Protokoll der Sitzung vom 20.05.2021

Hierbei geht es um die Regionalisierungsmittel. Wir wollen eine neue Aufteilung der Regionalisierungsmittel, die uns der Bund gibt, um den ÖPNV in Sachsen zu finanzieren. Wir wollen aber, dass Sachsen mehr und überhaupt eigenes Landesgeld in die Hand nimmt. Das heißt für uns, dass wir eine Umstellung des Bundesgeldes, wie es derzeit aufgeteilt ist, im Haushaltsplan vornehmen wollen. Wir wollen, dass das Landesgeld vorwiegend für Investitionen ausgegeben wird.

Konkret wollen wir also, dass für den Betrieb der Regionalisierungsmittel – diese kommen ja vom Bund – und für den Betriebsanteil 15 Millionen Euro mehr kommen sollen. Das ist die Drucksache 7/6312. Wir wollen gleichzeitig den Investitionsteil vom Bund – das ist die Drucksache 7/6313 – reduzieren, damit das ausgeglichen ist.

Damit Sie aber nicht denken, wir wollen Investitionsförderungen senken, gibt es noch die Drucksache 7/6319. Dort stellen wir nämlich klar, dass wir mehr Landesgeld in die Hand nehmen wollen, genau für Investitionsförderungen, und zwar 40 Millionen Euro mehr. Das sind insgesamt 80 Millionen Euro im Jahr. Das ist faktisch eine Verdoppelung.

Verkehrsunternehmen und Zweckverbände können dieses Geld für neue Fahrzeuge, mehr Fahrzeuge, moderne Fahrzeuge und auch für neue Antriebstechnologien ausgeben. Das Thema hatten wir ja am Dienstag, als es um Elektromobilität, Brennstoffzelle und andere Versuche ging. Genau dafür kann das Geld ausgegeben werden.

Wir wollen, dass die Verkehrsunternehmen und die ÖPNVDienstleister(innen) nicht nur zu 50 % gefördert werden, sondern wir wollen, dass der Staat die Infrastruktur bereitstellt und eine Förderquote von 80 % hat. Wir wollen, dass der Betrieb vor allem von den Verkehrsverbänden finanziert wird, aber der Staat die Infrastruktur bereitstellt. Das heißt, auch dort gibt es eine Fördererhöhung, und das kostet Geld. Daher die drei Anträge, die wir hier zusammen einreichen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Homann, bitte.

Vielen Dank. – Das Ziel, mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung zu stellen, ist löblich. Die Koalitionsfraktionen haben sich gemeinsam mit dem SMWA auf eine andere Strategie geeinigt, was die Stärkung des Nahverkehrs angeht. Sie kennen die Diskussion um das AzubiTicket, das Bildungsticket, die Frage des Ausbaus von PlusBus und TaktBus sowie die Bahnreaktivierung. Das läuft eben nicht über die Regionalisierungsmittel, sondern wir haben das über andere Haushaltstitel realisiert.

Darüber hinaus sei gesagt: So charmant Ihre Investitionsvorschläge auch klingen mögen, erscheinen sie doch angesichts der aktuellen Haushaltslage – zumindest derzeit – nicht umsetzbar. Wir haben einen anderen Weg gewählt und werden Ihre Anträge deshalb ablehnen.

Ich lasse jetzt abstimmen über die Änderungsanträge in den Drucksachen 7/6312, 7/6313 und 7/6319. Wer diesen die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine Stimmenthaltungen, Stimmen dafür, dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Drucksache 7/6314, Fraktion DIE LINKE, zu Titel 633 06. Herr Böhme, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Das ist das Thema Bildungsticket. Diese Thematik, bei der es um eine gerechte Finanzierung der Schülerbeförderung geht, beschäftigt den Landtag schon seit mindestens acht Jahren.

Nun endlich und tatsächlich gibt es im nächsten Schuljahr ein Bildungsticket in Sachsen, was wir sehr begrüßen. Wir haben Verkehrsminister Dulig in fast jedem Ausschuss damit – ich nenne es mal so – genervt. Das Thema wurde im Ausschuss behandelt. Wir hatten dazu Anhörungen und wollten wissen, warum die CDU-Fürsten, also die regionalen Zweckverbände und Landräte, dieses Ticket immer verhindert haben und nicht wollten. Wir haben das umfangreich erörtert und Druck gemacht.

Ich bin nun froh, dass die Koalition sich endlich darauf einigen konnte, dass im nächsten Schuljahr tatsächlich ein Bildungsticket kommt – aber scheinbar zulasten des Breitbandausbaus in Sachsen. Das haben wir nun auch in den Haushaltsverhandlungen gehört. Das ist ein echtes Problem.

Um beim Bildungsticket zu bleiben: Wir freuen uns, wie gesagt. Allerdings denken wir, dass diese Idee noch nicht das Ende sein kann. Wir fordern mit unserem Änderungsantrag ein Bildungsticket für alle, nicht nur für alle Schülerinnen und Schüler. Wir wollen auch, dass die Auszubildenden mit profitieren und vor allem die freiwilligen Dienstleistenden. Die haben Sie das letzte Mal schon vergessen, als es darum ging, das AzubiTicket einzuführen. Sie wurden glatt vergessen und hatten keine vergünstigte Möglichkeit. Auch heute haben sie nur mit dem 68-EuroAzubiTicket die Möglichkeit, günstiger zu fahren als mit einem Normalticket, was bei einem Taschengeld von rund 300 Euro trotzdem noch extrem teuer ist.

Deshalb wollen wir auf jeden Fall auch die freiwilligen Dienstleistenden in diesem Bildungsticket einschließen, damit sie auch von günstigen Fahrpreisen profitieren können. Aber diejenigen haben Sie wieder vergessen. Gerade in der Zeit der Corona-Pandemie, in der viele Menschen einen freiwilligen Dienst in der Gesundheitsbranche oder bei ökologischen Projekten leisten, ist es ein starkes Stück, dass diejenigen wieder nicht profitieren und wieder vergessen werden. Das bedauern wir sehr und stellen deshalb diesen Antrag, damit ein Bildungsticket für alle für 10 Euro im Monat in ganz Sachsen einfach und unkompliziert nutzbar ist, anstatt verschiedenste Ticketarten, Landkreise und Verkehrsverbände zu vermischen.

Wir wollen also ein Ticket für alle, das unkompliziert ist. Das ist jetzt Ihre Chance, dies anzunehmen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem sehr schönen Ticket, vor allem für junge Menschen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Homann, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Böhme, erstens hat der Breitbandausbau mit dem Bildungsticket nichts zu tun. Zweitens will ich Ihnen gern sagen: Es ist ja nun ein übliches Mittel, dass, wenn sich eine Koalition auf etwas einigt, was ihnen gefällt, Sie dann sagen, es müsse aber immer noch ein bisschen mehr oder ein bisschen billiger oder was auch immer sein. Sie können an dieser Stelle natürlich nicht einfach sagen: Hey, Leute, das ist für den Anfang gut gemacht.

Aber ich will noch einen anderen Grund nennen, warum ich Ihren Antrag ablehne: Es steht nicht mal kostenloses WLAN für die Schülerinnen und Schüler drin. Das ist echt schwach.

(Heiterkeit bei der CDU, den BÜNDNISGRÜNEN und der SPD)

Ich finde, da machen Sie einen richtigen Fehler. Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Ich lasse jetzt abstimmen über diesen Änderungsantrag, den Herr Böhme eingebracht hat. Wer möchte zustimmen? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, Stimmen dafür, dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf den Änderungsantrag der LINKEN, Drucksache 7/6315, zu Titel 633 07. Herr Böhme, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Homann, ich merke mir jetzt also WLAN. Wenn das für die Schülerinnen und Schüler drinsteht, wird es angenommen.

In der Drucksache 7/6315 geht es theoretisch auch noch einmal um das Bildungs- und das AzubiTicket. Wir wollen nämlich das Geld herausnehmen, weil Sie das in Ihrem Haushaltstitel ja wieder getrennt haben: einmal in AzubiTicket und einmal in Bildungsticket. Das war im ursprünglichen Haushaltsentwurf der Regierung so nicht

vorgesehen. Daran haben wir uns orientiert, weil wir es gut fanden, dass es ein Ticket für alles gibt und dass es auch nur einen Haushaltstitel für alles gibt. Daran wollen wir festhalten.

Wir wollen Ihr Geld vom AzubiTicket herausnehmen und – jetzt kommt der neue Inhalt – wir wollen ein Tarifmoratorium für Sachsen schaffen. Was heißt das? Es geht darum, dass fast jedes Jahr in fast allen Verkehrsverbünden in Sachsen die Preise für Einzelfahrkarten, für Monatsfahrkarten steigen. Das wird natürlich damit begründet, dass Lohnkosten, Energiekosten und Infrastrukturkosten steigen und ein höherer Service- oder Dienstleistungsbedarf der Fahrgäste geboten ist. Das Problem ist nur, dass die Kommunen, die ja meist den ÖPNV vor Ort organisieren, diese Kostensteigerungen mit eigenen Zuschüssen nicht ausgleichen können und sie am Ende der Fahrgast bezahlen muss.

Das macht den ÖPNV sehr unattraktiv. Die Konsequenzen sind einfach steigende Fahrpreise. Das ist nicht nur unattraktiv, sondern im Zweifel unsozial, wenn sich Leute, die sich vorher auch schon kein Auto leisten konnten, dann die einfachste öffentliche Mobilität nicht mehr leisten können. Das ist höchst unsozial. Deswegen fordern wir einen Stopp der Ticketpreiserhöhung und wollen die Kommunen diesbezüglich finanziell ausgleichen. Dafür ist dieser Haushaltstitel und ich bitte auch hierfür um Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN – Jörg Dornau, AfD: Kommunismus – jeder nimmt sich, was er braucht!)

Wer möchte sich äußern? – Herr Liebscher, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Eine kurze Begründung, warum wir den Antrag ablehnen werden: Grundsätzlich gilt erst einmal, dass die Tarifhoheit in Sachsen bei den Verkehrsverbünden liegt und nicht beim Freistaat. – Das als Anmerkung.

Wir haben mal ein Beispiel durchgerechnet. Die letzte Tariferhöhung in Leipzig im Jahr 2017 hat allein 6 Millionen Euro gekostet und bedurfte Zuschüsse. Wenn man das für den MDV nimmt, dann sind es noch einmal 8 bis 10 Millionen Euro. Die Gelder, die Sie vorsehen – auch wenn die Idee vielleicht ganz gut ist –, reichen bei Weitem nicht aus. Deshalb werden wir ablehnen. – Danke schön.

Das war Herr Abg. Liebscher. Ich lasse jetzt abstimmen über den Antrag. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine Stimmenthaltungen, Stimmen dafür, dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Wiederum liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor, Drucksache 7/6316, zu einem neuen Titel „Modellprojekt Entgeltfreier ÖPNV“. Herr Böhme, bitte.

Frau Präsidentin! Es ist schon interessant. Wenn wir mehr fordern würden, zum Beispiel WLAN oder mehr Geld, wie soeben bei dem Ticketmoratorium, dann würde die Koalition dies annehmen.

(Zuruf des Abg. Sören Voigt, CDU)

Das finde ich gut. Deshalb jetzt noch ein Versuch zum Thema ÖPNV zum Nulltarif. Entgeltfreier ÖPNV ist ja der pure Kommunismus in den Augen der AfD – das haben sie vorhin schon gesagt –, aber weltweit experimentieren über 200 Städte mit dem Thema entgeltfreier ÖPNV bzw. kostenfreier ÖPNV oder ÖPNV zum Nulltarif.

(Sören Voigt, CDU: Aber sie experimentieren!)

Tallin in Estland ist, glaube ich, eine der bekanntesten Städte, in denen Menschen kostenlos fahren können. Die Stadt pulsiert seitdem, weil Menschen einen Vorteil haben, in dieser Stadt zu leben. Die Stadt hat enorme Einnahmen durch das Bevölkerungswachstum. Deshalb plant zum Bei

spiel Brüssel – ab nächstem Jahr die europäische Hauptstadt –, dass der ÖPNV für alle Personen unter 25 Jahren kostenlos sein kann.

(André Barth, AfD: Das ist aber Diskriminierung!)

Es gibt verschiedene Schritte, die man da gehen kann. Man muss das nicht von heute auf morgen kostenfrei gestalten. Man kann es für verschiedene Gruppen oder verschiedene Tage anbieten. Zum Beispiel gibt es in Frankreich 35 Kommunen, in denen man mittlerweile zum Nulltarif fahren kann.

(Zuruf von der AfD: Sie sind hoch verschuldet!)

Bremen, rot-rot-grün regiert, führt das jetzt schrittweise als Modellprojekt ein. Tübingen in Baden-Württemberg hat das jetzt für alle Samstage gemacht, sodass samstags kostenlos gefahren werden kann. Seitdem gibt es 25 % mehr Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV und entsprechend weniger an Autoverkehr. Auch das entlastet die Stadt. Monheim am Rhein hat seit dem Jahr 2020 einen Nulltarif und auch in Marburg wird es nächstes Jahr kommen.

Wie Sie sehen, gibt es auch in Deutschland immer mehr Städte, die Modellprojekte anbieten, um das mal auszuprobieren. Wir sollten in Sachsen dabei mitmachen, um das zum Beispiel in einem kleineren Mittelzentrum mal auszuprobieren.

(André Barth, AfD: Wo wollen Sie das Modellprojekt denn anbieten? – Jörg Dornau, AfD: Haben Sie mal ein Modellprojekt für saubere, graffitifreie Städte?)

Die Kommunen haben dadurch höhere Investitionskosten, weil dann zum Beispiel viel mehr Linien, viel mehr Busse gebraucht werden, wenn auf einmal viel mehr Fahrgäste fahren, bzw. weil die Einnahmenausfälle kompensiert werden müssen. Wir wollen das ausgleichen und dafür ist dieser Haushaltstitel. Ich freue mich auf die Begründung der Ablehnung.

(Beifall bei den LINKEN – André Barth, AfD: Spannt doch wieder ein Pferdefuhrwerk davor! – Gegenruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das passt zu euch!)