Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

(Zuruf von der CDU: Er steht aber schon lange am Mikrofon! – Unruhe)

Wie bitte? Tut mir leid. – Kollege Dr. Meyer, möchten Sie jetzt etwas sagen? Danach können Sie das immer noch tun.

Ja, Herr Präsident, es ist meine Absicht, jetzt etwas zu sagen.

Ich höre gerade, Sie möchten vielleicht eine andere Ausschussüberweisung beantragen.

Das ist voll korrekt, Herr Präsident.

Gut. Das geht.

Ich möchte zusätzlich zur Überweisung an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft eine Mitberatung des Innenausschusses beantragen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh! – Heiterkeit – Carsten Hütter, AfD: Ein sehr schöner Vorschlag! Dann hat Herr Lippmann das wieder auf dem Tisch! – Zuruf: Das machen wir doch gerne!)

Meine Damen und Herren! Ich nehme das gleich auf. Damit schlägt das Präsidium Ihnen vor – jetzt ergänzt –, den Entwurf Gesetz zur Verhinderung der Zerstörung des Waldes im Freistaat Sachsen durch Windkraftanlagen an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft – federführend – und an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Da machen wir mit!)

Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Tagesordnungspunkt 7 ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 8

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes

Drucksache 6/17175, Gesetzentwurf der Fraktion AfD

Auch hier liegt keine Absicht des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher als Einreicherin nur die AfD-Fraktion. Das Wort erhält Herr Kollege Wippel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Die AfD-Fraktion bringt hiermit einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der sogenannten Straßenausbaubeiträge ein.

Straßenausbaubeiträge sind Abgaben, die ausschließlich von Grundstückseigentümern erhoben werden. Das geschieht immer dann, wenn die Anschaffung, Herstellung oder der Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen

stattfindet. Man unterstellt dabei, dass die Grundstücke vom Straßenausbau profitieren. Ob die Verbesserung aber eine wirklich neue Qualität der Erschließung mit sich bringt, steht dabei nicht zur Debatte. Gemeinden, die eine entsprechende Straßenausbaubeitragssatzung haben,

müssen von den jeweiligen Eigentümern Abgaben erheben, denen durch die Verkehrsanlage Vorteile zuwachsen. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Wer eine solche Satzung hat, muss sie faktisch auch anwenden und Gebühren erheben. Wer eine solche Satzung nicht hat, braucht seine Bürger dagegen nicht mit Straßenausbaubeiträgen zusätzlich zu belasten.

Meine Damen und Herren, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen steht überall in Deutschland in der Kritik. Die Verärgerung vieler Grundstückseigentümer über durch die Gemeinden geltend gemachte Straßenausbaubeiträge ist nur allzu verständlich. Dabei lohnt sich einmal ein Blick in die Praxis: So muss ein Gewerbetreibender auf einem Grundstück mit rund 10 000 Quadratmetern Fläche mit ungefähr 31 000 Euro an Straßenausbaubeiträgen rechnen, wenn die Straße grundhaft erneuert wird. Es gibt hierzu zwei Meinungen: Selbst wenn dem Grundstückseigentümer ein Vorteil erwächst, so ist es doch ein Vorteil, den er in der Regel nicht selbst bestellt hat. Er empfindet es daher als aufgedrängte Bereicherung, für die er bezahlen soll.

Wirklich schlimm, wenn nicht sogar noch schlimmer ist der Fall, wenn die Gemeinde ihre Straße über Jahrzehnte nicht gepflegt hat, sondern sie zunächst zerfallen lassen hat. Der Grundstückseigentümer hat jedoch seine Steuern bezahlt, aus denen bestimmungsgemäß auch die Infrastruktur zu erhalten ist. Nun spart sich der Staat über Jahre die Instandhaltungskosten, lässt den Bürger dabei praktisch auf Buckelpisten seine Stoßdämpfer testen oder alte Leute über matschige Fußwege schlurfen – und zum Lohn für seine Bescheidenheit darf der Bürger dann die neue Straße selbst mitbezahlen. Diese Wahrnehmung trifft leider allzu oft die Realität in Sachsen. Die Infrastruktur wurde seit Jahren vernachlässigt, die Kommunen haben kein Geld, und der Bürger darf extra dafür bezahlen. Jetzt, wo angeblich alles besser werden sollte und viel Geld ausgegeben wird – ich denke, in Zeiten eines SPDgeführten Verkehrsministeriums kann es eigentlich gar nicht schlechter werden –, ist das Baugewerbe dermaßen ausgelastet, dass man als öffentliche Hand für den gleichen Mitteleinsatz rund 10 bis 15 % weniger Leistung als in den vergangenen Jahren bekommen würde.

Was passiert nun aber, wenn die Straße doch einmal fertig gebaut ist und der so beglückte Bürger diese nutzen kann? Er bekommt die Rechnung präsentiert. Aber von welchem Geld soll er diese Rechnung bezahlen? Straßenausbaubeiträge übersteigen nicht selten die finanziellen Möglichkeiten ihrer Anlieger und in ganz besonders unbeliebten Wohngegenden vielleicht sogar den Grundstückswert. Bescheiden lebende Rentner, die ihren Lebensabend im eigenen kleinen Häuschen verbringen, sehen sich plötzlich seitens ihrer Gemeinde mit sie überfordernden Geldforderungen für Straßenausbaumaßnahmen konfrontiert. Dabei interessiert es die Gemeinde nicht, ob ein 80Jähriger noch einen Kredit bekommen könnte oder ob er das Geld von seiner kleinen Rente abstottern kann. Die Rücklage seines Lebens ist das Haus, und dieses Haus bewohnt er. Soll er das nun etwa verkaufen?

Gemeinden wie die Landeshauptstadt Dresden oder die Stadt Chemnitz haben die erforderlichen kommunalen Satzungen zur Erhebung solcher Beiträge bereits aufgehoben. Das begrüßen wir als AfD-Fraktion ausdrücklich. Durch eine völlig unterschiedliche Praxis, die nun in Sachsen entstanden ist, lässt sich eine Ungleichbehandlung zulasten des ländlichen Raumes ausmachen. In Städten wie Dresden wird der Einwohner vom Freistaat mit mehr Zuschüssen bedacht als in Gemeinden im ländlichen Raum oder in Mittelstädten. Obwohl sich in Dresden aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte im Falle einer Gebührenerhebung die Beiträge auf eine deutlich größere Anzahl an Schultern verteilen würden, kann man es sich hier leisten, auf diese Abgaben zu verzichten. Im Gegenzug haben die Gemeinden im ländlichen Raum mehr Straßen zu unterhalten und im Falle des Straßenausbaus werden weniger Menschen mit großen Grundstücken erheblich stärker zur Kasse gebeten.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir diese Ungleichbehandlung stoppen und erreichen, dass künftig in ganz Sachsen keine Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau von Verkehrsanlagen erhoben werden, sofern sie denn für den allgemeinen Gebrauch gedacht sind. Die Sachsen zahlen genug Steuern an Bund, Freistaat und Gemeinden. Dieses Steuergeld sollte man besser für Infrastruktur einsetzen als für kosmopolitische Wunschträume durch Masseneinwanderung.

Der Freistaat steht für seine Gemeinden und für seine Bürger, auch für den Erhalt seiner Infrastruktur, in der Pflicht. Die AfD-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs – federführend – an den Innenausschuss sowie – mitberatend – an den Haushalts- und Finanzausschuss.

Ich bitte um Ihre Zustimmung für die Überweisung.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich beende Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf:

Tagesordnungspunkt 9

Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt

Drucksache 6/13483, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringerin spricht zuerst die Fraktion DIE LINKE. In der ersten Runde folgen darauf die SPD, CDU, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Staatsregierung. Frau Buddeberg erhält für die einbringende Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung ist ja in aller Munde, aber sie bleibt in der Politik – auch in der sächsischen – immer noch ein wenig mystisch oder besser gesagt „müsstich“ im Sinne von „darum müsste ich mich auch mal ein wenig kümmern“.

Schauen wir einmal, was die Staatsregierung bisher getan hat: Es gibt die Digitalisierungsstrategie von 2016, die zweimal fortgeschrieben worden ist – zuletzt 2018. Das SMWA hat die Erstellung einer Studie mit dem Titel „Arbeit 4.0 – wie gestalten sächsische Unternehmen (gute) digitale Arbeit“ in Auftrag gegeben. Darin soll der Dialogprozess mit den relevanten Akteurinnen und Akteuren eingebettet sein. Außerdem gibt es das Gutachten „Arbeit 4.0 – muss der Arbeitnehmerbegriff angepasst werden?“ Das soll vor allem die Möglichkeit eines verbesserten Schutzes von Crowdworkern und Soloselbstständigen im Arbeits- und Sozialrecht analysieren. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser beiden Studien werden dann Handlungsbedarfe und Maßnahmen geprüft.

Das klingt so weit alles ganz solide. Das Problem ist nur, dass uns die Zeit davonläuft. Die Digitalisierung steht nicht vor der Tür und wartet darauf, dass wir sie hereinlassen – sie ist bereits in vollem Gange, und wir hinken mit den Maßnahmen hinterher. Das ist der Kern des Problems.

Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt sind ganz weitreichende Veränderungen verbunden. Das betrifft Arbeitsabläufe, Tätigkeiten, Qualifikationsanforderungen und

ganze Berufsbilder. Die Erwerbsarbeit verändert sich ganz grundsätzlich. Das kann durchaus positive Auswirkungen haben wie beispielsweise die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Auf der anderen Seite stehen aber auch die steigende Verdichtung der Arbeit und zunehmende Arbeitsbelastung.

Auch die Gefahr von Kontrolle und Überwachung sowie Fragen des Datenschutzes spielen eine große Rolle. Es stellt sich gar nicht die Frage, ob wir das alles schön finden oder ob wir das mögen. Es stellt sich nur die Frage, ob wir die Chance nutzen, indem wir die negativen Auswirkungen schmälern und die positiven verstärken. Deshalb ist die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen entscheidend.

Jetzt komme ich zur Besonderheit unserer Großen Anfrage. Wir haben eben nicht einfach nur Fragen zur Digitalisierung der Arbeitswelt gestellt, sondern uns ganz bewusst auf die geschlechtsspezifischen Auswirkungen fokussiert. Es war gar nicht allein unsere Initiative, vielmehr sind wir dabei einer Bitte des Landesfrauenrats nachgekommen. Denn im Juni 2017 richtete der Landesfrauenrat Sachsen die Bundeskonferenz der Landesfrauenräte hier in Dresden aus. Danach erging ein Schreiben an unsere Fraktion. Ich vermute, auch die anderen demokratischen Fraktionen haben dieses Schreiben bekommen. Ich zitiere daraus: „Die Auswirkungen der Digitalisierung im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit sind noch schwer vorherzusehen. Fest steht, dass insbesondere Frauen von den Veränderungen betroffen sein werden. Die Digitalisierung bietet viele Chancen, birgt aber auch speziell für Frauen große Risiken. Wir bitten die Fraktion im Sächsischen Landtag um Unterstützung des Antrages der Konferenz der Landesfrauenräte, unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen von Frauen bei der Arbeit 4.0 aktiv zu verhindern, damit Frauen in einer sich wandelnden Arbeitswelt gleiche Chancen haben wie Männer.“

Dieser Bitte sind wir also nachgekommen und haben als einen ersten Schritt eine Große Anfrage zum Thema „Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt“ der Staatsregierung zur Beantwortung vorgelegt. Die Antworten wiederum sind ernüchternd. Zum einen wird deutlich, dass die Staatsregierung keine einheitliche Strategie zum Umgang mit Digitalisierung in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen, also im öffentlichen Dienst, hat. Bei der Abfrage von Gesundheitsschutz, Einhaltung der Arbeitsrechte, Anreize für Möglichkeiten zum Beispiel des zeitlich oder örtlich flexiblen Arbeitens oder zu geteilten Kosten waren die Antworten aus den einzelnen Ressorts so bunt und so unterschiedlich wie ein Wimmelbild. Hier in Sachsen würde man sagen: Jedes Ressort muddelt vor sich hin. Eine Steuerung findet nicht statt. In Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit gibt es keinerlei Daten, keinerlei Wissen, ja, ich möchte sagen, keinerlei Interesse der Staatsregierung. Der Minister ist ja auch gerade gar nicht da.

Kein Wunder also, dass ein Großteil der Fragen unbeantwortet blieb. Dabei böte der Umbruch der Arbeitswelt doch die Chance, bestehende Missstände aufzubrechen, vor allem in Bezug auf Geschlechterhierarchien. Der sächsische Arbeitsmarkt ist im Hinblick auf die Branchen nach wie vor sehr rollentypisch. In den MINT-Berufen, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, arbeiten zu großer Mehrheit Männer – in den SAGE-Berufen, also in den Bereichen

soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit, Pflege und Erziehung, zu großer Mehrheit Frauen. Hier wirkt sich die Digitalisierung ganz unterschiedlich aus. Zum Beispiel weist Ver.di darauf hin, dass sich die Einkommenslücke, der sogenannte Gender-Pay-Gap, sogar noch vergrößern könnte, weil bei den von Substituierung bedrohten Berufen die Einkommenslücke kleiner ist. Fallen diese weg, bleiben die größeren Lücken übrig. Es ist erschreckend, dass die Staatsregierung generell keine ausreichende Antwort auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes 4.0 zu haben scheint.

Was die Geschlechterspezifik angeht, so sieht es in Sachsen wieder einmal ganz schön düster aus. Dabei hat jüngst erst der Frauenförderbericht aufgezeigt, wie unterschiedlich die Arbeitswelten von Männern und Frauen auch im öffentlichen Dienst sind. 2016, als die Digitalisierungsstrategie der Staatsregierung vorgelegt wurde, legte der DGB eine Beschäftigungsumfrage vor, die interessant war und aus der man einige Daten hätte ablesen können; denn dieser kommt zu dem Ergebnis, dass die Digitalisierung der Arbeit bei Frauen sogar häufiger zu einer Zunahme der Arbeitsbelastung führt als bei Männern. Über die Hälfte der weiblichen Beschäftigten gibt an, dass die Arbeitsbelastung durch den Einsatz digitaler Techniken gestiegen ist, während sich für den größten Teil der Befragten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht verbessert hat. Frauen profitieren also nicht automatisch vom Digitalisierungsprozess der Arbeit.

Umso wichtiger ist eine geschlechterbezogene Perspektive auf die Prozesse der Digitalisierung von Arbeit. Wichtig ist dabei ein umfassender Arbeitsbegriff, der es ermöglicht, die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die bezahlte Erwerbsarbeit, aber auch auf die Pflege- und Sorgearbeit besser zu erfassen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Jede neue Technologie kann Anlass sein, Geschlechterverhältnisse neu zu verhandeln. Die Digitalisierung bietet die Chance, Machtverhältnisse und Rollenverteilung aufzubrechen und Arbeitsteilung neu zu denken. Wir sollten die Chance der Digitalisierung nicht ungenutzt lassen, auch und schon gar nicht im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)