Protokoll der Sitzung vom 26.04.2023

Aber davon mal abgesehen: Praktische Begleiterscheinung des Antrags aus dem Themenbereich phrasenreicher Inhaltslosigkeit garniert mit Kontrolle, Gängelung und Vorschriften ist die Möglichkeit weiterer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für versorgungsbedürftige Parteigänger und Vorfeldorganisationen im linken Lager.

(Aha-Rufe bei der AfD)

Auf drei Seiten haben wir nichts als hohle Luft zu lesen bekommen.

(Heiterkeit bei der AfD)

Oder was genau bedeuten schwammige Begriffe wie – Zitat – „Akteur-Sternchen-innenfeldanalyse“?

(Beifall und Heiterkeit bei der AfD)

Oder das folgende substanzlose Satzgebilde: „Entwicklung einer Strategie zur Bündelung von Kompetenzen und zum Ausbau der Expertise bei öffentlicher Vergabe und Beschaffung, die Kommunen und Behörden zur Verfügung gestellt werden können.“ Wenn ich das richtig übersetze, sollen neue Stellen geschaffen werden, um vermeintliche Kompetenzen zu bündeln und fragwürdige Expertisen zu entwickeln, weil es mittelgroßen und kleinen Gemeinden offenbar an – Zitat – „professionellen Beschaffer-Sternchen-innen“ fehlt!

(Heiterkeit bei der AfD)

Da besagte Kommunen häufig durch Personalmangel überlastet seien: Wäre es da nicht sinnvoller, diesen Personalmangel erstmal zu beheben, statt schon wieder neue, ideologische Versorgungsposten zu schaffen,

(Zuruf von der AfD: Genau!)

die sich vermutlich primär damit beschäftigen, zu überprüfen, ob alles nach den Regeln woken Wahnsinns vonstattengeht?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Über was reden wir denn jetzt?)

Dass keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit bestellt werden sollen, sollte mittlerweile Konsens sein.

(Antje Feiks, DIE LINKE: Ist es aber nicht!)

Dafür brauchen wir keine neu geschaffenen, gutmenschlerischen Kompetenzstellen. Wohin das im Ernstfall führen kann, haben wir während der Anfänge des Corona-Irrsinns gesehen, als es von allen Seiten hieß: Masken würden nichts nützen – zu dem Zeitpunkt hatten wir ja auch keine.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dann entdeckten einige Herrschaften ihre speziellen „Beschafferkompetenzen“ und der Markt wurde mit Milliarden überteuerter Masken geflutet.

(Beifall und Heiterkeit bei der AfD)

Daraufhin war Maskenzwang rund um die Uhr verordnet: für Kinder beim Sportunterricht, für Schwangere bei der Entbindung

(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)

und sogar auf öffentlichen Plätzen. Bei einigen Fanatikern kam gar die Forderung auf, auch beim Sex Masken zu tragen,

(Heiterkeit bei der AfD)

aber ich möchte nicht zu humorvoll werden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die beste Rede, die es je gab!)

Stattdessen möchte ich gern auf etwas hinweisen, worüber sich der Antrag ausschweigt: Wie viele Mitarbeiter wären für die sogenannte Kompetenzstelle vorgesehen und was würde das den Steuerzahler kosten? Wer tatsächlich meint – wie der Antrag suggeriert –, den Kosten würden durch Energieeffizienz, Einkaufsnetzwerke und Lebenszykluskostenberechnung – was immer das sein mag – erhebliche Einsparungen gegenüberstehen, glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)

Im Grunde setzen Sie sich für weniger Kompetenz bei den Kommunen ein, die an eine übergeordnete Zentrale delegiert werden soll.

Die AfD hingegen möchte genau das Gegenteil:

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach!)

In unserem Gesetzentwurf, der morgen zur Beratung steht, wollen wir den Gemeinden mehr Mitspracherecht einräumen und mehr Subsidiarität schaffen. Man könnte auch sagen: mehr Demokratie.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zuruf von der AfD: Jawoll! – Beifall bei der AfD)

Das war Herr Kollege Ulbrich, AfD-Fraktion. Für die Fraktion der BÜNDNISGRÜNEN spricht nun Herr Kollege Liebscher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist Zeit für eine Frischzellenkur der Beschaffungspraxis dieses Landes.

(Zuruf von der AfD: Oh Gott!)

Unsere Gesetzgebung ist überholt, landesweit sind die Personalstrukturen dünn und auch die Digitalisierung muss ins Rollen kommen. Wie wir alle wissen, arbeitet die Koalition an der Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes. Die neue Normsetzung ist überfällig. Unser Landesvergabegesetz ist an die geltenden Bundesgesetze anzupassen; es ist zu modernisieren und an die Bedarfe unserer Zeit anzupassen.

Dabei ist die Regel so einfach wie einleuchtend: Öffentliche Gelder sind Steuermittel. Ihnen kommt daher eine Steuerungsfunktion zu. Die Ausgaben der öffentlichen Hand haben sich nach dem Wohl der Gemeinschaft zu richten. Hier, werte Kolleginnen und Kollegen, kommt die Beschaffungspraxis ins Spiel; denn öffentliche Aufträge umfassen im bundesdeutschen Schnitt circa 19 % des Bruttoinlandsproduktes. Ein neues Vergabegesetz hat also gesamtgesellschaftliche Zielsetzungen, zum Beispiel die gesetzliche Verpflichtung zur Dekarbonisierung zu berücksichtigen oder die Tarifbindung zu stärken.

Werte Kolleginnen und Kollegen, bei der Beschaffung sind alle Dimensionen der Nachhaltigkeit – das heißt: Ökologie, Ökonomie und Soziales – einzubinden. Das ist nicht trivial – insbesondere dann, wenn wir die dominierende Realität der Vergabestellen ernst nehmen. Viele sind aktuell personell und strukturell unterversorgt.

Ich möchte Ihnen kurz von einer ausgezeichneten Studie des Kompetenzzentrums für kommunale Infrastruktur Sachsen – kurz: KOMKIS – berichten, die im Jahr 2020 erschienen ist. Bei der Betrachtung der Organisationsstruktur unserer sächsischen Vergabestellen fällt Folgendes auf: Eine überwiegende Mehrheit unserer kreisangehörigen Gemeinden hat nicht einmal ein Vollzeitäquivalent an Personal, um diese komplexen Verwaltungsvorgänge zu stemmen – ganz zu schweigen von einer eigenen Vergabestelle. Ich zitiere: „Betrachtet man die Anzahl von Vergabeverfahren im Jahr 2017, für die Gemeindeebene im Bausektor (13 000) und im Dienstleistungs- und Liefersektor (5 000), so kann man die fehlende personelle Ausstattung als bedenklich bis alarmierend bewerten.“

Der vorliegende Antrag der Linksfraktion unterstreicht die grundlegende Tatsache. Unsere kommunalen Vergabestellen brauchen dringend Unterstützung, um die personellen Engpässe in der Kommunalverwaltung sowie Informationsdefizite und rechtliche Unsicherheiten zu beheben.

Das sind ganz gravierende Faktoren, die eine nachhaltige Praxis bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand verhindern.

Wir wollen Verwaltungsangestellte unterstützen, rechtssicher und nachhaltig zu vergeben und mutig voranzugehen. Wir wollen begleitende Maßnahmen stärken. Wir brauchen Leitfäden und Produktblätter. Wir brauchen Schulungen und Informationsangebote, um die Verwaltung zu begleiten. Im Freistaat unterstützt die Auftragsberatungsstelle unsere Kommunen bereits bei der Durchführung von Vergabe und organisiert Fachtage und Austausch. Um aber echte Fortschritte im Bereich nachhaltige Vergabepraxis zu erzielen, ist ein fokussiertes Angebot zu schaffen.

Wir als Koalitionsfraktionen haben uns daher im Doppelhaushalt für die Einrichtung von Beratungsstrukturen eingesetzt, um bei öffentlichen Ausschreibungen die Aspekte der Nachhaltigkeit gezielt zu stärken. Die Gelder sind bereits vorhanden und die Umsetzung läuft im SMWA.

Im Detail unterscheiden sich unsere Ansätze in einigen Punkten dann doch von dem vorliegenden Antrag. So ist die Rechtsberatung von Kommunen – das wurde vorhin bereits erwähnt – durch eine landeseigene Stelle nicht umsetzbar. Als Koalitionsfraktionen legen wir Wert darauf, dass die Umsetzung rechtlich sauber vonstattengeht.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir führen dafür Gespräche mit Beratungsstellen anderer Länder. Wir führen Gespräche mit Vergabestellen und mit Expertinnen und Experten aus Sachsen. Der vorliegende Antrag nimmt die Ausgestaltung der Beratungsstruktur bereits ausführlich vorweg. Da die Gespräche mit Expertinnen und Experten gerade laufen, ist dem vorliegenden Antrag in der Folge nicht zuzustimmen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen nichts weniger als einen kulturellen Wandel in unseren Vergabestellen. Wirtschaftlich ist das, was unseren qualitativen Ansprüchen genügt. Wirtschaftlich ist das, was nicht länger auf Kosten der kommenden Generationen geht. Wirtschaftlich ist das, was die Kaufkraft von kleinen Einkommen stärkt und Fachkräfte durch Tarifbindung sichert.

Sachsen macht sich auf den Weg zur nachhaltigen Vergabe. Der Dank gilt den vielen Engagierten in der Vergabestelle und draußen in der Beratung. Den Antrag der LINKEN lehnen wir ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN)

Das war Kollege Liebscher für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Jetzt spricht für die SPD Herr Kollege Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Staat – das sind wir – ist ein zentraler Auftraggeber in diesem Land. Wir bauen Schulen, Krankenhäuser und Kitas und wir geben Busse und Bahnen in Auftrag. Wir sind deshalb ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in diesem Land.