Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

Natürlich kosten notwendige Verbesserungen Geld, aber da die Pflegeversicherung immer nur einen festen Teil dieser Finanzierung der Pflegekosten dazugibt, müssen die Pflegebedürftigen die derzeitigen Kostensteigerungen selbst tragen. Dass dies bei vielen Betroffenen zur Bedürftigkeit führt, kann nicht so einfach hingenommen werden.

Die Sachleistungsbeträge wurden schlichtweg nicht an die gestiegenen Kosten angepasst, und das ist in unseren Augen unverantwortlich. So waren in den Medien, aber auch im Rahmen persönlicher Gespräche und Hilfeersuchen reihenweise Fälle zu vernehmen, wo Plätze in den Pflegeheimen um 400 bis 500 Euro pro Monat teurer geworden sind.

Dass dies keine Einzelfälle sind, zeigt auch die Statistik des Verbandes der Ersatzkassen auf.

Wir haben als AfD grundsätzlich nichts gegen Eigenanteile, aber in diesem Umfang sind diese abzulehnen. Im letzten Jahr stiegen die Pflegeeigenanteile in Sachsen im Durchschnitt um 35 % von 278 auf 377 Euro. Der gesamte Eigenanteil in Heimen stieg von 1 150 auf 1 279 Euro und somit um 11 %.

Wir als AfD wollen den Pflegebedürftigen den Gang zum Sozialamt möglichst ersparen und dafür sorgen, dass sich Pflegebedürftige weiter am gesellschaftlichen Leben beteiligen können. Keiner soll wegen seiner Pflegebedürftigkeit zum Bittsteller werden müssen. Das ist schlichtweg entwürdigend.

Wir müssen deshalb die uns im Freistaat Sachsen gegebenen Möglichkeiten nutzen und die Eigenanteile absenken. Hierzu schlagen wir als Kernforderung die erneute Förderung der Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen vor. Investitionskosten von durchschnittlich 345 Euro im Monat in Pflegeheimen werden derzeit den Pflegebedürften in Rechnung gestellt. Das ist nicht wenig und ein Viertel der gesamten Eigenanteile.

Mit Auslaufen des Sächsischen Pflegegesetzes im Jahr 2002 wurden diese Kosten vom Freistaat nicht mehr gefördert. Wir sind als Bundesland aber nun einmal verantwortlich für die Vorhaltung einer ambulanten teilstationären und vollstationären Pflegeinfrastruktur und damit in der Verantwortung, wenn es um die Finanzierung

geht. Dem kommt der Freistaat Sachsen aber nur unzureichend nach.

Wir wollen das ändern. Das war auch breiter Konsens in der Enquete-Kommission. Sie können also ruhig unserem Antrag zustimmen. – Mehr dazu in der zweiten Rederunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Wendt, der die Diskussion eröffnet hat. Als Nächstes spricht für die CDU-Fraktion Herr Schreiber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte es mir einfach machen und sagen, ich gebe meine Rede von gestern zu Protokoll.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Aber jetzt kommen Sie! Das war schon ein bisschen differenzierter! Das ist gemein!)

Das wäre aber ein bisschen blöd, weil es immer darauf fokussiert, was Frau Schaper eingebracht hat. Deshalb mache ich mir noch ganz kurz die Mühe bei dem Antrag, der zumindest in weiten Teilen dem ähnelt,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Nein!)

was die Fraktion DIE LINKE gestern als Antrag eingebracht hat.

Ich finde es schon sehr spannend, dass wir jetzt das Thema Pflege thematisieren – zu einer Zeit, in der auf einmal Bescheide ins Haus flattern, die ein paar Jahre zuvor noch anders ausgesehen haben. Es hat logischerweise als Grundlage, dass sich die Verhältnisse insbesondere bei der Bezahlung der Pflegekräfte verbessert haben, was mit Kostensteigerungen zu tun hat.

Herr Wendt, ich sage Ihnen das Gleiche. Das, was Sie hier tun, ist ein Stück weit unehrlich; denn wenn Sie auf diese gestiegenen Kosten und auf die entsprechenden Rechnungen eingehen, welche die Pflegebedürftigen bekommen, dann vergessen Sie dabei, dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung mit der Einführung der Pflegegrade vor zwei Jahren gestiegen sind. Die Geldleistungen für die Pflegebedürftigen insbesondere der Pflegegrade 4 und 5 sind um mehr als 400 Euro gestiegen, ohne dass sich hier jemand hingestellt und sozusagen eine Brandrede für die Pflegeversicherung gehalten hätte, dass es toll wäre, dass sich die Leistungen erhöht hätten.

Sie wissen auch, dass die Kostensteigerungen letzten Endes dadurch zustande kommen, dass viele Träger von Pflegeeinrichtungen mit den Pflegekassen sozusagen ein paar Jahre lang nicht verhandeln und dann wieder neu verhandeln, was die Ausgabensätze angeht. Wenn man ein paar Jahre lang nicht verhandelt hat, dann zeigen sich auf einmal solche Kostensteigerungen – gerade bei den bundesgesetzlichen Änderungen, die in den letzten Jahren passiert sind. Dadurch sind die Kostensteigerungen

natürlich auch wesentlich höher, als wenn man es jedes Jahr tun würde und die Kostensteigerungen sozusagen sukzessive vorhanden wären.

Fakt ist eines, Herr Wendt, Sie sind unehrlich, weil Sie sich hierhin stellen und sagen, dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht an die gestiegenen Kosten angepasst worden wären. Fakt ist eines, das System – das haben wir gestern hier sehr ausführlich analysiert; ich habe auch das Gefühl, dass wir uns darin einig sind, dass an dem System etwas verändert werden muss – ist so, wie es heute ist. Das hat auch die Frau Ministerin sehr deutlich gesagt.

Wir werden das System, so wie es heute ist, zumindest aus dem Sächsischen Landtag heraus per Beschluss nicht ändern können. Ich stelle Ihnen die gleiche Frage, wie ich sie gestern Frau Schaper gestellt habe: Wo ist der Antrag der AfD-Bundestagsfraktion zur Systemänderung in der Pflegeversicherung? Wenn Sie ihn nicht haben und nicht vorweisen können, dann ist das hier für mich nichts anderes als reiner Populismus, Wahlkampfgetöse.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das wurde mir gestern unterstellt!)

Natürlich, genau das Gleiche.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Aber wir haben einen gestellt!)

Im Bundestag?

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ja!)

Ach so. Den kenne ich irgendwie nicht, ist aber egal.

Herr Wendt, ich sage Ihnen auch das Gleiche zum Thema Sozialamt, was ich gestern Frau Schaper gesagt habe: Kein Mensch sieht es als Schmach an, Kindergeld zu beantragen. Keiner sieht es als Schmach an, Erziehungsgeld zu beantragen. Keiner sieht es als Schmach an, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu bekommen oder Kinderzuschläge auf seinem Lohnzettel stehen zu haben bzw. beim Finanzamt geltend zu machen. Keiner sieht dies als Schmach an.

Ich verstehe, dass der Gang zum Sozialamt etwas Unschönes ist, weil das Wort „Sozialamt“ eben mit negativen Erscheinungen oder negativen Vorstellungen konnotiert ist. Ich denke aber, wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber, dass es eben keine Schmach ist, auch im Alter Hilfe der Solidargemeinschaft zu bekommen. Ich glaube, wir haben eine ganze Menge zu tun, um dieses Denken aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen.

Egal, wie Sie das System drehen, Herr Wendt, diesen Gang, um Leistungen von der Solidargemeinschaft zu bekommen, auch im Alter, werden Sie niemals zu 100 % verhindern können, egal, wie Sie die Pflegeversicherung drehen und wenden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – André Wendt, AfD: Aber verhindern in diesem Ausmaß!)

Noch ein Wort zu dem, was Sie unter Punkt 4 in Ihrem Antrag schreiben, was der Landtag feststellt. Sie schreiben: „… der Freistaat Sachsen derzeit seiner Verantwortung zur finanziellen Förderung der pflegerischen Versorgungsinfrastruktur nur unzureichend nachkommt“. Ich frage mich, woher Sie diese Weisheit nehmen. Wenn Sie auf Ihre Investitionskostenförderung fokussieren, die Sie in Ihren Forderungskatalog aufnehmen, dann muss man dazu ganz deutlich sagen, Ihre Wiedereinführung der Investitionskostenfinanzierung löst das Problem überhaupt nicht.

Die bisherige Investitionskostenförderung, die es bis zum Jahr 2002 gegeben hat, war eine Investitionskostenförderung zur Herstellung von Pflegeplätzen. Das bedeutet am Ende, selbst wenn Sie heute wieder eine Investitionskostenförderung zum Herstellen von weiteren Pflegeplätzen zahlen würden, dann würden all diejenigen, die heute schon in einem Pflegeheim sind, wofür seit dem Jahr 2002 keine Investitionskostenförderung gezahlt worden ist, in keinster Weise davon profitieren. Genauso ist es für die Abschreibung und für alles, was man selbstverständlich hat, wenn man zum Beispiel im selbst genutzten Wohneigentum wohnt, was man zum Beispiel über eine Investrücklage zahlt, wenn das Dach einmal kaputt ist usw. usf. Diese Kosten blieben ganz normal erhalten. Es ist eine reine Nebelkerze, die Sie zünden.

(André Wendt, AfD: Ach, hören Sie doch auf! Sie sind viel zu unflexibel!)

Nein, das ist nicht unflexibel, sondern es ist ein Fakt, dass es reine Augenwischerei ist, was Sie schreiben.

Der letzte Gedanke, den ich hier noch bringen möchte: Sie schreiben unter Abschnitt II Punkt 2 d: „effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Gewinnsteigerungen von Pflegeeinrichtungen zulasten der Pflegequalität“ – Gewinnsteigerungen. Ich finde, es ist eine ziemlich schräge Debatte. Das ist auch ein Punkt, der gestern in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE angeführt worden ist.

Was wir hier machen, das ist die gleiche Diskussion, wie sie derzeit beim Thema Enteignung von Wohnungsgesellschaften stattfindet. Wir verteufeln auf einmal die Leistungserbringer, die seit vielen Jahren, mittlerweile seit Jahrzehnten, eine gute Infrastruktur in diesem Freistaat und nicht nur hier aufgebaut haben. Wir verteufeln sie als Heuschrecken, denen es nur ums Geld ginge.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Entschuldigung. – Ich kenne kaum eine Pflegeeinrichtung, in der irgendein Geschäftsführer oder irgendwer sitzt, der mit einem dicken Auto oder irgendetwas vorfährt.

Solange ein Pflegesektor privatwirtschaftlich organisiert ist – das ist er grundsätzlich; –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– ich beende den Satz noch – das ist er auch bei den kommunalen Einrichtungen, die in kommunaler Trägerschaft sind, über eine gGmbH –, ist er natürlich auch darauf angelegt, keine roten Zahlen zu schreiben. Eine schwarze Null sozusagen als fette Rendite und was weiß ich nicht alles darzustellen, das finde ich schon sehr unanständig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Wendt.

Herr Schreiber, ich möchte fragen: Haben Sie unsere Begründung gelesen? Ich muss es begründen. Wir haben nicht von den kleinen Pflegeeinrichtungen gesprochen, sondern von Finanzinvestoren, die immer mehr und verstärkt auf den deutschen Gesundheitsmarkt strömen.

Jetzt kommt die Frage.

Private-Equity-Firmen, als Stichwort.

Fragen?