und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass unser Gesetzentwurf mit geltendem, höherrangigem Recht in Einklang steht.
In der Ausschussanhörung wurde vereinzelt die Auffassung vertreten, das Kopftuchverbot stelle einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Religionsfreiheit dar. Wir hingegen sind der Ansicht, dass durch ein Kopftuchverbot das Grundrecht der Religionsfreiheit überhaupt nicht tangiert wird. Ein religiöses Gebot zum Tragen des Kopftuches existiert schlichtweg nicht. Das Kopftuch hat sich erst mit dem politischen Islam verbreitet, insofern ist es kein religiöses, sondern vielmehr ein politisches Symbol. Hierzu hat die Islamexpertin in der Ausschussanhörung ausführlich ausgeführt.
Doch selbst wenn man unterstellt, das Kopftuch sei ein religiöser Ausdruck, so möchte ich auf die verfassungsrechtlichen Gutachten hinweisen, die im Auftrag von Terre des Femmes zum Kopftuchverbot erstellt wurden. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass die Grundrechtseingriffe, insbesondere in das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit der Eltern, zum Schutze des Kindes durchaus gerechtfertigt sind. All dies steht vor dem Hintergrund der schädlichen Auswirkungen des Kinderkopftuchs; denn durch dieses wird sozialer Druck auf die Mädchen ausgeübt, die kein Kopftuch tragen möchten. Das Kopftuch sexualisiert in schädlicher Weise die Mädchen und stellt darüber hinaus ein Hindernis bei der Integration in die deutsche Gesellschaft dar. Die kopftuchtragenden Mädchen gewöhnen sich an die gesellschaftliche Unterordnung der Frau, sodass es den betroffenen Mädchen später sehr schwerfällt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Da Kinder grundsätzlich in einer Abhängigkeit zu ihren Eltern stehen, können sich die betroffenen Mädchen nicht oder kaum gegen das Tragen des Kopftuches wehren. Ein Trageverbot kann ihnen dabei helfen, sich – zumindest in Schule und Kindergarten – nicht dem Kopftuchzwang zu unterwerfen; denn die Grundrechte der Eltern dürfen nicht genutzt werden, um die Rechte der Mädchen auf Selbstbestimmung, Freiheit und eine natürliche Entwicklung derart einzuschränken, wie ein Kopftuch es tut.
Mit dem Kopftuchverbot ermöglichen wir den Mädchen aus muslimischen Familien, das grundgesetzlich garantierte Recht auf eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit in den Schulen und Kindergärten in Sachsen auszuüben.
Wir als Gesetzgeber sind aufgefordert, jedem Kind die Chance zu gewähren, seine Fähigkeiten zu entwickeln – egal, in welche Familie es hineingeboren ist und unter welchen Verhältnissen es aufwächst. Der Staat hat den Auftrag, über das Wohl der Kinder zu wachen, und bisher gibt es keine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot in Schulen und Kindergärten. Mit unserem Gesetzentwurf soll diese bestehende Regelungslücke geschlossen werden. Die Hinweise aus der Vorprüfung des Gesetzentwurfs haben wir in dem Ihnen bereits vorliegenden Änderungsantrag aufgegriffen, den ich hiermit gleichzeitig eingebracht habe.
Kollege Wiesner eröffnete für die AfD-Fraktion. Nun spricht für die CDUFraktion Kollege Gasse. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD-Fraktion, so kurz er auch ist, sprüht vor Populismus und ist einmal mehr ein Beweis dafür, was diese Partei wirklich ausmacht.
Während wir heute bereits erlebt haben, wie Sie sich um den Begriff „Remigration“ scheinbar winden, aber damit im Kern auch gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund – besser heute als morgen und ohne Rücksicht auf deren Lebenslage und Engagement in unserer Gesellschaft – mit aller Macht in ihre Herkunftsländer zurückschicken wollen,
wird an dieser Stelle plötzlich der Schutz muslimischer Mädchen ins Feld geführt und von religiöser Unterdrückung, geschlechtlicher Segregation und Ignoranz der demokratischen Grundordnung gefaselt.
Dass dabei die Religionsfreiheit nach Artikel 4 unseres Grundgesetzes berührt sein dürfte, wird im Gesetzentwurf und dessen Begründung völlig ausgeblendet – auch wenn Sie das gerade abstreiten. Dass sich unsere Gesellschaft aber durch Migration, Vielfalt der Religionen und ein hohes Maß an gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz auf dem Boden unserer grundgesetzlichen Regelungen weiterentwickelt hat, wird von Ihnen ebenfalls negiert und völlig ausgeblendet.
Unter dem Deckmantel der Sorge um das Wohl muslimischer Mädchen wird ein Kopftuchverbot in Bildungseinrichtungen gefordert und gleichzeitig hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand im Rahmen von Remigrationsdebatten über genau diese Bevölkerungsgruppen gehetzt. Bei allen Herausforderungen, die Flucht und Vertreibung, Migration und Integration für unser Land mit sich bringen, kann der Gesetzentwurf, verengt auf eine derartige Forderung, ungeachtet unserer gesellschaftlichen Standards und Wertevorstellungen, nur als rechtspopulistisch bezeichnet werden.
Erst im November 2023 wurde der Gesetzentwurf dann im Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung sowie im Ausschuss für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt beraten und mit Mehrheit abgelehnt. Bis zum Januar 2024 – also dieses Jahres – hat Ihre Fraktion nochmals gebraucht, um den Gesetzentwurf dem federführenden Ausschuss für Schule und Bildung vorzulegen; auch hier wurde der Entwurf abgelehnt.
Entweder ist Ihnen der Schutz muslimischer Mädchen doch nicht so wichtig, sodass Sie solch eine lange Zeit verstreichen ließen, oder der Entwurf steht nun doch nicht im Einklang mit Ihren rechtspopulistischen Rückführungsgedanken. Oder Sie haben vielleicht doch – zumindest ansatzweise – über die umfassenden und von Ihnen bereits angeführten ablehnenden Argumente aus der Anhörung im März 2023 nachgedacht. Allerdings hätten Sie uns dann diese abschließende Lesung im Sächsischen Landtag heute wirklich ersparen können.
Die Mehrheit der Sachverständigen hat den Gesetzentwurf – nachzulesen im Anhörungsprotokoll – sowohl inhaltlich als auch rechtlich mit dem Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der begehrten Regelung zurückgewiesen. Auch in den Beratungen der Ausschüsse wurde dies mit entsprechender Ablehnung dokumentiert. Das vorgeschlagene Verbot von islamischen Kopftüchern in der Schule ist aufgrund des Verstoßes gegen die Religionsfreiheit, das staatliche Neutralitätsgebot sowie die Diskriminierungsregelungen verfassungswidrig. Letztendlich gilt das auch für das Verbot in Schulen und Kindertageseinrichtungen; denn auch dort gelten Diskriminierungsfreiheit und die Neutralität des Staates.
Nicht zuletzt wurde in der Anhörung bemängelt, dass das Tragen eines Kopftuches für muslimische Mädchen grundsätzlich als negative Maßnahme und religiöse Einflussnahme gewertet wird. Diese Pauschalisierung ist jedoch mit Blick auf die muslimische Religion ebenfalls nicht der Fall.
Da Sie auf einen Beschluss der CDU-Bundespartei aus dem Jahr 2019 verweisen, der sich mit dem Tragen eines Kopftuches, insbesondere bei sehr kleinen Kindern, beschäftigt, möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, dass unser Ansatz in der Debatte vor allem der Dialog und die Überzeugung der Eltern ist. Das heißt, ein ehrlicher, lösungsorientierter Dialog. Das ist ja nun nicht Ihr Politikstil. Die Verwertung von Schlagzeilen oder Ausschnitten in sozialen Medien mit dem Ziel, einfach nur die Stimmung anzuheizen – das ist Ihr Grundprinzip.
Vor diesem Hintergrund der erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken und einem offensichtlichen Verstoß gegen die Religions- und Diskriminierungsfreiheit lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab. Er steht nicht für eine offene, grundgesetzliche und diskriminierungsfreie Gesellschaft.
Kollege Gasse sprach für die CDU-Fraktion. Nun sehe ich Kollegen Wiesner an Mikrofon 7, vermutlich mit einer Kurzintervention, Herr Kollege, richtig? – Bitte schön.
Korrekt. Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Gasse, vielen Dank für die Rede. Ich habe richtig verstanden, dass Sie sagen, Ihr Ansatz sei der Dialog mit den entsprechenden Mädchen oder Leuten und nicht das Verbot?
Nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich dazu einen Herrn Linnemann zitieren möchte, welcher konstatiert hat: „Die Anzeichen mehren sich, dass die Zahl der minderjährigen Mädchen mit Kopftüchern insbesondere an Brennpunktschulen zunimmt“. Er appellierte an die Bundesländer, so rasch wie möglich ein Kopftuchverbot für Mädchen bis zu 14 Jahren in öffentlichen Bildungseinrichtungen zu erlassen.
Ich bitte die CDU-Fraktion: Denken Sie an die Worte von Herrn Linnemann, bevor Sie gleich über unseren Gesetzentwurf abstimmen.
(Sebastian Fischer, CDU: Sie haben gesagt „Unterlassen“! – Susan Leithoff, CDU: „Unterlassen“, nicht „einführen“! – Zuruf des Abg. Holger Hentschel, AfD)
Das war die Kurzintervention an Mikrofon 7 durch Herrn Kollegen Wiesner. Möchten Sie reagieren, Herr Gasse? – Das sehe ich nicht. Dann übergebe ich jetzt an Frau Kollegin Neuhaus-Wartenberg von der Fraktion DIE LINKE, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mich verwundern derartige Gesetzentwürfe von der AfD nicht mehr. In aller geschriebenen Klarheit können wir lesen, wie anmaßend und mindestens gruppenbezogen feindlich Sie unterwegs sind. Sie versuchen damit nur eines, nämlich ein Thema zu instrumentalisieren, um gegen Muslime und den Islam zu hetzen.
Es ist nichts anderes als eine Schein- und Sündenbockdebatte, und Sie bedienen ganz klassisch antimuslimische Narrative. Ihr Gesetzentwurf strotzt nur so vor Vorurteilen: die Unterdrückung der Frau, die zunehmende Islamisierung, die vermeintliche Bedrohung durch Zuwanderung etc. Und wie immer bedienen Sie sich irgendwelcher Vermutungen, Verschwörungstheorien und machen Stimmung, um voller Inbrunst zu erklären, dass das Tatsachen oder Fakten seien. – Nein, das sind sie eben nicht.
Und ganz nebenbei, Herr Wiesner, habe ich ein gewisses Störgefühl, wenn ausgerechnet Sie für die Rechte von Mädchen und Frauen eintreten.
Was Sie tatsächlich wollen, liegt seit ein paar Wochen klar auf dem Tisch. Und dass ausgerechnet Sie von schulischer Bildung auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen schreiben, dass Sie von freiheitlich-demokratischen Grundwerten schreiben, die durch ein Kopftuch in Gefahr seien, ist hochgradig abstrus.
Durch wen die freiheitlich-demokratische Grundordnung tatsächlich in Gefahr ist, ist hoffentlich allen demokratischen Parteien nunmehr klar.