Protokoll der Sitzung vom 01.06.2023

Gerät ein Faktor aus dem Blick, wird das Vorhaben nicht gelingen können. Diese Balance zu halten, bewahrt vor Hitzköpfigkeit und zwingt uns, ausgewogen zu handeln. Denn wir bauen nicht auf der grünen Wiese neu. Es ist auch keine Laboranordnung, die beim Scheitern nur geringfügige Kosten verursacht; nein, wir bauen gründlich im Maschinenraum einer Industriegesellschaft um, während die Maschinen in voller Fahrt laufen müssen, meine Damen und Herren.

Wir wollen einen ökologischen Umbau unserer Wirtschaft, um ihr nachhaltige Stärke zu geben, und nicht, um sie ihr zu nehmen. Wir wollen einen ökologischen Umbau der Wirtschaft schaffen, damit unsere Kinder in Zukunft gut leben können und einen lebenswerten Planeten haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir machen das für das gute Leben und nicht gegen unseren Lebensentwurf. Das ist ein Kraftakt. Wir werden ihn bewältigen, wenn wir das als Gesellschaft gemeinsam stemmen und nicht auf Kosten der täglich arbeitenden Menschen; denn genau diese sind das Leistungsfundament unserer Gesellschaft, der Souverän in unserem Land. Bitte lassen Sie mich das noch einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Die vergangenen drei Jahrzehnte waren von einem zentralen Gedanken geprägt. Sachsen soll eine starke Wirtschaft entfalten und kann sich auf seine Stärken verlassen. Das gelingt zum einen durch die Ansiedlung und Stärkung aller zukunftsrelevanten Technologien. Sachsen soll ein Land sein, in dem die Lösungen für die Fragen von morgen gefunden werden. Es ist kein Land, das auf die Lösungen von woanders her wartet und sie einkaufen muss. Selbst machen, macht eben auch resilient und selbstbewusst. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist unserem Land gelungen.

Wir haben uns mit unserer Mikroelektronik in ganz Europa einen Namen gemacht. In Sachsen wird an der Mobilität der Zukunft geforscht. Bei uns geht E-Mobilität in Serie. Im Schlepptau dieser Branchen gedeiht eine enorme Zahl an innovativen mittelständischen Unternehmen und an Forschungsprojekten rund um den Kernbereich Mobilität und Mikroelektronik.

Zugleich haben wir diese vielfältige Landschaft von Handwerksbetrieben und innovativen Forschungseinrichtungen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Land von etwa 4 Millionen Einwohnern eine solche Dichte an Forschung und Lehre aufweisen und den Landeskindern und allen, die bei uns lernen wollen, erstklassige Ausbildung anbieten kann.

Es ist in diesen Tagen viel von Wohlstand die Rede, und irgendwie wird dieser komplexe Begriff häufig seiner zentralen Dimension beraubt. Wohlstand bedeutet im Kern, gut dazustehen, kraftvoll aufgestellt zu sein. Wohlstand bedeutet heute: Wir müssen die innere Kraft zur Wertschöpfung haben. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft im Kern stark machen: mit der Förderung von Innovationen, mit der Vernetzung von Forschung, Anwendung und Marktbefähigung sowie mit der Grundhaltung, immer zu gestalten und nicht auf andere zu warten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Die Fraktionen haben nun die Möglichkeit, Fragen an den Ministerpräsidenten zu stellen. Die jeweilige Frage darf eine Minute und die Antwort drei Minuten nicht überschreiten. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, AfD, DIE LINKE, BÜNDNISGRÜNE, SPD. Es beginnt Kollege Hippold für die CDUFraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Ministerpräsident, vielen Dank für die Ausführungen. Sie sind bereits auf die vor uns stehende Transformationsphase eingegangen. Uns würde interessieren, was aus Ihrer Sicht im Detail notwendig ist, um in dieser Transformationsphase die sächsische Wirtschaft zu stärken.

Ich denke, dafür ist eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen notwendig. Die Grundhaltung muss aber sein, dass wir nur mit mehr Freiheit aus dieser schweren Phase, auch der Wirtschaftspolitik, herauskommen, und dass wir die vor uns liegenden Herausforderungen nur mit mehr Freiheit, Technologieoffenheit und Innovation bestehen können.

Deshalb müssen wir marktwirtschaftliche Instrumente zum Wirken bringen. Das bedeutet, Anreize für Neues zu liefern und nicht durch Ordnungsrecht einzugreifen und Dinge unmöglich zu machen. Wir haben mit unserer Baugesetzgebung und dem Energiekompass der Staatsregierung dafür gesorgt, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden können.

Dies jetzt zu tun – mit ganzer Kraft und im Schulterschluss mit Bürgermeistern und Landräten –, ist die Aufgabe, die vor uns steht; denn erneuerbare Energien – das ist vollkommen klar –, CO2-freie Energien werden am Ende eine große Bedeutung für den Wirtschaftsstandort haben.

Darüber hinaus geht es um Bildung, Innovation und Wissenschaft. Der Wissenschaftsstandort Sachsen in seiner Breite – von den Berufsakademien über die Fachhochschulen bis zu den Universitäten – ist die Grundlage unseres Wohlstands, den es zu erhalten gilt. Ich bin sehr froh, dass wir während dieser Plenartage auch das neue Hochschulgesetz beschließen konnten, das uns auf dem Weg bestärken wird, den Wissenschaftsstandort Sachsen weiter zu stärken und attraktiv zu machen, auch für Menschen von außen.

Jawohl, vielen Dank. Nun übergebe ich an die AfD-Fraktion, Kollege Peschel an Mikrofon 7. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Ministerpräsident, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ganz konkret, Herr Kretschmer: Sie haben mit der Koalition im letzten Jahr die Grunderwerbsteuer massiv angehoben, von 3,5 % auf 5,5 %, und Sie haben die Grundsteuer mit durchgewunken.

Meine Frage: Warum ist in Sachsen bei der Grundsteuer für die Wirtschaft eine fast zwei Mal höhere Messzahl als in vielen anderen Bundesländern angesetzt? Und: Wie wollen Sie gewährleisten, dass die finanzschwachen Kommunen in Sachsen nicht vielleicht noch den Hebesatz erhöhen müssen bzw. welche Erkenntnisse haben Sie über mögliche Entwicklungen dazu?

Danke.

Es ist eine Notwendigkeit, die sich auch durch gerichtliche Entscheidungen ergibt, die Grundsteuer auf eine neue, auch solide Basis zu setzen. Deswegen war dieser große Kraftakt notwendig. Er ist gelungen.

Es gibt eine Vereinbarung, die wir alle miteinander kennen und zur Kenntnis genommen haben, auch vonseiten der kommunalen Familie: dass es zu keinen Erhöhungen kommen soll, dass das Aufkommen an der Grundsteuer, wie es in den vergangenen Jahren in den Kommunen angefallen ist, auch nach dieser Reform weiterhin so gelten soll. Das ist das, was wir miteinander besprochen haben.

Aber Sie wissen alle miteinander: Es gibt eine kommunale Selbstverantwortung. Die gewählten Stadträte, Kreisräte, Gemeinderäte tragen die Verantwortung. Auch das findet nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern in einer politischen Diskussion in der Öffentlichkeit vor Ort. Es ist richtig, wenn diese Diskussionen geführt werden.

Zum Thema Grunderwerbsteuer muss gesagt werden, dass der Freistaat Sachsen über Jahrzehnte die niedrigste Grunderwerbsteuer aller deutschen Bundesländer gehabt hat. Wir haben große Herausforderungen für die nächste Generation, beispielsweise – um ein Thema zu nennen – den Breitbandausbau, der entscheidend dafür sein wird, dass in den ländlichen Regionen tatsächlich Lebensperspektiven und Wirtschaftsperspektiven entstehen, oder die Versorgung mit Trinkwasser.

Das sind Themen, an die wir in den vergangenen Jahren so nicht heranmussten, weil wir eine sichere Versorgung hatten. Für diese Generationenaufgaben braucht es einen finanziellen Rückhalt. Deswegen hat die Koalition entschieden – in langen Gesprächen und nach Abwägungen, ob es nicht andere Optionen und Möglichkeiten gibt –, dass wir bei der Grunderwerbsteuer auf einen deutschen Durchschnitt kommen wollen – ganz bewusst: auf einen Durchschnitt, nicht darüber hinaus. Das haben wir uns miteinander vorgenommen.

Dieses Geld wird auf der einen Seite auf kommunaler Ebene helfen, Aufgaben zu bewerkstelligen, und es wird

uns helfen, diese großen Zukunftsaufgaben zu schultern, was wiederum sehr, sehr entscheidend dafür sein wird, dass dieses Land weiterhin mit Kraft und in allen Regionen vorankommt.

Vielen Dank. Nun für die Fraktion DIE LINKE Kollege Brünler an Mikrofon 1. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sie haben von der Ansiedlung von Zukunftstechnologien gesprochen. Dazu gehört, wenn man die Energiewende einbezieht, zweifelsohne auch die Batteriezellenfertigung. In dem Zusammenhang möchte ich gern einmal auf die Ansiedlung von Blackstone in Döbeln zu sprechen kommen:

Das Unternehmen hat in Sachsen Förderzusagen bekommen, die wohl bei mehr als dem Fünfzigfachen des Jahresumsatzes des Schweizer Mutterkonzerns gelegen haben – was an sich noch nicht wirklich schlimm ist, wenn man auch einmal etwas Neues wagen will. Aber das Problem ist: Damit waren auch Zusagen verbunden, wann die Produktion starten soll.

Sie haben sich das Werk selbst angeschaut, zu einem Zeitpunkt, als die Produktion eigentlich schon lange hätte starten müssen. Da würde mich ganz konkret interessieren, was Sie in dem Werk zu diesem Zeitpunkt eigentlich tatsächlich vorgefunden haben.

Die zweite Frage, die landespolitisch tatsächlich viel bedeutender ist: Inwieweit wird dieser Fall eigentlich im Kabinett diskutiert bzw. inwieweit hat man sich denn Gedanken gemacht, damit so etwas, was uns widerfahren ist, nicht wieder passieren kann?

Was dort genau passiert und uns genau widerfahren ist, ist, glaube ich, noch nicht ganz klar. Aber was ich Ihnen sagen möchte – und ich möchte mich auch ganz klar vor die Kolleginnen und Kollegen stellen, die in den Ministerien und in den Förderanstalten diese Entscheidungen treffen –: In diesem Bereich, in dem es um neue Technologien geht und darum, die Grenzen des technisch Machbaren zu verschieben und damit neue technologische Anwendungen zu finden, wird es immer auch zu Rückschlägen kommen. Wenn wir nur die Projekte unterstützen, die zu 100 %, garantiert und ohne Zweifel funktionieren, dann werden wir nichts Neues mehr machen.

Die Frage – damit haben Sie recht – muss geklärt werden: Was ist da? Was kann man daraus lernen? Wie kann man Dinge weiterentwickeln? Aber ich glaube, am Ende braucht es tatsächlich einen realistischen Blick auf diese Punkte.

Mich beunruhigt beim Thema Batteriezellenfertigung nicht nur Döbeln, sondern auch Salzgitter. Das liegt zwar nicht in Sachsen, aber für die Zukunft und für den Standort Deutschland ist das eine wirklich dramatische Entscheidung: die Absage, dort, in Salzgitter, diese Batteriezellenfabrik zu bauen. Diese Absage bedeutet, dass der Standort

Deutschland für diese Technologie von den Investoren als nicht wettbewerbsfähig angesehen wird, und das sind ja namhafte deutsche Technologieunternehmen und große Konzerne. Darüber müssen wir sprechen: Warum ist das passiert? Was müssen wir tun, gerade im Hinblick auf die Konkurrenz in Asien und in Amerika? Das ist dringend notwendig.

Wir kommen zu dem Punkt, der immer wieder genannt wird, aber, wie ich glaube, nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betrachtet wird: Energie darf in einem Industrieland wie Deutschland kein knappes Gut sein. Energie muss zu einem Preis verfügbar sein, zu dem wir konkurrenzfähig sind. Das sind wir derzeit nicht.

(Zuruf des Abg. Thomas Thumm, AfD)

Das sehen wir nicht so sehr an Döbeln; das hat andere Gründe. Wir sehen es aber an der Absage für die Batteriezellenfertigung in Deutschland, für diese Gigafactory. Das ist sehr bedrückend und braucht, wie ich finde, eine breite, auch wirtschaftspolitische Diskussion: Sind wir auf dem richtigen Weg, was die entscheidenden Produktionsfaktoren in Deutschland angeht?

Vielen Dank. Nun übergebe ich an die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. An Mikrofon 4 Herr Kollege Liebscher, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Ministerpräsident, es ist sehr schön, dass wir heute Fragen stellen können. Der Inflation Reduction Act unserer Partner in den USA ist ja ein wirkungsvolles Instrument für die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft. Sie waren jüngst in den USA und haben dem IRA ein riesiges Potenzial bescheinigt.

Jetzt war es aber so, dass in den vergangenen Tagen Aussagen von Ihnen zitiert wurden, wonach der vorgeschlagene Industriestrompreis – dieses Thema haben Sie ja gerade angesprochen – nicht finanzierbar sei.

Ihre Kollegen, zum Beispiel Herr Günther in SchleswigHolstein, bewerten das etwas anders für ihre Länder. Herr Günther ist auch dafür, dass der Transformationsstrompreis kommt, als Übergangslösung. Damit schafft er Planungssicherheit für die Energiebranche und die Wirtschaft.

Welche Standortvorteile bewerben wir denn oder bewerben Sie in diesem Zusammenhang für unseren Freistaat?

Danke für diese zentrale Frage. Der Inflation Reduction Act ist ein absolut wirkungsvolles Instrument, ein marktwirtschaftliches Instrument. Während Europa auf Ordnungsrecht und Einschränkungen setzt, setzen die Vereinigten Staaten von Amerika auf Wettbewerb und Technologieoffenheit. Es zeigt sich dort im Land und vor allem bei den Unternehmen, die aus Deutschland, aus Europa heraus Investitionsentscheidungen treffen, wie wirkungsvoll das ist. Wir brauchen eine Veränderung der Industriepolitik in der Europäischen Union.

Wenn Sie an den Industriestrompreis denken, müssen wir Folgendes sagen: Was bisher von der Bundesregierung vorgelegt worden ist – das, was wir kennen –, soll ungefähr 2 200 Unternehmen begünstigen. Wir haben allein im Freistaat Sachsen über 90 000 Unternehmen. Daran sieht man, dass das eine wirklich minimal kleine Zahl von Unternehmen ist, die davon profitieren sollen.

Ich finde, das ist kein Instrument, das uns wettbewerbsfähig machen würde. Es wird auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft nicht verbessern, weil all diejenigen, die Zulieferer für diese Großunternehmen sind, die dann von dem niedrigeren Preis profitieren, am Ende weiterhin wirtschaftliche Probleme haben werden.

Nein, meine Damen und Herren: Das Thema Energiepreis funktioniert nur durch eine Angebotserweiterung.

Wir haben vor wenigen Wochen die Entscheidung erlebt, aus der Atomkraft auszusteigen, 3 Gigawatt installierte Leistung. Wenige Wochen danach kommt vonseiten der Bundesregierung der Hinweis, dass jetzt, in den nächsten fünf bis zehn Jahren, die erforderliche Energie aus erneuerbaren Quellen nicht zur Verfügung steht und dass man deswegen einen Industriestrompreis als Brücke braucht.

Ich finde, die Dinge können so nicht zusammenkommen. Und es muss ganz klar sein, dass wir als Bundesrepublik Deutschland einen Punkt erreicht haben, an dem wir nicht jedes Problem durch zusätzliche Verschuldung und auf Kosten der nächsten Generation beseitigen können, sondern jetzt wieder die faktischen Probleme angehen und dadurch dafür sorgen, dass die Dinge sich klären. Die Preise müssen runter. Das geht nur mit einer Angebotsausweitung. Das geht nur mit einer Senkung der Steuern und Abgaben, auf Strom beispielsweise. Das ist der notwendige Weg, alles andere führt ins Verderben, organisiert viele Hundert Milliarden Euro neue Kosten, die auf andere umgelegt werden. Das ist ein Irrweg, zumindest aus meiner Sicht.

Mich haben Sie gefragt, selber schuld, dann sage ich Ihnen, was ich denke.