Man kann es vielleicht in eine mathematische Formel fassen, wenn ich mir Ihren Antrag anschaue: Aktuelles Strafrecht minus Ersatzfreiheitsstrafe plus gemeinnützige Arbeit ist gleich Gerechtigkeit. – Hört sich gut an, aber so einfach ist es in der Realität dann leider doch nicht.
Denn – das hat Hanka Kliese sehr gut ausgeführt – damit Menschen einer gemeinnützigen Arbeit nachkommen können – diese Möglichkeiten bestehen ja und sind hier im Freistaat Sachsen auch ausgebaut worden; das haben wir uns im Koalitionsvertrag gemeinsam vorgenommen –, braucht es eine intensive Begleitung. Das geht nur, wenn wir die sozialen Dienste und die Träger der freien Straffälligenhilfe stärken. Wie gesagt, wir haben uns das im Koalitionsvertrag vorgenommen und tun das aktuell auch, denn genau diese Träger verstehen sich darauf, die nötige Unterstützung zu leisten.
An dieser Stelle vielleicht der Hinweis auf ein sehr wichtiges Projekt, auf einen sehr wichtigen Verein, der diesbezüglich dreißig Jahre Erfahrung hat: der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V., der im letzten Jahr sein Jubiläum gefeiert hat und seit 2019 das Projekt „Fahrplan“ betreibt. „Fahrplan“ richtet sich nämlich genau an die Menschen, die überschuldet oder mit dem Schriftverkehr der Justiz schlicht überfordert sind. Der Verein berät diese Menschen, er begleitet sie und versucht sie in die Lage zu versetzen, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen.
Aber ich muss an dieser Stelle auch sagen, dass wir uns nichts vormachen dürfen. Manchen wird es auch mit den umfangreichsten Unterstützungsangeboten nicht gelingen, die erforderlichen individuellen Ressourcen aufzubringen, um statt einer Geldstrafe gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Auch diese Menschen sind Teil unserer Gesellschaft.
Die Ursachen für das Fehlen der Ressourcen, die dafür notwendig sind, regelmäßig den Briefkasten zu öffnen, die sich darin befindlichen Schreiben von Behörden zu öffnen, sie zu lesen, sie zu verstehen, sie zu beantworten und schließlich den dortigen Aufforderungen zu folgen, sind vielfältig. Für uns, die wir hier sitzen, und für den Großteil unserer Gesellschaft ist es völlig selbstverständlich, unseren alltäglichen Aufgaben nachzugehen. Da mag es vielleicht unvorstellbar sein, dass es Menschen gibt, die diese Ressourcen nicht aufbringen. Trotzdem gibt es diese Menschen.
Die staatliche Antwort auf das Fehlen dieser Ressourcen sollte nicht auch noch der Freiheitsentzug sein, wenn das Gericht eine Geldstrafe als ausreichend erachtet hat.
Dem Antrag zuzustimmen kann ich – das ist, glaube ich, in der Debatte klar geworden – aus mehrerlei Gründen trotzdem nicht empfehlen. Erstens sind wir hier in Sachsen nicht dafür zuständig. Der Bund ist gefragt, das Strafgesetzbuch entsprechend zu ändern. Zweitens, genau das wurde, wie jetzt schon mehrfach angesprochen, im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert. Verankert wurde auch, dass hier insbesondere Prävention und Resozialisierung im Vordergrund stehen sollen. Auch die Regelung des § 265 a StGB soll dabei in den Blick genommen werden, es soll eine Modernisierung des Strafrechts und eine Entlastung der Justiz geprüft werden.
Als Staatsregierung, als sächsischen Justizministerium werden wir diese Thematik natürlich weiterhin sehr aufmerksam begleiten und unterstützen. Eine Bundesratsinitiative, wie sie hier von der Linksfraktion gefordert wird, halte ich an dieser Stelle aber in der Tat nicht für notwendig, weil die Weichen bereits gestellt sind. Es ist klar, dass nächstes Jahr die große Strafrechtsreform kommen soll.
Das werden wir begleiten, das werden wir hier aus Sachsen sehr genau beobachten. Wir hoffen, dass es eine gute und für alle angemessene Regelung geben wird.
(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN sowie vereinzelt bei den LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Diskussion. Ich denke, viele
haben hier mit ihren Beiträgen verdeutlicht, dass sie verstanden haben, worum es geht. Der Vertreter der AfD hat gezeigt, dass diese Debatte notwendig ist.
Herr Modschiedler hat klargemacht, dass bei diesem Antrag natürlich nicht nur Emotionalität ausschlaggebend ist. Es geht an der einen oder anderen Stelle auch um einen Paradigmenwechsel. Es wäre absurd, das abzustreiten. Natürlich bedeutet dies ein Abschneiden alter Zöpfe, an die man sich lange Zeit gewöhnt hat.
Die Schwierigkeit ist – das haben Sie uns sehr eindrücklich bestätigt –, dass wir hier eigentlich nicht über uns sprechen. Nach unserem Verständnis öffnet man einen Brief, den man erhält. Wie aber die Ministerin schon sagte und auch Frau Kliese deutlich gemacht hat: Es geht um Menschen, die tatsächlich mit Suchtproblemen oder mit psychischen Problemen zu tun haben und oft Schwierigkeiten haben, mit ihrem eigenen Leben zurechtzukommen. Auch wenn es, wie die Ministerin gerade sagte, für viele hier im Raum unvorstellbar ist und vielleicht auch für den einen oder anderen, der uns jetzt zuhört, aber diese Menschen gibt es nun einmal. Deswegen auch unsere Bitte und unsere Überlegung.
Natürlich hat Herr Lippmann recht: Man könnte in einen solchen Antrag noch viel, viel mehr hineinpacken. Hätten wir das getan, dann würde ich jetzt wahrscheinlich hören: Das ist alles viel zu viel! – Aber es ging eigentlich nur um den Auftrag, etwas im Bund mit zu unterstützen.
Die Ministerin hat zum Schluss noch einmal gesagt, dass sie dem Anliegen positiv gegenübersteht. Man könnte sich ja zum Beispiel überlegen, ob das Gericht gar nicht erst eine Geldstrafe aussprechen, sondern eine Sozialprognose erstellen sollte. Dieser Sozialprognose könnte zugrunde gelegt werden, dass – wenn es denn weiterhin eine Straftat ist – vielleicht tatsächlich von vornherein soziale Arbeit, ökologische Arbeit oder eine gemeinnützige Arbeit angeordnet wird. Dann brauchen wir diese Tour gar nicht erst zu machen, weil man ja weiß, dass derjenige oder diejenige die Geldstrafe sowieso nicht bezahlen kann.
Aus diesem Grund hilft es tatsächlich niemandem, wenn wir Menschen vorübergehend ins Gefängnis stecken, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen können. In den allermeisten Fällen liegt das an der Armut der Betroffenen; das wurde heute schon mehrfach gesagt. Die Haft, das Wegsperren ändert nichts an deren Lage, sondern verschlimmert diese oft noch. Wenn sie hinter Gittern saßen, werden sie oft noch stigmatisiert und büßen berufliche oder soziale Bindungen ein.
Auch die Gesellschaft hat nichts davon. Sie bekommt keine Zahlung aus der Geldstrafe, sondern muss stattdessen noch viel Geld für die Haftplätze aufwenden.
Uns ging es bei dem Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, vor allem darum, dass wir auf ein Problem aufmerksam machen wollten. Ich habe von den Rednerinnen und Rednern der Koalitionsfraktionen und auch von der Staatsministerin gehört, dass sie diesem Anliegen positiv gegenüberstehen – mit bestimmten Einschränkungen, die Herr Modschiedler genannt hat; ich will ihn jetzt nicht mit in Haftung nehmen für Positionen der SPD oder der BÜNDNISGRÜNEN. Ich glaube, das war nicht die letzte Diskussion, die wir dazu geführt haben – nicht nur hier im Parlament, sondern auch in der Gesellschaft. Ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich für die Diskussion.
Ich stelle die Drucksache 7/9269 jetzt zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke schön. Enthaltungen? – Keine. Bei Stimmen dafür und einer Mehrheit an Stimmen dagegen ist dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, „Ersatzfreiheitsstrafe endlich abschaffen“, nicht zugestimmt. Tagesordnungspunkt 10 ist beendet.
Gemäß § 115 der Geschäftsordnung kann der Landtag nur aufgrund einer von 20 seiner Mitglieder eingebrachten und von dem für die Geschäftsordnung zuständigen Ausschuss geprüften Vorlage mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der
anwesenden Mitglieder des Landtags eine Änderung der Geschäftsordnung beschließen. Das bitte ich an dieser Stelle noch einmal zu berücksichtigen.
Der am 3. März 2022 eingegangene Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung wurde von 32 Mitgliedern der AfDFraktion unterzeichnet und am 8. April 2022 in der 7. Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten behandelt. Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag nach entsprechender Prüfung die Ablehnung des Antrages.
Jetzt kommen wir zur Debatte. Ich bitte die einbringende Fraktion, die AfD, das Wort zu nehmen. Bitte schön, Herr Mayer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vertrauen der Bürger in die Arbeit ihrer gewählten Vertreter ist das Fundament einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft. Mit der Wahl ins Parlament erwarten die Bürger von uns, dass wir ihrem Vertrauensvorschuss gerecht werden. Transparenz bei der Willensbildung kann zur Nachvollziehbarkeit, im besten Fall zur Akzeptanz bei den Betroffenen beitragen.
Aktuell sind wir im Sächsischen Landtag von wirklicher Transparenz noch weit entfernt. Daher hat sich meine Fraktion, die Alternative für Deutschland, entschlossen, diesen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung einzubringen. Der Antrag: Ausschüsse des Sächsischen Landtags sollen künftig in der Regel öffentlich tagen, für unsere Bürger sicht- und hörbar.
Gelebte Demokratie ist transparente Demokratie. Der Bürger muss die Möglichkeit haben, sich ein Bild zu machen, und zwar auch jenseits der Plenarsitzungen. Wie ist es um die Transparenz unseres Landtags jenseits der Plenarsitzungen gegenwärtig bestellt? Nun, die Bürger haben die Möglichkeit, Anhörungen direkt zu verfolgen, wenn genug Platz im Saal ist. Ansonsten muss so mancher schon mal draußen bleiben, wie wir es kürzlich erst erlebt haben.
Seit Kurzem können die Bürger Anhörungen sogar per Livestream verfolgen, aber nur dann, wenn die Anhörung im Plenarsaal stattfindet. Wenn zu einem Antrag keine Anhörung stattfindet, dann wird der Antrag nicht öffentlich behandelt und landet regelmäßig in einer Sammeldrucksache.
Wir haben einmal nachgezählt: In zwei Kalenderwochen tagten zwölf Ausschüsse. Dort wurden acht Anträge in öffentlicher Anhörung behandelt, aber 29 in nicht öffentlicher Sitzung – 29! Also, ungefähr 80 % aller Beratungen zu Anträgen liefen hinter verschlossenen Türen. Im Ergebnis werden diese dann im Paket mit vielen anderen Anträgen als Sammeldrucksache in der Plenarsitzung ohne weitere Aussprache abgehandelt.
Für den Bürger ist so etwas nicht nachvollziehbar, nicht transparent. Immerhin kann jede Fraktion maximal zwei
Anträge für die Plenarsitzung benennen, die dann aus der Sammeldrucksache herausgezogen und öffentlich behandelt werden.