Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Kollegin Frau Grimm hat bereits darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag für eine Strategiekommission zwar gut sei, aber viel zu spät komme. Ich zitiere dazu passend den Verkehrsclub Deutschland aus dem Jahr 2012: „Eine Strategie für die Weiterentwicklung für den öffentlichen Personennahverkehr ist nicht zu erkennen.“ Oder: „Nicht einmal mehr die nötige Neuanschaffung von Linienbussen wird in dem Umfang gefördert, wie es noch 2010 selbstverständlich war.“ Oder: „Bereits im letzten Doppelhaushalt wurden dem ÖPNV in Sachsen für die Zeit von 2012 bis 2014 jährlich rund 35 Millionen Euro gestrichen, die der Freistaat vom Bund dafür erhält.“ Oder: „Etliche Bahnlinien sind bereits 2011 erheblich ausgedünnt worden.“
Die Zielforderungen des Verkehrsclubs lauteten schon damals: Die Ausdünnung ist zu stoppen, die Entwicklung im ÖPNV ist umzukehren.
Ähnliche Zitate finden sich in den Publikationen weiter zurückliegender Jahre. Die Problematik ist also alles andere als neu.
Die AfD legt Wert darauf, keine Fundamentalopposition zu betreiben, sondern konstruktive, lösungsorientierte Kritik zu üben.
Deshalb möchte ich Ihnen einige Ziele benennen, die aus unserer Sicht in der Strategiekommission angestrebt werden müssen.
Erstens. Eine weitere Privatisierung der Schieneninfrastruktur inklusive der Bahnhöfe muss verhindert werden. Es liegt auf der Hand, dass in Bereichen, die derzeit sichtbar unrentabel sind, ein privater Anbieter unter dem Druck des freien Wettbewerbs eher weitere Strecken und
Bahnhöfe schließen wird, als dass er sie in Schuss halten kann. Die Sicherstellung einer adäquaten Anbindung gehört aber, wie Elektrizität oder sauberes Wasser, zur öffentlichen Daseinsvorsorge und muss staatlich garantiert werden.
Wir halten die Strategiekommission daher zu einer zielorientierten und nicht rein budgetorientierten Planung an. Der Haushalt bietet viele Stellen, an denen durch Kürzungen entsprechende Gegenfinanzierungen gewährleistet werden können. Die Diskussionen dazu werden wir in einigen Wochen noch im Detail führen.
Zweitens. Die Fahrpläne müssen optimal aufeinander abgestimmt werden. Nur ein ÖPNV, der möglichst wenig Umstiege – und wenn, dann mit minimierten Wartezeiten – bietet, wird die notwendige Akzeptanz finden. Wenn man aber in der Oberlausitz einen 10 Kilometer entfernten Zielort erst nach 45 Minuten Fahrtzeit, drei Umstiegen und 60 Minuten Gesamtwartezeit erreicht, wird es kaum jemanden von der Attraktivität des ÖPNV überzeugen.
Drittens. Das Ticketsystem muss vereinfacht werden. Es muss möglich sein, eine Fahrkarte zu kaufen, die für alle Anbieter innerhalb Sachsens gültig ist. Das vereinfacht insbesondere Fahrten mit Umstiegen und steigert die Attraktivität des ÖPNV bedeutend.
Wir benötigen einen flächendeckenden Ausbau der Anschlussinfrastruktur rund um die Bahnhöfe, beispielsweise kostenlose Park-and-ride-Plätze; denn je einfacher die kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel ist, desto interessanter wird der ÖPNV.
In Ballungsgebieten sollten wir mehr Fahrspuren als Busspuren deklarieren. Das würde den ÖPNV im Vergleich zum Individualverkehr beschleunigen und ebenfalls attraktiver machen.
Zu guter Letzt schlagen wir vor, für Tickets des ÖPNV einen erniedrigten Mehrwertsteuersatz anzustreben.
Denn am Ende ist die Wahl eines Verkehrsmittels für viele Bürger auch eine finanzielle Entscheidung.
Meine Damen und Herren! All diese Vorschläge würden die Akzeptanz und damit die Nutzung des ÖPNV erhöhen und damit dazu beitragen, die ländlichen Regionen Sachsens vital zu halten bzw. neu zu beleben.
Eine kleine Anmerkung zum Schluss: Sollten Sie sich nicht alles gemerkt oder notiert haben, schauen Sie in das Wahlprogramm der AfD. Dort stehen all diese Punkte bereits drin.
In der Hoffnung, dass die Strategiekommission unsere Vorschläge berücksichtigen wird, stimmen wir dem Antrag zu.
Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Dulig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn Du mal nicht weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis!“ – „Kennst du das Ergebnis schon, so gründe eine Kommission!“
Das sind sicherlich Mottos gewesen, die manchmal dazu geführt haben – auch in der Politik –, einen Ausweg zu suchen, weil man Zeit gewinnen wollte, einen hohen Arbeitsaufwand vortäuschen wollte, Menschen beteiligen wollte usw. Manchmal sind solche Arbeitskreise und Kommissionen eine Art von Ablenkungsmanöver und ein beliebtes Instrument – auch in der Politik. Das wissen wir, glaube ich, alle auch aus unserer eigenen Arbeit.
Dass wir aber hier bei dieser Strategiekommission etwas anderes machen, dass diese Strategiekommission für uns ein sehr wichtiges verkehrspolitisches Instrument ist – das unterstreicht dieser Antrag. Deshalb bin ich dankbar, dass mit diesem Antrag ein Startschuss gegeben wird für ein Instrument, das weit mehr als nur Beschäftigungstherapie ist. Wir wollen mit dieser Strategiekommission die Weichen für den öffentlichen Personennahverkehr in Sachsen stellen, der weit über diese Legislaturperiode hinausgeht.
Die Grundvoraussetzung ist eine gute. Ich lasse mir auch den ÖPNV in Sachsen nicht schlechtreden. Wir haben einen leistungsstarken, kundennahen, wirtschaftlichen und innovativen ÖPNV. Das ist auch der Leitspruch für die weitere Entwicklung; denn diese Attribute sind es, die uns durch den SPNV-Monitor für Sachsen für den Zeitraum 2008 bis 2012 attestiert werden.
Trotz rückgängiger Einwohnerzahlen – um 3,4 % – haben wir einen Aufwuchs der gefahrenen Kilometer um 6 % und der Fahrgäste pro Zug um gar 13 % bei einem abgesenkten Zuschussbedarf von 6 %. Unsere Nahverkehrsunternehmen, gerade in den großen Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz, belegen bei der Kundenzufriedenheit Spitzenplätze.
Nun stehe ich nicht hier vorn, um das Hohelied zu singen „Alles ist gut“, sondern um klarzumachen, dass wir tatsächlich vor einigen Herausforderungen stehen, die wir lösen müssen. Unsere Zielvorstellung ist es, den Mensch, den Fahrgast, in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen; denn nachhaltige Mobilität ist die Grundvoraussetzung für die Teilhabe an Gesellschaft. Mobilität ist eine Gerechtigkeitsfrage.
Deshalb möchte ich über unsere Verkehrspolitik eine neue Überschrift setzen. Dies bezieht sich nicht nur auf den ÖPNV, sondern generell auf alle Verkehrsträger und alle
Gerade wenn es um das Thema Infrastruktur, Verkehr geht, haben wir sehr viele Erwartungshaltungen, die nicht immer mit den Realitäten und Möglichkeiten übereinstimmen. Das führt zu großen Unzufriedenheiten. Das führt dazu, dass vor Ort Diskussionen geführt werden, wodurch auch das Vertrauen in den Gestaltungswillen von Politik verloren geht.
Deshalb ist es wichtig, dass wir ehrlich mit der Frage umgehen: Was ist machbar und unter welchen Voraussetzungen können wir Verkehrspolitik gestalten? Denn zur neuen Ehrlichkeit gehört ja, dass wir jetzt keine Strategiekommission ins Leben rufen, ohne auf die veränderten Rahmenbedingungen eingehen zu können.
Das Stichwort Demografie ist schon genannt worden. Wie können wir einen leistungsstarken ÖPNV sicherstellen – trotz geringerer Einwohnerzahlen, trotz sich entleerender Räume und trotz einer sehr unterschiedlichen strukturellen Entwicklung zwischen den Ballungszentren und den ländlichen Bereichen? Wir haben die demografische Entwicklung auf der einen Seite und die veränderten politischen und finanziellen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite.
Alle Vorredner sind auf das Thema Regionalisierungsmittel eingegangen. An dieser Stelle will ich wiederholen, was Kollege Heidan bereits nannte: Alle Mittel, die wir vom Bund bekommen, werden in den ÖPNV investiert und Sachsen legt noch ordentlich etwas oben drauf. Es geht nicht darum, wie viel wir von den Regionalisierungsmitteln weitergeben, sondern Sie können sich sicher sein, dass alle Mittel in den ÖPNV gegeben werden und dass Sachsen weit darüber hinaus seine eigenen Leistungen erbringt.
Nur wissen wir auch, dass wir keine Planungssicherheit haben; denn der Bund hat uns nur für dieses Jahr gesagt, wie viel wir an Regionalisierungsmitteln bekommen. Alles andere wird zurzeit hübsch verhandelt. Auch dazu gehört neue Ehrlichkeit, zu sagen, in den letzten Jahren in Sachsen bei den Regionalisierungsmitteln nicht untervorteilt gewesen zu sein. Das heißt, wir müssen jetzt aufpassen, dass wir bei der Neubewertung der Regionalisierungsmittel nicht zu stark abschmieren. Das Delta wurde schon genannt; wir reden hierbei von großen Summen. Es besteht also großes Interesse, dass wir bei den Verhandlungen zu den Regionalisierungsmitteln aufpassen und nach wie vor die sächsische Situation berücksichtigen, um von diesem Kuchen ein großes Stück abzubekommen.
Das alles passiert im Umfeld der Diskussionen um den Länderfinanzausgleich, und das macht diese Diskussion wahrlich nicht leichter, ganz im Gegenteil. Wenn man eine Strategie für die nächsten Jahre entwickelt, muss man berücksichtigen, dass sich die Rahmenbedingungen für den ÖPNV komplett verändern. Es sind nicht nur die Diskussionen über die veränderten Rahmenbedingungen
auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu reduzieren, sondern wir müssen auch sehen, inwieweit wir strukturelle Defizite im eigenen Land beheben können, um die Effizienz und die Weiterentwicklung speziell im SPNV voranzutreiben.
Wir haben fünf Zweckverbände, die wir selbstverständlich in diese Strategiekommission integrieren wollen; denn es geht auch darum, trotz unseren unterschiedlichen Strukturen zu einer Harmonisierung von Tarifen, zu vergleichbaren oder einheitlichen Standards, zu kommen. Wir müssen auch unser Ziel erreichen, das wir uns im Koalitionsvertrag fest vorgenommen haben: dass wir für die sächsischen Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden ein kostengünstiges Bildungsticket bekommen. Sie sollen endlich zonenübergreifend fahren, Bildungsangebote in den Zentren oder wo auch immer annehmen können und nicht daran scheitern, dass sie in dem einen Verkehrsverbund wohnen, ihre Ausbildungsstelle sich aber in einem anderen Verkehrsverbund befindet. Deshalb ist es in unserem Interesse, dass wir mit der Strategiekommission dieses Bildungsticket etablieren können.
Dazu brauchen wir Partner. Die Besetzung der Strategiekommission soll genau das widerspiegeln. Dass wir vor allem die Kommunen an dieser Stelle brauchen, liegt auch in der Struktur des ÖPNV begründet. Deshalb ist bei der Besetzung der Kommission die kommunale Ebene ein fester Bestandteil und wird eine führende Rolle bei der Lenkung und Steuerung der Strategiekommission einnehmen. Wir werden die Verbände der Verkehrsunternehmen, die IHKs und die Vertreter der Gewerkschaften an diesen Tisch einladen. Wir wollen viele ÖPNV-Kunden dabei haben. Deshalb wird auch ein Vertreter der Fahrgastverbände mit am Tisch sitzen. Wir werden die Wissenschaft einbinden.
Jetzt stand die Frage, wer aus dem Sächsischen Landtag mit dabei ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute nicht nur über eine neue und andere politische Kultur reden, sondern wir wollen sie praktizieren. Ich lade ausdrücklich alle Fraktionen, die im Sächsischen Landtag vertreten sind, dazu ein, in dieser Strategiekommission mitzuwirken.
Jede Fraktion wird in dieser Strategiekommission mitwirken können. Diese Einladung spreche ich hiermit offiziell aus.
Jetzt kommt es aber darauf an, dass das, was Sie in den Vorreden gesagt haben, konstruktiv eingebracht wird. Die Debatte war schon etwas munter: Den einen war es zu spät. Ich finde, nach knapp über 100 Tagen im Amt kann man nicht sagen, dass es zu spät sei. Den anderen geht es zu schnell. Sie wollen es zunächst an den Ausschuss überweisen, um noch länger darüber zu diskutieren.
Wissen Sie, wichtig ist, dass wir es tun. Wichtig ist, dass wir diese Strategiekommission mit Leben erfüllen und dass wir vor allem diese Chance nutzen, gemeinsam zu Lösungen zu kommen.
Der Änderungsantrag der GRÜNEN widerspricht genau diesem Gedanken, denn Sie wollen die Ergebnisse schon jetzt beschließen lassen. Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie nun in der Kommission mitarbeiten oder wollen Sie nur belegen, dass Sie schlauer sind als alle anderen und dass Sie die Ergebnisse schon kennen? Sie werden es beweisen können durch Ihre Mitarbeit in der Strategiekommission, in der Sie alle dazu beitragen können, dass wir tatsächlich zu einem leistungsfähigen, innovativen ÖPNV in Sachsen kommen.