„Ausschließlich unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten im Spannungsfeld zwischen Ausstattung und hinreichender Auslastung sind Größenordnungen von 10 000 bis 12 000 Einwohnern ermittelt worden.“
Dabei ist man allerdings von einer voll ausgebildeten Verwaltungseinheit ausgegangen, wie sie das Land Sachsen-Anhalt anstrebt. Derartige Einheiten sind innerhalb der nach allgemeiner Erfahrung maximal zumutbaren Entfernung auf Gemeindeebene - 15 km Radius; Radius, nicht Durchmesser - landesweit möglich. „Möglich“ so steht es in dem Leitbild.
Bei einer gründlichen Abwägung aller Kriterien erschien es der Arbeitsgruppe jedoch sinnvoll, als untere Grenze für wirtschaftliche und funktionierende Einheiten eine Größenordnung von 5 000 Einwohnern zu akzeptieren. Tatsächlich haben wir in Sachsen-Anhalt 32 Verwaltungsgemeinschaften und sechs selbständige Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern.
„Eine Analyse des erforderlichen Personals in Kreisverwaltungen hat ergeben, daß für die vielfältigen Fachaufgaben ein bestimmter Personalstamm unabhängig von der Einwohnergröße vorgehalten werden muß. Das bedeutet, daß größere Kreise tendenziell kostengünstiger arbeiten können. Die Kostensprünge lassen eine Einwohnerzahl von 120 000 als empfehlenswert erscheinen.
Hinsichtlich der Stellung der Landkreise im Gesamtgefüge des staatlichen Aufbaus rechtfertigen die vorhandenen Bezirksregierungen insoweit überschaubare Kreisgrößen. Bei einer zentraleren staatlichen Organisation“
„müssen allerdings im Hinblick auf eine realistische Leitungsspanne Kreise mit einer Einwohnerzahl von bis zu 250 000 gebildet werden.“
Man stelle sich einmal vor, ich hätte das vorgeschlagen. Das stammt von der CDU. - Vier Seiten weiter heißt es dann:
„Ausgehend von einem angemessenen Verhältnis von Leistungsfähigkeit und Auslastung auf der einen Seite und von Kosten und Nutzen auf der anderen Seite sollten Landkreise mit einer Einwohnerzahl von möglichst 120 000 erreicht werden.“
Jetzt kommt wieder der auf der gemeindlichen Ebene vollzogene Fallrückzieher der CDU - ich zitiere -:
„Allerdings können im Einzelfall die nicht oder nur unvollständig quantifizierbaren Abwägungskriterien sehr wohl dazu führen,“
„daß auch Landkreise unter 120 000 Einwohnern hinzunehmen sind. Dabei sollte aber eine Unterschreitung der Grenze von 80 000 Einwohnern vermieden werden.“
Das Ergebnis ist allen bekannt: Derzeit haben sechs Landkreise weniger als 80 000 Einwohner und nur vier mehr als 120 000 Einwohner. Im Jahre 2010 - wir müssen auch in diesen Dimensionen denken und noch weiter - werden mindestens acht Landkreise weniger als 80 000 Einwohner zählen, womit wir uns immer mehr vom damaligen Leitbild entfernen und der Handlungsdruck noch größer wird.
Also, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, schimpfen Sie doch nicht, sondern freuen Sie sich, daß wir Ihre damalige Anregung mit berücksichtigt haben.
Unterstützen Sie uns, damit Ihre Vorstellungen von damals wenigstens zwölf Jahre später in Erfüllung gehen.
Daß Sie davon ausgehen, daß die von mir vorgeschlagene Kreisgebietsreform Realität werden wird, zeigt eine Pressenotiz des Kollegen Remmers, in der er sinngemäß eine zeitliche Abstimmung von Kreisgebiets-reform und Amtsgerichtsreform fordert.
- Ich glaube, das überrascht nur Sie. - Er wollte ursprünglich im Süden einen Großkreis mit mehr als 220 000 Einwohnern schaffen. Herausgekommen ist der Burgenlandkreis, damals auch Gurkenkreis genannt, mit 150 000 Einwohnern - leitbildgerecht, Herr Becker.
Außerdem hat Herr Becker keine Verwaltungsgemeinschaft gebildet, sondern nur Eingemeindungen vorgenommen; das ist auch schon häufiger diskutiert worden. Meine Frau fragte mich gestern abend, wie er das mit den Eingemeindungen gemacht hätte. Ich sagte ihr, daß er eine gute Leber gehabt haben muß.
Das von mir kritisierte Trägergemeindemodell hat er dementsprechend auch nicht angewandt. Leitbildgerecht, alles in allem vorbildlich, Herr Kollege Becker.
- Die freiwillige Phase haben wir jetzt auch! - Wo und wann passiert es schon einmal, daß ein Minister die Handlungen eines zugegebenermaßen sehr kompetenten Oppositionspolitikers so konsequent nachvollziehen will?
Herr Dr. Bergner, wenn Sie mein Leitbild so heftig kritisieren, dann distanzieren Sie sich damit als Fraktionsvorsitzender vom Leitbild Ihres damaligen Innenministers, also auch von Ihrem damaligen Innenminister. Da geht es mir besser: Mein Fraktionsvorsitzender steht eindeutig zu mir.
Meine Damen und Herren! So heftig die Reaktionen auf das Leitbild in der Öffentlichkeit auch sein mögen, ich sehe doch überwiegende Zustimmung zu der grundsätzlichen Feststellung, daß das Land Sachsen-Anhalt eine Reform der staatlichen Verwaltung und der kommunalen Strukturen benötigt. Es geht um ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt. Wir alle wissen, daß Verwaltung kein Selbstzweck ist, sondern auf allen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene, zuvorderst eine Serviceeinrichtung für die Menschen ist.
Das am 20. Dezember 1999 vorgestellte Leitbild ist ein abstraktes. Dies betrifft sowohl die kommunale Ebene als auch die Landesverwaltung. Wer mir vorwirft, daß die Aussagen zur Landesverwaltung zu unkonkret seien, dem kann ich nur antworten, daß dies genau den Aussagen zur kommunalen Ebene entspricht. Anders wäre es gewesen, wenn mein Leitbild zum Beispiel konkrete Karten zu neuen Kreisstrukturen beinhaltet hätte.
(Herr Dr. Bergner, CDU: Ach! - Herr Becker, CDU: Das habt ihr nur nicht angehängt, weil ihr gewußt habt - -)
- Herr Becker, Ihre Beziehungen zu meinem Haus sind nicht mehr so gut, um so etwas behaupten zu können.
Meine Damen und Herren! Außerdem gab es bisher so konkrete Aussagen zur Neustrukturierung der Landesverwaltung noch nicht, die lauten: Reduzierung der Anzahl der Ministerien um zwei, Halbierung der Anzahl der Landesämter, Reduzierung der Anzahl der Landesbehörden und Ortsinstanzen um ein Drittel, und dies alles bis zum Jahr 2005.
Die Vorstellungen zur kommunalen Ebene stellen kein abschließendes Konzept, kein Dogma dar, das im Verhältnis 1 : 1 übernommen werden kann. Bei der konkreten Umsetzung ist eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen, nicht nur fachliche Aspekte der Landesentwicklung, der Landesplanung und der Raumordnung. Vor Ort sind zusätzlich Aspekte der Historie, Verkehrsverbindungen, sozioökonomische Verflechtungen und anderes mehr zu beachten und abzuwägen. Schließlich haben wir eine Vielzahl von Diskussionen über andere Befindlichkeiten vor Ort zu führen. Über das Leitbild ist selbstverständlich auch politisch zu diskutieren.
Vor Ort ist man in der Diskussion zum Teil schon weiter, als es manche wahrhaben wollen. Vielerorts hat man im Grunde nur darauf gewartet, unsere Vorstellungen kennenzulernen, auch um zu sehen, ob diese mit den eigenen überstimmen.
Sehr weit in den Überlegungen ist man zum Beispiel in der Verwaltungsgemeinschaft Sülzetal, die nach den Vorstellungen der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort und der dort ansässigen Landespolitiker - ich nenne Herrn Dr. Daehre und Herrn Oleikie-witz in eine Einheitsgemeinde mit mehr als 11 000 Einwohnern umgewandelt werden soll.
Diese Gemeinde würde sich von den Toren der Stadt Magdeburg bis vor die Tore der allseits bekannten, wenn nicht gar bedeutenden Gemeinde Etgersleben erstrekken.
Wenn ich zu Hause aus dem Fenster schaue, könnte ich den Bürgern, also auch Ihnen, Herr Dr. Daehre, sogar zuwinken.
Der Zusammenschluß dieser Gemeinden wird zu einer Stärkung der Region führen. Die Gemeinden ergänzen sich gegenseitig. Einige Gemeinden haben florierende Gewerbegebiete. Auf der Zuschauertribüne sehe ich Herrn Wasserthal. In einer anderen Gemeinde befindet sich ein Naturschutzgebiet. Die nächste besitzt eine Badeanstalt. Durch die Bildung der Einheitsgemeinde ist man in der Lage, die Region gleichmäßig zu entwickeln. Darum muß es uns gehen.
Meine Damen und Herren! Zurück zum Allgemeinen. Die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde haben einen Anspruch darauf, daß die Verwaltung in der Lage ist, die Bedürfnisse, vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, zu erfüllen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn leistungsfähige und wirtschaftliche Strukturen vorhanden sind.
Unser politisches Ziel dabei kann nicht lauten: Reform um der Reform willen. Es muß uns vielmehr um Optimierungen gehen; wir müssen Lösungen finden, die uns auch vor dem Hintergrund von Kosteneinsparungen in die Lage versetzen, anfallende Aufgaben im Interesse der Bürger weiterhin ohne Qualitätsverluste zu erledigen.
In den Kommunen treffen die Einwohnerinnen und Einwohner unmittelbar mit der Verwaltung zusammen. Auch und gerade hier sind folglich Optimierungsüberlegungen anzustellen. Angesichts unseres Staatsaufbaus von unten nach oben müssen alle Überlegungen auf der Ortsebene beginnen. In diesem Zusammenhang möch-te ich an meinen Ministerkollegen Herrn Hardraht aus Sachsen erinnern, der dies genauso sieht und der auch so begonnen hat.
Wir dürfen aber nicht übersehen, daß es zwischen den verschiedenen Ebenen gegenseitige Abhängigkeiten gibt. Deshalb können Optimierungsüberlegungen nicht auf eine Ebene begrenzt bleiben; sie müssen gleichermaßen alle erfassen, sowohl die verschiedenen kommunalen als auch die staatlichen Ebenen. Die Betrachtung muß hierbei gleichzeitig erfolgen, da es, wie bereits gesagt, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten gibt.
Das Leitbild, über das seit dem 20. Dezember 1999 diskutiert wird, bewegt sich im Kontext dieser Überlegungen. Der Handlungsbedarf im kommunalen Bereich ergibt sich nach der Leitbilduntersuchung, die ich von März des letzten Jahres an durchführen ließ, aus mehreren Punkten, die sich natürlich zum Teil mit dem Reformbedarf auf Landesebene decken. Sie werden Ihnen allen bestens bekannt sein. Nur zur Unterstreichung will ich einige nochmals hervorheben: