Protokoll der Sitzung vom 31.01.2024

(Beifall bei der CDU, den BÜNDNISGRÜNEN, der SPD und der Staatsregierung)

Das alles ist sehr konkret. Es ist etwa die BELCHEM GmbH in Freiberg, die in Mittelsachsen Hochleistungsfaserwerkstoffe herstellt. Die Produkte entstehen in eigener Forschung und Entwicklung für die Automobilindustrie, die Bahn und den Schiffbau. Mit der GRW-Förderung soll der Wettbewerbsvorsprung durch kontinuierliche Verbesserung und Neu- und Weiterentwicklung der Technologie gefestigt und ausgebaut werden. Mit dem Vorhaben werden 36 Arbeitsplätze gesichert und vier neue Arbeitsplätze geschaffen. Genau das wollen wir: Die kleinen Unternehmen sollen wachsen, größer werden. Auch dann bestehen Chancen auf mehr Tarifbindung und höhere Löhne für die Beschäftigten.

(Hans-Jürgen Zickler, AfD: Wir machen den Strom erstmal teurer!)

Die kleinen Unternehmen sollen Teil der Wertschöpfungsketten der großen Unternehmen werden und teilhaben an den neuen Industrien und Infrastrukturen. Auch das Handwerk wird hiervon überall profitieren. Wir werden die Neuansiedlungen daher auch so begleiten, dass diese als Motor der regionalen Wirtschaft wirken und Arbeitsplätze sichern werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land hat die Chance, Teil einer neuen europäischen Wachstumsregion zu werden, die von der energiereichen Nord- und Ostsee über Berlin und Sachsen bis Prag, Wien und Krakau reicht. Sachsen liegt im Zentrum. Mein Ziel ist es, dass wir zwischen Magdeburg, Leipzig, Chemnitz und Dresden eine neue Wachstumsbanane etablieren, in der die Chipindustrie und ihre Zulieferer, die chemische Industrie mit neuen Werkstoffen und Verfahren, der Bergbau und die Elektromobilität zusammenkommen, mit einer engen Verzahnung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

Wir haben alle Einzelteile beisammen. Wir müssen sie nur zusammenführen. Das ist unsere Chance für morgen, mitten in Europa. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Eisenbahnneubaustrecke Dresden – Prag so wichtig ist, mit ihrem Kernstück, einem 30 Kilometer langen, grenzüberschreitenden Tunnel; denn diese Bahnstrecke wird genau diesen Korridor verbinden.

An der sächsisch-tschechischen Grenze liegen große Lithiumvorkommen, das man etwa für die Batterieherstellung braucht. Dort werden wir den Abbau und ein neues Berggeschrey vorantreiben, und zwar in enger Abstimmung mit unseren tschechischen Freunden. Das ist ein wichtiges strategisches Industrieprojekt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vielen Neuansiedlungen verändern die Wahrnehmung Sachsens auch außerhalb Deutschlands. Im vergangenen Jahr war ich mit einer großen Wirtschaftsdelegation in Japan, Südkorea und Taiwan. Wir haben hautnah erlebt, dass die Unternehmen und die Politik dort mittlerweile genau wissen, wo Sachsen liegt und was wir können. Wir stehen für Europa. Auf uns wird geschaut, und darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jörg Markert, CDU)

Wir verfügen über Spitzenfachkräfte und innovative Forschung. Dies sind einige der Gründe dafür, dass sich die globalen Unternehmen hier ansiedeln. Wir sehen, wie die Zuliefererindustrie aufmerksam geworden ist. Wir haben heute die Chance, Produktionsprozesse der chemischen Industrie wieder zurück nach Deutschland zu holen: Prozesse, die man für die Herstellung von Halbleitern braucht, die es seit Jahrzehnten gar nicht mehr in Europa gibt und die sich in Großenhain, Pirna oder Chemnitz ansiedeln können. Ganz Sachsen wird davon profitieren.

Doch darauf müssen wir vorbereitet sein. Unser Expertenrat hat uns darauf hingewiesen: Durch die Wertschöpfungsketten entstehen neue Aufstiegs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Facharbeiter in unserem Land, auf die wir so lange gewartet haben. Dann werden auch die Durchschnittsgehälter in Sachsen steigen. Der Branchenverband Silicon Saxony prognostiziert bis zum Jahr 2030 100 000 Beschäftigte in der Digitalwirtschaft. Das sind 25 000 Beschäftigte mehr als heute, ein Wachstum von etwa 3 000 pro Jahr.

Die Investitionen nutzen dem ganzen Wirtschaftsstandort. Halbleiter sind quasi das Öl des 21. Jahrhunderts. Überall werden Chips benötigt:

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Zickler, AfD)

in Handys, Waschmaschinen, Autos oder Fernsehern. Mit den Investitionen von Infineon, TSMC, Bosch und GlobalFoundries werden Lieferketten für unsere heimische Industrie stabil und zuverlässig. Es muss einmal laut gesagt werden: Trotz manchen Anlasses zur Kritik sind wir der Bundesregierung dankbar. Diese wirklich großen Investitionen in Sachsen schultert nämlich die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Auch beim Thema Wasserstoff ist Sachsen vorn. Es ist bei vielen noch gar nicht angekommen, welche Chance hier für Sachsen besteht. Der Ausbau des Wasserstoffkernnetzes wird dazu führen, dass ab den Jahren 2026/2027 Wasserstoff von der Nord- und Ostsee nach Sachsen fließen wird. Und über Sachsen wird Deutschland an Südeuropa und die Ukraine angebunden. Das ist ein riesiger Vorteil im Wettbewerb der Regionen. Wir werden damit einige Jahre früher Wasserstoff bekommen als Bayern und BadenWürttemberg. Diesen Vorsprung heißt es für unsere Industrie zu nutzen.

Es ist die Chemie- und Stahlindustrie im Meißner Industriebogen, die sich zusammen mit uns für den Anschluss an das Wasserstoffkernnetz einsetzt. Wir unterstützen dies genauso wie den Anschluss der Region Chemnitz. Vor drei Wochen habe ich mich mit Kollegen Wolfram Günther und dem tschechischen Industrieminister Jozef Síkela über die Zusammenarbeit des Freistaates und der Tschechischen Republik beim Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur sowie den Einsatz von Wasserstoff ausgetauscht.

Wir haben die ganze Wertschöpfungskette Wasserstoff in Sachsen – mit allen Chancen für den Umbau unserer Industrie. Und wir haben bereits gelungene Beispiele, die zeigen, dass der Umbau gelingt. Die Firma Vitesco in Limbach-Oberfrohna hat in den vergangenen Jahrzehnten Dieseleinspritzpumpen produziert. Ursprünglich sollte das Werk im Jahr 2028 schließen. Doch nun werden die Beschäftigten in Zukunft Elektrolyseure für die Dresdner Firma Sunfire bauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschafts- und Industriepolitik dieser Staatsregierung hat als Ziel, Sicherheit im Wandel für alle herzustellen. Der Umbau soll den Menschen nützen. Damit wir auch in Zukunft gute Arbeit und sichere Arbeitsplätze haben. Damit wir Wertschöpfung in Sachsen sichern.

Dennoch sehe ich natürlich die Sorgen der Menschen und der Unternehmen. Die Bauwirtschaft, die gerade in der Krise steckt; energieintensive Betriebe, die unter den hohen Energiepreisen aufgrund des Angriffskriegs Russland auf die Ukraine leiden. Deshalb setze ich mich weiterhin für einen Industriestrompreis ein. Wir setzen uns für die Solarindustrie ein, damit diese in Europa, in Deutschland und in Sachsen eine Chance hat. Wir stehen seit Monaten in Gesprächen mit der Bundesregierung und der EU, um auf die Zerstörung des Solarmarktes durch massive chinesische Staatssubventionen zu reagieren. Wir unterstützen als Regierung im Freistaat Meyer Burger auf diesem Weg. Ich hoffe sehr, dass der Bundestag schnell die Schaffung zusätzlicher Resilienzauktionen und die Einführung von Resilienzboni über das EEG beschließt, damit europäische Solarmodelle eine faire Chance gegen die unfair hoch subventionierten chinesischen Produkte bekommen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den BÜNDNISGRÜNEN)

Unsere Koalition hat in den vielen Krisen der vergangenen Jahre immer wieder Unternehmen geholfen – und dies sehr oft erfolgreich. Danke auch an die Bundesregierung. Sachsen hat enorm von den Investitionen, von Hilfsprogrammen und Politik der Bundesregierung profitiert. Ich nenne einmal den Mindestlohn von 12 Euro. Der wird inzwischen als so selbstverständlich gesehen, dass so mancher Journalist bei diesem Part schon den Stift weglegt. Doch wie wäre heute die Lage der Beschäftigten ohne eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro? Von der Erhöhung des Mindestlohns im Oktober 2022 haben in Sachsen 314 000 Menschen profitiert. 314 000 Menschen!

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den BÜNDNISGRÜNEN – Beifall der Staatsministerin Petra Köpping)

Wir müssen dennoch weiter über höhere Löhne und gute Arbeitsbedingungen sprechen; denn das ist die erste Voraussetzung, um Arbeitskräfte zu binden, zu halten und zu gewinnen. Und viele Unternehmen reagieren hier auch darauf. Wir müssen das Potenzial in Sachsen heben. Wir brauchen eine gute Arbeitsmarkt-, Integrations-, Bildungs- und Sozialpolitik, etwa für Integrationsmaßnahmen und

Sprachkurse oder um Schulabbrecher aufzufangen. Mit TANDEM Sachsen haben wir zum Beispiel ein wirkungsvolles Instrument für die Arbeitsmarktintegration von oft alleinerziehenden Eltern und deren Kindern. Und wir haben erhebliche Fortschritte bei der Integration in Arbeit und Ausbildung gemacht.

Danke, liebe Petra Köpping, an dich und das Sozialministerium. Sie haben schnell die dringend notwendigen Integrationsstrukturen aufgebaut – und das alles gegen enorme Widerstände.

(Beifall bei der SPD und der Staatsministerin Petra Köpping)

Das sind die vielen kleinen Stellschrauben, die oft nicht tagelang in der Zeitung stehen, die wir aber brauchen. Wir haben im April vergangenen Jahres einen Pakt zur Gewinnung internationaler Fach- und Arbeitskräfte unterzeichnet, mit mehr als 20 Partnern aus Wirtschaft und Gewerkschaften, aus Wissenschaft, Verbänden und Kommunen und der sächsischen Landespolitik. Wir stärken als SMWA die berufliche Aus- und Weiterbildung über verschiedene Programme.

Und mit Kollegen Gemkow haben wir als Staatsregierung zusammen mit der Wissenschaft und Praxis die duale Hochschule auf den Weg gebracht. Auch das stärkt die berufliche Bildung, da man auch mit Oberschulabschluss und Ausbildung studieren kann. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den BÜNDNISGRÜNEN – Beifall der Staatsministerin Barbara Klepsch)

Klar ist: Es braucht weiterhin politische Unterstützung für den Umstieg auf neue Geschäftsmodelle und für die Absicherung im Übergang der Transformation. Die Automobilindustrie in Sachsen ist dafür ein gutes Beispiel. Mit den Volkswagen-Standorten in Zwickau, Chemnitz und Dresden, den Werken von Porsche und BMW in Leipzig sowie rund 780 Zulieferbetrieben ist die Automobilwirtschaft die größte Industriebranche bei uns. Gleichzeitig zeigt sich, wie kompliziert der Umstieg auf die Elektromobilität eben auch ist. Wir sehen auf der einen Seite Volkswagen. Hier verunsichern aktuell die zu geringen Nachfragen und die preiswertere Konkurrenz aus China deutsche Hersteller und ihre Beschäftigten. Gleichzeitig werden bei BMW in Leipzig neue Schichten aufgebaut; es werden neue Leute gebraucht und eingestellt. Es besteht hier ganz konkret die Sorge, dass Zulieferbetriebe genügend Arbeits- und Fachkräfte finden, um die höhere Produktion bei BMW mit ausreichend Komponenten versorgen zu können.

Das gute, vernetzte Miteinander der Akteure in Sachsen ist ein Standortvorteil. Wir wollen weiter, dass die Elektromobilität erfolgreich wird. Das Beispiel zeigt: Wir haben einen mehrjährigen Umbau vor uns, bei dem es aber auch gehörig ruckeln kann. Vielleicht erinnern sich manche an Qimonda. Diese Firma war Teil der Erfolgsgeschichte im Aufbau Ost. „Doch nun droht der Traum vom ‚Silicon Saxony‘ zu platzen“, lautete die Schlagzeile im Jahr 2009.

„Die Pleite des Chipherstellers Qimonda stürzt eine ganze Branche in die Krise.“

Heute wird Sachsen mit den neuen Investitionen zu den fünf größten Halbleiterstandorten der Welt gehören. Wer den Leuten nur Niedergangsgeschichten erzählt, wer den Leuten weismachen will, es könne alles so bleiben, wie es ist: Das sind Märchen – und zwar Schauermärchen.

(Beifall bei der SPD, den BÜNDNISGRÜNEN und der Staatsregierung)

Es ist eher so: Wir müssen vieles ändern, damit unser Wohlstand erhalten bleibt. Und wir müssen das mit klarem Kompass und innerer Haltung tun, damit Vertrauen und Sicherheit in den Wandel entstehen.

(Lachen bei der AfD)

Natürlich: Wenn es bei uns im Osten ruckelt, wird das gleich als Niedergang interpretiert. Vielen Menschen in Ostdeutschland steckt die Erfahrung der Neunzigerjahre noch in den Knochen. Unternehmen und Beschäftigte erwarten daher zu Recht, dass die politischen Rahmenbedingungen funktionieren. Es braucht stabile Rahmenbedingungen. Wenn Unternehmen in Digitalisierung,

Klimaneutralität und neue Produkte investieren, darf dies nicht an einem mangelnden Ausbau der Strom-, Wasserstoff- oder Breitbandnetze sowie erneuerbarer Energien und der Digitalisierung der Verwaltung oder zu viel Bürokratie scheitern.

Es braucht echte Entbürokratisierungsansätze im Bund und im Land, mit denen Verwaltungsprozesse, insbesondere für KMU, einfacher, transparenter und nachvollziehbarer werden. Wir müssen die zahllosen Berichte, Nachweise und Aufbewahrungspflichten auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen und verringern.

Es braucht den Bau von Wohnungen, Schulen und Kitas angesichts des massiven Wachstums mancher Branchen. Es braucht den Ausbau von Schiene und Bahn, damit die Großstädte entlang der Bahnlinien stärker an die Mittelstädte und den ländlichen Raum angebunden werden.

(Zuruf des Abg. Frank Peschel, AfD)

Es braucht eine starke soziale Infrastruktur, dass auch hier das Wachstum bei den Menschen ankommt. Wir brauchen einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. Das erwarten die Unternehmen auch. Und dafür müssen Mittel und die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bund und im Land bereitstehen.

(Zuruf des Abg. Norbert Mayer, AfD)

Ich war letzte Woche bei Feralpi in Riesa. Diese investieren gerade 220 Millionen Euro in ihr Werk. Die Geschäftsführung sagt ganz klar: Wir wollen klimaneutralen Stahl erzeugen. Aber natürlich belasten die Energiekosten das Unternehmen. Sie sind zwar froh, dass die Stromkosten aktuell deutlich gesenkt sind, aber sie brauchen das natürlich auch dauerhaft.

Sie verunsichert aber sicher auch etwas ganz anderes. Sie warnen davor, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Landkreis ausgebremst wird. Nein, Windräder und Solaranlagen gefallen nicht unbedingt jedem, aber wir brauchen sie. Es waren die energieintensiven Unternehmen vor Ort, die im Kreistag den lokalen Politikerinnen und Politikern die Notwendigkeit von erneuerbaren Energien deutlich machten, weil sonst der Standort gefährdet ist. Viele, die kritisch waren, haben deshalb letztendlich zugestimmt.

Anders die Rechtspopulisten. Ihnen sind wirtschaftspolitische Bedürfnisse egal, wenn es alternativ möglich ist, die Leute mit Pessimismus, Egoismus, Wut und Empörung zu spalten. Die Wirtschaft fördert den Ausbau, die AfD bekämpft diesen aus rein ideologischen Gründen. Die AfD will raus aus der EU. Damit stünde das sächsische Exportmodell unmittelbar vor dem Kollaps. Die Rechtspopulisten arbeiten nach dem Motto „Je schlechter es Sachsen geht, desto besser für die AfD“.

(Sebastian Wippel, AfD: Das stimmt ja so auch nicht! Fake News verbreiten Sie hier!)

Aber unser Motto als Staatsregierung ist: „Wir wollen, dass es Sachsen besser geht.“ Wir reden Sachsen nicht schlecht. Wir sehen seine Stärken und seine Zukunft.

(Beifall bei der SPD, des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE, und der Staatsregierung)

Doch um die Leute für den Weg zu gewinnen, muss bei allem – vor allem beim Ausbau erneuerbarer Energien – gelten: Machen, aber machbar und gerecht. Deshalb wird die Staatsregierung einen Gesetzesvorschlag auf den Weg bringen, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Leute vor Ort und die Kommunen von der Energiewende sehr profitieren können.