Herr Hütter, möchten Sie darauf erwidern? – Sie möchten nicht erwidern. Meine Damen und Herren, ich frage nochmals in die Runde der Fraktionen: Gibt es weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dulig, bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass eine Frau – und dann noch aus dem Osten – kommen musste, Frau Hiltrud Werner aus Bad Doberan, um als Volkswagen-Vorstandsmitglied das auszusprechen, was die Vorkommnisse um den Diesel seit vier Jahren sind: ein Skandal. Vorher sprachen nämlich die VolkswagenVerantwortlichen beschönigend eher von Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter. Aber wir wissen auch: Inzwischen betrifft das nicht nur den Volkswagen-Konzern allein, auch Audi, BMW, Daimler oder Porsche – alle haben Manipulationen am Diesel eingeräumt.
Offenbar sind wir mit umweltrelevanten Vorgaben an einem Punkt angelangt, an dem Ingenieure nicht mehr weiterwissen. Die ausgereifte Dieseltechnologie ist an ihre Grenze gestoßen. Vielleicht müssen wir uns auch als Verbraucherinnen und Verbraucher an die eigene Nase fassen; denn es hat etwas mit unserem Verhalten zu tun, welches Fahrzeug wir kaufen wollen und wie unser
Fahrverhalten ist. Auch wenn unser Arbeitsweg nur 5 Kilometer beträgt, muss das Gefährt schon ein SUV mit 300 PS sein, und das Tempo darf nicht gedrosselt sein. Also gibt uns die Industrie das, was wir haben wollen.
Dort, wo die physikalischen Grenzen nicht mehr ausreizbar sind, hilft intelligente Software, der Rest ist Marketing.
Nur, am Schluss geht es um den Verbraucherschutz. Es geht darum, wie wir unserer Verantwortung gerecht werden. Dabei appelliere ich zuerst an die Automobilindustrie, dieses Vertrauen, das verloren gegangen ist, wieder herzustellen. Das sind wir als Automobilland auch den vielen Beschäftigten schuldig, uns um die Zukunft zu kümmern.
Ich bleibe aber dabei: Das hat in erster Linie auch etwas mit unserem Verhalten zu tun. Man kann einen kürzeren Weg genauso gut mit einem Fahrrad zurücklegen, denn das wäre sowohl gesünder für die Fahrerrinnen und Fahrer als auch besser für die Umwelt. Nur der LkwFahrer, der seine Waren von Südspanien nach Litauen karrt, wird wohl noch eine Weile auf das Dieselfahrzeug angewiesen sein. Aber auch hier ist es Zeit für technologische Weiterentwicklungen.
Ohne auf die einzelnen Punkte des AfD-Antrages einzugehen, möchte ich für Sachsen feststellen: Der Diesel mag auf unseren Straßen eine Rolle spielen. Die Veränderungen, die sich durch den Dieselskandal ergeben haben, haben bisher – und das ist gut so – keine industriepolitischen Auswirkungen. Man kann diesbezüglich für Sachsen Entwarnung geben. Wir sind mit unserer Automobilindustrie gut aufgestellt.
Auch der gescholtene Volkswagen-Konzern hat aus dem Skandal gelernt und das technologische Wettrennen um die besseren Lösungen aufgenommen. Es ist Zeit für etwas Neues, und in Sachsen ist sie angebrochen.
Ich empfinde es wichtig, als Wirtschaftsminister – bei aller Kritik an denjenigen, die dort betrogen haben – auch in der Verantwortung zu sein, dass wir eine Lösung für unsere Automobilindustrie brauchen. Sie ist nun einmal der wirtschaftliche Kern und bietet Sicherheit für viele Tausend Beschäftigte und ihre Familien. Deshalb sind wir auch in der Verantwortung, die Debatte so ausgewogen und balanciert zu führen, und bei aller Kritik und der Suche nach Lösungen ist es auch wichtig, dass wir unseren Automobilstandort Sachsen weiterentwickeln.
Man könnte fast sagen, dass wir in Sachsen von dem Dieselskandal profitieren. Tatsache ist nun einmal, dass der Volkswagen-Konzern seine weltweite Elektroinitiative von Sachsen aus startet. Ende des Jahres erfolgt der Stapellauf des ID – auch Neo genannt –, einem voll elektrischen Mittelklassewagen, für den Massenmarkt der Golfklasse zu einem Preis – man könnte ihn schon fast mit dem Diesel vergleichen – von knapp über 20 000 Euro.
Um klarzumachen, warum ich sage, dass wir dabei gut aufgestellt sind: Auch bei der aktuellen Debatte zu einem möglichen Personalabbau bei Volkswagen ist Sachsen verschont worden. In Sachsen wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Diese Entscheidung, gerade auch von Volkswagen, die Elektromobilitätspalette in Sachsen aufzustellen, führt dazu, dass diese Arbeitsplätze sicher sind. Das ist noch einmal ein Beleg dafür, dass es richtig ist, auf neue Technologien zu setzen.
Natürlich geht mit dieser Transformation im Automobilsektor auch ein großer Umbau der Zulieferlandschaft einher, denn ein Elektromotor ist nicht nur viel kleiner als ein Verbrennungsmotor, sondern hat auch deutlich weniger Einzelteile. Volkswagen hat nun eine völlig neue Plattform entwickelt, die Grundlage für eine Produktfamilie von einem Dutzend Mitgliedern ist, die jüngst sogar für andere Hersteller geöffnet wurde. Für unsere Zulieferer sind damit auch große Chancen verbunden.
Mein Haus hat diesen Trend rechtzeitig aufgegriffen, ist sensibilisiert und unterstützt die einheimischen Zulieferer bei diesem Umbauprozess. Dass gerade Volkswagen Sachsen ein maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung ist, ist für unsere 780 Autozulieferer mit ihren 95 000 Beschäftigten Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil wir einer der ersten Standorte weltweit sind, die diese Metamorphose durchmachen, auch mit allen Risiken, und Segen, weil wir damit als Erste die Chance bekommen, damit künftig an der Spitze der automobilen Entwicklung zu bleiben.
Auch die jüngste Entscheidung von Porsche gibt einen zusätzlichen Schub. Am Dienstag waren Thomas Schmidt, Ministerpräsident Michael Kretschmer und ich in Leipzig bei der Grundsteinlegung des neuen PorscheWerkes dabei. Dort soll der elektrisch betriebene kleine Sportwagen Macan in zwei Jahren auf den Markt kommen. Diese Investition – immerhin 600 Millionen Euro – sichert ein weiteres Stück Zukunft.
Somit kann man erst einmal feststellen, dass alle Automobilhersteller in Sachsen auf dieses Thema setzen: BMW mit dem i3 und i8 in Leipzig, dann Volkswagen und jetzt auch Porsche.
Die Zukunft muss nicht zwangsläufig und allein elektromobil, also batteriegestützte Mobilität, sein. Die Signale der Hersteller besagen, dass Elektroautos eher etwas für Kurzstrecken besonders in Ballungsräumen seien. Ab 400 Kilometer aufwärts wird sich der Wasserstoffantrieb via Brennstoffzelle durchsetzen. Auch der Diesel wird eine Zukunft haben, nur wird dieser Diesel in Zukunft wahrscheinlich synthetisch hergestellt sein.
Sachsens Technologie und Industriepolitik ist daher gut beraten, auch in diesem Punkt die Technologie-Offenheit zu wahren. Bei dem Schaufenster Elektromobilität sind wir vor einigen Jahren vorangegangen. Mit dem bundesweit einzigartigen Cluster H2 zur Förderung von Wasser
Ich werde mich weiterhin für jede Technologie einsetzen, die uns hilft, unsere Mobilität und die Wirtschaft insgesamt effizient und nachhaltig zu gestalten. Nur das generiert langfristig Umsatz, Export und Beschäftigung.
Lassen Sie mich ein Beispiel aus dem Energiesektor nennen: die sogenannten Power-to-Fuel-Anwendungen, also die Gewinnung CO2-neutraler Kraftstoffe. Ich bin zuversichtlich, dass am Flughafen Leipzig bald die erste Anlage dieser Art gebaut wird. Stellen Sie sich vor, wir fliegen mit CO2-neutralem Kerosin. Das klingt fantastisch, doch die Technologietreiber gibt es, und zwar bei uns in Sachsen. Solche zukunftsträchtigen Technologien sollten wir nach Kräften fördern.
Ich möchte noch einmal auf den vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion zurückkommen. Die Diskussion darf sich eben nicht auf den Diesel beschränken. Sie muss, wie auch unsere Haltung, in jede für Sachsen zukunftsförderliche Richtung offen sein. Der großen Mehrheit im Hohen Hause dürfte auch klar sein, wer das allgemeine Klima in Sachsen noch mehr vergiftet als der Diesel.
Der Dieselskandal mag das Autoland Deutschland ausgebremst haben, doch wir sind in Sachsen auf der Überholspur, und darauf sollten wir uns weiter konzentrieren. Somit ist eine wichtige Voraussetzung für die Technologieoffenheit auch Weltoffenheit für eine effiziente Mobilität, für eine gesunde Umwelt, für attraktive Arbeitsplätze, für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für eine hohe Lebensqualität in unserem schönen Freistaat Sachsen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich bin sehr gespannt, wenn wir uns irgendwann – vielleicht in zehn, zwölf Jahren – die ganze Thematik noch einmal anschauen, ob es dann wirklich so ist, dass, wie Sie es jetzt gerade selbst gesagt haben, ein elektroangetriebenes Fahrzeug mit viel weniger Aufwand hergestellt werden kann. Es gibt weniger Komponenten, viel weniger Bauteile – darin gebe ich Ihnen vollkommen recht. Es ist interessant, wie Sie es trotzdem schaffen wollen, die 95 000 Beschäftigten der Zulieferungsindustrie, die Sie gerade erwähnt haben, in Lohn und Brot zu halten – darüber, denke ich, werden wir noch einmal diskutieren –, denn das kann ich so nicht erkennen, Herr Minister.
Herr Vieweg, mich als Feind der sächsischen Autoindustrie hinzustellen ist an Lächerlichkeit überhaupt nicht mehr zu toppen. So ein Unsinn.
Sie setzen sich doch die ganze Zeit dafür ein, dass Leute nicht entlassen werden usw. Sie sind doch immer derjenige, der mit dem sozialen Hintergrund argumentiert. Überlegen Sie doch einmal, was in der Zulieferungsindustrie bei VW passiert.
Zu Ihrer Argumentation, Herr Minister, dass es demnächst ein Fahrzeug von VW für circa 20 000 Euro gibt.
Das sehe ich erst einmal positiv. Diesbezüglich müssten wir aber erst einmal schauen, ob es genau so ist wie bei den anderen Herstellern, die auf einmal ein Elektroauto für 18 000 Euro oder 17 000 Euro anbieten, für das ich monatlich noch 120 oder 150 Euro Leasing für die Batterie bezahle. Das muss man auch dazurechnen. Also: Erst einmal abwarten und nicht schon feiern, bevor das Ganze da ist.
Meine Damen und Herren, noch einmal ganz kurz zu unseren Zielen. Wir wollen mehr Sicherheit für Verbraucher und Industrie. Wir wollen Mobilität erhalten und nicht abschaffen. Wir wollen die Umwelt nicht durch politische Verkürzung der Produktlebenszyklen belasten. Wir wollen keine Fahrverbote für Diesel-Pkws. Wir wollen keine Quoten für die Zulassung von Elektrofahrzeugen. Wir wollen eine gesicherte Faktenbasis. Wir bringen bei der Gelegenheit auch noch unseren Änderungsantrag mit ein. Wir bitten für beide um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag, Drucksache 6/17013, ist soeben eingebracht worden. Gibt es hierzu noch Wortmeldungen? – Herr Rohwer.
Herr Präsident! Wir haben uns den Änderungsantrag angeschaut verbunden mit der Frage, ob damit der ursprüngliche Antrag irgendwie besser wird. Wir haben nichts erkennen können, das uns jetzt weiterhilft – wir werden ihn deshalb ablehnen.
Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir sind in der Abstimmungsrunde. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der AfD-Fraktion, Drucksache 6/17013, abstimmen. Wer zustimmen möchte, der hebt die Hand. – Vielen
Dank. Die Gegenstimmen, bitte? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist der Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden, meine Damen und Herren.