Der Herr Lippmann wird es noch erleben. Ich gönne Ihnen, Herr Lippmann, die Freude, im Jahre 2052 die Einsparung drin zu haben; Herr Patt, Sie werden das nicht mehr erleben, Sie können sich dann nicht mehr freuen.
Noch etwas – der Großwirtschaftler hier, der Patt, der heuert demnächst wahrscheinlich beim ifo Institut an – zu den 20 % mehr Personal: Jetzt stellen Sie sich einmal die ökonomische Katastrophe in Sachsen vor, wenn wir in den vergangenen 25 Jahren diese 20 % mehr Personal im öffentlichen Dienst nicht gehabt hätten. Stellen Sie sich das bitte vor. Das wäre eine Katastrophe für diesen Freistaat gewesen. Das wäre eine soziale Katastrophe gewesen. Das können Sie sich gar nicht vorstellen, so trocken, wie Sie hier über Zahlen berichten und über Schicksale, über Menschen, die dahinterstehen. Sie sprechen über Beschäftigte im öffentlichen Dienst und nicht über pure Ziffern, Herr Patt. Das merken Sie sich endlich einmal.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Standortkonzept und das Sächsische Standortgesetz bieten durchaus immer wieder Anlass zu ausgelassenem Streit in diesem Hohen Haus. Die Fraktion DIE LINKE hält den vorliegenden Antrag der GRÜNEN für berechtigt – das dürfte ich wohl schon dargestellt haben –, und wegen unserer Erfahrungen zum Standortkonzept und -gesetz sowie den Unklarheiten hinsichtlich der Baukosten und Einsparpotenziale für durchaus geboten. Schließlich haben wir schon im Januar 2012, also bei der Beratung und Beschlussfassung zum Standortgesetz, ausführlich darüber gesprochen. Schon damals waren die Defizite in der Konzeption der Staatsregierung offenbar.
Das war bei der Anhörung angeklungen und wurde auch während der Plenartagung diskutiert. Damals hatte mein Fraktionsvorsitzender Rico Gebhardt folgendermaßen
ausgeführt – ich darf Sie daran erinnern und zitieren: „Bisher hat die Staatsregierung weder eine seriöse Kostenanalyse noch ein tragfähiges Personalentwicklungskonzept vorgelegt.“ Beides sind aber aus unserer Sicht unabdingbare Voraussetzungen einer Staatsmodernisierung, die diesen Namen – dahinter versteckt sich das alles – auch verdient. Dafür hat sich auch der Sachverständige Knut Schreiter vom Bund der Steuerzahler in Sachsen ausgesprochen: „Eine betriebswirtschaftliche KostenNutzen-Rechnung ist unerlässlich.“
Allerdings sind weder die Kostenschätzungen untersetzt, die insgesamt eine Reformrendite von 800 Millionen Euro versprechen sollen, noch kann nachvollzogen werden, welche Konsequenzen der vorgesehene Personalabbau von 15 000 Beschäftigten für die Verwaltungsleistungen haben wird. Zudem fehlt ein wirklich belastbarer Wirtschaftlichkeitsnachweis. Dazu sagte der Sachverständige Prof. Stefan Kofner in der Anhörung vor dem Haushalts- und Finanzausschuss am 9. November: „Wenn das Parlament dieses Standortgesetz verabschiedet, müssten
eigentlich solche Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorliegen. Andernfalls hätte ich Probleme, die Hand zu heben.“
Die Antragstellerin – die GRÜNEN – hat heute bereits mehrere weitere Aspekte angesprochen. Ich will mich vornehmlich auf die Frage konzentrieren, wie wir mit den sich ändernden Personalanforderungen umgehen und ob man damit die Grundlage für die bisherigen Schätzungen hinsichtlich Kosten-Nutzen überhaupt tragfähig darstellen kann. Schließlich geht die Staatsregierung nach wie vor davon aus – man kann ja nachschauen –, dass Einsparungen aus Personalabbau bis 2021 von immerhin 1,151 Milliarden Euro mit Mehraufwendungen von Baukosten von 295 Millionen Euro zu einer Rendite von 842 Millionen Euro zu verrechnen sein werden.
Wir sind also, wenn ich alles aufmerksam genug gelesen und zur Kenntnis genommen habe, hinsichtlich dieser Schätzungen beim Stand von 2011 und keinen Schritt weiter – und das, obwohl wir Prozesse mit deutlichen Personalkonsequenzen debattieren. Die eine Richtung hat Herr Patt diskutiert, und die andere darf ich jetzt einmal ansprechen: Asyl, Migration, Bildung, Steuervollzug, Personalbedarf bei der Polizei, Verfahrensberge bei Staatsanwaltschaften und Gerichten sowie Personalbedarfe im Justizvollzug.
Es ist an der Zeit – und deshalb ist der Antrag der GRÜNEN zeitgemäß und richtig –, endlich die Aufgaben der Staatsregierung anzumahnen. Staatsmodernisierung setzt eine Aufgabenevaluation der Ministerien, Behörden und Dienststellen in allen Bereichen der Staatsregierung sowie der Justiz voraus. Schließlich – hier will ich einmal dem Mantra der die Staatsregierung tragenden Fraktionen, egal ob CDU/FDP oder CDU/SPD folgen – sollte die Personalplanung der Aufgabenkritik folgen. Dann muss aber bei diesen Evaluierungen einmal Betrieb gemacht werden – ganz offen und ganz ehrlich. Wir brauchen in Sachsen eine verlässliche Zielzahl. Die 70 000 sind es nicht mehr so ganz. Wir wissen auch nicht so genau, wo wir beim Personal im öffentlichen Dienst, bei den Staatsbediensteten herauskommen wollen.
Das ist nicht unerheblich, wie der Sächsische Rechnungshof schon im September 2011 feststellte. In seiner Beratenden Äußerung „Nachhaltigkeit und Reduzierung der Bewirtschaftungs- und Bauunterhaltsausgaben des Freistaates Sachsen“ schreibt er unter anderem in Bezug auf die für alle Ministerien damals geplanten Stellenabbauvorhaben: „Der Flächenabbau erfordert die Erstellung aktueller Behördenunterbringungskonzeptionen, die auf der Basis der von der Staatsregierung prognostizierten Zielzahl von 70 000 Bediensteten beruhen.“ Man kann jetzt darüber reden, welche Zahl dort anzusetzen wäre. „Diese Behördenunterbringungskonzeptionen müssen
unter anderem folgende Punkte transparent darstellen: Unterbringungsbedarf staatlicher Einrichtungen am
jeweiligen Standort, Aufzeigen von vorhandenen landeseigenen Flächenpotenzialen, Bezeichnen der wirtschaftlichen Unterbringungsvarianten der Behörden am jeweili
Mit anderen Worten: Das, was der Rechnungshof damals schrieb, finden Sie im Antrag der GRÜNEN wieder, und das ist richtig so.
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend noch etwas zitieren, was ich in dieser Stellungnahme immer wieder gern lese, weil ich es bis heute nicht ganz verstanden habe. Es ist etwas Nettes und steht auf Seite 3 von 7. „Die Kalkulation der Baukosten entsprach den Festlegungen der Sächsischen Haushaltsordnung.“ Das verstehe ich noch. „Aufgrund der sorgfältigen Schätzungen und der fundierten Pauschalenbildung war für die Gesamtheit der erforderlichen Baumaßnahmen davon auszugehen, dass die Berechnung die tatsächlich anfallenden Kosten realistisch abbildet.“ Da wird es schon schwierig. „Dies kann jedoch bei der notwendigen Verwendung von Pauschalen und Schätzwerten nicht in gleicher Weise für die Kalkulation der Einzelmaßnahmen gelten. Daher hat die Staatsregierung auch von einer Bezifferung der Einzelmaßnahmen abgesehen. Für die Einzelmaßnahme kann erst im Rahmen der konkreten Einzelplanung eine ähnliche stabile Schätzung erreicht werden. Vor diesem Hintergrund hat die Staatsregierung die prognostizierten Baukosten auch nicht für die einzelnen Baumaßnahmen, sondern nur in der Summe für das jeweils betroffene Ressort veröffentlicht.“
Wenn Sie als Bauherr ein Einfamilienhaus bauen wollen, gehen Sie zum Generalunternehmer und fragen: Was kostet das? Dann sagt er Ihnen: 300 000 Euro. Dann fragen Sie: Wie setzt sich das zusammen? Antwort: Das weiß ich nicht, aber 300 000 Euro kommen heraus, das steht hier drin. Das müssen Sie einem einfachen Parlamentarier einmal erklären, geschweige denn jemandem da draußen. Das versteht kein Mensch.
Deshalb: Der Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, ist vollkommen richtig. Er ist zeitgemäß, und wir stimmen ihm zu. Ich bitte Sie, das Gleiche zu tun.
Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lippmann hat sich die Mühe gemacht – es wird heute überhaupt viel zitiert –, aus meiner Rede von der Verabschiedung des Standortegesetzes vom Januar 2012 zu zitieren. Es war nur ein sehr kleiner Teil, den Sie zitiert haben. Ich würde das gern noch etwas ausweiten.
2012 wurde das Standortgesetz von der CDU/FDPKoalition verabschiedet. Nicht nur die Grünen und die Linken, sondern auch wir haben gegen dieses Gesetz gestimmt. Wir hatten eine große Rede vom damals zuständigen Justizminister erhalten, dass das Standortgesetz
die Speerspitze der Staatsmodernisierung sei. Ich sagte damals: „Mit dem Standortgesetz haben wir eben keine Staatsmodernisierung vorliegen, sondern Staatsabbau. So klar muss man das sagen. Eine Staatsmodernisierung fasst man anders an.
Man muss sich zuerst fragen: Welche Aufgaben habe ich als Staat zu erledigen? Welche Dienstleistungen will ich erbringen? Welche Bedürfnisse muss ich erfüllen? „Ausgehend“ – so habe ich dann weiter gesagt – „von dieser Aufgabenfeststellung mache ich einen zweiten Schritt, eine Personalbemessung: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauche ich, um diese Aufgaben erfüllen zu können? Im dritten Schritt folgt die Organisation: In welchen Behörden bzw. Standorten und Strukturen soll dieses Personal die Aufgaben erfüllen? So ist die Reihenfolge, und Sie“ – sagte ich damals zur Koalition – „zäumen das Pferd von hinten auf.“
Vielen Dank. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum der Antrag der GRÜNEN so kurz springt. Wenn das Vorhaben grundsätzlich falschherum aufgezäumt ist, was hilft es Ihnen dann, zu Zahlen, die wir 2011 bekommen haben und die auch der Rechnungshof zum Teil moniert hat, jetzt – drei, vier, fünf Jahre später – noch andere Zahlen zu bekommen? Alte oder neue Zahlen ändern das Grundversäumnis in der Vorgehensweise nicht. Das ist beim Standortegesetz falsch aufgezäumt gewesen.
Ich kann nicht zuerst fragen, wo meine Standorte sind und wie ich die Struktur mache und dann sagen: Okay, so mache ich es und schaue, was noch an Personal übrig ist und dort hineinpasst. Ich muss es umgekehrt tun. Das ist die Grundidee, von der wir uns damals leiten ließen, als wir das Standortgesetz abgelehnt haben, und auch vor einem halben Jahr, als wir Koalitionsverhandlungen führten.
Sie werden diese Grundidee im Koalitionsvertrag wiederfinden. Jetzt bin ich beim zweiten Zitat meiner Rede. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart: „Der öffentliche Dienst des Freistaates Sachsen ist hinsichtlich seiner Aufgaben sowie der daraus resultierenden Personal- und Sachausstattung umfassend zu evaluieren. Die Koalitionspartner setzen dazu eine Kommission ein... Die Kommission erstellt bis 2016 eine aufgabenorientierte Personalbedarfsplanung. Sie ermittelt außerdem mögliche Konsequenzen für den Behördenaufbau und die Struktur der Landesverwaltung.“
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass das der richtige Weg ist, den es einzuschlagen gilt. Ich glaube richtig in Erinnerung zu haben, dass die Einsetzung der
Ein zweites Thema war uns bei der Debatte zum Standortgesetz immer besonders wichtig, und zwar die Polizei. Auch das ist von einem Kollegen angesprochen worden. Ich habe damals hier gestanden und gesagt, dass es ein Unding ist, dass von den 70 sächsischen Polizeirevieren 30 geschlossen werden, nur noch 40 übrig bleiben. Auch das halten wir für eine Katastrophe.
Das Feinkonzept Polizei ist dann in den folgenden Monaten veröffentlicht worden. Wir alle haben daran Kritik geübt. Das ist ein Grund, warum wir uns gerade im Bereich innere Sicherheit und Polizei besonders lange und intensiv sehr viel Mühe bei den Koalitionsverhandlungen gegeben haben. Dabei rede ich jetzt nicht nur von dem aktuellen Thema, das wir in den Haushaltsverhandlungen haben, mit zusätzlichen Stellen für die Polizei, sondern wir haben bei den Koalitionsverhandlungen auch gesagt, dass uns der Bereich Polizei so wichtig ist, dass wir zu der allgemeinen Kommission Öffentlicher Dienst noch eine Fachkommission Polizei einsetzen wollen. Auch hier zitiere ich wieder aus dem Koalitionsvertrag. Dort haben wir unter anderem beschlossen: „Die zum 01.01.2013 eingenommene Polizeiorganisation ist hinsichtlich der Aufgaben sowie der Personal- und Sachausstattung umfassend zu evaluieren. Die Ausstattung der Polizei muss sich an ihren Aufgaben orientieren.“
Der Text wird Ihnen nicht unbekannt vorkommen, denn dieser Text steht nicht nur im Koalitionsvertrag, er ist auch Gegenstand eines Antrages, über den Sie morgen befinden können. Wenn der Antrag eine Mehrheit in diesem Haus findet, vielleicht sogar auch von den Fraktionen, die sagen, dass die SPD mit der Kritik am Standortegesetz noch immer nicht falsch liegt, dann können wir an der Stelle Polizei im Besonderen und am Beispiel Öffentlicher Dienst im Allgemeinen das Pferd tatsächlich richtig aufzäumen. Damit ist uns – glaube ich – viel mehr geholfen, als neue Zahlen zu einem alten, kritikwürdigen Vorgang zu finden.
Deshalb meine Bitte: Ringen Sie sich morgen durch, stimmen Sie unserem Antrag zu, der die richtige Reihenfolge von Planung in der Verwaltung mit sich bringt, nämlich erst Aufgaben, dann Personal, dann Strukturen. Ich weiß nicht, ob es sich wirklich lohnt, über vergossene Milch zu reden. Teile des Standortgesetzes sind schon umgesetzt, andere sind noch so weit weg, dass ich glaube, dass die Ergebnisse der Kommission dem zuvorkommen werden.
Insofern sollten wir unsere Energie lieber da hineinstecken, konkret tatsächlich mögliche Veränderungen gemeinsam zu diskutieren.
Frau Kollegin Friedel sprach für die SPD-Fraktion. Die AfD hat keinen Redebedarf gemeldet. Ich frage jetzt: Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Dann erteile ich jetzt der Staatsregierung das Wort. Das wird von Herrn Staatsminister Prof. Unland ergriffen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Januar habe ich den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über den Haushalts- und Finanzausschuss bereits schriftlich beantwortet.
Zusammenfassend möchte ich auch im Namen des für die Staatsmodernisierung zuständigen Staatsministeriums des Innern wie folgt hier im Plenum Stellung nehmen:
Die Staatsregierung hat bei der Betrachtung der Kosten und Einsparungen der Standortkonzeption im Jahr 2011 eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorgelegt. Die
Ermittlung der Kosten für Neu-, Aus- und Umbauten für einen Zeithorizont von zehn Jahren zur Umsetzung der Konzeption basiert auf Schätzungen und Erfahrungswerten der Bauverwaltung und einer Kostendatenbank, die Sachsen gemeinsam mit sieben anderen Bundesländern betreibt. Das heißt, wir machen das ähnlich oder genauso, wie in anderen Bundesländern üblich.
Ich nenne einige Beispiele, die natürlich von der Art der Gebäudenutzung abhängen. Die vom Sächsischen Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement auf dieser Grundlage bezifferten Gesamtbaukosten für Neubauten reichen beispielsweise von 3 300 Euro pro Quadratmeter für ein Finanzamt bis zu 4 500 Euro pro Quadratmeter für eine Polizeidirektion. Diese Vorgehensweise ist auch in der Wirtschaft üblich.
Die Kalkulation erfolgt auf der Basis der Kosten des Jahres 2011. Die Kalkulation der Baukosten – das hatten Sie vorhin schon richtig gesagt – entspricht den Festlegungen der Sächsischen Haushaltsordnung. Aufgrund der durchgeführten Schätzungen und der Pauschalenbildung ist für die Gesamtheit der erforderlichen Baumaßnahmen davon auszugehen, dass die Berechnung die tatsächlich anfallenden Kosten realistisch abbildet. Es wird Überschreitungen geben, aber auch Unterschreitungen, denn es handelt sich hierbei um Mittelwerte.