Ja, natürlich können wir immer noch mehr machen. Seien wir froh, dass wir noch mehr machen können. Aber vergessen wir dabei nicht, dass es viele weitere wichtige Akteure auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und der Entwicklungshilfe gibt.
Ich denke da an die anderen 15 Bundesländer, die sich gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen im Januar 2021 auf einen Grundsatzbeschluss zur Entwicklungszusammenarbeit verständigt haben; Herr Minister, Sie haben es erwähnt. Das waren alle Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland und nicht wir allein.
Ich denke da an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem für das Jahr 2023 12 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Ich denke an die vielen Nichtregierungsinstitutionen und natürlich auch an die kirchlichen Hilfswerke, die sich da engagieren. Hier wird wahnsinnig viel im Ehrenamt geleistet, das darf man nicht vergessen.
All diese verschiedenen Akteure leisten gemeinsam einen beachtlichen und einen gewichtigen Beitrag, und das nicht nur in finanzieller, sondern auch in ideeller Hinsicht, zum Beispiel in Form von Kooperationen, Austauschprogrammen, Know-how- und Wissenschaftstransfer und vielem mehr. Das geht nur, wenn wir das gemeinsam machen – Staat und private Spenden –, und dies nicht den anderen überlassen und nur zuschauen. Das ist nicht unsere Aufgabe als Freistaat Sachsen.
Noch ein Wort nach ganz rechts: Ihre pauschale Formulierung zur Lösung dringender Fragen und Herausforderungen unserer Zeit lautet immer: Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht. Herr Urban, so kann man Ihre letzte Rede auch wieder zitieren. Mit dem damals von Ihnen gewählten Debattentitel „Unser Land zuerst statt zuletzt!“ im letzten Plenum ist das wieder mehr als deutlich geworden.
Aber in einer globalisierten und vernetzten Welt laufen wir mit einem solchen Ansatz volle Kanne gegen die Wand.
Natürlich müssen wir auf unsere Nachbarn schauen. Das ist das globale Denken. Wir müssen es in naher Distanz tun – hier in unserem Bundesland, in Deutschland –, aber auch fern. Je sorgsamer und nachhaltiger wir von Europa, von Deutschland und auch von Sachsen aus konkrete Entwicklungshilfe leisten, umso besser können wir Fluchtursachen bekämpfen und im besten Wortsinn Hilfe zur Selbsthilfe leisten, umso besser wird es uns gelingen – das ist wichtig –, die großen Fluchtbewegungen zu vermeiden oder mit dieser Hilfe zumindest abzumildern.
Es geht doch einfach darum, den Menschen vor Ort Perspektiven zu schaffen, und das müssen wir tun. Genau aus
Erstens tut er das bei der Unterstützung von Kleinprojektefonds bei der Stiftung Nord-Süd-Brücken. 2017 wurden 72 Projekte in 25 verschiedenen Staaten gefördert: zur Verbesserung von Bewässerungssystemen und der Landwirtschaft sowie zur Verbesserung der Schulinfrastruktur. Dieses Engagement – Zugang zum Wasser auf der einen Seite und Bildung – ist für uns eigentlich der beste Beweis dafür, dass man auch mit kleinen Summen zielgerichtet und vor allem sehr wirksam Hilfe leisten kann.
Sachsen unterstützt – zweitens – die Förderung von Schulunterricht für syrische Flüchtlingskinder. Wir alle wissen: Bildung ist wiederum der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben – wichtiges Thema.
Drittens strebt Sachsen den Aufbau einer noch engeren Kooperation mit Uganda an. Auch hier steht wieder, gemeinsam mit vielen beteiligten Organisationen, die Verbesserung des Lebensstandards im Vordergrund – übrigens ein Ziel christlicher Nächstenliebe –, für ein lebenswertes Leben.
Staatsminister Schenk hat eine ganze Reihe weiterer Bausteine wie Weiterentwicklung, Unterstützung und die Umsetzung der Bund-Länder-Projekte genannt. Für uns als CDU-Fraktion besteht aber kein Zweifel: Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungshilfe sind wesentliche und föderalistische Bestandteile der deutschen Außenpolitik. Es ist keine reine Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, sondern des Bundes und auch der Länder. Wir haben hierbei eine gemeinsame Verantwortung, und dieser sollten wir uns als Parlament auch stellen.
Doch diese verantwortungsvollen Aufgaben müssen auf verschiedene Schultern verteilt werden: Nicht einer allein, sondern einer für alle. Hier leistet Sachsen seinen wichtigen Beitrag, und das eben nicht – wie immer wieder behauptet wird – nach dem Gießkannenprinzip, sondern hier wird sorgfältig geprüft und mit erfahrenen und vertrauensvollen Partnern ein klarer Fokus ermittelt. Das kostet nun einmal ein wenig Geld.
Ich möchte im Namen der CDU-Fraktion allen Organisationen, allen Vereinen, allen Kirchen und Gemeinschaften für ihre ehrenamtliche Tätigkeit danken, die mit uns gemeinsam für eine gute Sache an einem Strang ziehen – und was viel wichtiger ist, auch noch in dieselbe Richtung.
Kollege Modschiedler hatte das Wort. Er sprach für seine CDU-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Mertsching.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Das Thema Entwicklungspolitik ist ein Bereich, in dem man den Freistaat für sein
Handeln inzwischen wirklich loben kann. Das war nicht immer so. Hatte man es bis 2015 nicht wirklich geschafft, einmal über den sächsischen Tellerrand zu schauen, so hat sich seitdem viel verändert. Dafür zeichnen sich drei Dinge als verantwortlich, die dazu beigetragen haben:
Als Erstes die Zukunftstour des Bundesministers Müller, der im Jahr 2016 durch alle Bundesländer getourt ist und sie mit einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung an ihre entwicklungspolitische Verantwortung erinnert hat. Da hatten auch alle sächsischen Vereine Gelegenheit, ihre Arbeit zu präsentieren. Der Minister nahm sich die Länderchefs beiseite; denn Entwicklungspolitik ist tatsächlich nicht allein Bundesaufgabe.
Woraus besteht Entwicklungspolitik? Entwicklungspolitik besteht aus Bildungsarbeit, fairem Handel, Antirassismus und Entwicklungszusammenarbeit. Es ist eine Verantwortung, und diese Verantwortung für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung in dieser Welt tragen wir alle gemeinsam, und deswegen ist es auch eine Landesaufgabe.
Der zweite Grund, warum sich in Sachsen die Einstellung zur Entwicklungspolitik verändert hat, sehe ich im Rücktritt von Stanislaw Tillich im Jahr 2017 und dem damit verbundenen Wechsel der Verantwortlichkeiten in der Sächsischen Staatskanzlei. Die neue Hausspitze um CdS Schenk zeigte sich offener für das Thema und die zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich in dem Bereich engagieren.
Drittens, und das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, warum sich auch die Politik in Sachsen verändert hat: die unablässige und souveräne Arbeit des Entwicklungspolitischen Netzwerks Sachsen und seiner über 70 Mitgliedsvereine. Diese Vereine engagieren sich zum Teil schon seit über 50 Jahren in den Bereichen Fairer Handel, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Antirassismus oder meist – dann ganz klassisch – in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, vom Aufforsten des Regenwalds in Vietnam oder auf Borneo bis zum Schulbau in Uganda.
Einige von ihnen sind heute hier, und ich möchte meinen ehemaligen Mitstreiterinnen und Mitstreitern an dieser Stelle ganz herzlich danken für eure ermutigende, inspirierende und größtenteils auch ehrenamtliche Arbeit. Eure Arbeit macht diese Welt ein wenig gerechter.
Frau Kollegin, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie nach unserer Geschäftsordnung nicht die Tribüne ansprechen dürfen.
Gut zu wissen. – 2015 war also ein entscheidendes Jahr für die entwicklungspolitische Arbeit weltweit; denn in diesem Jahr wurden die Sustainable Devolopment Goals verabschiedet, die globalen Nachhaltigkeitsziele. Mit ihnen gab es einen Paradigmenwechsel; denn damit gab es nicht mehr die klassischen Entwicklungsländer, die man als irgendwie rückständig bezeichnete und denen man doch helfen müsse, sondern endlich nahmen die Vereinten Nationen und auch die deutsche Politik die Forderung der Zivilgesellschaft auf, alle Länder dieser Erde als „in Entwicklung“ zu begreifen, also als Entwicklungsländer – da in keinem Land auf dieser Erde der Wohlstand gerecht verteilt ist, die Ressourcen nachhaltig bewirtschaftet werden oder es keine Diskriminierung oder Rassismus oder Unterdrückung anderer gibt.
Auch wir als Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen, bei dem ich damals gearbeitet habe, haben uns damals in einem langen Netzwerkprozess mit der Frage beschäftigt: Was ist eigentlich Entwicklung, und welche Entwicklung vertreten wir heute? Dabei haben wir als Netzwerk auch Stimmen aus dem Globalen Süden gehört.
Entwicklungspolitik entstand im Prinzip aus einer Rede des US-amerikanischen Präsidenten Truman im Jahr 1949, in der er davon sprach, dass es ein mutiges neues Programm brauche, um die Vorteile des westlichen bzw. USamerikanischen wissenschaftlichen Fortschritts und des industriellen Fortschritts für die Verbesserung und das Wachstum unterentwickelter Gebiete verfügbar zu machen. Von einem Tag auf den anderen war die Welt unterteilt in „entwickelte“ und „unterentwickelte“ Länder. Das ist typisch für die US-amerikanische oder europäische Sicht auf die Welt, die die Menschen in anderen Gegenden der Welt seit jeher beleidigt. Die einen wissen, was die anderen zu können, zu tun und zu brauchen haben.
Viele Länder haben dann versucht, dem westlichen Entwicklungsmodell nachzueifern. Einigen ist die Industrialisierung gelungen, andere hängen bis heute durch, wieder andere lassen sich nicht mit diesen Maßstäben oder Konzepten messen. Sie lehnen die vorgeschriebene Art, sich zu entwickeln, berechtigterweise ab und haben ihre eigenen Ideen von einem guten Leben oder messen das Bruttonationalglück.
Fakt ist: Das Modell westlicher Industrialisierung und Wohlstandsgewinnung entzieht uns allen die Lebensgrundlage. Das Klima erhitzt sich unaufhörlich, und der ganze Planet wird für Rohstoffe umgegraben. Arten- und Waldsterben schreiten unaufhörlich voran. Der Hunger in der Welt ist nicht getilgt. Die Reichen werden immer reicher, sowohl einzelne Milliardäre als auch die Staaten. Doch alle glauben weiter an den Kapitalismus und dass er noch allen den Segen bringen wird. Aber es ist nicht möglich.
Es ist nicht möglich, weil ein Land wie Mauretanien über 2 000 Jahre brauchen würde, bis es nach unseren Maßstäben entwickelt wäre.
Länder wie Mexiko oder Brasilien benötigen 400 oder 500 Jahre. In der Zwischenzeit profitieren wir von diesen un
gleichen Beziehungen. Die meisten afrikanischen und lateinamerikanischen Länder dienen uns nämlich als Rohstofflieferanten. Für die unbändige Konsumlust des Westens geben sie ihren Boden, ihre Ressourcen und ihre Kultur her. Sie können sich dem auch kaum verweigern, denn korrupte Eliten in diesen Ländern machen es möglich.
So blicken wir mitleidig auf viele Länder dieser Welt, die einfach noch nicht da sind, wo wir stehen. Mit dieser Weltsicht meinte man immer, ihnen helfen zu müssen. Unser vermeintliches Recht darauf, jeden Tag Fleisch zu essen, Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit, jeden Tag Kaffee und Schokolade, Klamotten noch und noch, alle zwei Jahre ein neues Handy, jeder ein eigenes Auto, regelmäßige Flugreisen usw. usf.: Würden alle Menschen so leben wie wir, könnten wir uns diesen Planeten nicht mehr leisten. Es ist deswegen übrigens ein Märchen, von Überbevölkerung zu sprechen; denn es gibt nicht zu viele Menschen auf dieser Welt. Es gibt nur zu viele Menschen, die über den Verhältnissen leben.
Von daher ist Entwicklungszusammenarbeit auch so etwas wie ein moralischer Ablasshandel. Wir möchten nicht auf unsere, für die Erde nicht mehr tragbaren Konsumgewohnheiten verzichten. Deswegen helfen wir hier und da den Armen. Wer aber Entwicklungspolitik ernsthaft betreiben möchte, der fängt bei sich selbst an. Für den Freistaat Sachsen würde das bedeuten, endlich ein Vergabegesetz auf den Weg zu bringen, das den Einkauf von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit unterbindet, das die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm nachweislich fordert und ökologischen Ansprüchen genügt, die den natürlichen Grenzen unseres Planeten entsprechen. Ich empfehle Ihnen dies als Punkt zehn in Ihrer Liste zu ergänzen.
Allen Menschen eine Entwicklung nach ihren eigenen Vorstellungen zu ermöglichen, fängt damit an, faire Handelspartnerschaften aufzubauen. Wir haben hier in Dresden das größte Vertriebszentrum für fair gehandelte Waren in den östlichen Bundesländern, die F.A.I.R.E. eG. Warum gibt es kein vom Freistaat initiiertes fair gehandeltes Schälchen Heeßen? Kaffee, das Lieblingsgetränk der Deutschen und auch der Sachsen – aber nur unter 10 % sind überhaupt fair gehandelt. Fangen Sie doch hier an, Handelspartnerschaften, zum Beispiel mit Uganda, aufzubauen und schenken Sie den Gästen der Staatsregierung regelmäßig diesen Kaffee ein!
Sachsen hat es in den letzten Jahren geschafft, sowohl im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung als auch im Bereich internationale Zusammenarbeit bemerkenswerte Schritte nach vorn zu gehen. Wann werden wir endlich unserer Verantwortung für faire Handelspartnerschaften gerecht, um Menschen von Mazedonien über Uganda bis Indien die Möglichkeit zu geben, durch einen fairen Lohn ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen? Wann bekommen wir endlich ein Sächsisches Vergabegesetz, das den Ansprüchen einer sozialökologischen Transformation und den globalen Nachhaltigkeitszielen gerecht wird? Das