Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Wir schlagen Ihnen nun zur Weiterentwicklung dieses Nationalparkes mit dem Gesetz folgendes vor:

erstens die Anpassung des Schutzrechtes an die Grundpositionen der europäischen Naturschutzkategorien;

zweitens die Herausnahme eines Teiles aus dem Gebiet, um der Gemeinde Schierke eine touristische Entwicklung zu ermöglichen - im Gegenzug dazu soll der Nationalpark um ca. 3 000 ha in Richtung Eckertal und Ilsenburg erweitert werden -;

drittens eine Regelung der Nutzung auf der Brockenkuppe, die aus meiner Sicht den Anforderungen an den Nationalpark und an die touristischen Nutzungen Rechnung trägt;

viertens eine Verbesserung der Verwaltungsqualität und der Vollzugsmöglichkeiten durch die Zusammenfassung der Zuständigkeiten der oberen und unteren Naturschutzbehörde für das Gebiet und die Schaffung von bisher nicht vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten;

fünftens die Einbeziehung aller Interessen durch die Bildung eines Beirates.

Lassen Sie mich zu den einzelnen Konflikten, die sich im Vorfeld und bei der Anhörung zu dem Entwurf noch einmal deutlich gezeigt haben, folgendes anmerken:

Die Herausnahme des Kleinen Winterberges zugunsten der Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde Schierke stößt erwartungsgemäß bei den Umweltverbänden und auch beim Bundesumweltministerium, mit dem wir uns ins Benehmen zu setzen hatten, nicht auf Zustimmung. Sie wird aber von dieser Seite nicht beklagt werden, weil die Entwicklungsnotwendigkeit der Gemeinde Schierke durchaus nicht geleugnet wird.

Es handelt sich bei dem herauszunehmenden Gebiet immerhin um ein Gebiet, das zu den montanen Höhenlagen des Harzes gehört und das potentiell wertvoll ist. Die Landesregierung hält diesen Schritt aber für verantwortbar auch im Hinblick darauf, daß der Nationalpark in anderer Richtung, wenn auch nicht in der gleichen Höhenlage, wesentlich erweitert wird.

Ich möchte allerdings in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Planungen der Gemeinde Schierke dem Umstand, daß es sich nach der Herauslösung aus dem Nationalpark um das unmittelbare Angrenzen an ein FFH-Gebiet handelt, Rechnung tragen müssen.

Auf der anderen Seite möchte ich auf die Erweiterung eingehen. Es gibt Befürchtungen in Ilsenburg, daß durch die Erweiterung des Parkes dort Einschränkungen zu erwarten seien. Ich meine, wir müssen diese Bedenken ernst nehmen und im parlamentarischen Verfahren erörtern. Dabei geht es um die Betretungsrechte in der

Ortsrandlage, um die Skihütten und um Veranstaltungen wie den Brockenlauf.

Zu den Betretungsrechten will die Gemeinde noch einen Vorschlag unterbreiten, der in den Ausschußberatungen bewertet werden kann. Zu den Skihütten, meine ich, muß es eine konsensuale Lösung über eine Zeitschiene geben. Das gilt insbesondere für die Hütte in der Kernzone.

Schließlich geht es um den Brockenlauf. Ich habe Verständnis für diese Veranstaltung, halte es allerdings nicht für gerechtfertigt, daß ein Gesetz, eine abstrakte Norm eine einzige Veranstaltung privilegiert. Ich kann deshalb nicht verstehen, daß der Weg, die Nationalparkverwaltung als Mitveranstalter einzubeziehen, so daß der Brockenlauf genehmigungsfrei wird, nicht akzeptiert werden kann. Aber auch das wird im Gesetzgebungsverfahren sicherlich von Ihnen abzuwägen sein.

Zum Brocken: Sie werden mir zustimmen, daß die Entwicklung auf dem Brocken in den vergangenen Jahren sehr positiv verlaufen ist. Nach Abriß der militärischen Anlagen, dem Ausbau des Telekomturms und der Brockenmoschee, der Neugestaltung des Gipfels, der Anlegung des Brockengartens und des Rundwanderweges sind die Verhältnisse nunmehr geordnet. Es ist unbestritten, daß der Brocken ein Magnet für Besucher ist. Ich brauche das nicht weiter auszuführen.

Um so mehr ist es notwendig, die Interessen der Besucher und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Information, Verpflegung und Naturgenuß auf der einen Seite und die Anforderungen an einen Nationalpark auf der anderen Seite auszugleichen. Dazu trägt der Streit, ob rechtlich die Herauslösung der Brockenkuppe aus dem Nationalpark den Konflikt lösen würde, wenig bei.

Klar ist, daß zwei Millionen Besucher jährlich die Natur in der Umgebung beeinträchtigen können. Da die Natur um die Kuppe herum in jedem Fall FFH-Gebiet ist, muß auch die Nutzung der Kuppe die Auswirkungen auf die Natur, auf Flora und Fauna berücksichtigen. Es werden deshalb für die Kuppe besondere Regelungen eingeführt, die dem Schutzzweck Rechnung tragen.

Tagsüber ist die Bewirtschaftung möglich. Der Zugang erfolgt über die Wege und über die HSB. In den Abendstunden und in der Nacht sollte der Natur, insbesondere den Tieren, die Möglichkeit der Ruhe und der ungestörten Nahrungssuche gegeben werden. Es ist im übrigen ja auch so, daß das dem normalen Verhalten der Besucher entspricht; denn wenn der letzte Zug vom Brocken heruntergefahren ist, findet man nur noch wenige Wanderer dort oben.

Wir wissen allerdings auch, daß zu verschiedenen Anlässen nachts das Interesse am Berg sehr groß ist, zum Beispiel zur Walpurgisnacht oder zu Silvester. Dem trägt die Regelung der 15 nur anzuzeigenden Veranstaltungen Rechnung. Entgegen weitverbreiteter Auffassung ist dies keine Einschränkung gegenüber der jet-zigen Rechtslage, sondern eine Ausweitung; denn momentan ist jede Veranstaltung zu genehmigen. Es gibt allerdings die Tendenz, das zu ignorieren, was ich nicht für gut halte. Weitere Veranstaltungen über die 15 Veranstaltungen hinaus können auf Antrag genehmigt werden.

Von einigen Kritikern wird diese Regelung als wirtschaftsfeindlich eingestuft. Ich kann das in gar keiner Weise erkennen. Bereits bei der Planung war klar, daß das Brockenhotel an einem besonderen Ort auch

besonderen Rahmenbedingungen unterliegen muß. Ich finde, es macht gerade den Reiz aus, daß man sich dem Ort auf besondere Weise nähern oder sich von ihm auf besondere Weise entfernen muß. Die Übernachtungen selbst sind nicht störend für den Nationalpark, sondern der ungehinderte Zugang und der Abgang mit jedem Verkehrsmittel.

Ich halte die getroffenen Regelungen für fair und kann auf der anderen Seite nicht nachvollziehen, daß aus wirtschaftlichen Gründen ein besonderer Bedarf erzeugt werden soll, der, wie die Sonnenuntergangsfahrten der HSB zu Pfingsten zeigen, gar nicht besteht.

Hiermit komme ich zur juristischen Seite. Es wird eingewandt, das Nationalparkgesetz könne weder die Eisenbahnbetriebserlaubnis für die HSB noch die Gaststättenerlaubnis für den Brockenwirt einschränken. Ich halte das für rechtlich nicht zutreffend. Es gibt nach unserer Rechtsordnung keine absoluten Vermögensrechte, sondern sie stehen unter dem Grundsatz einer verfassungskonformen Interpretation, wenn ein anderes Gesetz sie überlagert. Hierbei sind Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Grundgesetzes genauso zu beachten wie Artikel 20 a, der den Umweltschutz als Staatsziel beschreibt.

Ich empfehle daher dem Aufsichtsrat der HSB, nicht rechtlich mit Muskeln zu spielen, sondern sich mit der Frage der betriebswirtschaftlichen Seite von Sonderfahrten zu befassen, die abends stattfinden. Denn von der Umweltseite werden die Regelungen, die wir mit dem Gesetz vorschlagen, als viel zu weitgehend und als dem Nationalparkgedanken abträglich kritisiert.

Ich setze daher im Rahmen der parlamentarischen Erörterung auf eine vernünftige Debatte der Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Interessen eines einzelnen gegenüber dem hohen Gut des Nationalparkstatus, der höchsten Kategorie des Naturschutzes überhaupt, zu bewerten sind. Im übrigen trägt der Vorwurf von zu starken Restriktionen nach meiner Auffassung nicht. Ausdrücklich wird die Fahrtroute von der Plessenburg nach Drei Annen-Hohne für Gasbusse eröffnet.

Der Zugang über die Brockenstraße steht für touristische Aktivitäten offen. Mit der Koppelung der Fahrzeiten der HSB an die Öffnungszeiten auf dem Brocken wird für die HSB quasi ein Monopol geschaffen. Außerdem ist der Zugang für die dienstlich dort tätigen Nutzer der Gebäude auf dem Brocken uneingeschränkt gewährleistet. Nach der Verabschiedung des Gesetzes sollte daher meines Erachtens mit dem Landkreis über den Status der Straße als öffentliche Straße geredet werden.

Meine Damen und Herren! Ich setze auf eine sachbezogene Erörterung und eine zügige Verabschiedung des Gesetzes in den Ausschüssen. Mit klaren Regelungen in bezug auf die Brockenkuppe, mit der Beseitigung von Einschränkungen für die Gemeinde Schierke und mit der Erweiterung wird der Nationalpark eine gute Entwicklung haben und noch mehr zum Markenzeichen für unser Land Sachsen-Anhalt werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank. - Im Ältestenrat ist zu diesem Tagesordnungspunkt eine Fünfminutendebatte vereinbart worden, und zwar in folgender Reihenfolge: FDVP-Fraktion, CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, DVU-FL-Fraktion und PDS-Fraktion. Die Wortmeldung der FDVP-Fraktion ist

zurückgezogen worden. Ich bitte jetzt die Abgeordnete Frau Wernicke, für die CDU-Fraktion das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, ist der Nationalpark Hochharz im Jahr 1990 durch den Ministerrat der DDR per Verordnung unter Schutz gestellt worden. Diese Verordnung hat in der Anfangszeit dazu beigetragen, den Nationalpark in der Region zu errichten, aber sie hat seit diesen Tagen immer wieder Kritik erfahren, weil Tatbestände nicht umfassend genug geregelt wurden. Deshalb soll sie nun durch ein Gesetz ersetzt werden.

Dem stimmen wir grundsätzlich zu. Auch dem Grundanliegen zum Schutz und zur Entwicklung dieses sensiblen Gebiets sowie zur Vereinfachung des Verwaltungsapparates stimmt die CDU zu. Doch, meine Damen und Herren, dieses Gesetz enthält Regelungen, welche in ihrer derzeitigen Formulierung zu restriktiv sind

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

und in ihrer teilweise auch wissenschaftlichen Formulierung nicht in ein Gesetz gehören.

(Zustimmung von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Ein Nationalpark, insbesondere einer, der so bekannt ist wie der Nationalpark Hochharz mit seinem Brocken, muß letztlich nicht durch harte Gesetze bestehen, sondern er muß vor allem von der Bevölkerung der Umgebung akzeptiert werden.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Es muß zum Selbstverständnis der Menschen werden, den Nationalpark zu schützen. Dann ist wirklich etwas erreicht worden. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten, kann dieses Gesetz nicht, wie es bei der Verordnung der Fall war, einfach übergestülpt werden. Der Nationalpark sollte auch wechselseitig für die Menschen im Nationalpark etwas tun.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Zum Beispiel sollte er zur Förderung der regionalen Entwicklung beitragen. Die Skepsis, ob die Region auch wirklich davon profitiert, scheint die Ursache dafür zu sein, daß die Akzeptanz der Menschen für den Nationalpark steigt, je größer die Entfernung zu ihm ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Auf einige Punkte, welche aus unserer Sicht kritikwürdig sind, möchte ich eingehen. Die Öffnungszeiten einer Gaststätte gehören nicht in ein Gesetz.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU, und von Frau Wiechmann, FDVP)

Für den Brockenwirt, egal ob er Müller, Meier oder Steinhoff heißt, der sein Geschäft ohnehin nach dem Wetter ausrichten muß, kann eine absolute Festschreibung im Gesetz nicht zuträglich sein. Wenn man das Gesetz wirklich streng umsetzt, dürfte sich kein Wanderer nach Gaststättenschluß vor seinem Abstieg noch einmal ausruhen. Daß aus solchen Dingen Frustrationen entstehen können, liegt auf der Hand. Akzeptanz ist dadurch nicht zu erwarten.

(Zustimmung bei der CDU)

Des weiteren hat die Landesregierung sich an keiner Stelle im Gesetz dazu positioniert, wie der Nationalpark zur Förderung der regionalen Entwicklung beitragen soll. Im Nachbarland Niedersachsen, Herr Minister, bekennt man sich eindeutig dazu. Insbesondere sollte die Nationalparkverwaltung im Rahmen des Schutzzweckes die Interessen der ortsansässigen Bevölkerung zur Sicherung und Entwicklung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Belange der gewerblichen Wirtschaft und des Fremdenverkehrs beachten.

Tatsache ist, daß jährlich zwei Millionen Menschen zu dem Anziehungspunkt des Nationalparks wandern. Dies ist nun einmal der Brocken. Die Menschen können nicht umhin, mit dem Nationalpark zu leben. Warum sollen sie sich nicht auch wirtschaftliche Effekte davon erwarten?

Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH ist ein weiterer Streitpunkt. Die CDU erkennt an, daß die Brockenbahn in einem besonders sensiblen Gebiet fährt und daß hier auch einige Regeln zu beachten sind. Dies ist selbstverständlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß meines Wissens die HSB, die im übrigen das einzige zugelassene Beförderungsmittel auf dem Brocken ist, eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis zur Personenbeförderung hat und somit auch einen Auftrag hat zu fahren.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Die HSB hat aus unserer Sicht in der Vergangenheit immer bewiesen, daß sie sich mit dem Nationalpark identifiziert, und hat ihren Fahrplan und auch die Sonderfahrten nicht über ein bestimmtes Maß hinaus ausgedehnt. Warum dann diese strengen Regelungen?

Herr Minister, eine Frage sei mir an dieser Stelle - obwohl Sie es verneint haben - doch gestattet: Hat die Landesregierung tatsächlich juristisch eindeutig geprüft und somit abgesichert, daß die HSB solche Einschränkungen hinnehmen muß?