Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Die Redezeit geht zu Ende.

Auch dafür, Herr Ulbig, tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Auf die in der ersten Rederunde letzte Rednerin, Frau Kollegin Zais, folgt jetzt unser Ausländerbeauftragter, Kollege Mackenroth.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die erste Runde gehört. Die Debatte ist in vollem Gange. Wir sollten alle Argumente im Interesse der Menschen, die unsere Unterstützung suchen und denen wir tatsächlich helfen wollen, sorgsam wägen. Diese Suche nach dem besten Weg, um die wir uns bemühen, um die wir auch ringen, für individuelle Zwecke oder zur Profilierung zu instrumentalisieren scheint mir derzeit aber nicht angebracht, vielleicht im Moment sogar gefährlich, weil es eine drohende Spaltung unserer Gesellschaft in dieser Frage eher vertieft und den noch bestehenden Konsens gefährdet.

Ich möchte aus meiner Sicht beispielhaft zwei, drei Bereiche nennen, die mir jenseits der positiven Ansätze des Lenkungsausschusses besonders wichtig erscheinen. Zunächst: Wir können und dürfen die Flüchtlinge nicht als eine homogene Gruppe ansehen. Sie kommen aus unterschiedlichen Gründen und aus verschiedenen Regionen, aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns. Viele sind monate- oder gar jahrelang unterwegs, erleiden auf ihrem Weg nach Europa Erniedrigungen, Aggressionen, multiple Verletzungen. Dieses Europa scheint von einer einheitlichen und solidarischen Migrationspolitik Lichtjahre entfernt, ist nicht einmal in der Lage, den widerlichen Schlepperbanden ihr Handwerk zu legen.

Nicht immer ist es eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben, die Menschen aus ihrer Heimat vertreibt. Auch

wirtschaftliche Not, fehlende Perspektiven oder Hunger bringen manche dazu, dass sie aus einer als unerträglich empfundenen Situation für sich und ihre Kinder keinen Ausweg mehr sehen. Dies ist für mich menschlich nachvollziehbar. Aber nicht jeder nachvollziehbare Grund erlaubt es den Menschen, nach dem bei uns geltenden Recht in Deutschland zu bleiben. Jeder Einzelfall – dazu haben wir uns verpflichtet – muss sorgfältig geprüft werden.

Meine Damen und Herren, wir haben differenzierte und internationale sowie nationale Vereinbarungen und Regelungen. Sie sind kein Selbstzweck. Aber wir müssen sie einhalten – nicht, weil Recht nun einmal Recht bleiben muss, sondern weil auf ihrer Grundlage ein austariertes System geschaffen wurde. Dieses System gerät in Gefahr, wenn wir unseren selbst gesetzten Regeln nicht folgen. Die sich daraus ergebenden Probleme verringern die Akzeptanz bei unseren Bürgern und hindern uns, denjenigen zu helfen, die wirklich unserer Hilfe bedürfen.

Dies sind übrigens die beiden einzig akzeptablen Gründe für Rückführungen. Gäbe es rechtliche Möglichkeiten, einem Flüchtling den Weg in die geordnete Zuwanderung zu öffnen, sähe ich für seine Rückführung grundsätzlich keine Notwendigkeit, wenn und solange er die Kriterien für eine geordnete Zuwanderung erfüllt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD)

So aber muss die Gruppe derer, die nach europäischen und nationalen Regeln nicht bleiben darf, unser Land wieder verlassen, so schlimm das für die Betroffenen auch sein mag. Über die Frage des Bleiberechtes – das wurde angesprochen – muss seitens des BAMF zügiger als bisher entschieden werden, und die Entscheidungen müssen zeitnah und konsequent kommuniziert und umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir für alle Flüchtlinge und Asylbewerber mehr und anderes tun möchten, die Ressourcen stehen dafür nicht zur Verfügung, erst recht nicht nach der Explosion der Migrationszahlen der letzten Wochen und Monate, die alle Beteiligten in bisher nicht bekannter Weise gefordert haben und die die Notwendigkeit ressortübergreifender Koordination innerhalb der Staatsregierung besonders deutlich machen.

Ich bin dankbar dafür, dass nunmehr mit dem Lenkungsausschuss sowie der Stabsstelle SMI die Grundlagen für eine weitere und notwendige Optimierung des Systems geschaffen wurden, und ich bin dankbar für den engen Schulterschluss zwischen Ausländerbeauftragtem und unserer Integrationsministerin Petra Köpping.

Vordringlich ist aus meiner Sicht derzeit die angemessene Unterbringung. Es ist nicht in Ordnung, wenn der Abstand zwischen Betten in einer zugegeben provisorischen Unterbringungshalle gerade einmal 20 Zentimeter beträgt. Einige hygienische Zustände, auf die ich gestoßen bin, sind für mich nicht akzeptabel, schon gar nicht auf Dauer. Hier müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Abhilfe zu schaffen.

Die Solidarität aller sächsischen Kommunen ist ebenfalls gefragt. Ein weiterer Schritt ist dann ein Angebot für Sprachkurse. Deutsch als Zweitsprache ist mancherorts noch eine organisatorische Baustelle. Später kommt die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten hinzu. Die aktive Teilnahme am Arbeitsleben befreit aus sozialer Isolation in den Einrichtungen und fördert die Integration. Hier sollten wir alle zusammen mit dem zuständigen Arbeitsministerium weiter aktiv unterstützen.

Aber vor allem, meine Damen und Herren: Auch wenn wir über Regelungen reden müssen, der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. Den wirklich Hilfsbedürftigen zu helfen ist unsere Pflicht. Nennen Sie das Motiv dafür Solidarität. Ich nenne es Mitmenschlichkeit. Wir werden dabei die Spannung zwischen dem, was wir tun möchten, und dem, was wir tun können, aushalten müssen. Niemand weiß das besser als die haupt- und ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer vor Ort in den Einrichtungen. Ihnen möchte ich meine Anerkennung und meinen Dank für ihre Arbeit aussprechen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Mein Dank gilt auch all denen, die in der teilweise stark aufgeheizten Situation die Unbelehrbaren vor sich selbst und andere vor den Unbelehrbaren schützen. Sie machen einen guten Job.

Eine persönliche Bemerkung noch zu Ihnen, Herr Gebhardt. Ich habe Ihre Kritik gehört. Sie glauben, ich bin nicht der Richtige. Das überrascht mich nicht. Ich weiß doch seit Dezember, als Sie nicht für mich gestimmt haben, dass Sie meinen, ich sei nicht der Richtige. Oder ist es vielleicht umgekehrt, dass Sie glauben, ich sei nicht der Richtige, weil Sie nicht für mich gestimmt haben? Wie dem auch immer sei. Lassen Sie uns gemeinsam auf das richtige Ziel hinarbeiten; denn darauf – auf den Weg und das Ziel – kommt es an. Der Falsche kann ein richtiges Ziel verfolgen, ebenso wie der Richtige richtig auf dem Holzweg sein kann. Besonders schlimm wird es dann, wenn die Falschen auch noch auf dem Holzweg sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der AfD)

Lassen Sie uns nicht schon nach weniger als hundert Tagen, sondern am Ende der Legislaturperiode oder zwischendurch, wann auch immer Sie wollen, darüber richten, ob ich, wenn auch vielleicht der Falsche, auf einem richtigen oder einem akzeptablen Weg bin.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Wer ist denn da jetzt richtig, Sie oder wir?)

Meine Damen und Herren! Wir sehen uns auf allen Zuständigkeitsebenen unseres Gemeinwesens vor großen Herausforderungen. Der Sächsische Ausländerbeauftragte wird alles daransetzen, dass wir trotz aller Schwierigkeiten unser Asylrecht im Kern erhalten und auch künftig den wirklich Schutzbedürftigen Zuflucht gewähren können. Hierin weiß ich mich mit allen gutwilligen Abgeordneten dieses Hohen Hauses einig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Das war unser Ausländerbeauftragter, Kollege Mackenroth. Wir sind jetzt kurz vor einer zweiten Rednerrunde. Die einbringende CDUFraktion ergreift das Wort. Bitte, Kollege Kiesewetter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kaum ein anderes Thema bewegt die Menschen derzeit so wie die Fragen des Asylrechts und die Unterbringung von Menschen, die in unserem Land Schutz suchen.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland und stellen Länder und Kommunen vor Herausforderungen. Viele davon bleiben längere Zeit oder sogar für immer, als anerkannte Asylberechtigte oder Geduldete. Es ist deshalb wichtig, dass Konzepte erarbeitet werden. Wir haben das schon in der ersten Runde vernommen, und die Zahlen sind allseits bekannt. Fakt ist jedenfalls: Die Herausforderungen bei diesem Thema sind vielschichtig. Es handelt sich um eine dauerhafte gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier muss ein Maßnahmenpaket unter Beteiligung aller relevanten Akteure geschnürt werden, welches den wachsenden Herausforderungen entspricht.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Hinzu kommt, dass Freistaat und Kommunen eine gemeinsame Verantwortung, aber klar geteilte und geregelte Zuständigkeiten haben. Diese Komplexität bedingt daher zwangsläufig, die Fragestellungen ressort- und verwaltungsebenenübergreifend abzustimmen und zu bearbeiten. Es ist deshalb richtig und konsequent, Maßnahmen dazu in einem Lenkungsausschuss zu vereinbaren.

Gestatten Sie mir, dass ich mich bei meinen Ausführungen auf zwei ausgewählte Themen aus dem Bereich Integration beschränke, die neben den bereits diskutierten wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der Unterbringung im Lenkungsausschuss behandelt worden sind und zu denen dort Festlegungen getroffen wurden.

Das erste wichtige Thema ist die soziale Betreuung nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung. Mit der Unterbringung in den Kommunen stellen sich oftmals für die Betroffenen zahlreiche lebenspraktische Fragen. Viele kleine Dinge können zur großen Herausforderung werden. Es ist deshalb richtig, mit der gestern beschlossenen Richtlinie „Soziale Betreuung von Flüchtlingen“ unter anderem Maßnahmen zum Zurechtfinden in der neuen Lebenssituation, zur Stärkung der Eigenverantwortung, zur Alltagsbewältigung und Aufnahme von Beschäftigung sowie zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements zu fördern.

Die Kommunen wissen am besten, wo vor Ort die Säge klemmt. Ein starrer Betreuungsschlüssel wird darum nicht vorgeschrieben. Damit wird einer zentralen Forderung der kommunalen Ebene nach mehr Flexibilität im Einsatz von

Ressourcen nachgekommen. Zudem sichert der Einsatz von qualifiziertem Personal eine professionelle soziale Betreuung.

Bei der Umsetzung muss ein enger Schulterschluss mit der kommunalen Ebene geübt werden. Es ist dafür zu sorgen, dass den unterschiedlichen regionalen Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Hier geht es nur gemeinsam. Jetzt kommt es darauf an, dies konsequent umzusetzen.

Das zweite wichtige Thema ist der Auftritt gegenüber dem Bund für die Aufstockung der Mittel für berufsfördernde Sprachkurse, ergänzt um die Bereitstellung von Landesmitteln für das Erreichen des Sprachniveaus A1.

Wie Sie wissen, wurden Ende 2014 bestehende arbeitsmarktzugangsrechtliche Beschränkungen für Asylbewerber und Geduldete gelockert. Bisher stehen diese Menschen jedoch vor zahlreichen Barrieren, um ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können. Hier ist eine bessere Integration in Ausbildung und Beschäftigung notwendig. Es gilt, den Menschen eine Perspektive zu bieten. Nur ausreichende Deutschkenntnisse können die Tür zur Ausbildung und Beschäftigung öffnen. Hier gibt es aktuell noch erhebliche Förderlücken. So bleibt für Asylbewerber und Geduldete die berufsbezogene

Deutschförderung meist verschlossen. Werden jedoch für den Spracherwerb sinnvolle und notwendige Grundinvestitionen nicht getätigt, droht ein Vielfaches an Folgekosten, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft nicht gelingt.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Petra Köpping)

Die Bemühungen der Staatsregierung gegenüber der Bundesebene, insbesondere über die Arbeits- und Sozialministerkonferenz und die Mitwirkung im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, sind deshalb ausdrücklich zu unterstützen. Das Ergebnis, das im Lenkungsausschuss dazu vereinbart worden ist, ist konsequent umzusetzen.

Beim Thema Asyl geht es nur gemeinsam. Das ist das Gebot der Stunde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die CDU-Fraktion war das der Abg. Kiesewetter. – Jetzt ergreift für die SPDFraktion, die ebenfalls Einbringerin ist, Frau Kollegin Pfeil das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Aktuelle Debatte zeigt uns heute wieder, dass das Thema Integration nun endlich als Zukunftsthema in diesem Hause angekommen ist und endlich den entsprechenden Stellenwert bei der Staatsregierung einnimmt.

In den letzten Monaten haben wir gesehen, dass die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation mit den Kommunen, mit den Behörden, mit den vielen Ehrenamt

lichen und mit den Flüchtlingen den entscheidenden Faktor einer gelungenen Integrationspolitik in Sachsen darstellen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um unserer Ministerin für Gleichstellung und Migration für diese neue Form des Dialogs zu danken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Sowohl der Lenkungsausschuss als auch das in dieser Woche erstmalig einberufene Verbändegespräch konnten dank dieser neuen Form des Dialoges konkrete Bedarfe und Probleme aufgreifen, aber auch eine zukünftig zuverlässige und auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit ermöglichen.