Protokoll der Sitzung vom 26.04.2023

Drucksache 7/13140, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Bevor ich das Wort an die Fraktion DIE LINKE übergebe, frage ich die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Čagalj Sejdi, ob sie das Wort wünscht. – Das wünscht sie offenbar nicht. Dann übergebe ich nun an die Fraktion DIE LINKE, gefolgt von CDU, AfD, BÜNDNISGRÜNEN, SPD, fraktionslose MdL und Staatsregierung, wenn gewünscht. Kollegin Schaper, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kontakt und die Beziehung zu Tieren sind Grundbedürfnisse des Menschen. Das Thema Tier besitzt für Menschen einen hohen emotionalen Wert. Eine durch Leid und Elend geprägte Situation von Tieren bewegt die große Mehrheit der Bevölkerung. Trotzdem erfährt der Tierschutz politisch immer noch relativ wenig Beachtung. Daran hat leider auch die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz vor inzwischen 21 Jahren immer noch viel zu wenig verändert.

Unser Gesetzentwurf ist der mehrfach wiederholte Versuch meiner Fraktion, der tierschutzrechtlichen Verantwortung der Landespolitik in einem ganz konkreten Schutzbereich – dem Schutz von Katzen – Rechnung zu tragen. Es ist kein

Geheimnis, dass wir als Linksfraktion uns bereits seit Jahren für einen tierschutzkonformen Umgang mit Streunerkatzen einsetzen.

Das Problem wachsender Populationen von Streunerkatzen und deren leidvoller Lebenssituation am Existenzminimum wird seit Jahren immer wieder an uns herangetragen. Längst sind uns die aufopferungsvolle Arbeit der ehrenamtlichen Tierschützer(innen) und deren Sorgen bekannt. Gerade in Krisenzeiten steigt die Zahl ausgesetzter Tiere dramatisch an. Diese Tiere sind oft in einem schlechten Ernährungs- und Gesundheitszustand; denn Katzen sind nun einmal keine Wildtiere mehr. Über Jahrhunderte hinweg hat die Hauskatze unter Einflussnahme des Menschen ihre evolutionäre Erfolgsgeschichte geschrieben und sich zu dem entwickelt, was sie heute ist: nämlich das beliebteste Haustier in Deutschland, noch weit vor dem Hund, der damit eigentlich nur der zweitbeste Freund des Menschen ist.

Ich finde es nicht in Ordnung, so ein Thema ins Lächerliche zu ziehen.

(Unruhe im Saal)

Darf ich ganz kurz unterbrechen, Frau Kollegin?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird sehr unruhig hier im Plenum. Ich bitte um etwas Ruhe. Bitte schön, Frau Kollegin.

Danke. – Ohne menschliche Obhut und Fürsorge sind die Tiere erheblichem Stress ausgesetzt. Unterernährung und sozialer Stress durch Nahrungsknappheit und Revierkämpfe machen die Tiere anfällig für Krankheiten, wie zum Beispiel Katzenschnupfen, Katzenseuche und Parasitenbefall, und ebnen den Weg für deren massenhafte Verbreitung.

Ein nicht unerheblicher Teil der so geschwächten Tiere stirbt einen leidvollen Tod. Andere kommen durch Verkehrsunfälle ums Leben oder werden grausam verstümmelt. Je mehr Katzen in einem Gebiet so zusammenleben, desto größer ist das Tierleid.

Mit Kastrationsaktionen und kontrollierten Futterstellen versuchen engagierte Tierschutzvereine und Akti

vist(inn)en diesem Tierleid entgegenzuwirken. An dieser Stelle sei Dank dafür gesagt, dass diese Aktionen ausschließlich über das Ehrenamt realisiert werden.

Solange jedoch der Zustrom unkastrierter Freigängerkatzen aus Privathaushalten nicht abreißt, bleibt alles Bemühen der Tierschützer(innen) ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen. Aus diesem Grund hat der Bundesgesetzgeber bereits vor zehn Jahren mit einer Novellierung des Tierschutzgesetzes die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Maßnahmen zur Verhütung erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden frei lebender, herrenloser Katzen zu ergreifen.

Nun sind die Länder in der Pflicht. Dieser Pflicht sind inzwischen nahezu alle Bundesländer nachgekommen. Die Ausnahmen sind Brandenburg und Sachsen.

So verwundert es auch nicht, dass in der öffentlichen Anhörung zu unserem Gesetzentwurf die Sachverständigen dringenden Handlungsbedarf sahen. Selten herrschte so viel Einigkeit unter den Expert(inn)en darüber, dass die unkontrollierte Vermehrung frei lebender Katzenpopulationen ein reales Tierschutzproblem darstellt und dass die Kommunen hier so oder so in der Pflicht sind. Dieser Pflicht können sie aber nur nachkommen, wenn ihnen die Landesregierung dafür den Weg ebnet.

Zur Erinnerung ein paar Zitate aus der Anhörung.

Sigrid Gies, juristische Referentin und Landestierschutzbeauftragte aus Baden-Württemberg, nannte die gegenwärtige Situation in Sachsen ohne Verordnungsermächtigung aus tierschutzethnischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht hinnehmbar.

Dr. Jähnig, Tierarzt aus Leipzig und seit 20 Jahren zuständig für Tierheime, beschreibt den sächsischen Istzustand so: „Es kommen jedes Jahr viele Jungkatzen auf die Welt, und jedes Jahr gibt es im Frühjahr immer wieder dieses große Katzenleid – trotz des hohen Aufwandes von engagierten Tierschützern, von Tierschutzvereinen, auch von

Veterinärämtern und praktizierenden Tierärzten, die seit Jahren mit hohem Aufwand einiges machen, aber letztendlich nicht zum Ziel kommen. Das Ziel, die Population zu senken, ist noch nicht gelöst.“

Dr. Zohni als Vertreterin des Deutschen Tierschutzbundes erklärte: „Nach Meinung des Deutschen Tierschutzbundes, die sich mit der Meinung der Vorredner deckt, ist ein tierschutzgerechtes und langfristiges Populationsmanagement nicht mit einer einzigen Maßnahme zu erreichen, sondern es sind zwei Ansätze notwendig, und zwar die flächendeckende Kastration der freilebenden Katzen sowie die konsequente Kastration von Freigängern.“

Der vorgeschlagene Lösungsweg der Sachkundigen ist naheliegend und in vielen Bundesländern bereits gelebte Praxis. Besitzer freilebender Katzen müssen verpflichtet werden, die Tiere kastrieren, kennzeichnen und registrieren zu lassen. Die Kastration verhindert, dass potente Tiere aus Privathaltungen zusätzlich zur Reproduktion herrenloser Katzen beitragen. Zudem wird der Zustrom aus ungewolltem, ausgesetztem Nachwuchs gestoppt.

Kennzeichnung und Registrierung helfen bei der Zuordnung ausgesetzter oder entlaufener Tiere und erleichtern damit sowohl die Rücküberführung von Tieren in ihr Zuhause als auch die Ahndung illegaler Aussetzung. Im Übrigen würde es damit weniger attraktiv erscheinen, sich unerwünschter Haustiere zu entledigen.

Das von meiner Fraktion vorgelegte Katzenschutzgesetz ermöglicht es den sächsischen Kommunen, auf einer verbindlichen, tierschutzrechtlichen Grundlage in ihren Gemeindegebieten die beschriebenen Tierschutzmaßnahmen in Form von Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierpflichten für freilaufende Katzen einzuführen. Nur so könne die unablässige Reproduktion der Streunerkatzen gestoppt und bestehende Kolonien durch Kastrationsprogramme langfristig verkleinert und angemessen versorgt werden. Wichtige Fördergelder für Kastrationsaktionen können nur nachhaltig wirken, wenn Kastrationspflichten erlassen werden.

Gleichzeitig wird das Land in die Pflicht genommen, die Kommunen mit der Bereitstellung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel zu unterstützen. Ganz im Sinne des Grundgesetzes werden hiermit sowohl Kommunen als auch der Freistaat in Verantwortung genommen, dem Tierschutz einen hohen Stellenwert beizumessen.

Bisher wurde der Gesetzentwurf dennoch in den Ausschüssen abgelehnt. Die Koalitionsfraktionen begründeten ihre Ablehnung im Innenausschuss damit, dass derzeit kein Bedarf an einer solchen Regelung bestehe, und stützten sich dabei auf das Ergebnis einer Befragung der Kommunen aus dem Jahr 2016. Da muss man sich doch sehr wundern.

Nach allem, was die Sachverständigen übereinstimmend in der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf gesagt haben, und nach all dem, was die ehrenamtlichen Aktiven im Tierschutz seit vielen Jahren immer wieder fordern, fragt man sich, ob hier das Problem oder die eigene parlamentarische

Verantwortung nicht ernst genommen wird oder eben beides.

Denn wofür veranstalten wir eigentlich Anhörungen, wenn die Empfehlungen und Hinweise der Sachverständigen dann im parlamentarischen Entscheidungsprozess gar keinen Widerhall finden? Welches Verständnis haben Mandatsträgerinnen und Mandatsträger von Demokratie, wenn sie denen, die in ehrenamtlichem Engagement staatliche Pflichtaufgaben erfüllen, immer wieder wohlklingende, aber offensichtlich leere Versprechungen machen? Warum wurden die in Sachsen tätigen Tierschutzvereine, die Kastrationsaktionen durchführen und freilebende Katzenkolonien betreuen, nicht in die Befragung einbezogen?

Davon einmal ganz abgesehen, ist selbst dieses Argument wenig tragfähig; denn um es einmal ganz deutlich zu sagen: Unser Gesetzentwurf verpflichtet weder Kommunen dazu, eine Rechtsverordnung zu erlassen, noch Katzenhalterinnen und Katzenhalter dazu, ihre Freigänger zu kastrieren. Er schafft lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für betroffene Kommunen. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kommune eine solche Regelung trifft, liegt in ihrem eigenen Ermessen; denn die Kommunen können die tatsächliche Situation vor Ort in Abstimmung mit den dort tätigen Tierschützerinnen und Tierschützern am besten beurteilen.

Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes verpflichtet uns alle, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf heraus dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Daran sollten sich gerade die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger hier bei uns in diesem Hohen Hause messen lassen.

Danke denen, die zugehört haben.

(Beifall bei den LINKEN)

Kollegin Schaper sprach für die Fraktion DIE LINKE. Kollegin Saborowski spricht nun für die CDU-Fraktion. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Gesetzentwurf zum Schutz freilebender Katzen im Freistaat Sachsen hat zum Ziel, eine verbindliche tierschutzrechtliche Grundlage für die Kommunen zu schaffen, um in den von ihnen bestimmten Gemeindegebieten wirksame Tierschutzmaßnahmen in Gestalt von Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten für freilaufende Hauskatzen einführen zu können.

Zur Finanzierung der damit verbundenen Aufgaben und Schutzmaßnahmen für freilebende Katzen sollen den Kommunen, die von dieser Verordnungsermächtigung im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltungskompetenz Gebrauch machen, die erforderlichen finanziellen Mittel aus Landesmitteln zur Verfügung gestellt werden.

Die in § 4 des Entwurfs vorgesehene Einführung eines kommunalen Vollkostenanspruchs zur Umsetzung der Maßnahmen war bislang kein Gegenstand im Rahmen des

Austauschs zum FAG, das heißt, eine Problemanzeige liegt bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vor. Im Kostenblatt zum Gesetzentwurf wird ein Mehrbedarf aufgezeigt. Dieser ist jedoch nicht untersetzt. Änderungsanträge zum aktuellen Haushalt wurden nicht vorgelegt und mangels Aussagen zur finanziellen Untersetzung und zukünftigen Belastung ist eine Bewertung nicht möglich. Auch in der Anhörung gab es nur Schätzungen.

Mit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes wurde geprüft, ob von der Ermächtigungsgrundlage im Tierschutzgesetz in Sachsen Gebrauch zu machen ist, um den Landkreisen und kreisfreien Städten zu ermöglichen, eine Verordnung nach § 13 b des Tierschutzgesetzes zum Schutz freilebender Katzen zu erlassen. Zu diesem Zwecke wurde eine Abfrage in den Landkreisen und kreisfreien Städten bei den für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämtern in Sachsen durchgeführt und erhoben, ob in den in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Gebieten die Voraussetzungen des § 13 b des Tierschutzgesetzes erfüllt sind.

Dies bedeutet, dass abgefragt wurde, ob in diesen Gebieten – erstens – an freilebenden Katzen erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden festgestellt werden, die auf die hohe Anzahl der Katzen in diesem Gebiet zurückzuführen sind, und zweitens, ob durch eine Verringerung der Zahl der Katzen innerhalb dieses Gebiets deren Schmerzen, Leiden oder Schäden verringert werden könnte.

Acht der 13 damals befragten Landkreise und kreisfreien Städte teilten mit, dass ihnen keine Region in ihrem Zuständigkeitsgebiet bekannt sei, bei der diese Voraussetzungen vorlägen bzw. dass für solche Regelungen kein Bedarf gesehen werde. In zwei Landkreisen gab es bereits Polizeiverordnungen für bestimmte Gebiete, die Maßnahmen zum Schutz der Katzen festgelegt haben. Zwei Landkreise meldeten, dass es Gebiete gebe, in denen der Wunsch bestehe, eine Verordnungsermächtigung zu erhalten. Konkrete Daten, die die Notwendigkeit zur Ausweisung von Schutzgebieten belegen, wurden jedoch nicht vorgelegt.

Seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz wird konstatiert, dass die vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen zum Erlass einer landesweiten Verordnung derzeit nicht gegeben seien. Es werde daher keine Notwendigkeit gesehen, durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung Gebiete entsprechend auszuweisen.

Nun sind diese Aussagen so alt wie der Wald. Nichtsdestotrotz fehlen zurzeit Informationen über die Situation vor Ort – außer in Leipzig. Frau Schaper hat vorhin erwähnt, dass wir einen guten Einblick haben, wie das in Leipzig funktionieren kann. Doch so ist es eben schwer, auf der aktuellen Grundlage eine landesgesetzliche Regelung zu erschaffen. Auch halten wir es für notwendig, die kommunale Ebene mit einzubeziehen.

Allerdings – das ist nicht von der Hand zu weisen – hat die Anhörung deutlich gemacht, welche Probleme es mit frei

laufenden Katzen gibt und dass dringender Handlungsbedarf besteht. Aber der Freistaat ist nicht untätig und hat auf diese Entwicklung bereits reagiert, unter anderem mit der Bereitstellung von Fördermitteln für Tierheime und Tierschutzvereine

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

nach der Förderrichtlinie Tierschutz, aus der auch Maßnahmen für Kastrationen von Katzen einschließlich des Chippens gefördert werden können. 920 000 Euro stehen dafür pro Jahr zur Verfügung.

Auch wenn der Gesetzentwurf absolut in die richtige Richtung geht, um Tierleid einzudämmen, braucht der vorliegende Entwurf einen umfangreicheren Ansatz nicht nur unter Einbeziehung der Kommunen, auch die Tierhalter müssen einbezogen werden.

Diesen Ansatz, das Zusammenwirken aller wesentlichen Beteiligten, halten wir für zielführender und würden diesen gern mit dem oder der kommenden Landestierschutzbeauftragten weiterverfolgen. Er oder sie wird auch dieses Thema mutig angehen. – Wir lehnen Ihren Entwurf ab.