr und immer billiger produzieren will, mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch, Tier, Boden und Umwelt, schreibt zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Natürlich gibt es andere Pflanzenschutzmittel – auch wesentlich giftigere –, aber keines ist so bekannt und umstritten wie Glyphosat und keines wird so breit angewendet. Glyphosat ist damit längst zu einer politischen Metapher geworden, die auf den einen Grundkonflikt zurückführt: Wie wollen wir unsere Landwirtschaft der Zukunft gestalten? Glyphosat-Verbote kratzen insofern nur an der Oberfläche eines Systems, das die Hauptursache für den beobachteten Artenschwund ist.
Die sachgerechte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die gute fachliche Praxis oder auch der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz konnten jedenfalls nicht verhindern, dass der Problemdruck auf dem Feld wächst – mit wenigen Fruchtarten, kurzgliedrigen Fruchtfolgen, großen Schlägen, großer Technik auf der einen Seite und geringer Artenvielfalt, belasteten Böden, abnehmender Zahl an Betrieben, gefährdeten Hofnachfolgen auf der anderen Seite.
Mit dem Problemdruck wächst die Erwartungshaltung der Menschen an den Berufsstand und die Politik. Ausdruck einer solchen Erwartungshaltung ist unter anderem das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns: das Volksbegehren Artenschutz. Ministerpräsident Söder will nun ein noch besseres Artenschutzgesetz in Bayern als Alternative vorlegen. Wir in Sachsen haben zwar kein eigenes Pflanzenschutzgesetz, aber das zeigt schon einmal, was auf Landesebene möglich wäre.
Anderswo geht man noch weiter. Bereits Ende 2017 hat das Land Kärnten in Österreich sein Pflanzenschutzgesetz geändert und – Zitat – die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat auf Landwirtschaftsflächen im Sinne des Vorsorgeprinzips für die Dauer von drei Jahren verboten. Auf Bundesebene verlangt gerade die Petition Pestizidkontrolle, die Zulassungsregelungen für Pflanzenschutzmittel zu verbessern.
Auch in Sachsen wurde Mitte Februar eine Petition gestartet, die Petition „Rettet die Bienen“. Herr Staatsmi
nister Schmidt, Sie können ja schon einmal überlegen, was Sie den inzwischen schon mehreren Tausend Petenten in Sachsen anbieten wollen. Der Verweis auf den Bund wird da so kurz vor den Landtagswahlen kaum Punkte im Koalitionsheftchen bringen.
Die Frage ist also eher: Will man Teil von Bewegung sein oder von Bewegung zum Jagen getragen werden? Die Richtung ist jedenfalls unumkehrbar und das Thema ist raus aus der Nische.
So ein bisschen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, erinnert mich der Glyphosat-Streit übrigens an die Kohledebatte: Erst jahrzehntelang die Wende ausbremsen und dann heulen, dass die Zeit knapp wird. Machen Sie doch bitte nicht bei der Agrarwende den gleichen Fehler, liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich doch einmal an die Spitze von Bewegung!
Die von den GRÜNEN beschriebenen Maßnahmen zum Glyphosat-Ausstieg sind sachgerecht und der Freistaat täte gut daran, zügig selbst aktiv voranzugehen. Er kann es ja auch gar nicht mehr anders, als dem Bund irgendwie gerecht zu werden. Denkbar wären ergänzend noch eigene sächsische Bundesratsinitiativen – jetzt müssen Sie zuhören, Herr Staatsminister! –
nicht nur zum Wolfsabschuss, sondern zur Abwechslung auch einmal zum Artenschutz.
Sachsen hätte sich auch einfach der Bundesratsinitiative aus dem rot-rot-grün-regierten Thüringen anschließen können, statt sie nur zu blockieren. Das Artensterben ist nicht durch ein paar kosmetische Korrekturen zu stoppen. Wir brauchen eine Agrarpolitik, die die Ursachen für den Intensivierungsdruck bekämpft und damit erst eine deutliche Reduzierung von chemischen Pflanzenschutzmitteln für den Bauern möglich macht.
Ein klarer Glyphosat-Ausstiegspfad in Sachsen könnte ein Einstieg in den Ausstieg sein. Ich werde meiner Fraktion empfehlen zuzustimmen und ich richte noch einmal den Appell an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Gleiches zu tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, heute zum Waldzustandsbericht zu sprechen, denn es wird mein letzter Waldzustandsbericht werden, zu dem ich spreche.
Ja, meine Damen und Herren, schlimmer geht’s immer. Das ist schon ziemlich erschreckend, was im zurückliegenden Extremjahr im Wald passiert ist. So fühlt sich Klimawandel an. So sieht er aus, der Klimawandel, den es für manche Abgeordnete in diesem Haus entweder überhaupt nicht gibt
oder den andere gern als normalen Ausdruck von bekannten erdgeschichtlichen Heiß-, Kaltzeitschwankungen definieren.
Egal, wer sich hier wie seine Erklärungen zurechtbastelt – selbst als Schwankungen sind diese ziemlich teuer für den Waldbesitzer und den Steuerzahler. Ein Ende scheint nicht absehbar. Sturmtief Eberhard lässt grüßen und die nächste Boygroup ist schon im Anmarsch.
Die zu erwartenden Tendenzen für die Zukunft sind im Waldzustandsbericht nachzulesen. Die extremen Witterungsereignisse nehmen zu, die Durchschnittstemperaturen steigen, die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge verändert sich und in der Vegetationsperiode regnet es weniger. Die Niederschläge werden dafür intensiver.
Schäden mit mehr als 200 000 Kubikmeter Schadholz sind mittlerweile ein Normalfall geworden, heißt es unter anderem im aktuellen Waldzustandsbericht. Die Sturmereignisse der Jahre 2017 und 2018 warfen – Herr von Breitenbuch hat es bereits angedeutet – jeweils rund 2 Millionen Kubikmeter Schadholz zu Boden. Zum Vergleich: Der emissionsbedingte Schadholzanfall in den Jahren 1968 bis 1988 bewegte sich bei einer damals unglaublichen Menge von maximal einer halben Million Kubikmeter. Im Durchschnitt waren es rund 160 000 Kubikmeter pro Jahr.
Besonders dramatisch ist: Die zurückliegenden vier Trockenjahre in einem Jahrzehnt schädigen nicht nur die besonders anfälligen Forstkulturen, sondern auch ältere Bäume in immer stärkerem Umfang. Darauf verweist der mittlere Nadel- und Blattverlust von extremen 21 % im Jahr 2018, der erstmals landesweit sichtbar wurde.
Meine Damen und Herren! Insofern ist der Handlungsauftrag eindeutig: Lassen Sie uns die Klimaschutzanstrengungen deutlich intensivieren, und zwar in allen Sektoren der Wirtschaft, angefangen beim Verkehr, über die Landwirtschaft, die Industrie bis hin zur Energieerzeugung.
Natürlich muss der Waldumbau vorangetrieben werden. Aber – und jetzt schlage ich den Bogen zum Forstbericht, der ja die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung in den Blick nimmt und insofern aus meiner Sicht eher im Parlament diskutiert gehörte – dieser Waldumbau muss mit Augenmaß erfolgen, ohne hektische Betriebsamkeit vorzutäuschen. Gewinnerwartungen eines Staatsbetriebes können da nicht dauerhaft steigen, im Gegenteil: Staatswald hat in dieser Situation eine besondere Gemeinwohlverpflichtung gegenüber dem privaten und kommunalen
Waldbesitz wahrzunehmen, damit stabile, klimawandelfeste Wälder über alle Eigentumsformen entstehen können. Gemeinwohl aber kostet.
Ich sehe daher die langfristige Personalentwicklung im Staatsbetrieb durchaus kritisch; denn nach den Antworten auf unsere Große Anfrage zum Sachsenforst aus dem Jahr 2018 stehen dem tendenziellen Aufwuchs bei mittleren und höheren Beamtenstellen sinkende Planstellen bei Waldarbeitern gegenüber, und dem folgt dann die moderne Waldbaustrategie: keine Zäune, wenig Wild, wie in der Pressekonferenz zum Waldzustandsbericht betont wurde, und vermehrte Auftragsvergabe an externe Dienstleister.
Eigene Schutzmaßnahmen und eigene Waldarbeiter sind nämlich arbeits- und kostenintensiv, während Fremdvergaben preiswerter kommen. Dass darüber dem sogenannten freien Markt gerade nach Sturmereignissen zusätzlich Ressourcen entzogen werden und somit besonders kleinere Waldbesitzer das Nachsehen haben, wird offenbar in Kauf genommen. Diese Sichtweise aber ist eine vordergründig betriebswirtschaftliche und eben keine gesamtgesellschaftliche, die die Interessen des Natur- und Artenschutzes genauso vernachlässigt wie die besondere Gemeinwohlverpflichtung eines Staatsbetriebes.
Es ist diese Haltung – als Mitglied des Petitionsausschusses verrate ich da kein Geheimnis –, die bis in die Gegenwart regelmäßig zu Konflikten mit verschiedenen Waldnutzern führt. Ich dagegen erwarte von einem Staatsbetrieb, dass er sich seiner Vorbildwirkung bewusst stellt, und ich erwarte sowohl von der Staatsregierung als auch von dem Staatsbetrieb Sachsenforst mehr statt weniger Engagement bei der zugegeben häufig recht schwierigen Konsenssuche mit allen Akteuren im Wald. Reden ist an dieser Stelle nicht Silber, sondern Gold, meine Damen und Herren.
Danke schön.
Herr Minister, eine Frage zum Stichwort Digitalkompetenz und ihrer Vermittlung. Nach einer Umfrage des Deutschen Bauernverbandes und Bitcom vom vergangenen Jahr meinte jeder zweite Jungbauer, dass der eigene Hof in digitaler Hinsicht noch Defizite aufweist, unter anderem deshalb, weil die landwirtschaftliche Ausbildung noch zu wenig digitales Know-how vermittelt.
Die Frage: Inwieweit sind die agrarwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen auf die Vermittlung von Digitalkompetenz vorbereitet, und zwar sowohl theoretisch in den Lehr- und Ausbildungsplänen als auch materiell-technisch, bezogen auf praktische Anwendungsmöglichkeiten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Es grenzt schon ein bisschen an Beschäftigungstherapie, was wir jetzt hier machen, nachdem wir uns gestern Nacht bereits mit dem Thema auseinandergesetzt und dieses bereits abgelehnt hatten.
Reden wir nun also noch einmal zu den Rehkitzen. Es mag ja ganz nett sein vor den Feiertagen, aber nicht sachgerecht.
Ganz sachlich gesagt: Wer den Mähtod von Tieren billigend in Kauf nimmt, handelt vorsätzlich und begeht nach dem Tierschutzgesetz eine Straftat. Sie wird, wenn sie zur Anzeige kommt, mitunter sehr hart geahndet, und das ist richtig so. Gleichzeitig bergen die getöteten Wildtiere auch für die Landwirtschaft ein Risiko, wenn die Kadaverteile in das zu silierende Gras gelangen und später verfüttert werden. Insofern hat der Landwirt gleich ein mehrfaches Interesse daran, vor der Grasernte sicherzustellen, dass keine Wildtiere auf der Fläche sind.
Es gibt verschiedene Methoden nachzuschauen, was auf der Grasfläche drauf ist. Herr von Breitenbuch hat bereits dazu ausgeführt; das will ich nicht noch einmal tun. Die Bauern brauchen also nicht zwingend Drohnentechnik, und man muss auch berücksichtigen, dass deren Anwendung durchaus anspruchsvoll ist, technisch wie personell. Ich will auch gleich dazu sagen, dass 13 Drohnen im gesamten Land Sachsen dann doch ein bisschen „weng“ sein dürften.
Ich habe mich einmal schlau gemacht, wie es der regionale Oberlausitzer Bauernverband sieht. Es kann ja sein, man hat von rechter Seite besondere Informationen, dass das ein enormes Problem wäre.
Jedenfalls habe ich die Rückmeldung bekommen, dass der Bauernverband in der Lausitz keinen Bedarf an Drohnen für den Wildschutz erkennen kann. Ich erhielt zur Antwort, dass die fahrlässige Tötung von Rehkitzen bei der Futterernte insofern kein Problem darstellt, als dass inzwischen stärker nach Inhaltsstoffen und damit teilflächenspezifisch bewirtschaftet wird und weniger nach Menge geerntet wird. Deshalb liegt der erste Schnitt in der Oberlausitz weit vor der Hauptsetzzeit der Rehe und der zweite Schnitt nach den ersten kritischen Wochen.
Vorsorge wird natürlich trotzdem betrieben und fahrlässige Tötung bleibt strafrechtlich relevant. Es bleibt dabei: Wer nichts tut, macht sich strafbar. Drohnen sind dafür nicht unbedingt erforderlich. Es reichen herkömmliche Maßnahmen. Wer allerdings eine Drohne anschaffen möchte, kann es heute schon tun.
Insofern ist der Antrag nach wie vor überflüssig. Wir lehnen ihn ab.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Werte Damen und Herren Abgeordnete! Um es gleich vorwegzunehmen: Unsere Fraktion unterstützt das Anliegen des Antrages grundsätzlich. Wir werden trotzdem nicht zustimmen. Ich will Ihnen gleich begründen, warum.
Richtig ist, dass Sachsen mit erheblichem Abstand weniger Naturwaldzellen als die anderen Bundesländer aufweist. Bei uns sind lediglich 0,06 % der Waldfläche des Landes als Naturwaldzelle geschützt. Das ist in etwa so viel wie in Brandenburg, aber nur halb so viel wie die übrigen Bundesländer mit bereits unterdurchschnittlich wenigen Naturwaldzellen, wie etwa Hessen, NordrheinWestfalen oder Sachsen-Anhalt aufweisen. Was noch als Naturwaldzelle ausgewiesen werden kann, sollte auch ausgewiesen werden.
Jetzt kommt es – vorsichtig mit dem Klatschen: Anzuerkennen ist aber gleichzeitig, dass Sachsen über die im
Vergleich zu den anderen Bundesländern größten Anteile an instabilen Fichtenbeständen verfügt. Wir haben auch Probleme bei den Kieferreinbeständen. Aber dabei liegt das Land Brandenburg noch vor uns.
Angesichts eines dringend notwendigen klimawandelfesten Waldumbaus stellt das eine besondere Herausforderung dar. Aber es macht aus unserer Sicht genauso wenig Sinn, in Waldbestände vor einem vernünftigen Erntealter der Bäume in größeren Umfang einzugreifen. Daher kollidiert der Anspruch einer forcierten Ausweitung von Naturwaldzellen über die wenigen naturschutzrelevanten Flächen hinaus, die bereits als Totalreservate geschützt werden, mit dem Erfordernis auf der anderen Seite, die standortwidrig bestockten Flächen erst einmal umzubauen.
Aber es gibt auch die Wälder, die bereits naturnah bestockt sind, die sich aber zum Beispiel wegen ihrer Steillage nicht ohne Weiteres beernten lassen. In diesen Wäldern gibt es häufig die naturschutzfachlich begehrten ununterbrochenen Habitattraditionen, wie man so schön sagt, weil Generationen von Förstern vorher die eher leicht zugängliche Fläche beerntet hatten.
Auf Seite 37 ff. des Sachsenforst-Naturschutzkonzeptes ist erläutert, was mit diesen Flächen geschehen soll. Sie werden hinsichtlich ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung bewertet, und dann sollen sie periodisch aus der Nutzung genommen werden. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass diese Flächen je nach Kassenlage doch wieder beerntet werden sollen.
Was wir nicht wissen, ist, welchen Gesamtumfang derartige Flächen haben. Vielleicht macht Forstminister Schmidt danach noch einige Aussagen dazu. Sicherheitshalber habe ich aber schon einmal mit einer Kleinen Anfrage nachgefragt.
Es kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Der Totholzvorrat in Sachsen bewegt sich gerade einmal bei der Hälfte des Bundesdurchschnitts. Insbesondere die starken Dimensionen beim stehenden Totholz fehlen hier, weil diese Bäume bereits geerntet wurden oder werden. Die letzten Refugien im alten Baumbestand befinden sich nämlich häufig im urbanen Raum, das heißt in Parks und an Wegen und Straßenrändern. Dort fallen sie, wie wir wissen, gern Verkehrssicherungsmaßnahmen zum Opfer.
Im Wald dagegen werden die Bäume so früh gefällt, dass sich Baumhöhlen oder morsche hohle Stämme gar nicht erst ausbilden können. Die aber wären wichtig, besonders für Holz bewohnende Insektenarten. Deshalb muss jetzt für diese Habitate vorgesorgt werden, beispielsweise indem einzelne starke Bäume stehen bleiben. Nun erwarte ich nicht, dass Sachsenforst die besten Furnierholzstämme, die Generationen von Förstern gepflegt haben, einfach mir nichts, dir nichts der Verrottung überlässt. Aber es gibt immer wieder starke Einzelexemplare von Bäumen oder bereits abgestorbene Bäume, die besser
nicht ins Brennholz gesägt und aus Gründen des Naturschutzes erhalten werden sollten.
Auf der anderen Seite diskutieren wir ganz aktuell über gefährdete Arten, zum Beispiel das Birkhuhn, das gerade durch die geänderte Waldnutzung seine Habitate verliert, weil die benötigen Offenflächen zuwuchern. Deshalb ist das Birkhuhn in Sachsen fast ausgestorben. Das heißt, unberührte Wälder sind nicht zwingend Garant für eine intakte und höhere Biodiversität. Wir haben zudem noch ein zusätzliches Problem – das haben wir auch schon besprochen –: den Borkenkäfer. Der wirkt in kränkelnden Fichtenreihenbeständen eben besonders gravierend und gefährdet damit umliegende Bestände. Was in Naturschutzgebieten noch in begrenztem Umfang akzeptiert werden kann, findet kein positives Echo bei angrenzenden Privatwaldbesitzern, weil es zu Gewinneinbrüchen führt.
Genau zwischen diesen verschiedenen naturschutzfachlichen, klimapolitischen und letztlich auch betriebswirtschaftlichen Anforderungen muss sich heutzutage moderne Waldwirtschaft bewegen. Und sie ist dabei gegenwärtig noch in aktuellen Waldbaumethoden und Denkschulen gefangen. Guter Waldbau macht es möglich, Flächen dauerhaft oder zeitweilig aus der Nutzung zu nehmen, umzubauen, aber auch einzelne Biotopbäume stehen zu lassen und dem Verfall zu überlassen, wenn der übrige Bestand mit anderen Baumarten aufgeforstet wird. Das widerspricht gegebenenfalls betriebswirtschaftlichen
Überlegungen, dient aber in besonderer Weise dem Naturschutz und stellt damit ein übergeordnetes Gemeinwohlinteresse dar. Das ist es auch, was im Staatswald, im Gegensatz zum Privatwald, leichter und direkter durchgesetzt werden kann, was der besonderen und gesetzlich verankerten Gemeinwohlverpflichtung des Staatsforstbetriebes entspricht und was insofern auch eingefordert werden sollte.
Deshalb erwarte ich, von Sachsenforst, dass der Totholzanteil – insbesondere bei stärkeren Bäumen – durch entsprechende Vorgaben an die Revierleiterinnen und Revierleiter deutlich erhöht wird. Und ich erwarte weiterhin, dass naturschutzrelevante Flächen nicht nur periodisch, sondern auch dauerhaft aus der Nutzung genommen werden. Was ich dagegen für weniger gut halte, sind starre Ziel- und Zeitmarken, wie sie der Antrag der GRÜNEN vorgibt. Als Linke sage ich, angesichts der ohne Zweifel miesen Ausgangsbasis von Naturwaldfläche in Sachsen unter Berufung auf Karl Marx: Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme. Oder anders: Jeder Prozentpunkt nach oben bringt in diesem Fall mehr als objektiv unerreichbare Zielmarken. Insofern wird sich DIE LINKE beim Antrag enthalten.
Danke schön.
(Beifall bei den LINKEN – Christian Hartmann, CDU: Was sagte denn eigentlich Karl May dazu? – Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Der gehört nicht zu unseren Klassikern! – Heiterkeit)
Danke schön, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete! Lebensmittel aus regionalem Anbau oder Tierhaltung sind ohne Zweifel eine gute Sache, genauso wie die Förderung ihrer Vermarktung zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. DIE LINKE hat beispielsweise immer ihre Forderung gegenüber der Landesregierung, den Zugang zum EU-Schulfruchtprogramm zuerst überhaupt und dann mehr Schulen zu ermöglichen oder mehr Schulküchen einzurichten, immer verbunden mit der klaren Zielrichtung, dass gerade bei der Gemeinschaftsverpflegung in Bildungseinrichtungen vorrangig gesunde und regional erzeugte Produkte zum Einsatz kommen. Aber wir haben
beim Schulfruchtprogramm erfahren müssen, dass bei der Umsetzung solcher Forderungen kein fehlendes regionales Label das Hauptproblem darstellt, sondern fehlendes Personal, fehlendes Geld und fehlende räumliche und zeitliche Kapazitäten.
Ganz unabhängig davon verheißt eine sächsische Marke eben längst noch keine herausragende Qualität, denn sie muss erst nachgewiesen und vor allem kontrolliert werden. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand, der organisatorisch und personell bewältigt und schließlich auch bezahlt werden muss. Deshalb kann von der Politik erwartet werden, dass sie ehrlich sagt, wer am Ende welchen Umfang dieses Mehraufwandes schultern soll. Spätestens an dieser Stelle ist es dann vorbei mit der Euphorie, und zwar zuerst bei den Erzeugern selbst. Nichts anderes besagt im Übrigen die Stellungnahme der Staatsregierung.
Außerdem – Herr Fischer hat schon darauf hingewiesen – gibt es im Nahrungsmittelbereich etwa ein Dutzend größere Label. Zusätzlich wird mit der lokalen Herkunft von Produkten bereits umfangreich geworben, vom Pulsnitzer Pfefferkuchen bis zum Bautzner Senf. Im Einzelnen sagt eine solche Kennzeichnung nichts darüber aus, wie nachhaltig die Produktions- bzw. Anbauweise der Rohstoffe aussieht, wie die Verarbeitung erfolgt, welche Transportwege einzelne Produktbestandteile hinter sich haben und zuletzt, welche Bedingungen für die Beschäftigten in den Unternehmen gelten. Aber genau darauf kommt es für uns als LINKE besonders an. Die Görlitzer Kaffeemischung oder Dresdner Schokolade sind in diesem Sinne eben keine regionalen Produkte. Im Lausitzer Leinöl steckt nur ganz wenig Lausitzer Leinsamen. Der nämlich kommt beispielsweise aus Kanada oder Russland, was nicht gerade vor unserer unmittelbaren Haustür liegt.
Gelabelt wird also nur der Ort, wo im besten Fall der letzte Verarbeitungsschritt passiert. Das heißt im Umkehrschluss, dass mit einem Regionallabel nicht zwingend ein regionaler Wirtschaftskreislauf gefördert wird. Verlässlicher sind da schon Kennzeichnungen – Herr Fischer hat es schon ausgeführt – wie die sogenannte geschützte geografische Angabe, die zumindest besagt, dass bestimmte Produktionsschritte in einer Region stattfinden, aber auch nicht alle und schon gar nicht bezogen auf alle Zutaten.
Noch besser ist die geschützte Ursprungsbezeichnung, die sicherstellt, dass Lebensmittel in einem konkreten Gebiet nach konkreten Verfahren hergestellt wurden. Wir können hier im Rund mal den Versuch starten nachzufragen, wer das GGA-Siegel für geschützte geografische Angabe oder GU-Siegel für geschützte Ursprungsbezeichnung überhaupt kennt und wann es zuletzt eine Rolle für seine persönliche Kaufentscheidung gespielt hat. Meine Damen
und Herren, ich erwarte fraktionsübergreifend erschreckend hohe Informationsdefizite.
Insgesamt aber zeigt dieser kurze theoretische Ausflug in die Lebensmittelkennzeichnung, dass bereits heute das Zuviel an Aufdrucken und Stempeln das Ziel von Transparenz und Verbraucherlenkung deutlich verfehlt, dafür aber dem Etikettenschwindel Tür und Tor öffnet. Insofern ist hier weniger, aber dafür klarer, inzwischen deutlich mehr.
Die politischen Stellschrauben sind aus Sicht der LINKEN deshalb an anderer Stelle anzuziehen, nämlich zuerst bei der Stärkung der Marktposition der Erzeuger gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel, bei der Investitionsförderung für kleine Molkereien oder Schlachtbetriebe oder bei der Förderung von Regionalinitiativen, wie der solidarischen Landwirtschaft.
DIE LINKE wird deshalb den Antrag ablehnen.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Toleranz scheint Mangelware zu sein in der aktuellen Zeit, in jeder Hinsicht. Forderungen nach wolfsfreien Zonen sind trauriger Beleg dafür. Dabei brauchen wir Menschen sie dringend beim Neuerlernen des Zusammenlebens mit dem Wolf, mit dem Luchs oder mit dem Kormoran, denn wir müssen Kompromisse eingehen und lange gewohnte Verhaltensweisen ändern. Das macht Annäherung konfliktreich und die Kompromisse verursachen Kosten. Manche Menschen sind dazu heute noch nicht bereit – einige, wie die Weidetierhalter, sind dazu wirtschaftlich ohne Hilfe nicht in der Lage. Bei den Ersteren hilft nur unermüdliche Aufklärung, bei den Tierhaltern nur finanzielle Unterstützung. Das sind die beiden Aufgaben, die Politik zu erledigen hat.
Eine simple Tatsache ist in jedem Fall anzuerkennen: Schießen hilft beiden nicht – der Wolf wird bleiben nach allem, was recht ist. Ich denke auch, dass die Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes an Artikel 16 der FFHRichtlinie nicht das ermöglicht, was gern damit verbunden wird: eine reguläre Bejagung und schon gar keine wolfsfreien Zonen.
Sachsen hat sich in der Vergangenheit seiner Verantwortung zum Artenschutz mit seinem Managementplan Wolf verantwortungsbewusst gestellt. Wenn jetzt vermehrt Fragen oder Verunsicherungen auftreten, kann man diesen Plan auch mittels einer Wolfsverordnung untersetzen und Einzelfragen rechtsverbindlicher abklären. Aber ob ein solches Instrument tatsächlich wirksamer die zentralen Mensch-Wolf-Konflikte bearbeitet oder im schlechtesten Fall zusätzliche neue Konflikte hervorruft, kann ich erst einschätzen, wenn sie vorliegt. Dabei pfeifen die Spatzen in der Lausitz längst Erstaunliches von den Dächern, was mit einer solchen Verordnung alles anders werden könnte.
Meine Kollegin Pinka hat deshalb in Abstimmung mit mir mittels einer Kleinen Anfrage konkret vorgefühlt, etwa ob die Staatsregierung gedenkt, mittels untergesetzlicher
Regelungen irgendwie zu reagieren und strukturelle Veränderungen im Wolfsmanagement vorzunehmen. Wir bekamen noch mit Datum vom 30. Oktober die knappe Antwort, dass die Willensbildung der Exekutive noch nicht abgeschlossen wäre.
Nun, sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie werden sich ordentlich sputen müssen, denn die Koalition will ja die fertige Verordnung schon bis Jahresende vorliegen haben, und davor sollen sicherlich noch die Träger öffentlicher Belange angehört werden. Wen also wollen Sie hier um die Fichte führen? Die Verordnung ist doch im Entwurf längst fertig, sonst wäre es, erstens, nie zu diesem Antrag gekommen und, zweitens, könnten Sie solche umfassenden strukturellen Veränderungen, wie sie im Antrag beauftragt werden, nicht mal so en passant beschließen. Eine solche Verfahrensweise muss ja geradezu misstrauisch machen.
Augenfällig ist doch in der gesamten Debatte, die aktuell von Sachsen aus – sekundiert von Brandenburg und Niedersachsen – in der Länderkammer geführt wird, dass sich mit den jüngsten politischen Aktivitäten vordergründig auf Maßnahmen für weniger Wolf und nicht für mehr Konfliktmanagement konzentriert wird. Letztlich will man endlich schießen dürfen – regelmäßig und ohne große Diskussion. Sollte es nicht eigentlich zuerst um mehr Weidehaltung gehen? Den zentralen Konflikt nämlich will und kann eine vorgesehene Verordnung überhaupt nicht angehen: die Honorierung der Gemeinwohlleistung Landschaftspflege durch Weidehaltung.
Ziemlich geräuscharm wurde erst im Sommer im Bundestag ein Antrag von LINKEN und GRÜNEN zur Einführung der Weidetierprämie abgeschmettert. Diese sogenannte gekoppelte Prämie ist das aus meiner Sicht wirkungsvollste Instrument zur Förderung einer naturverträglichen Weidewirtschaft – zudem erprobt und in 22 EULändern Praxis. Die EU hat die Möglichkeit zur Abweichung vom Grundprinzip der Entkopplung von der Produktion 2013 sogar ausdrücklich erweitert, um bestimmte Landwirtschaftsformen zu stärken. Dazu hätte Deutschland lediglich über eine Mitteilung an die Europäische Kommission bis zum 1. August 2018 eine gekoppelte Stützung an Betriebe von Schaf- und Ziegenhaltung zum 1. Januar 2019 einführen müssen. Das hat im Übrigen eine große bundesweite Petition von Schafhaltern gefordert.
Ich habe hier im Landtag mehrfach darauf hingewiesen, dass die Schafhaltung in Deutschland und Sachsen seit vielen Jahren stark rückläufig ist und dass diese Entwicklung wenig bis nichts mit dem Wolf zu tun hat, sondern mit Marktbedingungen für die Produkte Wolle und Fleisch. Das alles ist doch nicht neu.
Es ärgert mich, meine Damen und Herren, dass die Chance der Weidetierprämie wieder vertan wurde, um dann im Oktober im Bundesrat durch Sachsen die Revolution zu proben. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, im Bundestag hätten Ihre Abgeordneten ein
fach die Hand beim Antrag von LINKEN und GRÜNEN heben müssen, fertig. So einfach ist die Sache.
Weiter zum Antrag: Natürlich muss das Wolfsmanagement beständig weiterentwickelt werden, müssen seine Wirksamkeit evaluiert, die Fördersätze für investiven Wolfsschutz angehoben oder Entschädigungsverfahren vereinfacht werden. Selbstverständlich braucht es mehr Austausch mit den polnischen Nachbarn und weitergehende Forschung. Das alles ist richtig. Das kann über das Landesamt sicher besser sachsenweit koordiniert und gesteuert werden. Aber wenn eine Bündelung von Aufgaben, wie sie auch der Rechnungshof anmahnt, zu einer Ausdünnung bewährter Beratungsstrukturen vor Ort führt, wäre das der größtmöglich zu verzapfende Unsinn in der jetzigen Situation.
Wenn sich der Wolf von der Lausitz aus Sachsen erobert, muss gerade die Beratung ausgeweitet werden. Zentralisieren dürfen Sie gern, was die Trägerschaft und Finanzierung weiterer Wildbüros betrifft. Die Lausitz ist das beste Beispiel dafür, dass auch jahrzehntelange Erfahrung mit dem Wolf keine Konflikte für alle Zeiten verhindert und Öffentlichkeitsarbeit deshalb dauerhaft und vor Ort geleistet werden muss.
Oder nehmen wir den Punkt Rissbegutachtung. Wie genau soll das organisiert werden durch das LfULG? Die Rissbegutachtung unterliegt aktuell den Kreisen. Nun wird gemunkelt, dass da circa sechs Stellen landesweit angedacht sind. Schon heute aber stoßen die Rissgutachter an ihre Belastungsgrenzen, wenn mehrere Vorfälle zeitgleich gemeldet werden oder Urlaub und Krankheit zu kompensieren sind. DNA-Spuren werden nicht besser mit der Zeit. In Brandenburg setzt man unter anderem auf vorgeschaltete Telefonbefragungen zu Rissmerkmalen und Schutz. Ist das Ihr favorisiertes Modell? Ich wage sehr zu bezweifeln, dass damit die häufig kritisierte Qualität der Rissbegutachtung verbessert werden kann. Oder wollen Sie die Rissgutachter aus den Kreisen abziehen, um sie stärker zu schützen, denn einige – wen wundert es in der heutigen Zeit – werden zunehmend nicht nur verbal attackiert?
Gehen wir weiter im Antrag. Für die Wissenschaft ist der Austausch über teils widerstreitende Thesen wichtig für die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Deshalb sollte die Vergabe von wissenschaftlichen Aufträgen durchaus gestreut werden, aber der besondere Verweis auf die Vergabe als Unternehmerleistung unter II.3 b kritisiert offenbar unterschwellig die bisherigen Kosten für Forschungsaufträge und will somit mehr Ergebnisse für weniger Geld. Schon das wäre zu hinterfragen. Wenn aber unter diesem Deckmantel bisheriger international anerkannter wissenschaftlicher Sachverstand ausgetauscht werden soll, weil deren Bewertungen in der Öffentlichkeit angezweifelt werden, dann geht nicht nur Kontinuität im Management verloren, sondern dann verlieren Staat und Politik weiter an Vertrauen und Wissenschaft an Unabhängigkeit.
Der Änderungsantrag der AfD-Fraktion übrigens gibt sich an dieser Stelle weit weniger Mühe, das Ziel der Übung zu verschleiern. Dann klären Sie uns mal auf, Herr Staatsminister, was Sie mit der Verordnung an dieser Stelle vorhaben.
Ab dem Punkt II. 3c wird es für mich noch unklarer. Aber eins ist auf alle Fälle klar: Es geht um Entnahmen, mal allgemein, mal sofort. Deshalb zum Nachdenken: Entnahmen sind kein Instrument des Herdenschutzes. Die Entnahme des falschen Tieres kann sogar kontraproduktiv wirken. Eine reguläre Entnahme von Wölfen gemäß einer Quote oder über die sogenannte Schutzjagd erhöht auch nicht die Akzeptanz des Wolfes, wie jüngste Studien aus den USA und Norwegen zeigen. Auch Frankreich ist als Referenz für Deutschland im Umgang mit dem Wolf nicht zielführend, weil Frankreich ähnlich wie Finnland aufgrund der Wolfsabschüsse unter strenger Beobachtung der EU-Kommission steht und gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren droht. Aber schwerer wiegt, die illegalen Tötungen können sogar zunehmen. In Finnland beispielsweise sinkt der Wolfsbestand.
Fazit: Meine Fraktion hat ziemliche Bauchschmerzen mit dem Gesamtkunstwerk „Antrag“. Positiv interpretiert könnte der Antrag Dampf aus dem Kessel lassen und abenteuerliche Aktionen aus den Landkreisen ausbremsen wollen. Dafür hätte ich sogar Verständnis. Unter diesem Gesichtspunkt würden wir dem ersten Teil des Antrages zustimmen können. Im zweiten Teil wird es trotzdem an vielen Stellen zu schwammig und ich befürchte, am Ende steht weniger Akzeptanz für den Wolf statt mehr. Das geht mit den LINKEN nicht.
Nur kurz zu den anderen Änderungsanträgen. Die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versuchen sich in der Kompromisssuche und wollen die offensichtliche Scharte des Koalitionsantrages – insbesondere unter II. – auswetzen. Diesem Angebot zur Güte könnte meine Fraktion trotz Bauchschmerzen zum generellen Verordnungsziel zustimmen. Im Falle seiner Ablehnung beantrage ich dennoch vorsorglich punktweise Abstimmung über den Koalitionsantrag, getrennt nach I. und II. Die Änderungsanträge der AfD-Fraktion und von Einzelabgeordneten sind in der Beschreibung der Zielrichtung, nämlich der Ermöglichung der regelmäßigen Jagd, deutlich klarer, und deshalb werden sie durch DIE LINKE deutlich klar abgelehnt.
Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Staatsminister, infolge der Abfuhr des gebrochenen Holzes nehmen die Waldwege erheblichen Schaden. Das ist ein Punkt, der in der Bevölkerung sehr aufmerksam verfolgt wird. Wegebaumaßnahmen werden durch den Freistaat, wenn ich richtig informiert bin, im Rahmen des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum gefördert, allerdings nur, wenn in der Vergangenheit für diesen Weg keine Fördermittel in Anspruch genommen wurden. Nun kann man eine Richtlinie – –
Ich muss noch einen Satz davor – –
Nun kann man eine Richtlinie ändern. Das ist ein langwieriger Weg, und deshalb frage ich, ob die Staatsregierung gegenwärtig an Alternativen für die Anpassung der Richtlinie arbeitet, die Waldbesitzer kurzfristig zu Mitteln für den Wegebau kommen lässt.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich war zunächst ein bisschen irritiert über den Debattentitel „Gute Ideen aus Sachsen – Agrarförderung nach 2020
beibehalten – notwendige Reformen in Interesse der Landwirte und Verbraucher umsetzen“. Nach meiner Auffassung widerspiegelt das ein wenig einen Widerspruch. Was wollen Sie nun? Wollen Sie etwas beibehalten? Wollen Sie Reformen? Wenn ja, in wessen Interesse?
Da sind wir schon mittendrin in der nun wieder heißen Debatte zur Neuausrichtung der GAP. Wir müssen feststellen, dass sehr wohl ein Riss durch die Landschaft geht, und zwar innerhalb der Agrarwirtschaft selbst, aber auch zwischen Agrarwirtschaft und Verbrauchern, was die Auffassung betrifft: Wohin soll es denn mit der zukünftigen Ausrichtung der europäischen Agarpolitik gehen? Herr Heinz, Sie haben es angesprochen und auf die Historie zurückgeblickt; das ist richtig. Es ging um Ernährungssicherung. Ja, jetzt haben wir das in Europa geschafft. Das ist kein Problem mehr, aber die Welt hat das Problem noch nicht bewältigt. Ich denke, es ist auch eine Verantwortung ganz besonders der Europäischen Union, auch hier Akzente zu setzen, dass Ernährungssouveränität gesichert und der Hunger in der Welt besiegt wird.
Nun wirft die neue GAP-Periode ihre Schatten voraus. Wir sind angehalten, an der Diskussion wieder mitzuwirken. Vielleicht können sich die älter gedienten Abgeordneten unter uns erinnern: DIE LINKE hatte ein eigenes GAP-Konzept zur letzten GAP-Periode vorgelegt. In der Substanz hat das noch Bestand. Die EU verteilt ja keine unerheblichen Mittel: 8,3 Milliarden Euro für Deutschland; insgesamt gibt die EU 60 Milliarden Euro aus; also 40 % des EU-Haushaltes gehen in die Agrarförderung. Da ist es schon berechtigt, dass sich die Parlamente in den einzelnen Nationalstaaten und auch wir in den Bundesländern darüber den Kopf machen, wie das nun verteilt wird. Phil Hogan hat auch schon gesagt, wie er sich das zukünftig vorstellt. Und siehe da, es gibt die ersten Übereinstimmungen. Auch er möchte eine stärkere Flexibilität erreichen. Er möchte die Eigenverantwortung der Nationalstaaten erhöhen, und er möchte weniger Bürokratie haben. Ich denke, das ist eine wohlfeile Ankündigung.
Ich habe aber weniger auf diese großen Ankündigungen geschaut als vielmehr auf den Subtext: Was hat er denn noch gesagt? Er sagt zum Beispiel ganz deutlich, dass er mehr Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl möchte. Das hält er für einen entscheidenden Beitrag, nämlich, dass die Agrarpolitik dazu beitragen soll, auch die großen umweltpolitischen Ziele der EU mit zu erfüllen. Das halte ich für sehr wichtig, weil gerade die Greening-Auflagen – Stichwort: Cross Compliance, das gefürchtete Vehikel in der Landwirtschaft – den großen Aufschrei auch in der deutschen Agrarwirtschaft hervorgerufen haben. Er kündigt schon an, dass es mit Kappung und Degression weitergehen wird. Das wird noch einmal auch hier ein richtiger Streitpunkt werden, denke ich.
Sehr wichtig ist – ich hatte es angesprochen – aus meiner Sicht die Berücksichtigung dieser globalen Dimension von Landwirtschaft auf Handel, auf Migration – sehr
spannend, dass Hogan sich dazu geäußert hat – und auf Nachhaltigkeit. Das finde ich an den Bemerkungen des EU-Agrarkommissars so außerordentlich.
Jetzt haben sich die Agrarminister der Ostländer in Stellung gebracht und ein eigenes Thesenpapier herausgebracht. Meines Erachtens sind darin ein paar gute Ideen enthalten. Es gibt eine hohe Übereinstimmung, gerade was die Forderung der Entbürokratisierung betrifft. Aber ich bin da auch immer etwas vorsichtig. Das klingt aus dem Mund aller möglichen Kommissare und Minister immer sehr gut. Im eigenen Hause ist man dann stets weniger konsequent. Mir ist überhaupt noch nie ein Ministerium begegnet, das keine Richtlinien produziert, die unten an der Basis irgendwie zum Unmut führen. Das liegt in der Natur der Sache.
Ich habe das befürchtet. Ich habe so viele Zettel und so wenig Zeit. Ich werde also in der zweiten Runde fortfahren.
Recht vielen Dank, Herr Präsident. In der zweiten Runde, meine Damen und Herren, habe ich erst einmal selbst meinen Papierberg etwas abgestaubt und zusammengestrichen. So hoffe ich, dass ich jetzt wenigstens zu einem Schluss komme. Ich will nun von der globalen Betrachtung der Umweltpolitik, die ich in meinem ersten Beitrag zu umreißen versucht habe, zum Konkreteren kommen.
Bleiben wir bei der zweiten Säule, genauer beim ELERRESET. Ich hatte das Bauchgefühl, dass Sie eigentlich dahin wollen. Ich möchte stärker auf das sächsische Papier zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau eingehen. Ich hatte ja schon am Anfang gesagt, dass Bürokratieabbau immer sehr gut ist und überall sehr gut ankommt.
Was wird konkret aus Sachsen gefordert? Es wird eine Entschlackung gefordert und insbesondere vor der Überfrachtung der Verordnungen und Programme mit sachfremden Nebenthemen gewarnt. Gemeint sind damit die umstrittenen Cross-Compliance-Regelungen. Ich will einmal übersetzen, was darunter ganz genau zu verstehen ist. Es geht bei den Cross-Compliance-Regelungen um die
Vorgaben im Umweltfachrecht. Wir reden da beispielsweise über Vorgaben zum Bienenschutz.
Wir haben zwei Anträge der Opposition zum Insektensterben in der Pipeline, die wir demnächst anhören werden. Wir haben große Probleme in diesem Bereich, die im letzten Jahr mit großen Studien öffentlich geworden sind. 75 % der Biomasse der Insekten sind verschwunden. Das ist eine dramatische Entwicklung, der wir uns stellen müssen.
Wir haben in der Vergangenheit zum Glyphosateinsatz und generell zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln diskutiert. Wir haben immer wieder zur Wasserrahmenrichtlinie diskutiert. Da gibt es einen vorsichtigen Fingerzeig der EU, was den Gewässerschutz in Deutschland betrifft.
Was will man denn hier für „sachfremde Nebenthemen“ entschlacken? Das ist aus meiner Sicht erklärungsbedürftig. Aus meiner Sicht muss beides möglich sein. Wir müssen entbürokratisieren, was den Aufwand unten im Betrieb, das Ausfüllen der Formblätter betrifft. Aber wir dürfen das Erreichen der Ziele nicht aus dem Blick verlieren.
Im letzten Jahr hat mich stark beschäftigt, wie die Erfüllung von Cross-Compliance-Regelungen im konkreten Fall kontrolliert wird. Es gab Anzeigen aus meiner Heimatregion, aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz, zur pflichtwidrigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Ich habe nachgefragt. Es sieht offensichtlich so aus, dass wir, wenn wir die Eigenverantwortung zu weit auf die untere Ebene verlagern, also vor Ort subsidiär gestalten, entschieden mehr Mittel geben müssen, damit die Kontrolldichte hoch bleibt und wir die Verstöße feststellen und ahnden können. Genau das – das haben meine Kleinen Anfragen hervorgebracht – ist nicht möglich. Verstöße im Pflanzenschutzmittelrecht zu eruieren und zu ahnden ist deshalb nicht möglich, weil die Kontrolldichte nicht stimmt. Nur 4 bis 7 % solcher Verstöße beim Glyphosateinsatz werden überhaupt aufgedeckt, meist aber erst hinterher, wenn es keine Wirkungen mehr hat.
Ich würde mir deshalb wünschen, dass wir nicht nur die Forderung in den Raum stellen, dass wir Bürokratie abbauen müssen, sondern dies auch untersetzen sollten. Wir müssen immer das Ziel im Auge behalten, dass Umwelt- und Tierschutz berücksichtigt werden. Das darf nicht in den Hintergrund geraten. In diese Richtung müssen wir die gemeinsame europäische Agrarpolitik ausgestalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Was heute so unverdächtig als Jagdrechtsänderung daherkommt, ist vordergründig eine Marktstützungsmaßnahme für die Landwirtschaft – nur mal für die Apologeten der freien Marktwirtschaft unter Ihnen.
Auf die Spitze getrieben macht der Landtag heute den Weg frei zur Vernichtung von Tonnen von natürlich gewachsenem gesundem Schweinefleisch, um Tonnen von industriell produziertem Schweinefleisch vor der Vernichtung zu retten. Das sollte zumindest nachdenklich stimmen.
Nachdenklich hat mich auch gemacht, warum die Debatte um die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, bis heute fast ausschließlich am Jagdrecht hochgezogen wurde, zumal gerade der Einsatz technischer Hilfen bei der Jagd, wie er jetzt in das Gesetz geschrieben werden soll, schon bei der letzten Jagdrechtsnovelle 2012 ganz ohne ASP diskutiert wurde.
Neu sind also nicht die Änderungen im Jagdrecht, sondern der aktuelle Anlass: das Näherrücken der ASP. Im
Übrigen ist unbekannt, wann genau die Schweinepest zu uns kommt.
Käme sie allein auf natürlichem Wege zu uns, dann hätten wir wohl noch einige Jahre Zeit, und trotz hoher Mortalität stellt eine solche Seuche keine Bedrohung für den Bestand der Wildtierpopulation Wildschwein insgesamt dar. Sie würde sogar als natürlicher Regulierungsmechanismus fungieren.
Aber wir haben in Deutschland ein ganz besonderes Problem, weil unsere Schweineställe zu riesig sind – und deshalb auch mögliche Verluste –, weil unsere Mais- und Rapsfelder zu riesig sind und die Wildschweindichte unter anderem deshalb höher ist als im Baltikum und weil unser Fleisch kreuz und quer in Europa und teilweise darüber hinaus herumgekarrt wird. Darüber verbreitet sich die Seuche nämlich fast sprunghaft über Europa. Das Wildschwein ist also eher Opfer als Täter.
Deshalb drohen den schweinehaltenden Betrieben Milliardenverluste, und zwar nicht erst, wenn im Fall einer Infektion in einem Stall ganze Bestände gekeult werden müssen, sondern bereits vorher: durch Absatzeinbrüche von Schweinefleisch im Inland und Importverbote von Drittstaaten, sobald die Seuche in Deutschland angekommen ist. Der Schweinepreis schwankt ohnehin stark und ist seit Mitte des vergangenen Jahres um über 50 Cent buchstäblich eingebrochen; er liegt aktuell bei rund 1,30 Euro pro Kilogramm.
Angesichts dessen hätte im November, als der Landtag das erste Mal zum Thema ASP diskutierte, eigentlich das Sozialministerium als oberste Veterinärbehörde im Landtag berichten sollen, was es auf der Grundlage der Schweinepestverordnung an tierseuchenrechtlichen
Maßnahmen zur Erhöhung der Biosicherheit in und um landwirtschaftliche Betriebe oder bei der Kappung von Einschleppungspforten entlang von Transportwegen zu tun gedenkt.
Ich habe im November an dieser Stelle ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept angemahnt. Na, wenigstens die Übernahme der Kosten für die Trichinenuntersuchung kam dann noch im Dezember. Im Ausschuss wurde uns versichert, dass einiges im Hintergrund geschehen würde.
Sehr schön! Dann könnten Sie uns ja bestimmt schon den Masterplan im Ausbruchsfall vorstellen. Die Schweinepestverordnung ermächtigt ja in § 14 a die zuständige Behörde, konkrete Maßnahmen zur verstärkten Bejagung in einem gefährdeten Bezirk anzuordnen. Das ist es nämlich, was in Tschechien mit dem Einsatz von Spezialkräften im Wald gerade passiert: die Tötung der potenziell infizierten Wildschweine in einem engen Umkreis von wenigen Kilometern um einen Seuchenherd. Insofern kann man die Situationen hier und dort eben nicht vergleichen. Mit Jagd hat das in Tschechien nichts mehr zu
tun, sondern mit Seuchenbekämpfung. Stattdessen verbeißt sich die Koalition im Jagdrecht und potenziert gleich mal bestehende Probleme, die sich seit der Fokussierung der ASP-Debatte auf die Jagd noch stärker abzeichnen.
Offenbar hat aber meine beständige Nörgelei inzwischen teilweise gewirkt; denn Sie haben nun einen mehrseitigen Entschließungsantrag vorgelegt, der augenscheinlich versucht, sich einiger dieser Unterlassungen in aller Hast anzunehmen. Aber, meine Damen und Herren, das ist ja wohl der Papier gewordene Ausdruck von Planlosigkeit, der uns hier ereilt hat, und kein Konzept. Aber darauf kommen wir in der weiteren Debatte noch zu sprechen.
Das in der Öffentlichkeit erzeugte Bild allerdings bleibt verzerrt, weil es in häufig und gern praktizierter Ursachenumkehr wieder das Wildtier als Schädling identifiziert und damit den Jägerinnen und Jägern die Hauptverantwortung für die Problemlösung zuschiebt, der sie objektiv nicht gerecht werden können. Es ärgert mich, dass hier unverändert so getan wird, als liege der Hebel zur Bekämpfung der ASP überwiegend in der schlummernden Motivationsreserve der Jägerschaft – die Jägerschaft quasi als kollektiver Ausputzer der Nation!
Hier geht es nicht um Schwankungen von 10 000 Stück Schwarzwild mehr oder weniger im Jagdjahr. Aus der Bauernschaft kommen Forderungen nach der Reduzierung des Schwarzwildbestandes um 70 bis 90 % und nach Etablierung sogenannter breiter wildschweinfreier Korridore.
Machen wir einmal plastisch, was in dieser Lesart unter einer Intensivierung der Jagd verstanden wird: Die Jagdstrecke Schwarzwild betrug im Jagdjahr 2016/2017 in Sachsen circa 33 000 Stück. Experten setzten danach die Gesamtpopulation Schwarzwild etwa um den Faktor 4 an, was rechnerisch einen Schwarzwildbestand von circa 132 000 Stück ausmacht. Bei einer 70-prozentigen Bestandsreduzierung hieße das: rund 92 000 Stück erlegen. Bei einer 90-prozentigen Reduzierung müssten schon knapp 120 000 Wildschweine erschossen werden. Das heißt, die Jäger, die übrigens weit überwiegend in ihrer Freizeit oder neben ihrem Beruf jagen, müssten drei- bzw. viermal so viel Schwarzwild erlegen wie im aktuell bereits sehr hohen Streckenjahr 2016/2017. Das ist illusorisch!
Zuletzt: Wohin mit den Bergen von toten Wildschweinen – einem eigentlich sehr hochwertigen Nahrungsmittel? Für Wildschweine bekommen Jäger im Wildhandel mittlerweile deutlich unter einem Euro je Kilogramm, mancherorts zwischen 10 und 50 Cent. Vereinzelt landet das Fleisch direkt nach der Jagd in der Tierkörperbeseitigungsanlage.
Wir haben also bereits jetzt erhebliche Absatzprobleme bei der Wildschweinverwertung. Dies wird die Motivation
der Jägerinnen und Jäger nicht heben. Eine sächsische Vermarktungsoffensive für Wildschweine dürfte aber wiederum auch dem landwirtschaftlichen Berufsstand nicht sehr gut gefallen. Daran wird deutlich, dass die Jagd allein es eben nicht richten kann und auch nicht richten sollte. Sie verhindert nicht die Einschleppung der ASP, und im Übrigen tut sie seuchenprophylaktisch bereits einiges, wie man an den auch im aktuellen Jagdjahr weiter steigenden Abschusszahlen ablesen kann.
Wildtierpopulationen werden hauptsächlich über das Nahrungsangebot gesteuert, und da kann im Wald passieren, was will: Wenn zusätzlich auf dem Feld der Tisch für das Wildschwein reichlich gedeckt wird und der Klimawandel die Mastjahre zunehmen lässt, schießt der Jäger den Problemen immer nur hinterher, egal, ob mit oder ohne Nachtsichtgerät. Nachhaltige Lösungen müssen also auch die Landwirte aktiv in die Pflicht nehmen, und zwar nicht nur mit Bejagungsschneisen.
Aber gehen wir ins Detail der vorgesehenen Jagdrechtsänderungen. Ich überspringe dabei bewusst die Forderung des Einsatzes von Schalldämpfern bei der Jagd. Sie hat mit der ASP nichts zu tun und ist weder neu noch strittig. Kommen wir gleich zur Forderung nach der Fangjagd. Dazu herrschte alles andere als Einigkeit unter den Sachverständigen.
In Abwägung aller Argumente lehnen wir aus Tierschutzgründen nach wie vor Saufänge, kleine wie große, ab, da weder eine sinnvolle Selektion noch ein tierschutzgerechtes Töten der gefangenen Tiere möglich ist, ganz abgesehen von grausamen Paniksituationen im Gatter. Offen gestanden weiß ich auch nicht, wie dem Tierarzt gelingen soll, was beispielsweise der Sachverständige des Ökologischen Jagdverbandes für sich selbst gern ablehnen möchte: das tierschutzgerechte Töten der Tiere in der Falle. Da muss man dann schon einmal Farbe bekennen und kann Verantwortung nicht teilen.
Weniger prinzipiell, aber dennoch ablehnend bewerten wir künstliche Lichtquellen und Nachtzielgeräte. Damit soll quasi die Jagd rund um die Uhr ermöglicht werden. Ob der erhoffte Streckenzuwachs die Dauerbeunruhigung allen Wildes und daraus möglicherweise entstehende nachteilige Wirkungen wie vermehrte Fraßschäden rechtfertigen kann, ist zumindest strittig. Solange aber, isoliert von nachhaltigen Wildbewirtschaftungsstrategien, lediglich weiter an der jagdlichen Eskalationsschraube gedreht werden soll, bleiben wir als LINKE bei der Ablehnung.
Prinzipieller – deshalb mit einem eigenen Änderungsantrag untersetzt – sehen wir die Mitgliedschaft in flächendeckenden verpflichtenden Hegegemeinschaften. Damit glauben wir zumindest, das Problem überjagender Hunde lösen zu können. Unseren Änderungsantrag werde ich zu gegebener Zeit einbringen.
Fazit: Die Änderungen im Jagdrecht haben wenig mit der Afrikanischen Schweinepest zu tun. Tierseuchenrechtlich liegt mit der Schweinepestverordnung eine gute Regelungsgrundlage vor, sodass man sich schon heute sehr gut
auf den Seuchenfall vorbereiten kann. Aber das, was für eine nachhaltige und großflächige Jagdstrategie vonnöten wäre, nämlich die pflichtige Ausgestaltung der Hegegemeinschaften, lehnt die Koalition ab.
Insofern, meine Damen und Herren, viel Lärm um nichts; es sei denn, Sie könnten sich noch durchringen, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Sie haben noch die Chance dazu.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Etwas muss ich vorab loswerden: Herr von Breitenbuch, ich habe nie von Schuld gesprochen, aber offensichtlich habe ich in meinem Kopf ein anderes Ursache-Wirkung-Gefüge. Das aber nur am Rande.
In der Ausschussdebatte über das Gesetz wurde von der Koalition ganz grundsätzlich eine Zwangsmitgliedschaft abgelehnt, und zwar, weil man der Freiwilligkeit den Vorrang einräumt. Das verwundert mich schon sehr; denn es gibt die Pflichtmitgliedschaft bereits in Form der
Jagdgenossenschaft. Dort wird sie auch allenthalben akzeptiert.
Hegegemeinschaften bieten aus unserer Sicht den entscheidenden Vorteil, dass in ihnen alle Nutzergruppen eines wesentlich größeren Territoriums zusammenwirken, die den Lebensraum von Wildtieren beeinflussen. Das ermöglicht überhaupt erst eine Kräftebündelung und unterstützt die Umsetzung langfristiger Strategien sowohl für eine revierübergreifende Jagd als auch generell für eine nachhaltige Wildbewirtschaftung.
Die Hegegemeinschaft der Zukunft sollte gerade keine reine Abschussgemeinschaft sein, sondern sich zu einer Nutz- und Schutzgemeinschaft für die Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen der Wildtiere mausern.
Dagegen resultiert die Ablehnung einer verpflichtenden Mitgliedschaft gerade auch vonseiten der Forstwirtschaft offenbar aus der verengten Sicht auf Hegegemeinschaften als Gremien zur Abschussplanung.
Aber wie soll denn der existente Widerspruch Wald und Wild zwischen den unterschiedlichen Nutzungsinteressen der Grundeigentümer vernünftig aufgelöst werden, wenn sich ein wichtiger Akteur selbstherrlich dem Austausch entzieht, weil er im Einzelfall die Unterordnung unter Mehrheitsentscheidungen ablehnt? Was sind denn das für antidemokratische Attitüden und wo bleibt denn hier die Vorbildwirkung eines Staatsbetriebes?