Protokoll der Sitzung vom 21.09.2023

Punkt 3: Sie fordern 10 % für Bildung – bei uns in Sachsen geht jeder fünfte Euro in die Bildung! Nach Adam Ries sind das sogar 20 %, also wesentlich mehr.

Bildungsgipfel auf Augenhöhe, das passiert schon längst. Dann dieses Wort „Wende“ am Ende. Unter einer Wende verstehe ich persönlich, dass bisher in die völlig falsche Richtung gelaufen wurde. Damit provozieren Sie mich aber, förmlich darauf hinzuweisen, dass Sachsen zum 18. Mal in Folge Platz 1 beim bundesweiten Bildungsmonitor belegt hat. So verkehrt kann es ja dann doch nicht gewesen sein.

(Beifall bei der CDU)

Und ja, man kann sich auch in der Schule verlieben. Meine erste Freundin war auch eine Klassenkameradin. Und ja, konstruktiver Streit ist heute zum Glück über alle Themen möglich. In meiner Schulzeit hätte man sicher nicht über die Sinnhaftigkeit der Mauer und über das gesamte System in der Schule debattierten können; das hätte vermutlich böse geendet.

Aber in erster Linie sind Sachsens Schulen Lernorte. Ihre Aufgabe ist es, vor allem Wissen und persönliche Kompetenzen zu vermitteln, damit Kinder und Jugendliche in ihrem späteren Leben und ihrer beruflichen Laufbahn dies sinnvoll, erfolgreich und im Sinne eines selbstbestimmten Lebens als Arbeitnehmer, Forscher, vielleicht auch als Lehrer oder Unternehmer anwenden können. Dies ist der beste Beitrag zum Erhalt der sozialen Sicherheit und der Leistungsfähigkeit unserer gesamten Gesellschaft und der Wirtschaft.

Die gesellschaftliche Debatte über die Aufgabe von Schulen als Lernorte ist natürlich richtig und wichtig. Insofern

freue ich mich, dass wir hier oft eine Bildungsdebatte haben. Sie darf aber nicht dazu führen, die eigentliche Aufgabe aus dem Blick zu verlieren. Gut ausgebildete junge Menschen, die künftig als Fachkräfte in Unternehmen, Institutionen, der öffentlichen Verwaltung, Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein stabiles soziales System und die notwendige wirtschaftliche Absicherung gewährleisten, müssen im Vordergrund stehen.

Unser Ziel ist es nach wie vor, jedem Kind einen Schulabschluss zu ermöglichen, der seinen individuellen Bedürfnissen und persönlichen Kompetenzen entspricht. Sachsen trägt dieser Aufgabe bereits entsprechend Rechnung. Mit der Einbeziehung von berufsbildenden Schulen sollen auch besonders benachteiligten Schülerinnen und Schülern weitere Möglichkeiten eröffnet werden, einen mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss vergleichbaren Abschluss zu erreichen und damit eine Perspektive auf unserem Arbeitsmarkt zu haben.

Und ja, wir wissen es: Alle Bundesländer kämpfen derzeit um grundständig ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. Sie sprachen es bereits an. Sachsen hat – ich erwähnte es – seine Ausbildungsoffensive bereits im Jahr 2018 ins Leben gerufen und gestartet. Wir haben die Zahl der Lehramtsstudienplätze auf 2 700 erhöht und tragen damit sogar für andere Bundesländer zur Verbesserung der Ausbildungssituation bei. Wir haben die Zahl der Assistenzkräfte verstetigt, ihre Beschäftigung entfristet und werden auch am weiteren Ausbau der Assistenzen arbeiten.

Es muss uns gelingen, Lehrkräfte und Schulleitungen von Aufgaben zu entlasten – das ist wichtig –, um ihnen Freiräume für die Wahrnehmung der wirklichen Unterrichtsaufgaben zu geben. Und ja, die Möglichkeiten von digitalem Unterricht und digitalen Lernangeboten nutzen wir noch zu wenig. Durch eine gezielte Weiterbildung und die Schaffung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen soll digitaler Unterricht ausgebaut werden, um somit Personalressourcen besser zu nutzen, auch an mehreren Schulstandorten.

Und ja, die Thematik der Arbeitszeitkonten verfolgen wir auch weiter. Junge Lehrkräfte, denen wir wirklich in Sachsen beste Ausbildungsbedingungen bieten und deren Arbeit wir sehr gut vergüten, können durch ihren Einsatz und ihre Leistungsbereitschaft diese Anerkennung irgendwie an die Gesellschaft und das System Schule zurückgeben. Es wäre doch sinnvoll, durch zusätzliche Arbeitsstunden in den kommenden Jahren die Unterrichtsversorgung erst einmal zu stabilisieren –

Bitte zum Ende kommen.

– und Lehrerinnen und Lehrer in einer späteren Phase, wenn die Schülerzahlen wieder gesunken sind, genau diese Mehrleistungen durch Freizeitausgleich möglichst flexibel zurückzugeben. Alles andere in einer zweiten Runde.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nun für die AfD-Fraktion Frau Abg. Penz, bitte.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen der Linksfraktion, Sie haben den Debattentitel mit erwähnt, dem kann ich durchaus zustimmen. Allerdings war der Inhalt Ihrer Rede davon völlig abweichend. Ich würde erst einmal auf Ihren Debattentitel zurückkommen: „Schule nicht nur als Ort zum Pauken, sondern zum Verlieben, Streiten und Lernen: Bildungswende jetzt!“ Herr Gasse hat es schon gesagt, auch ich habe mich zum Beginn meiner Schulzeit verliebt, nicht in einen Jungen, auch nicht in ein Mädchen, nein, in die Schule selbst habe ich mich verliebt. Ich bin sehr gern zur Schule gegangen. Es hat mir Spaß gemacht – nicht trotz des Leistungsgedankens, sondern wegen des Leistungsgedankens. Meine Schule hat mir wichtige Dinge fürs Leben mitgegeben: erstens, nicht gleich aufgeben, wenn einmal etwas schiefgeht; zweitens, Anstrengung zahlt sich aus; drittens, man muss auch mal Dinge tun, die einem nicht so gefallen.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Dem Inhalt, auf den Sie hinauswollen, kann ich natürlich nicht zustimmen. Herr Gasse hat schon gesagt, worauf Sie hinauswollen. Ich nehme einmal ein Sprichwort, das sehr für die Freizeit wirbt: „Das Leben ist zu kurz für irgendwann.“ Genau das ist offensichtlich der Grund, warum Sie aus unseren Bildungsanstalten Bespaßungsanstalten machen wollen. Aber auch für das Leben gilt: Das Leben ist irgendwann zu kurz für das Lernen.

Natürlich sollten unsere Kinder gern zur Schule gehen. Glauben Sie mir, Kinder wollen lernen, Kinder mögen Herausforderungen, Kinder wollen sich mit anderen messen. Ich will es einmal sehr flapsig sagen: Durch ein Doktorspiel wird niemand Facharzt; denn für alle Berufe benötigt man Fertigkeiten, Fähigkeiten und selbstverständlich erlerntes Wissen.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Noch ein kurzer Blick auf die widersprüchlichen Fakten: Sachsen belegt laut Bildungsmonitoring den ersten Platz. Das klingt doch wunderbar. Doch jetzt kommt das Aber – der jüngste IQ-Bildungstrend brachte es ans Licht –: 13 % der Grundschüler erreichen in Mathematik und Lesen nicht einmal mehr Mindeststandards. Gleichzeitig besuchen aber immer mehr Grundschüler nach Klasse 4 das Gymnasium. Der Akademisierungswahn nimmt zu; aber eine von der AfD geforderte gesetzlich verbindliche Bildungsempfehlung wollen Sie ja alle nicht. Es gibt auch keine Mindestanzahl von erbrachten Leistungen, also Noten, für die einzelnen Fächer in der Grundschule. Es gibt auch keine einheitlichen Notenschlüssel, das heißt, schon zwei oder drei Noten pro Fach und Schüler sollen ausreichen.

Aber was sagen diese denn aus? Die Grundschüler können wesentlich schlechter schreiben und rechnen, aber die Abiturnoten werden immer besser. Während der Notendurchschnitt 2019 noch bei 2,5 lag, lag der letztes Jahr bei 2,1.

Im Hintergrund, ganz still und leise, sank dabei die Anzahl der Kurshalbjahresergebnisse, die für das Abitur eingebracht werden müssen. 2016 waren es noch 52, ein Jahr später nur noch 40, und 2019 sank die Zahl auf 36. Nun frage ich Sie noch einmal: Was sagen diese Ergebnisse aus? Nichts oder nicht sehr viel. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Im Übrigen kritisieren nicht nur wir das sinkende Niveau, sondern das tun auch Hochschulprofessoren und gestandene Fachleute wie der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Ich zitiere: „Die immer besseren Noten der Abiturienten in Deutschland können nicht verdecken, dass die tatsächliche Leistungsfähigkeit deutscher Absolventen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schwächer geworden ist.“

Was passiert denn, wenn das Niveau immer weiter sinkt? Besser gesagt: Es sinkt ja schon. Abiturienten, die sich für ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium einschreiben, weisen heute mangelnde Mathematikkenntnisse auf. Daher muss das Niveau gehoben und nicht weiter abgesenkt werden. Dafür steht die AfD. Alles Weitere in der nächsten Runde.

Danke.

(Beifall bei der AfD)

Für die BÜNDNISGRÜNEN Frau Melcher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die LINKE heute eine Debatte zur Bildungspolitik und den aktuellen Protest am Samstag zum Anlass genommen hat, um hier über Bildungspolitik zu sprechen. Ich freue mich auch, dass sich ein breites Bündnis formiert hat und viele Menschen bundesweit für bessere Kitas und Schulen auf die Straße gehen.

Wir BÜNDNISGRÜNEN begrüßen diese Protestbewegung „Bildungswende jetzt!“. Sie ist ein Zeichen, dass sich viele Menschen aktiv in unserem Land einbringen, wenn es um die zentralen Zukunftsfragen unserer Zeit geht. Ich werde am Samstag selbst in Leipzig vor Ort sein und hoffe auf viele gute Ideen und einen konstruktiven Austausch zur Bildungspolitik.

Den Appell des Bündnisses habe ich sehr interessiert gelesen. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir viele zentrale Forderungen teilen. Fakt ist: Schule muss zukunftsfähig und intensiv werden. Wir brauchen mehr Pädagoginnen und Pädagogen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten, damit uns das gelingt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum sehen wir dringenden Handlungsbedarf? Dazu möchte ich einen Blick auf die Zahlen und Fakten werfen. Zum einen: Laut IQBBildungstrend stieg zuletzt auch in Sachsen die Zahl der Viertklässler, die die Mindestanforderungen verfehlten. Jeder zwölfte junge Mensch im Freistaat beendet die Schule, ohne mindestens einen Hauptschulabschluss zu haben. Und vielleicht noch eine dritte Zahl: Zum Schuljahr

2023/2024 sollten 1 300 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden – schlussendlich waren es 1 120.

Beunruhigend sind aber nicht nur diese Zahlen. Anlass zum Bildungsprotest ist vor allem die Art und Weise, wie Schule im 21. Jahrhundert gedacht und umgesetzt wird. Ich denke da beispielsweise an den offenen Brief der „11 Rebell*innen“ aus Leipzig, die das RealLabor ins Leben gerufen haben. Im Kern hieß es darin: Schule muss anders.

Ja, auch ich sehe, dass sich etwas verändern muss. Ich sehe aber auch, dass sich bereits vieles verändert hat, und glaube, es tut gut, in der Debatte auch ein paar positive Schlaglichter auf die aktuelle Bildungspolitik zu werfen.

So sind wir in Sachsen etwa bei den Ausbildungen der Pädagoginnen und Pädagogen zahlenmäßig wirklich sehr gut aufgestellt. Wir können die 2 700 Studienplätze im Lehramt schon jetzt nicht mehr besetzen, obwohl 18 % der Abiturienten das Lehramtsstudium aufnehmen. Jährlich schließen in Sachsen rund 2 000 junge Menschen ihre Erzieherausbildung ab. 11,3 % der Kita-Fachkräfte – und damit so viele wie nirgends im bundesweiten Durchschnitt – verfügen über einen Hochschulabschluss.

Und auch in puncto Qualität der Ausbildung bewegt sich aus meiner Sicht einiges. Wir BÜNDNISGRÜNEN streiten seit Jahren für ein Lehrkräftebildungsgesetz: Ausbildung nach Alter statt nach Schulart, mehr Praxisbezug, Inklusion, klare Wege zur Qualifizierung im Seiteneinstieg. Die jetzt aufs Gleis gesetzten Modellstudiengänge sind aus meiner Sicht ein guter Anfang und zeigen, wohin der Weg gehen muss.

Deutlich komplexer ist aus meiner Sicht aber die Debatte über eine zukunftsfähige Schule. Was bedeutet das? Darüber lässt sich, glaube ich, trefflich streiten; auch in diesem Hohen Hause. Das lässt sich auch am Beteiligungsprozess zum Bildungsland 2030, der gerade läuft, gut beobachten. Wir werden sehen, was die Ergebnisse dieses Prozesses sein werden und wie wir diese mit Leben befüllen werden. Doch schon jetzt ist klar, dass sich Sachsen mit diesem Prozess auf einen beispielhaften Weg gemacht hat, um über die Schule der Zukunft zu sprechen. Das wird auch in anderen Bundesländern wahrgenommen, und ich glaube auch bei denjenigen, die am Samstag auf die Straße gehen und für eine Bildungswende demonstrieren wollen.

Lassen Sie mich abschließend auf die anderen Forderungen aus dem Appell des Bildungswende-jetzt!-Bündnisses eingehen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Nichts anderes bedeutet am Ende auch Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Stärkung von BNE teilen wir absolut und stärken wir natürlich. Wir begrüßen, dass es an unseren Schulen und Kitas immer mehr multiprofessionelle Teams gibt; auch wenn wir diesbezüglich noch etwas Luft nach oben sehen. Deutlichen Nachholbedarf sehen wir aus bündnisgrüner Sicht allerdings im Bereich Inklusion sowie im Umgang mit Vielfalt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wichtig ist mir bei all der Debatte um Reformbedarf, dass die jungen Menschen

gehört werden und wir eine Bildungspolitik machen, die genau diese jungen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Insofern freue ich mich auf Samstag und auf die Leute, die Bock haben, die Zukunft zu verändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, den LINKEN, der SPD und der Staatsministerin Katja Meier)

Und für die SPD-Fraktion Frau Abg. Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind schon viele Stichworte gefallen. Wir haben in der Überschrift zum Debattentitel eine Wendung, die ich etwas in den Vordergrund stellen möchte, nämlich: Schule als Ort zum Lernen. Das ist ja das, wie wir Schule eigentlich kennen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Schule nicht nur ein Ort zum Lernen ist, sondern dass auch die Schule selbst ein lernendes System sein sollte.

Damit bin ich bei einer der Forderungen des Bildungswende-jetzt!-Aufrufes, nämlich der Forderung nach einer zukunftsfähigen Schule. Ich glaube, völlig zu Recht beklagen viele Menschen die Trägheit des Systems, was Veränderungen angeht. Ich würde meinen Vorrednerinnen und Vorrednern durchaus zustimmen: Trotz dieser Trägheit haben wir in den letzten Jahren einiges erreicht; nicht nur bei dem Thema Studienplätze und neue Studiengänge oder dem Thema multiprofessionelle Teams. Trotz alledem brauchen wir dort weitere Schritte.

Ich erinnere mich: Es war ein ganz schöner Kampf, die Schulsozialarbeit ins Schulgesetz einzubringen und sie somit zum festen Bestandteil zu machen. Warum war das ein Kampf? Das war kein Kampf der Bildungspolitiker untereinander, sondern es war ein Kampf der Bildungspolitik mit dem Rest dieses Hauses, der sagte, damit hätten wir dann aber neue Aufgaben und müssten mehr Ausgaben bewerkstelligen.

Oder: Es war ein großer Kampf, die Schulassistenz – zumindest teilweise unbefristet – zu erreichen. Wir haben sie nach wie vor nicht als Stellen im Haushalt verankert, wollen dies aber gern schaffen. Da wäre es gut, wenn wir beim nächsten Mal auch jenseits der Bildungspolitik die entsprechende Solidarität bekämen.

Schule zukunftsfähig zu machen, ist aber auch eine Frage der Inhalte. Auch das ist nichts Neues von mir an diesem Platz. Die Entschlackung der Lehrpläne ist für uns ein wichtiger Punkt, weil sowieso niemand mehr alles wissen kann, wir aber vielmehr ein tieferes Verständnis bei Kindern und Jugendlichen für das brauchen, was sie lernen. Fächerübergreifender Unterricht ist das Gebot der Stunde, um dieses vernetzte Denken hinzubekommen, das man später im Leben braucht,

(Zuruf von der AfD: Oder Fachwissen!)

und mehr praktisches Lernen, um Berufsorientierung wirklich handhabbar zu machen und nicht nur theoretisch; auch das ist etwas.