Protokoll der Sitzung vom 26.04.2023

(Zuruf des Abg. Sebastian Wippel, AfD)

Aus vorgenannten Gründen wird sich häufig gegen eine Ausbildung in Sachsen entschieden. Bedenken Sie: Wer einmal weg ist, kommt oftmals nicht nach Sachsen zurück.

(Sören Voigt, CDU: Wegen des Führerscheins?)

Und wenn es sich dann auch noch um den ländlichen Raum handelt, wird es gleich doppelt schwer. Wir müssen die Bedingungen für unsere Jugend also deutlich verbessern und attraktiver gestalten.

Nicht nur das sächsische Handwerk braucht jeden geeigneten Auszubildenden, sehr geehrte Damen und Herren, und ohne geeignete Mobilität geht da nun mal gar nichts. Der ÖPNV ist in den meisten Fällen leider ein Totalausfall, zusammengespart und abgebaut in 30 Jahren. Aktuell wird wieder der Rotstift bei der Streckenplanung angesetzt. Erst kürzlich hat beispielsweise der Landrat im Landkreis Meißen angekündigt, dass es beim ÖPNV Streckeneinsparungen in der Größenordnung von 10 bis 15 % geben könnte. Das passt überhaupt nicht zu Ihren Aussagen.

(Henning Homann, SPD: Könnte, Herr Kollege, könnte!)

Was habe ich von diesem wunderbaren Ticket, wenn der Bus nicht fährt, Herr Homann? Da stehe ich mit meinem Ticket unter der Lampe nachts und komme nicht nach Hause. So läuft der Hase.

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Nein, er steht!)

Wenn man aber schon den öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum nicht weiter fördern will, dann doch wenigstens den persönlichen Nahverkehr. Schließlich waren es nicht nur Bund und Land, die dafür gesorgt haben, dass unsere Mobilität teurer wird. Daraus resultiert, dass die Ausbildungs- und die Fahrschulkosten auch immer teurer werden. Mittlerweile sind die Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis um das x-Fache gestiegen und für Auszubildende kaum noch zu stemmen. Sehr häufig ist diese Form der Mobilität im ländlichen Raum aber unabdingbar.

Mit der AfD-Führerscheinoffensive für Sachsens Auszubildende können wir der jungen Generation etwas zurückgeben, was ihr die Politik durch Fehlentscheidungen genommen hat. Dadurch können wir unsere Lehrlinge motivieren und an unsere sächsischen Unternehmen binden. Selbstverständlich muss der Freistaat dafür Geld in die Hand nehmen, da es sich nun einmal um eine sehr gute Investition in unser aller Zukunft handelt.

Zum Abschluss noch ein letzter wichtiger Punkt, werte Abgeordnete. Wenn der Freistaat zum Führerschein bis zu 50 % dazugibt, dann sind sicher auch die Ausbilder bereit, sich mit einzubringen. Wenn es dann so richtig gut läuft, bekommen unsere Auszubildenden die Fahrerlaubnis vielleicht sogar kostenfrei.

Liebe Abgeordnete, es handelt sich hierbei nicht um eine versteckte Wirtschaftsförderung, sondern um eine Steigerung der Attraktivität des Ausbildungsstandorts Sachsen. Dazu wird eigentlich keiner Nein sagen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Kollege Hütter hat für seine AfD-Fraktion die dritte Runde eröffnet. Gibt es weiteren Redebedarf aus den anderen Fraktionen heraus? – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die AfD-Fraktion eine vierte Runde eröffnen? – Auch nicht. Dann kommt jetzt die Staatsregierung zum Zug. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Martin Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag enthält im Grunde genommen genau zwei zutreffende Fakten. Die Berufsbildungsstatistik verzeichnet einen Rückgang an Auszubildenden in Industrie, Handel und Handwerk, und im Freistaat Sachsen gibt es einen Fachkräftemangel. Alle weiteren Annahmen und Schlüsse gehen fehl.

Falsch ist zum Beispiel die Aussage, dass sich die Erreichbarkeit der Berufsschulen und Betriebe trotz eines dichteren Berufsschulnetzes verschlechtert habe. Richtig ist, dass der Freistaat Schulter an Schulter mit der kommunalen Ebene in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen hat, um auch außerhalb der Ballungsräume vertaktete ÖPNV-Angebote zu installieren. Insbesondere möchte ich an dieser Stelle das Plus-Bus-System nennen, welches wir im Freistaat mit dem vordringlichen Ziel geschaffen haben, die Erreichbarkeit im ländlichen Raum zu verbessern.

Auch die Annahme, es gebe keine mit der Unterstützung der Studierenden vergleichbare Mobilitätshilfe für Auszubildende, geht völlig an der Wirklichkeit vorbei.

(Sebastian Wippel, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Um jungen Menschen einen attraktiven, kostengünstigen und einheitlichen Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr zu ermöglichen, haben wir das Bildungsticket und das AzubiTicket eingeführt. Zur Finanzierung beider Tickets stellt der Freistaat rund 74 Millionen Euro zur Verfügung. Beide Tickets werden seit ihrer Einführung von den jeweiligen Zielgruppen sehr gut angenommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ja.

Bitte, Herr Kollege Wippel.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Staatsminister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass beispielsweise die Berufsschüler der AOK, die nur in Görlitz beschult werden und aus dem Erzgebirge kommen, jetzt für ihre Berufsschulblöcke mit dem Plus-Bus aus dem Erzgebirge nach Görlitz fahren sollen oder umgedreht, dass jemand, der den Ausbildungsbetrieb Wacker-Chemie aufsucht und aus Weißwasser kommt, dann auch tagelang mit Bus und Bahn unterwegs sein soll?

Das haben Sie falsch verstanden, das habe ich auch nicht gesagt.

Gewissermaßen als Rundum-Sorglos-Paket kommt zum 1. Mai 2023 das Deutschland-Ticket hinzu, welches allen Menschen eine deutschlandweite Mobilität zu einem mehr als fairen Preis bietet. Insbesondere für die im Antrag beschriebene Zielgruppe hat die Staatsregierung die bundesweite Absenkung des Mindestalters für die Moped-Fahrerlaubnis von 16 auf 15 Jahre durchgesetzt. Damit können auch jüngere Auszubildende das Moped für die Fahrt zur Ausbildungsstelle nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die primäre Verantwortung für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses liegt allerdings bei der Wirtschaft selbst. Die Wirtschaft nimmt diese Verantwortung sehr ernst. Viele sächsische Ausbildungsbetriebe schaffen bereits Anreize im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mobilität der jungen Menschen und leisten finanzielle Unterstützung für ihre Auszubildenden. In einzelnen Fällen – niemand verbietet ihnen das – unterstützen sie sogar den Erwerb eines Führerscheins. Zudem bestehen bereits Förderangebote bei erkennbarer Bedarfslage seitens der Bundesagentur für Arbeit. Im Rahmen der derzeit in Abstimmung befindlichen Ausbildungsgarantie sollen ebenfalls Ansätze zur Mobilitätssteigerung verankert werden. Eine generelle staatliche Förderung kann hingegen nur in Betracht kommen, wenn eine eigenwirtschaftliche Lösung durch Marktteilnehmer nicht möglich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es klar und deutlich zu sagen: Die Einführung eines Landeszuschusses für den Führerscheinerwerb ist kein nachhaltiger und zielgerichteter Lösungsansatz zur Unterstützung der Auszubildenden. Im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung von Haushaltsmitteln soll eine Förderung Mitnahmeeffekte ausschließen. Im Antrag wird hingegen vorgeschlagen, mit dem Füllhorn übers Land zu gehen und jedem Auszubildenden in Stadt und Land mit einem vergleichsweise hohen Betrag den Fahrerlaubniserwerb zu fördern. Dies würde unter anderem auch jenen Auszubildenden zugutekommen, die ihren Ausbildungsplatz bequem zu Fuß, mit dem Moped oder mit dem öffentlichen

Nahverkehr erreichen können. Mit einem Wort zusammengefasst: Das nennt man Gießkannenprinzip. Das viele Geld ist jedenfalls besser angelegt, wenn wir es für die noch bessere Erschließung des ländlichen Raums mit dem ÖPNV und dem Rad verwenden.

Zusammenfassend kann man sagen: Der Antrag hat nicht verantwortungsvolles und zielgerichtetes Handeln zum Ziel. Er wirbt vielmehr für ein populistisches Mobilitätsbild, was das Auto in den Mittelpunkt allen Handelns stellt. Die einfachere Wahrheit ist, dass Sie aus ideologischer Verblendung nicht wahrhaben wollen: In Sachsen lässt sich aufgrund der demografischen Entwicklung der Fachkräftebedarf nicht mehr nur durch sächsische Berufsbildungsabsolvierende und Studierende decken. Wir sind darauf angewiesen, qualifizierte Fachkräfte nicht nur im deutschen Inland, sondern auch im Ausland anzuwerben. Alles andere würde der sächsischen Wirtschaft, würde Sachsen als Wirtschaftsstandort schaden und langfristig auch den Wohlstand oder das Wohlergehen der sächsischen Bevölkerung verschlechtern. Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass der Rechtspopulismus ein negativer Standortfaktor für unser Land ist. Deshalb verschonen Sie uns mit Anträgen, die nur Pseudolösungen enthalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch müßig zu erwähnen, dass dem Antrag auch jeder Vorschlag für eine Gegenfinanzierung fehlt. Im Gegenteil, ich fand es interessant, dass Ihr Fraktionsvorsitzender heute früh etwas ganz anderes gefordert hat. Sie sollten sich vielleicht mal abstimmen, welche Linie Sie verfolgen. Als es heute früh um die Frage der Entwicklungszusammenarbeit ging, hat der Fraktionsvorsitzende Urban sich hingestellt und gesagt, die Aufgabe des Freistaates Sachsen ist, mit Steuermitteln nur Staatsaufgaben zu finanzieren. Das sollten Sie jetzt einmal checken. Ich meine, ich teile Ihre Aussage nicht, aber Sie sollten sich untereinander mal verständigen, wo es denn passt.

(Jörg Urban, AfD: Wo ist der Widerspruch?)

Da müsste man mal in die Definition schauen, was Staatsaufgaben sind, nicht nur so reden, wie es in Ihre jeweilige Argumentation gerade passt.

(Jörg Urban, AfD: Das war wohl eine Luftnummer!)

Ich möchte Sie daher bitten, dem Vorschlag, der nicht nur von falschen Annahmen und Kausalitäten ausgeht, sondern auch nicht geeignet ist, die angeblich verfolgten Ziele unter effektivem Einsatz von Landesmitteln zu erreichen, nicht zuzustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den BÜNDNISGRÜNEN)

Es sprach Herr Staatsminister Dulig für die Staatsregierung. Ich rufe zum Schlusswort auf. Die AfD-Fraktion hat dafür 3 Minuten Zeit. Herr Kollege Thumm, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Herr Dulig, unser Antrag schlägt nicht fehl. Es ist die mangelnde Leistung Ihrer Interpretationsfähigkeit, die Sie hier zu unserem Antrag an den Tag legen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn für die Ausbildung unserer Jugend kein Geld da ist, wenn der ÖPNV im ländlichen Raum nur einmal täglich fährt und alle anderen Fraktionen im Sächsischen Landtag selbst die kleinste Unterstützung zur individuellen Mobilität verwehren und gleichzeitig der sächsische Staatsminister Günther einen mittleren fünfstelligen Betrag für externe Beratung ausgibt, weil sein Haus nicht in der Lage ist, die Grundsteuererklärungen auszufüllen,

(Lachen bei der AfD)

der Sächsische CDU-Ministerpräsident rund 39 000 Euro für Porträtaufnahmen ausgibt, der Wirtschaftsminister Dulig für die fotografische Begleitung und Dokumentation einer Auslandsreise rund 17 000 Euro lockermacht oder sich als Reisekostenonkel für rund 230 000 Euro die Welt anschaut,

(Zurufe von der AfD: Hört, hört!)

damit dann seine Begleiter hier im Ausschuss erklären, dass Kanada ein Einwanderungsland mit langer Tradition ist, meine Damen und Herren, dann läuft hier was falsch. Da werden Steuergelder zum Fenster rausgeschmissen!

(Beifall bei der AfD und Zurufe: Jawohl!)

Wo Sie Ihre Prioritäten setzen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Staatsregierung, das wissen wir. Sie legen keinen Wert darauf, dass Sachsen sich in der Fläche entwickelt. Die Probleme im ländlichen Raum werden immer mehr. Die Wohnungsgenossenschaften schlagen mittlerweile wegen Wohnungsleerstand Alarm. Das Thema Sanierungskosten hatten wir heute. Sie sitzen das hier alles aus, fahren dann aber draußen rum. Der Ministerpräsident war in Johanngeorgenstadt und erzählt dann irgendwelche Sachen, wie er in Zukunft Leuchttürme in Johanngeorgenstadt ansiedeln will oder, weil nächstes Jahr Wahlkampf ist,

dass er die Kommunen mit 70 000 Euro überschütten will. Das ist Populismus.

(Zurufe von der AfD: Jawohl!)

Das hat nichts mit vernünftiger Politik für diesen Freistaat Sachsen zu tun.