Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

Eine Initiative im Bundesrat, wie sie in dem vorliegenden Antrag empfohlen wird, wäre aussichtslos, weil sie ausschließlich dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen Einnahmen verschaffen soll. Diese einseitige Vorteilnahme würde bei den anderen Ländern auf Ablehnung stoßen.

Meine Damen und Herren! In dem AfD-Antrag wird suggeriert, dass ein auswärtiger Schuldiger, nämlich die Bundesregierung, für die Kosten der Asylverfahren haftbar gemacht werden könne. Das ist, wie vorhin dargelegt, nicht die Rechtslage.

Vor allem aber enthält der Antrag einen Taschenspielertrick, den ich nicht durchgehen lassen kann, Herr Barth. Der sächsische Steuerzahler soll einerseits von Kosten freigehalten werden, andererseits aber als Bundesbürger dieselben Kosten aufgebürdet bekommen, sind doch Asylbewerber nach dem Königsteiner Schlüssel bundesweit gleichmäßig verteilt. Das ist schon eine merkwürdige Vorstellung. Dieser Antrag ist jedenfalls wenig dazu geeignet, den finanzpolitischen Weitblick der AfD unter Beweis zu stellen. Deshalb ist er abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir kommen jetzt zum Schlusswort der einbringenden Fraktion und das hält Herr Kollege Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Hätten Sie unseren Änderungsantrag gelesen, wäre Ihnen bereits aufgefallen, dass wir keine ausschließlich sächsische Sicht auf dieses Problem genommen haben, sondern eine länderübergreifende Initiative erwarten können. Aber vielleicht kann man das auch nicht erwarten, dass das alles gelesen wird.

Wenn hier alle immer auf die Kleinen Anfragen verweisen – ich kenne die ja auch, ich habe schließlich auch ein paar davon gestellt –, dann muss man sie auch ziemlich genau lesen. Da sind dann die Haushaltstitel schön aufgeführt und in welchem Haushaltstitel wie und was eingegeben oder ein- und ausgenommen werden kann. Das sieht man alles wunderbar. Das Problem ist aber, dass es einen Großteil sachlich nicht aufteilbarer Verwaltungskosten gibt und diese Kosten werden einfach im Rahmen einer Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht bekannt gegeben.

(Zuruf der Abg. Ines Springer, CDU)

Es gibt ganz andere Kleine Anfragen von anderen Kollegen, da liest man plötzlich in der Beantwortung – nur ein

Beispiel – 557 DaZ-Lehrer. Das ist eine spezifische Aufgabe von Integration.

(Ines Springer, CDU: Es werden Fragen beantwortet!)

Die findet man aber in Ihrer Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht. Deshalb sage ich: Die Beantwortung der Kleinen Anfragen – –

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das müssen doch keine Asylanten sein!)

Können aber, liebe Frau Nagel, und sind es über – –

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Das behaupte ich ja auch nicht. Unterstellen Sie mir das bitte nicht. Und deshalb kann ich Ihnen sagen, die Beantwortung einer Kleinen Anfrage ersetzt das Berichtswesen, das wir einführen wollen, als solches nicht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha! Berichtswesen!)

Wir stehen überall für Transparenz.

(Heiterkeit bei der CDU und den LINKEN)

Wir hängen an Bauvorhaben Schilder auf. Das beschließen wir im Haushaltsausschuss. Es hängen ja auch bei uns schöne Schilder. Aber bei den Asylkosten ist das finanzielle System äußerst verschlungen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich glaube, mit Transparenz könnten wir dort auch mehr Verständnis schaffen und eine ehrlichere Debatte darüber führen.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das haben wir doch gemacht! – Zuruf von der CDU: Das wollen Sie doch gar nicht!)

Diese Möglichkeit geben Sie uns aber nicht. Sie haben heute noch einmal die Gelegenheit, obwohl ich es nicht glaube, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das war das Schlusswort. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über einen Änderungsantrag ab, der Ihnen in der Drucksache 6/16991, AfD-Fraktion, vorliegt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Ich stelle nun den in der Drucksache 6/16359 vorliegenden Antrag zur Abstimmung. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist die Drucksache 6/16359 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13

Konzept zum Umgang mit Neonazi-Immobilien vorlegen – Betroffene

von Anmietungen durch Neonazis beraten, schulen und unterstützen

Drucksache 6/16433, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Wir beginnen mit der einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das Wort ergreift Herr Kollege Lippmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am 7. Januar 2018 sollte der Neonazi-Liedermacher Lunikoff, mit bürgerlichem Namen Michael Regener, Sänger der Band Landser – die erste Band, die übrigens als kriminelle Vereinigung verboten wurde –, im erzgebirgischen Eibenstock auftreten. Das Konzert, welches in angemieteten Vereinsräumlichkeiten stattfinden sollte, fand jedoch nicht statt, aber nur, weil der Vermieter zufällig vor Ort war, den wahren Mietzweck erkannte und kurzfristig mit Hilfe der Polizei den Mietvertrag zurückzog.

3. Februar 2018. In einem, wie von der Staatsregierung auf eine meiner Kleinen Anfragen geantwortet, anmietbaren Privatobjekt in Leubsdorf im Landkreis Mittelsachsen, findet ein sogenannter Zeitzeugenvortrag der Naziszene statt. Per Video ist die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zugeschaltet. 250 Personen sind im Saal.

24. März 2018. Im Sebnitzer Ortsteil Saupsdorf spielt die Neonazi-Kultband Sleipnir. Die Immobilie befindet sich im Gemeindeeigentum. Die Kommune wurde über den Mietzweck offensichtlich getäuscht.

30. März 2018. In einem Jugendclub in Bannewitz findet eine Neonazi-Party statt. Es kommt zu einem Polizeieinsatz. Stadt und Betreiber des Jugendclubs erfahren erst im Nachhinein davon.

5. Mai 2018. In Regis-Breitingen im Landkreis Leipzig findet ein weiterer sogenannter Zeitzeugenvortrag von

Neonazis statt. Es nehmen circa 120 Personen teil. Anschließend spielt ein Naziliedermacher. Die Stadt Leisnig erfährt erst nach einer Kleinen Anfrage von mir von der Veranstaltung, obwohl es sich um eine kommunale Immobilie handelt. Wie die „LVZ“ schreibt, fand der Vortrag wohl in einem nicht vermieteten Gasthof der Stadt statt. Für diesen Termin hatte im Vorfeld ein Mann den Geburtstag seines Großvaters angemeldet.

10. März 2018 und 15. Dezember 2018. In einer anmietbaren Halle und in einem Kleingartenverein in Chemnitz finden erneut Zeitzeugenvorträge von Neonazis statt. In beiden Fällen wurde der Eigentümer getäuscht. Im ersten Fall war nur von einer Buchlesung die Rede. Im zweiten Fall wurde das Objekt für eine private Feier angemietet.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese kurze Auflistung zeigt nur eine – und das will ich betonen – exemplarische kleine Auswahl von Anmietungen durch Neonazis von Immobilien im vergangenen Jahr. Ich möchte betonen, dass ich nur von den Anmietungen spreche. Immobilien, die Neonazis gehören oder von ihnen gar dauerhaft genutzt werden, sind noch gar nicht dabei. Das sind noch einmal, laut Zählung der Staatsregierung, 22 Immobilien. Nach unseren Recherchen und den Recherchen derjenigen, die sich damit auskennen, sind es sogar noch deutlich mehr.

Ich finde diese Auflistung aus zwei Gründen beschämend: Einerseits zeigt diese Liste, dass Sachsen nicht ohne Grund neben Thüringen das Kernland von NeonaziVeranstaltungen derzeit in Deutschland ist. Zum anderen zeigt diese Auflistung, dass der sogenannte Verfassungsschutz in Sachsen schlichtweg seine Arbeit nicht tut, dafür aber Jahr für Jahr noch mit der Stellenaufstockung von Personal belohnt wird. Denn wir wissen, dass momentan der rechten Szene zur dauerhaften Nutzung weit über 60 Immobilien im Freistaat Sachsen zur Verfügung stehen, deutlich mehr, als der Verfassungsschutz wahlweise zählen oder sehen will. In diesen Immobilien finden Konzerte der Neonazi-Szene statt, die Geld in die Szene spülen und neben den Versandhandeln eine der wichtigsten Finanzierungsquellen der Szene darstellen, genauso wie jene ominösen Zeitzeugenvorträge, bei denen ehemalige SS- oder Wehrmachtsangehörige die Schreckenstaten und Verbrechen des Dritten Reiches verklären. Es finden Vernetzungstreffen verschiedener Akteure der rechtsextremen Szene statt bis hin zur Identitären Bewegung und dem Umfeld der AfD.

Die Zahl solcher Immobilien hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Sie zeigt, wie stark die rechte Szene wieder in Sachsen vernetzt und verankert ist und wie sehr sie sich zunehmend wieder sicherer fühlt. Im Sog des Hasses und der Hetze der letzten Jahre sind im Fahrwasser auch jene Neonazi-Strukturen wieder erstarkt, die man viel zu lange in Sachsen kleingeredet hat.

Es ist jetzt, werte Kolleginnen und Kollegen, an der Zeit zu handeln. Wir dürfen nicht zulassen, dass es einen immer größeren Rückzugsraum für Neonazis in Sachsen gibt und dass sich vor Ort eine immer stärkere Melange

von alten bis neuen Rechten ergibt. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, dass es in Sachsen Rückzugsräume für Hass und Gewalt gibt und dass der Staat dabei mitunter tatenlos zusieht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Dirk Panter, SPD)

Aber genau das ist das Problem; das passiert. Da helfen auch keine hohlen Proklamationen vom starken Staat, wie wir sie in den letzten Tagen hier vernehmen durften; denn das Innenministerium redet das Problem klein, der Verfassungsschutz macht seinen Job nicht und die Nazis freuen sich, dass kaum einer mitbekommt, wie sie sich immer weiter und entschiedener vor Ort festsetzen.

Der Ministerpräsident hat gestern wortgewaltig erklärt, Nazinetzwerke in Sachsen zerschlagen zu wollen. Da hat er unsere volle Unterstützung. Werte Abgeordnete! Hier und heute haben Sie die Chance, den Ministerpräsidenten beim Wort zu nehmen und diesem Antrag zuzustimmen. Das wäre nämlich ein Anfang, um die weitere Sesshaftwerdung von Neonazis im Freistaat Sachsen zu bekämpfen – wohlgemerkt: ein Anfang.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)