Protokoll der Sitzung vom 01.02.2024

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Debatte „Breitensport und Spitzensport – Sachsen zeigt, wie es geht“ erinnert eher an einen Werbe- oder Wahlkampfslogan. Doch das sei Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, gegönnt.

(Sören Voigt, CDU: Werbung für Sport!)

Ja, Prestigeprojekte wie die Rennschlitten- und Bobbahn in Altenberg – eine Strecke, die als eine der anspruchsvollsten und gefährlichsten der Welt gilt und am Wochenende 7 000 Besucher(innen) anzog – sind gut für die Region und sind gut für Sachsen. Doch auch diese Prestigeprojekte täuschen nicht über den Zustand der sächsischen Sportlandschaft hinweg. Für uns gehören der Freizeit- und Breitensport, der Leistungssport und die Nachwuchsförderung zusammen; denn es ist ganz logisch: Ohne Breitensport wäre kein Spitzensport möglich.

In der kommunalen Sportförderung haben jedoch der Breitensport und der Sport im Verein im Mittelpunkt zu stehen. Damit sind wir schon beim großen Elefanten im Raum: dem Investitionsstau in Milliardenhöhe in sächsischen Sportstätten. Dieser beläuft sich auf schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro. Marode Sportstätten, geschlossene Schwimmhallen oder Außensportanlagen, die seit Jahrzehnten keine Sanierung erleben durften, sind hierfür die besten Zeugen.

Ich sage Ihnen auch, wer die sächsische Sportlandschaft in Zeiten multipler Krisen aufrechterhalten hat: Das waren die Sportvereine selbst. Das waren umtriebige Vereinsaktive, engagierte Sportler(innen), Ehrenamtliche in allen Bereiche, ein Netzwerk aus städtischen Akteuren, Unternehmen sowie die Menschen vor Ort in den Kommunen und Kreisen.

Auch die Problemlagen der Vereine sind mittlerweile bekannt: Schwankungen der Mitgliederzahlen, Nachwuchsprobleme – insbesondere innerhalb der Vereinsstrukturen –, Belegungszeiten und Hallengebühren, und nun kommen auch noch die durch die Inflation gestiegenen Kosten für die Vereine hinzu. Die Hilferufe vonseiten der Kommunen und der Vereine sind uns zur Genüge bekannt. So erreichte den Ministerpräsidenten und auch Sie, Herr Innenminister Schuster, im Oktober letzten Jahres ein offener Brief vom Präsidenten des Kreissportbundes Zwickau, in dem er auf den Mangel an Sportstätten hingewiesen hat. Dabei hat er betont, dass nun ein kritischer Punkt für die Vereine erreicht ist. Die Forderung lautet, den Investitionsstau um jährlich mindestens 10 % abzubauen sowie eine deutliche Erhöhung der derzeitigen Förderquote zur finanziellen Entlastung aller Gemeinden und Kommunen zu beschließen.

Als LINKE sind wir überzeugt, dass wir dem nur mit einem Sonderinvestitionsprogramm Sport begegnen können; denn wir sprechen bei einem Investitionsstau von 1,5 Milliarden Euro nicht von Neubauten, sondern lediglich von der Instandhaltung der bestehenden Sportstätten. Daher benötigen wir ein solches Programm – und das am besten sofort.

(Beifall bei den LINKEN)

Ein weiteres Thema, das hier angesprochen gehört – obwohl Sie sich sicher eigentlich einen Applaus abholen wollten –, ist das Thema Inklusion. Um flächendeckende Barrierefreiheit an den Sportstätten zu erzielen, braucht es noch einen langen Weg. Eine Koordinierungsstelle in Sachsen, zum Beispiel beim Reha- und Behindertensportverband, wäre ein Anfang. Wir als LINKE sagen ganz klar: Inklusiv im Regelsport muss das gemeinsame Ziel sein.

(Beifall bei den LINKEN)

Auch bei den Themen Antidiskriminierung im Sport oder Sportunterricht muss die Staatsregierung deutlich mehr Engagement zeigen. So scheiden bis zum Jahr 2027 540 Sportlehrer(innen) aus diesem Beruf aus. Von den gekürzten Mitteln im Bereich Integration durch Sport möchte ich erst gar nicht anfangen.

Eines möchte ich Ihnen noch mitgeben, weil wir in diesem Jahr die EM vor der Tür haben: Solange es im Spitzensport für viele Sportarten – vor allem für den Breiten- und Schulsport – an Geld fehlt, solange die Rahmenbedingungen für die Vereine nicht stimmen, solange Inklusion und Integration durch Sport nicht engagierter vonseiten der Landesregierung betrieben werden, lehnen wir Großsportveranstaltungen ab – ob nun Olympia oder EM.

(Beifall bei den LINKEN)

Ganz nebenbei ein kleiner Hinweis: Durch eine Kleine Anfrage meines Bundestagskollegen André Hahn kam heraus, dass in keinem – in keinem! –

(Zuruf von der AfD: Doch! In einem!)

der zehn Stadien der diesjährigen Fußball-EM die Anzahl der geplanten Rollstuhlplätze den rechtlichen Vorgaben von einem Prozent der Besucher(innen)zahlen entspricht. – So viel zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen.

Ob nun in Altenberg oder anderswo: Sport verbindet und war schon immer auch politisch. Sport basiert auf gemeinsamen Werten; er beruht auf Frieden und auf der Gleichwertigkeit aller Menschen. Daher haben sich in ganz Sachsen Sportlerinnen und Sportler, Sportfunktionäre, Sporttreibende und auch viele Fußballfans organisiert und vor allem positioniert – zuletzt Dynamo Dresden. Ich appelliere in diesem Sinne an alle Vereine in diesem Land, ebenso starke Worte zu finden wie der nun scheidende Präsident der Eintracht, Peter Fischer, schon im Jahr 2017:

Wer die AfD wähle, eine Partei, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt, könne kein Mitglied in unserem Verein sein. Denn wenn jemand dem Verein beitrete, stimme er oder sie zu, die Werte der Frankfurter Eintracht zu beachten und zu leben:

(Holger Hentschel, AfD: So viel zu „Sport bildet“!)

Keine Diskriminierung, kein Rassismus und kein Antisemitismus.

In diesem Sinne: Sport frei!

(Beifall bei den LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Kollegin Tändler-Walenta. Nun ergreift für die BÜNDNISGRÜNEN Frau Kollegin Kummer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, was war das für ein Wochenende?

Letztes Wochenende bei der Rennrodel-WM in Altenberg konnten wir, also Sachsen, Erfolge feiern. Julia Taubitz aus unserem Freistaat hat zwei WM-Titel geholt. Die Bob- und Rennrodelbahn in Altenberg – Sie hörten es schon – ist eine der anspruchsvollsten auf der Welt und Austragungsort vieler nationaler und internationaler Wettbewerbe. Gleichzeitig fanden die 16. Landesjugendspiele in zehn Wintersportarten statt. Hierbei konnten junge Talente zeigen, was in ihnen steckt. Auch Julia Taubitz startete übrigens einmal bei den Landesjugendspielen.

Es waren 1 300 Teilnehmende, davon 1 000 Sportlerinnen und Sportler zwischen sechs und 15 Jahren. Im Biathlon waren es zum Beispiel 109 Biathletinnen und Biathleten, im Skispringen und in der Nordischen Kombination waren es sogar 120 Teilnehmende. Gerade finden in Thüringen die nationalen Special Olympics mit über 900 Sportlerinnen und Sportlern statt – mit großer sächsischer Beteiligung. Darauf können wir stolz sein! Sachsen muss sich nicht verstecken und kann sich zu Recht Sportland nennen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und des Staatsministers Armin Schuster)

Ausruhen dürfen wir uns auf diesem Erfolg jedoch nicht, sonst verschlafen wir wichtige Weichenstellungen, die bereits heute angegangen werden müssen. Wenn wir Spitzensport wollen, müssen wir den Breitensport unterstützen.

Kinder und Jugendliche brauchen Motivation, um Sport zu treiben. Das sind die Wurzeln und der Stamm, die den Leistungssport tragen. Verkümmern sie, verkümmert auch die Krone.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider hat die sportliche Bewegung im Alltag vieler Kinder und Jugendlicher keinen großen Stellenwert mehr; das beweist unter anderem eine aktuelle Studie der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig. Die Daten beziehen sich auf die Stadt- und Kreissportbünde. Die Studie ist aus dem Dezember und man kann aktuell nachvollziehen, dass vor allen Dingen im frühkindlichen Bereich die Bewegungsarmut enorm zugenommen hat.

Die Zahlen sind also beunruhigend und die Rechnung ist einfach: Weniger sportbegeisterte Kinder heißt letztendlich vielleicht weniger Nachwuchs für den Leistungssport.

Um Kinder zum Sport zu motivieren, brauchen sie Vorbilder. Damit meine ich nicht nur unsere Spitzensportlerinnen und Spitzensportler – die natürlich auch –, sondern Menschen, die aktiv Sport vor Ort machen, die motivieren, die aufmuntern und bestärken. Es braucht Angebote zum Ausprobieren. Es braucht Angebote, die das Selbstbewusstsein der Kinder stärken, wie Trainingslager oder Wettkämpfe. Das ist unter anderem die Aufgabe des organisierten Breitensports. Aber der hat genau an dieser Stelle auch mit erheblichen Problemen zu kämpfen; einige Dinge haben wir in der Aussprache bereits gehört.

Es gibt immer weniger Ehrenamtliche, die Vereine managen oder als Übungsleiter(innen), Trainer(innen) oder Schiedsrichter(innen) Verantwortung übernehmen. Außerdem hat neben der Coronapandemie auch die Energiepreiskrise viele Vereine in eine finanzielle Schieflage gebracht. Die Konsequenz: Angebote werden weniger und es können weniger Kinder und Jugendliche davon profitieren. Die aufwendigeren Dinge wie Trainings-Camps, bei denen auch noch Übernachtungen sowie Fahrt organisiert und bezahlt werden müssen, bei denen Ehrenamtliche ein ganzes Wochenende Zeit investieren müssen, fallen unter Umständen ganz aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen den Vereinen, wir müssen den Ehrenamtlichen hier unter die Arme greifen. Die Vereine dürfen ihre finanziellen Spielräume nicht verlieren. Viele Vereine sehen die Notwendigkeit, Energiekosten einzusparen, und setzen auf nachhaltige Lösungen. Und auch dabei müssen wir sie unterstützen. Sportförderung sollte vorrangig diese Investitionen belohnen.

Außerdem wollen wir – oder: sollten wir – Energieberatungen für Vereine anbieten. Ich freue mich – mein Kollege aus der CDU hat es vorhin angesprochen –, dass wir als Koalitionspartner mit der Bereitstellung von Mitteln für das Programm „Ehrenamt stärken im Sport“ bereits einen

Beitrag leisten konnten. Das Programm sollte daher unbedingt in der nächsten Legislaturperiode fortentwickelt und fortgeschrieben werden.

Um es mal landläufig zu sagen: Das Programm ist im Oktober an den Start gegangen und ging ab wie Schmidts Katze! Ebenfalls müssen in der nächsten Legislaturperiode die Themen Bildungsurlaub für Ehrenamtliche auch im Bereich Sport und generell Bildungsurlaub auf die Agenda.

Es gibt auch noch viele weitere Möglichkeiten zur Stärkung des Ehrenamts im Sport, über die wir diskutieren können, zum Beispiel die Steigerung der Attraktivität des Ehrenamtes für Frauen oder die Einstellung hauptamtlicher Mitarbeiter, die für mehrere Vereine verantwortlich sind und beispielsweise die Buchhaltung übernehmen. Auch über Folgendes muss diskutiert werden: die Anpassung von Gehältern von hauptamtlich Tätigen in der Sportstruktur. Wir haben dort einen Fachkräftemangel und auch die Sportstrukturen haben nun mit einer erhöhten, erheblichen Personalfluktuation zu kämpfen. Darüber müssen wir diskutieren.

Die Redezeit, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut, dann setze ich in der zweiten Rederunde fort. Vielen Dank erst einmal.

(Vereinzelt Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ja, sehr gut. Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE war das Frau Kollegin Kummer. Nun kommt Kollege Pallas für die SPD-Fraktion zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme hier aus Dresden, auch bei uns gibt es sehr viele Sportvereine.

Einen kenne ich ganz besonders gut: Es ist der Fußballverein Dresden Süd-West, dort hat mein Sohn bis vor ein paar Jahren gekickt.

Bis vor wenigen Jahren war die Anlage, zumindest bei den Gastmannschaften, nicht sonderlich beliebt. Fast trotzig mutet das Vereinsmotto an „Frischer Wind aus Südwest“. Und tatsächlich ist der Sportplatz ziemlich windig und zugig auf dem Berg gelegen, im Schatten einer Brauerei. Ziemlich lange waren die Umkleidekabinen und Duschen in kalten Containern. Spielerinnen und Spieler sind kurz vor dem Spiel rein, haben das Spiel absolviert und wollten schnell wieder weg.

Heute ist das anders: Die Sportanlage hat ein neues Sozialgebäude, einen schicken Kunstrasen – dafür haben sich viele Stadträtinnen und Stadträte in Dresden und auch Landtagsabgeordnete eingesetzt –, und es ist ein Ort geworden, an dem man gerne länger bleibt.

Das war letzten Sommer, beim 60-jährigen Vereinsjubiläum, gut zu erleben. Schon davor hatten die Ehrenamtlichen alles getan, um den Sportlerinnen und Sportlern ein

schönes Umfeld zu bieten. Heute fällt es ihnen leichter; dafür musste investiert werden.

Diese Rahmenbedingungen für den Breiten- und Spitzensport zu schaffen ist auch unser erster landespolitischer Auftrag; denn es gibt keinen Spitzensport ohne Breitensport. Es gibt keinen Breitensport ohne Ehrenamt und es gibt kein Ehrenamt ohne ordentliche Bedingungen. Diese müssen Menschen motivieren, sich zu engagieren, müssen ihnen Anerkennung für ihr Engagement zeigen und sie dabei unterstützen.

Wir können das Geld im Sporthaushalt nur einmal ausgeben – klar. Jedoch können wird das Geld so ausgeben, dass möglichst viele etwas davon haben. Das gilt auch für die Sportstätten im Freistaat, die von allen genutzt werden, seien es die schon angesprochenen Wintersportanlagen oder die Sportzentren, in denen auch die Breitensportvereine ihre Trainingslager bestreiten, zum Beispiel der Rabenberg. Dieses Sportzentrum kommt allen zu Gute, dem Breitensport und dem Leistungssport.