Dieser Gesetzentwurf – wie im Prinzip all Ihre Gesetzentwürfe, Anträge und Reden – atmet bzw. atmen ein nationalvölkisches Menschenbild. Ein Menschenbild, das im Übrigen der im Grundgesetz verankerten Achtung der Würde des Menschen zuwiderläuft. Das sagt auch das Deutsche Institut für Menschenrechte.
Umso besser ist es, dass nunmehr Leute vielerorts als Demokratinnen und Demokraten auf die Straße gehen, um ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für ein Land – und das betone ich – der Solidarität, des Friedens und der Freiheit. An dieser Stelle möchte ich den Sachverständigen Prof. Dr. Bernd Grzeszick in der Anhörung im ASB zu einem Kopftuchverbot zitieren, der genau darauf eingeht: „Es ist bisher nicht der Nachweis erbracht worden, dass man mit dem Verbieten des Tragens von Kopftüchern einen größeren Schritt nach vorn gehen kann. Die freiheitsfördernden Effekte sind relativ gering.“
Das heißt also, ein generelles Kopftuchverbot hilft weder den Mädchen und Frauen, die sich freiwillig, noch denen, die sich unfreiwillig verschleiern; es verschlechtert eher die Situation für beide. Außerdem hat das Kopftuchverbot nur sehr wenig Einfluss auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und ja, es ist ein Unterschied, ob in einem Klassenraum ein Kruzifix an der Wand hängt und quasi alle unter diesem Symbol unterrichtet werden oder ob eine Schülerin ein Kopftuch trägt. Ein Kopftuch ist Ausdruck des persönlichen Glaubens und nichts anderes.
Vielmehr gefährdet ein Verbot in Schulen das Recht der Schülerinnen auf Bildung. Jenseits davon: Kinder haben Rechte, und dazu gehört auch die Religionsfreiheit laut Artikel 14 der UN-Kinderrechtskonvention. Ich zitiere erneut den Sachverständigen Prof. Dr. Bernd Grzeszick, der sagt: „Das vorgeschlagene Verbot von islamischen Kopftüchern in der Schule ist wegen des Verstoßes zumindest gegen die Religionsfreiheit und das staatliche Neutralitätsgebot sowie die Diskriminierungsregelung verfassungswidrig“.
Verbote sollte es unserer Meinung nach nur geben, wenn die Rechte anderer eingeschränkt werden, und das werden sie mit dem Tragen des Kopftuchs an keiner Stelle. Die Diskussion, inwieweit das Tragen eines Kopftuchs freiwillig oder unter Zwang geschieht, ist meiner Meinung nach müßig. Sicherlich gibt es Einzelfälle, in denen Frauen unter
Druck gesetzt werden, Kopftücher zu tragen. Ich bin mir sehr sicher, dass das von allen demokratischen Parteien im Parlament gleichermaßen abgelehnt und selbstverständlich auch verurteilt wird.
In der Regel ist das Tragen des Kopftuchs jedoch eine Frage der Erziehung und der religiösen Selbstverwirklichung junger Frauen. Hierbei muss das Recht der Eltern auf eine religiöse Erziehung – und das Recht der Frauen auf die Ausübung ihrer religiösen Freiheiten – aus meiner Sicht selbstverständlich akzeptiert werden. Mädchen und Frauen danach zu beurteilen, wie religiös sie sind, oder ob sie gezwungen werden, das Kopftuch zu tragen, ist einfach nur anmaßend.
Viel entscheidender sind doch völlig andere Dinge: Statt Verboten braucht es Zugänge und einen ständigen Dialog. Die politische Bildung an den Schulen muss verbessert werden. Sowohl Lehrer(innen) als auch Schüler(innen) müssen weitergebildet werden, damit Schulen so gestärkt werden können, dass ein Raum für menschenrechtliche und vor allem auch interkulturelle Bildung entsteht und auch entstehen kann. Es geht darum, gegen Diskriminierung, gegen Rassismus und gegen Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Meiner Meinung nach braucht es echte Partizipation von muslimischen Mädchen und Frauen – egal, ob mit oder ohne Kopftuch.
Und eines noch zum Schluss: Demokratiefeindlichkeit beginnt ganz sicher nicht auf den Köpfen, sondern in den Köpfen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Kollegin NeuhausWartenberg sprach für die Fraktion DIE LINKE. Kollegin Melcher spricht nun für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD will mit ihrem Gesetzentwurf Mädchen und jungen Frauen das Tragen eines islamischen Kopftuchs in Kindertageseinrichtungen und Schulen verbieten. Damit wittert die AfD ein weiteres Mal ein ganz großes Problem, wo keines ist. Ein weiteres Mal knüpft sie an bestehende Ressentiments und Vorurteile an, um Menschen in diesem Land gegeneinander aufzuwiegeln. Ein weiteres Mal instrumentalisiert die AfD Kinder und Jugendliche. Dieses Mal versucht sie sich sogar als Kämpferin für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu gerieren. Man möchte an dieser Stelle laut lachen, wenn einem nicht das Lachen im Halse stecken bleiben würde.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, der AfD geht es am Wenigsten um muslimische Mädchen und Frauen oder gar deren freie Entfaltung. Es geht ihr um ihr Lieblingsfeindbild, und zwar den Islam und die angebliche Islamisierung unseres Landes.
Denn die Begründung im Gesetzentwurf strotzt vor antiislamischer Rhetorik. Und auch in der Anhörung wurde ihr antimuslimischer Rassismus sehr deutlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sowohl in der schriftlichen Stellungnahme wie auch in der Sachverständigenanhörung wurde dem Gesetzentwurf attestiert: maximale Irrelevanz. Weder beim Städte- und Gemeindetag noch beim Landkreistag sind Fälle bekannt, in denen das Tragen eines Kopftuches irgendwo in Sachsen zu einem Problem in Kitas oder Schulen geführt hätte.
Ferner wurde in der Anhörung aber noch viel mehr deutlich: Der Gesetzentwurf ist verfassungswidrig. Er verstößt gegen die Religionsfreiheit, die im Grundgesetz, aber eben auch in der Kinderrechtskonvention normiert ist. Er verstößt weiterhin gegen das staatliche Neutralitätsgebot, weil die AfD selbstredend nur mit dem islamischen Kopftuch ein Problem hat, nicht aber mit anderen Kopfbedeckungen oder religiösen Symbolen.
Der Gesetzentwurf ist schließlich auch offen diskriminierend, da ausschließlich weibliche Angehörige ausschließlich einer Religion betroffen sind, nämlich Muslima. Nun sind Irrelevanz und Verfassungswidrigkeit bereits gute Gründe, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Aber ich möchte noch auf einen anderen Aspekt eingehen, der meines Erachtens bisher unterbelichtet wurde.
Für uns BÜNDNISGRÜNE ist ein Kopftuch dort problematisch, wo es Ergebnis von Zwang ist. Es steht völlig außer Frage: Die Entscheidung darüber, ein Kopftuch zu tragen, obliegt der Frau und zwar nur ihr. Diese Entscheidung findet aber – wie alle Entscheidungen, gerade auch von jungen Menschen – in einem Kontext statt; hier vor allem in einem familiären Kontext.
In einem Gutachten von Prof. Khorchide in NRW heißt es so zum Beispiel: „Die Vorstellung, jeder könne sich in seiner Biografie seine Religion frei auswählen, geht an der Realität vorbei. Ein jedes Kind wird in eine Familie und damit in eine religiöse oder areligiöse Umwelt hineingeboren und ist den Einflüssen der Eltern ausgesetzt.“ Mit einem Kopftuchverbot wird der Druck einseitig auf die muslimischen Mädchen verlagert. Entweder verstoßen sie gegen ein gesetzliches Verbot oder sie geraten auf der anderen Seite in Konflikt mit der Familie, dem eigenen Glauben oder dem Gewissen.
In dem genannten Gutachten heißt es weiter: „Die zentrale Herausforderung bleibt: einerseits, die religiöse Grundierung der Persönlichkeit des Kindes zu akzeptieren, die durch die Einbettung in eine Religionsgemeinschaft entstehende Geborgenheitsgefühle zu fördern und zu respektieren und andererseits, die Wahl- und Alternativmöglichkeiten für die Zukunft offen zu halten, die sich durch eine enge Auslegung der religiösen Gemeinschaft zwangsweise ergeben. Dies ist staatlicherseits nur schwer vorgebbar. Sie muss im Einzelfall der Abwägung der Interessen stets neu ausgehandelt werden.“
Aus unserer Überzeugung ist ein Kopftuchverbot deshalb der völlig falsche Weg. Wichtiger und viel zielführender ist
aus unserer Sicht das Empowerment der Mädchen bzw. der jungen Frauen und auch ihrer Eltern, damit sie sich selbstbestimmt für oder eben auch gegen eine Religion entscheiden können.
Vorschriften des Staates zu religiösen Bekleidungsvorschriften verbieten sich aus unserer Sicht. Wir werden Ihren Gesetzentwurf daher ablehnen.
Das war Christin Melcher für die BÜNDNISGRÜNEN. Für die SPD-Fraktion spricht nun Hanka Kliese; bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Generationen von Schülerinnen und Schülern wurden im Englischunterricht über Jahrzehnte mit folgender Aufgabe malträtiert: Diskutieren Sie das Pro und Kontra von Schuluniformen. Wer auch diesen Aufsatz schreiben durfte, weiß um den intellektuellen Anspruch dieser Aufgabe und die damit einhergehende geistige Verödung.
Ganz ähnlich ergeht es uns hier im Parlament durch die Anträge der AfD. Ob Gendersprache oder Kopftuch: Die Verbotsfantasien der Rechtsextremen werden monatlich im Plenarsaal wiedergekäut, um die Social-Media-Kanäle zu befüllen und Feindbilder zu verbreiten.
Wie wir nicht erst seit der unterirdischen Diskussion zum Gleichstellungsgesetz hier im Hause wissen, ist die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen dabei nicht der Kern Ihres Anliegens, sondern vielmehr das öffentliche Reproduzieren islamfeindlicher Ressentiments. Dabei stellt die AfD einmal mehr unter Beweis, wie sie es mit unserem Grundgesetz hält.
So berief sich die Abg. Schwietzer in einer der letzten Debatten zum Thema Kopftuchverbot in ihrer Begründung auch auf ein „ungeschriebenes Gesetz der Höflichkeit in Deutschland, dass das Tragen von Kopfbedeckungen in öffentlichen Gebäuden als Unsitte“ normiere. Das ist eben der Unterschied zwischen der AfD und den restlichen Parteien in diesem Haus: Sie halten sich an ungeschriebene, wir halten uns an geschriebene Gesetze.
In diesem Kontext ist eigentlich auch schon alles, was die rechtliche Dimension zum Kopftuchverbot angeht, von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt und in den letzten Jahren auch geurteilt worden. Dazu wurde alles ausgeführt.
Eine Ausnahme besteht – auch das hat meine Vorrednerin bereits ausgeführt; so wissen wir es aus einem hessischen Urteil –, wenn der Schulfrieden durch das Tragen des
Kopftuches gestört werde. Der Abg. Wendt hat dies in einer Kleinen Anfrage abgefragt. Ergebnis: Es liegen keine Vorkommnisse an sächsischen Schulen in Zusammenhang mit dem Schulfrieden, der gestört werde, und dem Tragen eines Kopftuches vor.
Wohl aber ist die Zahl der rassistisch motivierten Vorkommnisse in den vergangenen Jahren gestiegen, was Herr Wendt natürlich nicht abgefragt hat.
Lassen Sie uns doch statt einer Scheindebatte einmal über tatsächliche Probleme an sächsischen Schulen diskutieren. Das Problem heißt auch dort – nach wie vor – Rassismus, und Sie sind eine Hauptursache dafür.
(Beifall bei der SPD, den BÜNDNISGRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Doreen Schwietzer, AfD, steht am Mikrofon.)
Dann stelle ich die Frage vielleicht an alle Fraktionen als Kurzintervention. Ich möchte gern zu dem Antrag Stellung nehmen – –
(Zuruf von den LINKEN: Eine Frage an alle geht nicht! – Sören Voigt, CDU: Herr Wiesner, wo ist denn Herr Zwerg? Das läuft nicht …! – Unruhe im Saal)