Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

(Beifall bei FDVP)

Frau Abgeordnete Wiechmann, Sie sollten sich persönlicher Beleidigungen enthalten. Darum würde ich bitten.

(Frau Wiechmann, FDVP: Das weise ich zurück, Herr Schaefer!)

- Das können Sie zurückweisen, aber ich bleibe dabei. Sie sollten keine persönlichen Beleidigungen hier aussprechen.

(Zurufe von der FDVP)

Ich erteile nunmehr dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Miksch das Wort. Bitte, Herr Miksch.

(Oh! bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie müssen Ihre Zwischenrufe noch lauter machen. Damit verdeutlichen Sie noch mehr Ihr demokratisches Verständnis.

Ich will bloß ganz kurz etwas bemerken. Herr Fikentscher hat vorhin von Demokratie und Toleranz gesprochen. Ich habe in den Landtagssitzungen mehrfach versucht, eine Zwischenfrage an Herrn Fikentscher zu stellen. Ich wurde immer abgewiesen. Das ist das erste Zeichen Ihrer Demokratie und Ihrer Toleranz.

Der PDS möchte ich sagen: Es soll den Anschein haben, daß dieser Verein vom Land, von Herrn Höppner oder von wem auch immer finanziert wird. In meinen Augen und auch in den Augen anderer ist das nur ein Ableger einer linksorientierten radikalen Jugendorganisation.

(Frau Budde, SPD: Was? Sie haben doch von Tuten und Blasen keine Ahnung!)

Weder in der Rede von Frau Ferchland noch in der Rede von Herrn Fikentscher wurde auf den Linksradikalismus eingegangen. Warum nicht? - Daß Sie darüber nicht reden wollen, erklärt sich dadurch, daß Sie sich selbst mit so etwas beschäftigen.

(Frau Budde, SPD: Wissen Sie überhaupt, wer Mitglied in diesem Verein ist? Der DGB, die Kir- che - sind das alles Linksradikale?)

50 linksradikale Jugendliche haben vor drei Wochen den Jugendklub -

(Frau Budde, SPD: Ich glaube kaum, daß die evangelische Kirche linksradikal ist!)

- Lassen Sie mich kurz zu Ende erzählen. Ich will Ihnen verdeutlichen, daß auch dort viel Ungerechtes passiert, wozu Sie - weder die SPD noch die PDS - nicht Stellung beziehen.

Vor drei Wochen überfielen 50 linksorientierte radikale Jugendliche den Jugendklub in Delitz am Berge. Das ist das erste Beispiel. Linke Jugendliche haben mein Wahlkreisbüro in Langeneichstädt mehrfach beschmiert. Linksorientierte Jugendliche haben ganze Häuserzüge in Halle beschmiert. Wenn ich durch die Stadt Halle fahre, dann lese ich linke Parolen und nicht rechte Parolen.

Anstatt das Geld diesem linken Verein in die Tasche zu schieben, sollte man das Geld nehmen, um den Jugendlichen eine Arbeitsstelle zu besorgen, so daß ihnen die Möglichkeit genommen wird, am Tag vor Lange-weile linksradikale Sprüche an die Hauswand zu schreiben. Das wäre gescheiter.

Ich gebe Ihnen den Rat: Denken Sie darüber nach, warum sich Jugendliche rechts oder links orientieren. Sie tun das aus Langeweile, weil sie keine Arbeit haben. Demzufolge wäre es sinnvoller gewesen, diese 1,3 Millionen DM für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu verwenden. Letztlich hängt unsere Laterne draußen. Das Förderjahr, zum Beispiel in Leuna, nach dem Schulabschluß reicht nicht aus. Nach diesem Jahr haben die Jugendlichen immer noch keine Lehrstelle und keine Ausbildung.

Sprechen Sie in Ihren Reden nicht immer nur über rechts, über rechts, sondern sprechen Sie auch über die Schandtaten der Linken. Wie ich bereits im vergangenen Jahr sagte: Nicht nur die Rechten sind immer die

Schlechten, sondern auch die Linken tun manchmal ganz schön stinken. - Danke.

Danke sehr. Meine Damen und Herren! Auch in dieser Angelegenheit werden keine Beschlüsse gefaßt.

Damit ist das zweite Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich muß eine Mitteilung machen. Es hat sich ergeben, daß eine Namensverwechslung stattgefunden hat. Es hat Herr Mertens Geburtstag und nicht Herr Montag.

Außerdem möchte ich Gäste begrüßen. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Großörner und Gäste der Landeszentrale für politische Bildung.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aussprache zu Großen Anfragen

Meine Damen und Herren! Gemäß § 23 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt, danach erhält die Landesregierung das Wort. Der Ältestenrat schlägt eine Debatte von 30 Minuten vor. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlußbemerkungen zu machen.

Ich rufe die erste Große Anfrage auf:

Umsetzung der Pflegeversicherung im Land Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der PDS - Drs. 3/1783

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/2034

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDVP fünf Minuten, SPD acht Minuten, DVU-FL fünf Minuten, CDU sechs Minuten und PDS sechs Minuten.

Ich erteile nunmehr der Fraktion der PDS das Wort. Bitte, Herr Dr. Eckert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Meldungen, die wir im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung seitens der Landesregierung offiziell erhalten, lassen eine ungebrochene Erfolgsstory vermuten. Es wird von zehntausenden pflegebedürftigen Menschen gesprochen, die Leistungen und Hilfe erhalten. Genauere Zahlen hat aber die Landesregierung scheinbar nicht. Vielleicht finden wir deshalb in der Antwort auf diese Frage keine Statistik. Es wird über investierte Mittel von über 880 Millionen DM in die Pflegeinfrastruktur, von 535 neuen ambulanten Pflegediensten gesprochen. Weitere positive Nachrichten sind in den einführenden Bemerkungen zur Antwort nachzulesen.

Natürlich ist die PDS-Fraktion froh darüber, daß viele pflegebedürftige Menschen, die vor 1994 nichts oder fast nichts bekamen, um ihre Pflege zu organisieren und durchzuführen, nun wenigstens eine kleine Hilfe erhalten. Man darf über diesem Fakt aber nicht vergessen, daß die ursprünglich verfolgten Ziele, wie die Befreiung von der Sozialhilfe, die Schaffung von vielen Arbeitsplätzen, eine neue Kultur des Pflegens, nur

durch Übergangsregelungen in der Finanzierung oder gar nicht erreicht worden sind und daß überall nur mühsam verdeckte Probleme bestehen.

Aus Zeitgründen kann ich aus der Fülle der offenen Fragen nur einige ausgewählte Problemkreise herausgreifen. Das erste Problem ist mit dem Begriff „Pflegeinfrastruktur“ zu umschreiben. 880 Millionen DM wurden im Bereich der Verbesserung der Pflegeinfrastruktur eingesetzt. Genauer muß es jedoch heißen, daß soviel Geld in den Heimbau floß, also ausschließlich für den Aufbau und die Zementierung einer zumindest in Westdeutschland als nicht zukunftsfähig erkannten Struktur verwendet worden ist.

In den ambulanten und teilstationären Bereich flossen dagegen keine oder nur marginale Mittel. Ich sage es noch genauer: Um 40 % der 20 000 heimaufsichtlich genehmigten Plätze neu zu schaffen oder zu sanieren, wurden diese 880 Millionen DM eingesetzt. Im Jahr 1998 wurden im ambulanten Bereich ca. 73 000 pflegebedürftige Menschen betreut. Für die Stärkung der pflegerischen Infrastruktur im ambulanten Bereich wurden über die Pflegeversicherung oder das Land keine Mittel bereitgestellt.

Das ist nicht nur ein krasses Mißverhältnis, sondern aus unserer Sicht auch der Hauptgrund, weshalb es seit einem Jahr bei der Mehrzahl der Heime wieder Wartelisten gibt.

Die gegenwärtige Pflegeinfrastruktur wird in abseh-barer Zeit nicht bezahlbar sein. Wenn die pauschalierte Übergangsfinanzierung in den Pflegestufen ausläuft - sie sollte ursprünglich schon ausgelaufen sein -, dann werden viele pflegebedürftige Menschen auch mit der Pflegeversicherung nicht in der Lage sein, aus eigenen Mitteln ihre Pflege zu bezahlen. Das heißt, daß es einen erheblichen Anstieg bei den Ausgaben der Sozialhilfe im Bereich ergänzende Hilfe zur Pflege geben wird.

Dabei hat die Landesregierung im Arbeitsmarkt- und Sozialbericht 1998/99 Grundprämissen und Grundorientierungen, nach denen man nur handeln müßte, richtig dargestellt. Zu diesem Problemkreis bleibt festzuhalten: Dieses Ziel ist mit der vorliegenden Investitions- und Förderpolitik nicht umzusetzen.

Der zweite Problemkreis betrifft die Verwendung der in der Sozialhilfe durch die Pflegeversicherung eingesparten Mittel sowie die sogenannte alte Last. Laut Pflegeversicherungsgesetz sollte eine Großteil der Mittel, die durch die Pflegeversicherung im Bereich der Sozialhilfe eingespart werden, zur Stärkung und Sicherung der Pflegeinfrastruktur verwendet werden.

Eine Aufstellung zeigt, daß die Einsparungen im Jahr 1997 162 Millionen DM und im Jahr 1998 gar 212 Millionen DM betrugen, aber die Landesregierung nur insgesamt ca. 100 Millionen DM als Komplementärfinanzierung zum Heimausbau aus Landesmitteln einsetzte. Hier gab und gibt es Mittel, um das Problem der alten Last einer tragfähigen Lösung zuzuführen. Was hierzu bisher passierte, ist ein Possenspiel.

Im Jahr 1998 waren 22 Millionen DM in den Haushalt eingestellt, die wegen einer fehlenden Richtlinie nicht abfließen konnten. Im Jahr 1999 waren noch Mittel in Höhe von 11,5 Millionen DM eingestellt. Als die Richtlinie endlich beschlossen wurde und vorlag, kam „rechtzeitig“ die Haushaltssperre, so daß die 11,5 Millionen DM ebenfalls nicht abfließen konnten. Für das Jahr 2000 existiert nun eine ordentliche Richtlinie, aber

in den Haushalt wurden keine Mittel eingestellt. Wer kann diese Handlungsweise als seriös bezeichnen?

(Herr Scharf, CDU: Wer hat denn dem Haushalt zugestimmt? - Zuruf von Frau Stange, CDU)

Diese Handlungsweise ist vor allem mit Blick auf die pflegebedürftigen Menschen in den Einrichtungen nicht hilfreich. Diese Menschen müssen bis zu 20 DM pro Platz und Tag mehr als Investitionsbeitrag entrichten. Das fördert weder eine Gleichbehandlung, noch dient es der Verbesserung der Wettbewerbssituation dieser Einrichtungen. Diesbezüglich besteht Handlungsbedarf.

Ein drittes Problem betrifft den Komplex der Pflegequalität. Aus den Antworten der Landesregierung ist ersichtlich, daß sie zu bestimmten Fragen der Pflegequalität und des Ankommens der Leistungen bei den pflegebedürftigen Menschen keine oder nur wenig konkrete Angaben machen kann.

Es ist erfreulich, daß die Heimpersonalverordnung im wesentlichen erfüllt wird. Weniger erfreulich ist, daß es keine Angaben zur sozialen Betreuung, zum Umfang der sozialen Betreuung und zu dem damit verbundenen Aufwand gibt. Es ist auch bedauerlich, daß zum Verwaltungsaufwand, der von der realen Pflegezeit abzuziehen ist, keine Ausführungen möglich sind.