Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

„Die PDS als Partei betreibt eine Politik der Verschuldung auf Teufel komm raus, um soziale Wohltaten zu verteilen.“

Haben Sie vergessen, Herr Hoffmann, - das will ich Sie fragen - wie die Absenkung der Nettokreditaufnahme in den letzten zwei Jahren zustande gekommen ist? Haben Sie das wirklich vergessen?

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Ich bitte Sie, unseren Antrag wohlwollend zu behandeln und ihm zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge SPD, DVU-FL, CDU, FDVP und PDS vereinbart worden. Als erstem erteile ich Herrn Minister Gerhards für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute haben wir lauter dicke, fette Themen, die die Finanzen betreffen, hintereinander auf der Tagesordnung. Vom Volumen her ist das jetzt zur Beratung anstehende Thema fast noch gravierender als die Themen Länderfinanzausgleich oder Solidarpakt, über die wir soeben beraten haben. Es wird uns auch ähnliche Schwierigkeiten machen. Da bin ich mir sicher.

Die Position der Landesregierung zum Steuersenkungsgesetz, wie es der Bundestag beschlossen hat und wie es jetzt im Vermittlungsausschuß beraten wird, ist eindeutig und im Bundesratsverfahren dokumentiert. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, aus den vom Land Sachsen-Anhalt im Finanzausschuß des Bundesrates mit gestellten Anträgen:

„Der Bundesrat“

- und damit auch die Landesregierung -

„unterstützt die mit dem Steuersenkungsgesetz verfolgten wirtschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung. Er begrüßt dabei insbesondere die Absicht, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken, Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu fördern und eine deutliche Steuerentlastung für Arbeitnehmer, Familien und Unternehmen zu bewirken. Der Bundesrat begrüßt auch, daß die Steuerentlastungen angemessen auf große wie auf kleine und mittlere Unternehmen und auf private Haushalte verteilt werden.

Die Länder“

- und damit auch Sachsen-Anhalt -

„erwarten aus dem Steuersenkungsgesetz positive Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum und dabei mittelfristig auch auf die öffentlichen Einnahmen.

Allerdings“

- auch das haben wir im Finanzausschuß des Bundesrates beschlossen -

„müssen die zu erwartenden Einnahmeausfälle für die Haushalte der Länder und Kommunen noch verkraftbar sein. Sie dürfen die Länder und Kommunen nicht zu Neuverschuldungen zwingen, die zu einer Überschreitung der verfassungsmäßigen Grenzen führen würden. In welchem Maße Steuerausfälle von den Ländern und Gemeinden in den Jahren nach 2001 verkraftbar sind, muß begleitend zu den weiteren Beratungen des Steuersenkungsgesetzes geprüft werden.“

Dazu will ich einige Aspekte nennen, die zur Verringerung der Haushaltsrisiken seinerzeit angemahnt worden sind und im gegenwärtigen Vermittlungsverfahren bereits erörtert und beraten werden. Durch engere Gesetzesfassungen müssen mißbräuchliche Gestaltungen und andere nicht gewollte Einnahmeausfälle möglichst ausgeschlossen werden. Weitere nicht mehr gerechtfertigte steuerliche Subventionen und Vergünstigungen müssen mit dem gleichzeitigen Effekt einer Steuervereinfachung abgebaut werden.

Darüber hinaus - so haben es die Länder auch mit den Stimmen von Sachsen-Anhalt bekräftigt - sehen wir die Notwendigkeit, aus steuersystematischer und

aus finanzpolitischer Sicht in einzelnen Punkten zu prüfen, ob das Gesetz noch geändert werden muß, ohne jedoch die Zielrichtung des Reformvorhabens aufzugeben.

Wir haben deshalb gebeten zu prüfen, ob der Gesamtkomplex der steuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen und Verlusten einschließlich der Abzugsfähigkeit der mit Beteiligungen im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben noch einmal geprüft werden kann. Insbesondere ist die Bundesregierung gebeten worden, auf eine angemessene Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen hinzuwirken.

Nach dem Gesetzentwurf in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung besteht die Gefahr, daß Unternehmen vorgesehene Vergünstigungen zweckentfremden und zur bloßen Steueroptimierung in Anspruch nehmen, die zusätzliche erhebliche Ausfälle zur Folge haben könnten. Auch die Gewerbesteueranrechnung kann in vielen Fällen zu einer Überkompensation führen.

Außerdem bestehen sogenannte steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Veräußerung von Beteiligungen, der Umstrukturierung von Unternehmen und der Option von Personenunternehmen zur Körperschaftsteuer.

Schließlich ist im weiteren Verfahren zu prüfen, ob die Absenkung der Kapitalertagsteuer auf Dividendenerträge in dem vorgesehenen Umfang bereits ab 2001 sachlich geboten ist. Es wird im übrigen zu prüfen sein, ob die Kapitalertragsteuer wie alle anderen Abzugssteuern, bei denen Aufkommens- und Anrechnungsort auseinanderfallen, zerlegt werden kann.

Die Landesregierung hat die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dieser Zielrichtung im Bundesrat unterstützt. Sie bemüht sich, im bereits angelaufenen Vermittlungsverfahren das Gesetz in diesem Sinne zu verändern. Die Beratungen auch auf der Ebene der Fachleute sind insoweit auf einem guten Weg. Es wird wohl zu erheblichen Veränderungen des Gesetzentwurfs in diesem Sinne kommen.

Herr Professor Trepte, man sollte nicht aus leisen Tönen schließen, daß wir schon auf dem Rückzug wären. Ich habe mich mehrfach recht deutlich in der Öffentlichkeit geäußert. Das war vor Beginn und zu Beginn des Verfahrens. Jetzt sind wir mitten in den Verhandlungen. Dabei ist es manchmal klüger, leise miteinander als laut übereinander zu reden. Damit ist jedoch kein Wechsel der Position verbunden.

Ich will im übrigen nicht verkennen, daß bislang die CDU/CSU-geführten Länder zusammen mit der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Forderungen erheben, die nicht nur auf völlig anderen systematischen Ausgangspositionen beruhen, sondern die das Steuerentlastungsvolumen noch einmal deutlich ausweiten wollen.

Die damit verbundenen weiteren Einnahmeausfälle im zweistelligen Milliardenbereich würden dem Land Sachsen-Anhalt wie anderen Ländern auch die Aufstellung verfassungskonformer Haushalte völlig unmöglich machen. Die Durchsetzung der Auffassung der Landesregierung, die notwendige systematische Neuorientierung umzusetzen und dennoch die Belastungen für das Land und seine Kommunen in einem vertretbaren Umfang zu halten, werden damit sehr erschwert. Die Landesregierung wird gleichwohl alles ihr Mögliche unter

nehmen, um ihre Ziele im weiteren Verfahren des Vermittlungsausschusses zu erreichen. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So viele die Finanzpolitik berührende Themen haben wir schon lange nicht mehr auf der Tagesordnung gehabt. Aber das zeigt nur, wieviel Bewegung in die finanz- und haushaltsrelevante Politik des Bundes durch Rot-Grün gekommen ist. Bewegung ist an sich vielfach etwas Positives.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Wenn wir nicht vom Untergehen reden!)

- Man muß immer sehen, wo es hingeht, und darauf achten, daß man das Schiff auch steuert, aber nicht auf den Eisberg hin. Das stimmt schon, Herr Professor Böhmer.

Im Zusammenhang mit dem Steuerentlastungspaket der Bundesregierung scheint es, daß die PDS und andere auch etwas anderes darin sehen. Deshalb möchte ich diesen Antrag ausführlicher behandeln. Ich möchte es vorwegnehmen: Meine Fraktion wird diesem Antrag nicht zustimmen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Der erste, rein formale Grund ist der Teil des Antrages, in dem die Landesregierung beauftragt werden soll, über die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses im Ausschuß für Finanzen zu berichten. Dies soll vor dem 14. Juli, also vor der Bundesratssitzung geschehen.

Zum einen ist im Finanzausschuß keine weitere Sondersitzung, die wir beantragen könnten, vorgesehen. Zum anderen ist es nach dem jetzigen Stand des Verfahrens fraglich, ob es im Vermittlungsausschuß am 14. Juli überhaupt zu einem Ergebnis kommen wird. Aber das, ist wie gesagt, ein formaler Grund.

Neben diesem gibt es auch inhaltliche Gründe für unsere Ablehnung. Das Steuersenkungsgesetz - damit meint die PDS unzweifelhaft den Teil der Unternehmenssteuerreform - ist ein Teil des steuerlichen Gesamtpaketes der Bundesregierung. Es dient der dauerhaften Sanierung der Bundesfinanzen.

Wenn ich betone, daß sowohl das bereits wirksame Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 als auch das Familienentlastungsgesetz ein Teil des Gesamtpakets sind, dann will ich damit sagen, daß dies alles auch im Gesamtkontext zu betrachten ist. Jeder Eingriff an einer Stelle des gesamten Systems zieht unweigerlich auch Konsequenzen an der anderen Stelle nach sich.

Es gibt komplizierte Zusammenhänge, die sich an dieser Stelle nicht so schnell erklären lassen. Der Finanzminister und Herr Trepte haben versucht, es zu erläutern. Aber man muß intensiver darüber reden und das eine gegen das andere abwägen.

Abgesehen davon halten wir die Zielrichtung des Gesamtpaketes für grundsätzlich richtig. Es geht um mehr Steuergerechtigkeit, um mehr Wachstum, um mehr Beschäftigung.

Die Abgabenquote, das heißt die Belastung mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen im Verhältnis zum

Bruttoinlandsprodukt, ist in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich zu hoch. Sie betrug Anfang 1999 42 %, während die Belastungen in Großbritannien und in den USA mit 37 % bzw. mit 31,3 % deutlich darunter lagen. In Zeiten der Globalisierung der Wirtschaft kann man das nicht ignorieren. Das Ziel der rot-grünen Bundesregierung ist es, diese Abgabenquote bis zum Ende der Legislaturperiode auf unter 40 % abzusenken.

Meine Damen und Herren! Über die steuerliche Belastung der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich - darauf bezieht sich die PDS zum Teil in ihren Antragsbegründungen - gibt es seit langem eine kontroverse Diskussion. Unbestritten ist aber, daß die deutschen Grenzsteuersätze, europaweit gesehen, zu hoch sind. Das ist ein entscheidender Standortnachteil.

Multinationale Unternehmen orientieren sich bei ihrer Standort- und Investitionsentscheidung in erster Linie an den einfach festzustellenden nominalen Steuersätzen und weniger an der schwer meßbaren effektiven Steuerbelastung. Die Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb um attraktive steuerliche Standortbedingungen wird sich bei einer Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in jedem Fall verbessern.

Mit dem Steuerentlastungsgesetz werden erste Signale in diese Richtung gegeben. Der Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte sinkt in zwei Stufen auf 43 %, der Höchststeuersatz für nichtgewerbliche Einkünfte auf 48,5 %. Der Körperschaftsteuersatz beträgt seit dem 1. Januar 1999 nur noch 40 %, und er wird weiter sinken.

Ich möchte deshalb - auch aufgrund der Zeit - nicht weiter in die Details gehen und statt dessen bekräftigen, daß wir mit der grundsätzlichen Richtung der Steuerpolitik des Bundes übereinstimmen. Über Detailfragen können wir sicherlich später sprechen.

In dem Antrag der PDS geht es neben inhaltlichen Einzelforderungen zur zukünftigen Unternehmensbesteuerung auch um die Forderung nach Ausgleich der zu erwartenden Steuermindereinnahmen im Landeshaushalt. Diese Forderung hat auf den ersten Blick sicherlich unwiderstehlichen Charme.

Die Steuerzahler - damit meine ich sowohl die Unternehmer als auch die Arbeitnehmer - werden steuerlich entlastet. Davon profitieren in der Folgezeit in Form einer steigenden Konsumtion und einer beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere die kommunalen und die Landeshaushalte. Die Last aber, die anfänglich unumstritten vorhandenen steuerlichen Verluste, soll der Bund allein tragen.

Das kann natürlich nicht funktionieren. Das wissen alle hier, auch Sie, Herr Professor Trepte. Das würde aus bundespolitischer Sicht auch keinen Sinn machen, weil es dem Ziel der Sanierung der Bundesfinanzen zuwiderliefe.

Aber ich weiß schon, was die PDS im Vorder- und Hinterkopf hat. Da stehen mehrere hundert Millionen Mark. Sie redeten von 300, 400 Millionen DM. Wir und der Finanzminister reden zum Teil von wesentlich größeren Summen.