Ich habe nun einen großen Teil an Handlungsfeldern aufgezählt. Es ist sicherlich nicht alles, aber es ist ein Ausschnitt aus dem Rahmen, wie wir Verantwortung in unserer Entwicklungszusammenarbeit übernehmen können und weiterhin eine verantwortliche und gerechte Entwicklungszusammenarbeit von Sachsen aus fördern und betreiben können.
Die Herausforderungen, vor denen wir stehen und die Millionen von Menschen betreffen, sind auch unsere Herausforderungen. Darum müssen wir zusammenarbeiten, um nachhaltige Entwicklung zu fördern, den Klimawandel zu bekämpfen, faire Handlungsbedingungen zu schaffen, den Kampf gegen Arbeit und Kinderarbeit fortzusetzen und unsere Kolonialgeschichte aufzuarbeiten.
Entwicklungspolitik bedeutet für uns in Sachsen, uns auf den Weg einer gerechteren, verantwortungsbewussteren und nachhaltigeren Welt und Gesellschaft zu machen, und wir haben die Möglichkeit dazu. Lassen Sie uns weiterhin diese Möglichkeit gemeinsam zu nutzen!
Als Letzte in der Rederunde spricht jetzt zu uns Frau Kollegin Hanka Kliese für die SPD-Fraktion. Sie folgt Frau Čagalj Sejdi. Bitte, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Ostertage besuchte ich mit meiner Tochter das Ozeaneum in Stralsund. Das Museum zeigt nicht nur wunderschöne heimische Fische, sondern macht auch auf globale Probleme aufmerksam.
Wir standen lange vor einem Schaukasten, vor dem stand: „Wir Europäer haben unsere eigenen Meere fast leergefischt. Deshalb hat die EU für die europäischen Länder Fischereirechte an den Küsten der Dritten Welt gekauft. In gleicher Weise sind andere Industrienationen vorgegangen. Große Fabrikschiffe sichern so die nächsten Jahrzehnte der Versorgung der Industrieländer mit ausreichend Fisch. Den Menschen an der Küste Westafrikas nehmen wir damit Nahrung und Verdienstmöglichkeiten.“ Die Überschrift des Schaukastens lautet: „We want it all!“ – Wir wollen alles!
Weil wir alles wollen, bleibt für die Menschen in der sogenannten Dritten Welt oft wenig oder überhaupt nichts übrig. Genau deshalb geht uns in Sachsen Entwicklungspolitik sehr viel an. Sie liegt nicht nur in unserem Interesse, sie liegt in unserer Verantwortung. Bereits Willy Brandt erkannte sehr hellsichtig die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit – in einer Zeit, in der der Kalte Krieg das vorherrschende und alles überschattende politische Thema war. Das von ihm und seinen Mitstreitern entworfene Brandt-Papier erarbeitete eine Idee, wie man gemeinsame Werte in einer globalisierten Welt schaffen kann. Für Willy Brandt und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter ging es um die Zukunft der Menschheit, die Grundlagen
Im Grunde geht es für uns in Sachsen heute ebenfalls um nicht weniger als um das, was Willy Brandt schon in den 1980er-Jahren formuliert hat. Uns geht es darum, den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken und Länder zu unterstützen, die viel mehr Geflüchtete aufnehmen, als es für manch einen Menschen in Sachsen überhaupt vorstellbar ist. Uns geht es darum, Frauen auf ihrem Weg in die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu helfen, oder darum, in Flüchtlingscamps menschenwürdigere Zustände herzustellen. Das ist mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das sind Maßnahmen, die den Menschen vor Ort tatsächlich helfen.
Konkret unterstützt Sachsen Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit seit 2017; das haben wir gehört. Dazu gehört unter anderem das vom Staatsminister bereits angesprochene Projekt für den Libanon, wo 840 000 Flüchtlinge beim UNHCR registriert sind. Der Freistaat beteiligt sich an den bereits aufgeführten Maßnahmen zur schulischen Bildung von syrischen Kindern. Immer noch sind 60 % der syrischen Kinder im Libanon täglich ohne einen geregelten Schulalltag. Dort können wir mit unseren Mitteln einer bestimmten Zahl an Kindern, die nicht zu verachten ist, tatsächlich helfen.
In Uganda unterstützt der Freistaat zudem die medizinische Versorgung durch Krankenhauskooperationen, gemeinsame Forschung und Zurverfügungstellung medizinischer Geräte. Wir fördern überdies Frauen in einem Fischereiprojekt, Herr Urban. Dort lernen sie, Schiffe zu reparieren und vom Fischfang zu leben. Genau das ist Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich wollte noch viele Zahlen referieren, aber habe mich spontan entschieden, darauf zu verzichten; denn gerade Entwicklungszusammenarbeit ist ein Thema, das sich sehr gut eignet, um mehr über Menschen zu sprechen. Deswegen verzichte ich an dieser Stelle auf die Zahlen, die Sie alle in unserem Haushalt nachlesen können beziehungsweise sicherlich aus dem Effeff kennen, weil Sie diesen mit verabschiedet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Entwicklungszusammenarbeit gehört auch die Diskussion über gemeinsame Werte. Es geht um eine Wertegemeinschaft. Ich persönlich bin sehr über die aktuelle Gesetzgebung zur Kriminalisierung von LSBTIQ in Uganda bestürzt. Was den Menschen dort angedroht wird, führt bis hin zur Todesstrafe. Das darf kein Grund sein, die Zusammenarbeit mit Uganda zu beenden oder den Menschen dort nicht mehr zu helfen. Doch es muss ein Grund sein, Gespräche künftig mit dem gebotenen Respekt für diese heiklen Themen entsprechend zu lenken.
Mir ist es in diesem Zusammenhang wichtig, auch vom Sächsischen Landtag aus die Botschaft zu versenden: Wir stehen an der Seite der queeren Menschen in Uganda, und wir werden sie auch in unserem Land unterstützen, wenn sie fliehen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist kein persönliches Verdienst, in einem reichen, westlichen Land geboren zu sein. Es muss sich deshalb aber niemand kasteien. Jeder kann selbst helfen – darauf wurden wir schon angesprochen. Ich denke, dass viele unserer Abgeordneten selbst helfen, das hier im Plenum aber nicht immer zu Markte tragen.
Ein Projekt, welches ich gerne unterstütze, möchte ich Ihnen in Kürze vorstellen: Es ist ein Projekt, das sich mit der Räumung von Landminen in Ruanda beschäftigt. Das kann jeder mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Meine Tochter hat eine Patenratte, die sie unterstützt. Diese Ratte flitzt an einer Art Leitung los und schlägt dann aus, wenn sie eine Mine entdeckt. Auf diese Art und Weise sind schon viele Kinderleben gerettet worden. So etwas kostet monatlich wirklich nicht viel Geld. So einen Beitrag kann jeder leisten. Ich kann es nur jedem empfehlen, diese Debatte zum Anlass zu nehmen, um zu prüfen, was man im eigenen Haushalt tut, um dadurch das Thema Entwicklungsarbeit ein wenig mehr zu fördern.
Abschließend möchte ich noch ein konkretes Beispiel anführen, das die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in unseren westlichen Ländern und in den Ländern, die wir unterstützen müssen, untermalt. Als wir auf unserer Reise in Uganda waren, haben wir ein Krankenhaus besucht. Als wir in diesem Krankenhaus waren, wurde sehr deutlich, dass es in diesem Krankenhaus keinerlei Infrastruktur – zum Beispiel Mittagessen oder eine Grundversorgung für die Patientinnen und Patienten durch medizinische Helferinnen und Helfer – gibt. Das alles macht dort die Familie. Das alles wird dort durch Angehörige geleistet.
Ein junger Medizinstudent aus Leipzig hat uns in dem Gespräch erklärt, dass sowohl die Versorgung mit Essen als auch die Grundversorgung, die keine Operationen betrifft – zum Beispiel Hygiene –, komplett von Angehörigen geleistet wird. Er hat auch gesagt, dass diejenigen Menschen, die dort ins Krankenhaus kommen und keine Angehörigen mehr haben, sehr schlechte Überlebenschancen haben. Ich möchte dieses Beispiel gerne nennen, weil ich denke, dass es hier und da passiert, dass Menschen zum Beispiel – das ist ja in letzter Zeit in Mode gekommen – auf sozialen Netzwerken Bilder von ihrem miserablen Mittagessen, das sie im Krankenhaus bekommen, posten, um deutlich zu machen, dass ein Krankenhaus kein Sternerestaurant ist.
Ich denke, bevor man so etwas in die Welt schickt, sollte man sich vergegenwärtigen, dass es immer noch Teile auf dieser Erde gibt, wo Menschen überhaupt keine Essensversorgung in Krankenhäusern haben. Es ist eine sehr ehrenwerte Aufgabe, diese Menschen dort zu unterstützen.
Zuletzt möchte ich mich auch für meine Fraktion bei allen Organisationen, Vereinen und bei allen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen bedanken, die das von Sachsen aus tun. Ich weiß, dass heute viele hier sind – aber ich spreche Sie nicht persönlich an.
Das war Frau Kollegin Kliese. Sie hat für die SPD-Fraktion gesprochen. Wir sind am Ende der ersten Rederunde und wir beginnen nun die zweite. Das Wort ergreift für die AfD-Fraktion Herr Kollege Beger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staatsminister Oliver Schenk möchte eine gemeinsame Zukunft in den Schwellen- und Entwicklungsländern dieser Welt entwickeln. Hoffentlich gehören wir nicht bald selbst dazu.
Ich mache mir große Sorgen um den Wirtschaftsstandort Sachsen, um Arbeitsplätze, um gestörte Lieferketten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Sachsen und um Wettbewerbsnachteile, die wir aufgrund fehlgesteuerter Verkehrs- und Energiepolitik, überbordender Bürokratie sowie ständig steigender Steuerabgaben haben. Ich sage nur: Ausbau der A4. Nichts tut sich. Energieversorger wie die Dreischtrom GmbH gehen in Sachsen in die Knie. Im Freistaat wird die Grunderwerbsteuer über 50 % angehoben, um die Staatskassen zu füllen.
Haben wir in Sachsen also wirklich zu viel Geld über, um auf Landesebene Entwicklungspolitik auszuüben?
die belehrend und bekehrend daherkommt und die die mit viel Kraft und Mühe aufgebauten Außenhandelsbeziehungen massiv beschädigt, darunter auch sächsische Handelsbeziehungen.
In Anbetracht dieser aktuellen Herausforderungen hätte ich mir heute vielmehr eine Regierungserklärung des Wirtschaftsministers gewünscht.
Aber nein, wir führen eine Debatte zur Entwicklungspolitik. Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, im Internet zu
recherchieren, der stößt unweigerlich auf die Seite „Deutsche Länder in der Entwicklungspolitik“. Dort finden wir die Pressemitteilungen der rund letzten zehn Jahre zur Entwicklungspolitik der Bundesländer.
Die sächsischen Aktivitäten sind dabei recht überschaubar. Am aktuellsten ist die Meldung aus dem Februar: Sachsen will die Zusammenarbeit mit Uganda vertiefen. Die Staatskanzlei präsentiert gute Verbindungen zwischen ugandischen und sächsischen Unternehmen im Agrar- und ITSektor. Um welche Unternehmen es sich dabei handelt und welcher Art die Verbindungen sind, erfährt der interessierte Leser leider nicht.
Das ist schade, weil sich aus diesem Informationsmangel nichts ableiten lässt, weder im Hinblick auf die Entwicklungs- noch auf die Wirtschaftspolitik.
Heute wäre nun die Möglichkeit gewesen, einmal mit Daten und Fakten zu glänzen – aber leider gibt es wieder nur Allgemeinplätze.
weil er die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik gleichermaßen betrifft – Stichwort: Arbeitskräfte. Hierzu gibt es sicher verschiedene Meinungen. Wir sind uns wohl noch einig, dass es einen Fachkräftebedarf gibt. Wie wir damit umgehen wollen, da trennen sich aber die Wege.
(Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Na, aus dem Ausland! – Heiterkeit bei der LINKEN und den BÜNDNISGRÜNEN)