Protokoll der Sitzung vom 01.06.2023

Danke.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung)

Frau Kollegin Friedel hat die erste Aktuelle Debatte eröffnet. Jetzt schließt sich unmittelbar Herr Kollege Gasse an. Er spricht für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Fürs Leben lernen statt für Klausuren!“ – Der reine Debattentitel suggeriert ein wenig, dass es keiner Klausuren bedarf und jeder genau das lernt, was er für sein Leben und seine Zukunft benötigt. Aber so zugespitzt war es nach der Rede der Kollegin Friedel doch nicht gemeint. Eine gute Allgemeinbildung – und ich denke, da sind wir uns alle einig – ist die beste Grundlage für alle zukünftigen Herausforderungen. Nur den Weg und die notwendigen Inhalte müssen wir noch diskutieren.

Mein Großvater sagte immer zu mir: Junge, du lernst nicht für die Lehrer, du lernst für dich selbst. Recht hatte er. Insofern lernt auch niemand für Klausuren, sondern er lernt für sich selbst und sein zukünftiges Leben. Der Mensch ist nun einmal so, wie er ist, und dazu gehört, dass man zu gewissen Zeitpunkten noch nicht die Einsicht in die Notwendigkeit hat, dass dieses oder jenes Wissen vielleicht in Zukunft notwendig sein kann. Genau aus diesem Grund muss eine breite Allgemeinbildung mit einem Fokus auch auf basale Kompetenzen für uns wichtig sein.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Schule wirklich alle Bücher gelesen hätte, wenn es am Ende keine Inhaltskontrolle gegeben hätte. Mich interessierten damals Mathematik, Physik und später auch die neue bunte große Welt der Computer. Jetzt kann man behaupten, dass jeder nur nach seinen individuellen Neigungen lernen soll. Das klingt zwar gut, scheitert aber in unserer schnelllebigen Gesellschaft sehr oft an der Realität. Berufsbilder und Interessen ändern sich, aber fundierte Grundkenntnisse in Mathematik, Deutsch, Physik, Chemie, Fremdsprachen usw. sind ebenso wichtig wie soziale Grundkompetenzen: Fleiß, Ordnung, Empathie und gutes Benehmen.

In einem Punkt hat Kollegin Friedel recht: Schule muss sich weiterentwickeln, und das tut sie auch. Nur geht es häufig nicht so schnell, wie wir uns das wünschen. Aber Schule kann leider auch nicht alles leisten, und für manches sind die Eltern und das persönliche Umfeld verantwortlich.

Wie sich das Leben ändert, habe ich am eigenen Leib sehr gut erfahren. Ich wollte früher tatsächlich einmal Lehrer werden, aber Hochschullehrer für Mathe, Physik und Informatik. Weil ich in jungen Jahren noch nicht genügend Selbstbewusstsein hatte, um mich irgendwie als Dompteur vor pubertierenden Jugendlichen zu sehen, studierte ich Kybernetik und Automatisierungstechnik, und dann kam die Wende. Ich war mir nicht sicher, ob mein altes Wissen, gelernt auf KC85-Rechnern, noch irgendwie wettbewerbsfähig ist – und das unter Bedingungen der steigenden Arbeitslosigkeit.

Begeistert von der neuen Freiheit damals zur Wendezeit gründete ich parallel meine Pizzeria und war über viele Jahre erfolgreich. Ich empfand die Kommunikation mit Gästen, das Gespräch mit ihnen, als eine sehr befriedigende

Tätigkeit. Nebenbei stärkte der Erfolg mein Selbstbewusstsein. 2010 habe ich noch Betriebswirtschaft studiert, weil ich dies für mein Unternehmen als sehr sinnvoll empfand. Seit 2014 darf ich mich hier im Sächsischen Landtag mit Bildungspolitik beschäftigen.

(Beifall des Abg. Christian Hartmann, CDU – Zurufe von der AfD)

Damit schließt sich nun irgendwie doch wieder der Kreis und ich komme zum Ausgangspunkt zurück. Selbst zu meinem Abitur 1987 hätte ich es niemals für möglich gehalten, einmal 30 Jahre in der Gastronomie zu arbeiten, irgendwann einmal Betriebswirtschaft zu studieren und schon gar nicht, jemals hier vor Ihnen zu stehen und als Abgeordneter eine Rede zu halten. Ich wollte jungen Studenten Mathe, Physik und später Informatik beibringen, aber vieles, was ich in Deutsch, Geschichte und anderen Fächern gelernt habe, was mir damals nicht immer Spaß gemacht hat, hilft mir heute sehr oft dabei, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Insofern habe ich manchmal nicht freiwillig für eine Klausur gelernt, aber letztendlich für mein Leben.

(Beifall bei der CDU)

Das Leben unserer Schülerinnen und Schüler wird heute durch eine zunehmende Komplexität infolge der Digitalisierung und durch steigende Unvorhersehbarkeit geprägt, und ja, darauf muss Schule reagieren. Aber in einer Auffassung bin ich erst gestern wieder in einer Besuchergruppe mit vielen Schülern bestätigt worden. Auf meine Frage, ob sie die eine oder andere Aufgabe auch so fleißig und wissbegierig bearbeitet hätten, wenn es dafür am Ende keine Note gegeben hätte, antworteten sie für mich ziemlich überraschend mit nein. Das war vermutlich sehr ehrlich. Unsere Schüler wollen in ihren Leistungen bewertet werden, und sie brauchen ein Feedback für ihre Motivation.

Mit dem „Bildungsland 2030“ soll ein Konzept erarbeitet werden, das alle diese gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozesse aufgreift. Kollegin Friedel erwähnte es bereits. Aktuell können sich interessierte Schüler, Lehrer, Schulleiter und Eltern von schulpflichtigen Kindern für die öffentlichen Beratungen anmelden,

Die Redezeit!

– Ich komme zum Ende. Ein Satz noch, Herr Präsident, vielen Dank. – um ihre Anregungen und Ideen einzubringen. Schon heute über konkrete Vorschläge zu reden, ist mir etwas zu zeitig. Ich hätte mir gewünscht, dass man das Thema am Ende des Prozesses behandelt.

Der letzte Satz ist etwas lang, Herr Kollege.

Zu den vor uns liegenden Aufgaben wird meine Kollegin Gockel in der zweiten Runde sprechen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Gasse für die CDU-Fraktion. Jetzt spricht für die AfDFraktion Herr Kollege Dr. Weigand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem „Bildungsland 2030“ neue Wege gehen, ist heute das Debattenthema. Wir müssten eigentlich sagen: Zurück zur alten Stärke; denn das ist dringend notwendig. Die IGLU-Studie 2021 zeigt: Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen.

Sie wollen aber mit dem Bildungsland 2030 die Hausaufgaben und damit auch das Lesen zu Hause als Hausaufgabe infrage stellen. Das halten wir für völlig falsch. Es ist wichtig, dass zu Hause gelesen wird, dass es Hausaufgaben mitgibt, meine Damen und Herren. Es gibt ja auch, Herr Hartmann, eine Erziehungspflicht der Eltern. Wir müssen die Eltern also auch im schulischen Bereich mit ins Boot holen.

Frau Friedel, Sie haben gerade gesagt: Die Schule soll dafür sorgen, dass ein Kind lernt, eine Lampe zu wechseln. – Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich sehe da auch das Haus, die Eltern in der Pflicht, dass man den Kindern gewisse Sachen beibringt. „Eine Lampe wechseln“ sollte definitiv mit dabei sein. Also, ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mir vieles Handwerkszeug mit an die Hand gegeben haben.

(Zuruf des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Diese alte Stärke sollten wir uns bewahren.

Wir sollten dabei auch über Mindestanforderungen unserer Vorschüler sprechen. Wie kommen sie denn eigentlich aus der Kita in die Schule rein?

(Christian Hartmann, CDU: Ja!)

Ein Drittel der Vorschüler in Sachsen hat Sprachdefizite. Dem müssen wir uns annehmen. Das heißt, nicht noch weiter das Niveau senken, sondern die Spracherziehung schon in den Kindertageseinrichtungen stärken. Alles, was wir frühzeitig lösen, brauchen wir später nicht mühsam nachjustieren. Dabei geht es auch um motorische und um Sprachfähigkeiten. All das müssen wir diskutieren.

Wir müssen auch mal ehrlich über die offenen Konzepte diskutieren. Ich hatte erst gestern ein Gespräch mit zwei Schulleitern in meinem Wahlkreis. Sie sagten: Durch dieses offene Konzept merken wir, dass wir in der Kita oder dann in der Grundschule riesengroße Sachen ausgleichen müssen. Ich glaube, wenn wir viel Personal hätten, würde ein offenes Konzept auch gut an den Kindertageseinrichtungen funktionieren. Aber mit der aktuellen Personalausstattung, wenn zum Beispiel eine Erzieherin 20 Kinder betreut, ist es eben nicht möglich, ein gutes, offenes Konzept zu haben. Deshalb müssen wir darüber reden, welche Mindestanforderungen wir brauchen.

Wir brauchen beim Thema Digitalisierung – auch das ist Thema im Bildungsland 2030 – Digitalisierung mit Augenmaß. Das hat uns, denke ich, die Bildungsreise nach Estland letzte Woche vor Augen geführt. Darüber wird viel öffentlich geschrieben: Estland ist weit vorn, weil sie gut digitalisieren. Doch was digitalisiert denn Estland? Die haben perfekt ihre Verwaltung durchdigitalisiert. Als wir durch die verschiedenen Institutionen gegangen sind, kam dann heraus: Oh, es gibt noch Frontalunterricht in Estland! Viele Lehrer nutzen gar nicht digitale Medien.

Ich habe in verschiedenen Institutionen, auch im Bildungsministerium, gefragt: Haben Sie denn Erhebungen in Estland zu Unterschieden zwischen Schulen, die digital unterrichten, und Schulen, die frontal unterrichten? Sehen Sie da Unterschiede? Das konnte mir niemand beantworten.

Also zu sagen, wir müssten alles durchdigitalisieren, ist der falsche Weg. Denn auch Estland zeigt, dass sie zunehmend ein riesengroßes Problem mit Mobbing bekommen, weil sich das in den digitalen Raum verlagert. Wir müssen also die Digitalisierung mit Augenmaß durchführen. Estland hat auch Liebe zur Heimat, zur Tradition gezeigt. Genau dahin müssen wir zurückkehren, auch im schulischen Alltag. Ich sage nur: Heimatverbundenheit durch einen Schulgarten. Estland hat auch gezeigt, dass dort der Leistungsgedanke riesengroß geschrieben wird. Sie hingegen wollen mit dem Bildungsland 2030 den Leistungsgedanken infrage stellen, auch das Messen, das Notengeben.

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Schauen Sie doch auf Ihre Umwelt.

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Ja, es steht drauf, dass es infrage gestellt werden soll, Herr Piwarz. Wir meinen, und deshalb diskutiere ich doch – – Da müssen Sie nicht immer reinrufen.

(Staatsminister Christian Piwarz: Doch, das ist mein gutes Recht!)

Das ist Ihr gutes Recht. Aber Sie sind ja auch Kultusminister, da sollten Sie auch Vorbild für die Schüler sein.

(Sebastian Wippel, AfD: Super! – Beifall bei der AfD)

Wir wollen mit den Noten und den Leistungsmessungen auch das Bildungsniveau in Sachsen hochhalten. Wir sollten an den preußischen Tugenden

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz – Glocke des Präsidenten)

von früher festhalten.

Sie wollen weiterhin darüber diskutieren, mehr „Demokratieerziehung“ und „Haltung“ in die Schule hineinzubekommen. Die Neutralität der Schule wird ja immer mehr ausgehebelt. Die richtige Haltung für die Schüler zählt. Massenmigration findet nicht statt. Klimahysterie über alles, aber bitte ohne MINT. Die Frage ist: Wie wollen wir denn komplexe Prozesse ohne die MINT-Fächer verstehen? Eine digitale Oberfläche löst nicht alle Probleme,

wenn ich nicht weiß, wie komplex der Prozess ist. Ich muss ihn also verstehen: Ich brauche mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagen, ich brauche längeres gemeinsames Lernen, ich brauche eine starke wirtschaftliche Ausrichtung. Dazu wird mein Kollege Peschel noch sprechen.

Und nicht zuletzt: Wenn es der Kultusminister mit „er möchte nicht gendern“ ernst meint, dann sollte er auch aus dem „Bildungsland 2030“ den Begriff Mitarbeitende streichen. Wir sollten mit dem „Bildungsland 2030“ zur alten Stärke zurückkehren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Dr. Weigand für die Fraktion AfD. Jetzt spricht Frau Neuhaus-Wartenberg für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da wir seit drei Jahren, wenn Sie sich erinnern, tatsächlich einen Runden Tisch für Bildung usw. fordern, kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass wir den Prozess „Bildungsland 2030“ tatsächlich begrüßen und finden, dass es richtig ist, dass er jetzt losgeht. Zu ein paar kleinen „Aber“ würde ich am Ende meiner Rede kommen.