Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Bei der Beratung dieser Vorlage im Ausschuß hätte die Regierung hinreichend Gelegenheit, sich zu den Inhalten der beabsichtigten Reform der Landesverwaltung zu äußern und die Argumente und auch die Gegenargumente der Betroffenen in die Bewertung einzubeziehen sowie die finanziellen Risiken und Lasten, aus berufenem Munde dargelegt, zu berücksichtigen. Denn es bestehen unseres Erachtens nirgendwo Zweifel an der Kompetenz des Landesrechnungshofes sowie des Steuerzahlerbundes.

Das Vorlagebegehren der Fraktion der CDU wird nicht als Vorlagepflicht des Innenministeriums gegenüber dem Ausschuß zu qualifizieren sein - das haben Sie eben auch gesagt -, da weder verfassungsrechtliche

noch einfachgesetzliche Vorlageregelungen vorhanden sind. Da sich das Konzept inhaltlich aber in einem völlig anderen Stadium als dem der arbeitsmäßigen Strukturierung befindet, dürfte mehr für die Vorlagepflicht gegenüber dem Ausschuß als dagegen sprechen. Auf ein Zurückhaltungsrecht kann sich das Innenministerium nicht berufen, weil die Arbeiten im Rahmen der Organisationsgewalt zwischenzeitlich ein Stadium erreicht haben, das erhebliche Auswirkungen zeitigt.

Entsprechend der Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz und damit ihrer Bindung an das Rechtsstaatsprinzip ist das Konzept dem installierten Fachausschuß auch aus rechtlichen Gründen ohne schuldhafte Verzögerung vorzulegen.

Für eine Vorlagepflicht sprechen darüber hinaus tatsächliche Gesichtspunkte. Nach dem Gebot der Logik muß vor einer kommunalen Gebietsreform deutlich und relativ klar nachvollziehbar die Reform der Landesverwaltung stehen. Diesbezüglich kann man zwar unterschiedlicher Meinung sein, aber das ist eben auch die unsere.

In diesem Bereich bewegt sich seitens der Landesregierung seit Jahren überhaupt nichts. Der Stillstand scheint, soweit man Presseberichten folgen kann und darf, nunmehr aber - man höre und staune! - überwunden. Es gibt dieses berühmte Tresorpapier. Allerdings ist offen, welches Arbeitspapier einschlägig sein soll, welches andere Arbeitspapier aufgehoben wird, welche Strukturen der Landesverwaltung einschlägig sein sollen und wie der Umbau der Landesverwaltung gestaltet werden soll.

Es ist also ein klares Wort des Ministerpräsidenten gefordert, und das, Herr Ministerpräsident Dr. Höppner, habe ich eben von Ihnen in dieser Form nicht gehört. Denn die Bevölkerung hat als Drittbetroffener einen Anspruch auf Klarheit. Die in der Landesverwaltung tätigen Amtsträger sollten aus Fürsorgegründen wissen, wie sich ihr weiterer dienstlicher Werdegang und auch der räumliche Einsatz gestalten.

Das Schweigen und Unterlassen der Landesregierung führt dazu, daß sich viele Ämter mit sich selbst beschäftigen, daß sie mit Gutachten und Zusatzgutachten die eigene Existenz rechtfertigen, daß sie meinen, Offensivkonzepte einbringen zu müssen, um nicht unterzugehen, daß sie also eine Blockadehaltung einnehmen, die die Vorhaben der Landesregierung auf der Grundlage der Organisationsgewalt unterläuft.

Rechtliche Gegenmaßnahmen werden erwogen. Der einstweilige Rechtsschutz soll ausgeschöpft werden. Abordnung, Versetzung, Umsetzung von Beamten könnten das inoffizielle Regierungsvorhaben rechtlich unterlaufen.

Die Landesregierung muß sich darüber klar werden, daß auch im Rahmen der Organisationsgewalt nicht befohlen und gehorcht wird. Viele Vorgaben, mögen sie auch noch so gut sein und sich förmlich aufdrängen, können durch die Rechtsweggarantie ad absurdum geführt werden.

Hieraus folgt für uns: Die Reform der Landesverwaltung ist mehr ein tatsächliches als ein rechtliches Problem. Auf alle Eventualitäten bereitet sich doch nur derjenige vor, der eine Lage nicht beurteilen kann. Die Landesregierung sollte daher im Interesse aller Betroffenen für Klarheit und vor allen Dingen auch für Wahrheit sorgen. Reformen sind zuallererst den Betroffenen nahezubringen, zu erläutern und zu vermitteln. Sobald diese Auf

arbeitung geleistet ist, können Reformen auch vollzogen werden. Rechtlicher Widerstand und rechtliche Blockaden, Herr Ministerpräsident, wären dann die Ausnahme.

Daher lautet unsere Forderung an die Landesregierung: Schaffen Sie zunächst Klarheit bei der Reform der Landesverwaltung und tätigen Sie anschließend eine kommunale Gebietsreform, beziehen Sie aber in alle Vorhaben die Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie bei der Gebietsreform die öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein.

Ich unterstütze nochmals den Antrag der CDU-Fraktion. Legen Sie unverzüglich das sogenannte Tresorpapier dem Ausschuß zur Mitberatung vor. Dann kann man das, denke ich, auch der Öffentlichkeit nahebringen. Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der DVU)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gallert. Bitte.

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Gegenstand der heutigen Debatte ist die Vorlage eines Papiers der Landesregierung, das laut Aussage des Abgeordneten Hoffmann dort in einem Tresor schlummert, im Kabinett keine Mehrheit bekommen hat und uns nun vorgelegt werden soll. Dies soll nach dem Antrag der CDU nun passieren. Hierzu wird es bei der PDS-Fraktion mehrheitlich Enthaltung geben.

Sicherlich hat dieser Panzerknackerantrag der CDU einen gewissen Charme, er könnte vielleicht sogar noch mit Akteneinsichtsrecht begründet werden; die Frage ist jedoch: Hilft er uns bei diesem Thema weiter?

(Herr Meinecke, SPD: Egon Olsen!)

Der Landtag braucht keine abgelehnte Kabinettsvorlage, die nicht einmal abgelehnt worden ist, weil offenbar nicht einmal eine Kabinettsvorlage zur Landesverwaltungsreform zustande gekommen ist. Der Landtag braucht ein von der Landesregierung ausgearbeitetes und meinetwegen dann angenommenes Konzept zur Reform der Landesebene, und zwar die Struktur- und die Funktionalreform betreffend.

(Zustimmung bei der PDS und bei der CDU)

Auf dieser Basis brauchen wir dann auch ein Landesorganisationsgesetz, das im Landtag diskutiert und verabschiedet wird. Wir brauchen in dieser Frage kein Stückwerk von einzelnen Ressorts, aus einzelnen Informationen und Meldungen, sondern wir brauchen sehr wohl ein Gesamtkonzept, das sich zumindest in groben Strukturen abzeichnen muß, und wir brauchen ein Verfahren, das die Einflußnahme des Parlaments sichert.

Das zentrale Problem scheint zur Zeit wohl zu sein, daß es kein gemeinsames Grundsatzpapier der Landesregierung zur Umgestaltung der Landesverwaltung bzw. zur Funktionalreform gibt. Das ist für uns ein reales Problem, weil in der Tat auf der Ebene der kommunalen Gebietsreform die Sache offensichtlich anders aussieht. In diesem Bereich gibt es ein sehr umfangreiches Konzept, es gibt eine Darlegung in der Öffentlichkeit, es gibt Verunsicherung en masse bei den Leuten, die dort beschäftigt sind.

(Zustimmung bei der PDS und bei der CDU)

Hier gibt es klare Zielstellungen seitens der Exekutive, das durchzusetzen, und Maßnahmen der Exekutive, das durchzusetzen, zum Beispiel indem man die Entschuldung hoch verschuldeter Kommunen an Fusionsvorhaben koppelt. Hier gibt es die, und im Bereich der Landesverwaltung gibt es die nicht,

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

unter anderem zum Beispiel mit der Begründung: Alles fließt.

(Herr Dr. Brachmann, SPD, lacht)

Richtig, alles fließt. Wir haben tatsächlich neue Informationstechnologien; wir haben möglicherweise in naher Zukunft total neue Aufgabenstrukturen in der öffentlichen Verwaltung, möglicherweise auch in der regionalen Strukturierung der öffentlichen Verwaltung, aber doch dann nicht nur auf Landesebene, sondern sehr wohl auch auf kommunaler Ebene.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Wo er recht hat, hat er recht!)

Wenn denn auf Landesebene alles fließt, warum fließt es denn in den Kommunen haargenau bis zur Grenze von 1 200 Einwohnern für eine Gemeinde, von 7 000 Einwohnern für eine Einheitsgemeinde und von 10 000 Einwohnern für eine Verwaltungsgemeinschaft?

(Zustimmung bei der PDS und bei der CDU)

Dabei stellt sich die Frage: Warum fließt dort nicht ebenso alles?

(Zuruf von Herrn Hoffmann, Magdeburg, SPD)

Ja, wir haben den Anspruch - der Innenminister hat es mehrfach erläutert -: Wir wollen Reformen aus einem Guß. - Richtig, das wollen wir. Der aktuelle Eindruck ist ein anderer. Der aktuelle Eindruck ist, daß unten gemanscht und oben gemauert wird.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS und bei der CDU)

Das ist praktisch das Problem, mit dem wir uns zur Zeit auseinandersetzen müssen.

Die konkreten Ziele einer kommunalen Gebietsreform leiten sich aus der Funktionalreform ab. Wenn die Funktionalreform nicht durchgeführt wird - das hat Herr Bergner beim letztenmal für mich nachvollziehbar gesagt -, was soll man machen? Wieso ist eine Kommune für etwas zu klein, wovon sie noch nicht weiß, ob sie es wirklich realisieren soll, sprich, ob sie diese Funktion wirklich übernehmen soll?

Wir werden in diesem Land nur eine politische Mehrheit für diese Reform in der kommunalen Struktur haben, wenn die Leute wissen, warum sie gemacht werden soll.

(Frau Ludewig, CDU: Genau!)

Dafür ist die Funktionalreform die Voraussetzung.

(Beifall bei der PDS und bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Jawohl! Richtig!)

Wir haben einen zeitweiligen Ausschuß, der sich mit diesen Dingen beschäftigen wird. Dieser zeitweilige Ausschuß wird sich sehr wohl auch mit der Struktur der Landesverwaltung beschäftigen, wird sehr wohl hierzu Vorschläge unterbreiten und wird darauf dringen, daß diese Dinge wirklich vonstatten gehen.

Abschließend will und kann ich nur sagen: Es ist in der PDS nicht anders als bei anderen Betroffenen in diesem Bereich. Es wird keine politische Akzeptanz der Kommunalstrukturreform geben, wenn nicht auch eine Landesverwaltungs- und Funktionalreform mit eben dieser politischen Akzeptanz zeitgleich umgesetzt wird.

Es geht hierbei um das Projekt an sich. Es geht nicht um PDS, SPD oder CDU. Es geht darum, ob sich Widerstände formen. Es geht darum, ob wir etwas nach vorn offen machen. Es geht darum, ob wir gemeinsam dieses Reformprojekt in Angriff nehmen. Oder es geht darum, ob wir uns gegenseitig blockieren. Das ist die große Gefahr. Das ist die große Chance. Unsere Forderung an die Landesregierung ist: Tun Sie das Ihrige dazu, daß es wirklich eine Reform aus einem Guß wird. Danke.

(Beifall bei der PDS und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Budde.

(Unruhe bei der CDU - Herr Webel, CDU: Oh, die Geheimwaffe!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um das Gesamtprojekt. Genau deshalb geht es nicht, daß in den Ausschüssen Arbeitsstände beraten werden.

Aber kommen wir zu dem Ursprung Ihres Antrags zurück, zu dem Punkt mit dem Tresor. Ich finde es ziemlich mutig von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, Papiere zu verlangen, die angeblich in einem Tresor liegen.

(Zuruf von Herrn Schomburg, CDU)