Protokoll der Sitzung vom 23.06.2000

Das, was die Landesregierung geregelt wissen will, hätte sie auch im Rahmen einer echten Reform gestalten können. Redaktionelle Änderungen bedürfen keines Vorschaltgesetzes, was immer man darunter verstehen mag. Inhaltliche Veränderungen sind aber in diesem sogenannten Vorschaltgesetz kaum enthalten. Soweit sie geregelt sind, könnten sie auch im Rahmen einer echten Reform gestaltet werden. Es bedarf dazu nicht einer unendlichen Salamitaktik.

Der Änderung der Landkreisordnung widmet die Landesregierung immerhin dreiseitige Ausführungen. Auf den Punkt gebracht, ist auch hier Substantielles nicht zu erkennen.

Soweit die Landesregierung auf gewisse Probleme mit dem Bundesrecht hinweist, sollte ihr bekannt sein, daß immer dann, wenn Bundes- und Landesrecht miteinander kollidieren, Bundesrecht aus der Normenhierarchie heraus Vorrang vor dem Landesrecht hat. Mit Kompetenz in Kraft gesetztes Landesrecht, das mit Bundesrecht kollidiert, ist nach Artikel 31 des Grundgesetzes einfach unwirksam. In allen anderen Fällen ist das Landesrecht nichtig.

Schließlich mag die Landesregierung es den Bürgern erklären, wie über die Änderung des Kommunalwahlgesetzes ein Zusammenwachsen von Einheitsgemeinden überhaupt erfolgen soll. Das in Aussicht gestellte Zusammenwachsen von Einheitsgemeinden bedarf eben der Zeit. Diese Zeit aber haben die Gemeinden eben nicht; denn bei der Experimentierfreude der Landesregierung kann nicht einmal ein Samenkorn zum Sämling heranreifen.

Die Landesregierung mag daher zunächst eine umfassende Lagebeurteilung anstellen, die allgemeine und die besondere Lage der Gemeinden bewerten, einen Entschluß reifen lassen und schließlich einen Gesetzentwurf vorlegen, der es verdient hat, auch so genannt zu werden. Da die Landesregierung das Pferd von hinten aufzuzäumen beginnt, kann das Entwürfchen des Entwurfes nicht die Zustimmung der Fraktion der FDVP erhalten. Es ist abzulehnen.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Paschke. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bin mir nicht sicher, ob das Gesetz mit dem Begriff Vorschaltgesetz am besten betitelt ist. Ich finde es aber nicht instinktlos und bin der Meinung, daß das mit Abstand Instinktloseste heute hier im Haus von Herrn Wolf zu hören war.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Bevor ich auf das Vorschaltgesetz zu sprechen komme, gestatten Sie mir doch eine kurze Vorbemerkung.

Als im Dezember vergangenen Jahres im „Leitbild lang“ erstmals der Wille des Innenministeriums verkündet wurde, ein Vorschaltgesetz zur Kommunalreform einzubringen, ahnte wohl keiner von uns - nicht der Innenminister, nicht die Fraktionen, nicht die Landesregierung -, welcher Dynamik dieser Reformprozeß unterliegen würde.

(Frau Budde, SPD: Das ist wohl wahr!)

Viele, sehr viele von uns, jeder und jede haben dazugelernt, politisch und fachlich, und so manch einer hätte manch eine Aussage am liebsten sehr schnell wieder zurückgenommen und wäre zurückgerudert.

Wie stellt sich diese Dynamik dar? Zunächst sollte die Beteiligung des Parlaments darin bestehen, das Leitbild in einer Sitzung des Innenausschusses vorgestellt zu bekommen. Jetzt arbeitet ein zeitweiliger Ausschuß, im Mix zwischen Enquete-Kommission und Fachausschuß, mit eigener Positionsbestimmung.

Zunächst wollte die Landesregierung gesetzlich verbindliche Regelungen zur Funktionalreform und zur grundsätzlichen Verfaßtheit des Landesverwaltungsaufbaus dem Parlament überhaupt nicht zur Entscheidung in die Hand geben. Nun werden wir im Herbst einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen und sind eigentlich schon längst in einer intensiven Diskussion.

Zunächst waren die Fraktionen mit sehr differenzierten Positionen, ob und wie und unter welchen Voraussetzungen die Reform durchgeführt werden soll, hineingegangen. Jetzt haben wir den im Haus einstimmig gefaßten Beschluß in der Drs. 3/39/3064 B, der klärt, unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen dieser Prozeß abläuft.

Zunächst gab es in der kommunalen Ebene die berechtigte Position, die da oben sollten erst mal selbst anfangen. Nunmehr wird intensiver diskutiert und mit Spannung erwartet, ob die Landesregierung und das Parlament die Kraft haben, diesen Umgestaltungsprozeß so

zu gestalten, daß er die kommunale Strukturreform rechtfertigt.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist eben Ausdruck dieser Dynamik. Er geht zunächst in das Parlament als das, was er sein sollte: ein technokratisches Regelwerk, um über die Klippen der Wahlen zu kommen, etwa die Regelung zum Umgang mit den Funktionsträgern, oder um Risiken abzubauen, etwa die Regelung zum Investitionsstopp oder für zaghafte Ansätze des eigentlichen Leitbildes, etwa die Regelung zum Trägergemeindemodell, oder die Regelung, daß Verwaltungsgemeinschaften zukünftig statt 5 000 10 000 Einwohner haben müssen.

Aber auch in dieser Beziehung wird das Parlament das Gesetz in ganz anderer Qualität verabschieden. Es wird die Eckpunkte der kommunalen Modelle bestimmen und Zeiträume festlegen, beispielsweise in einem Teil 1 des Gesetzes, der „Grundsätze der kommunalen Zielplanung“ heißen könnte. Wir müssen dazu die Kraft entwickeln, oder wir müssen die Finger davon lassen. Das haben wir vor wenigen Wochen beschlossen.

Diese Eckpunkte und das erste Funktionalreformgesetz werden letztlich auch darüber entscheiden, welche grundsätzlichen Änderungen in dem uns vorliegenden Teil notwendig sind.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Im vorliegenden Entwurf ist in Artikel 2 die Änderung der Landkreise, insbesondere die Regelung der Freiwilligkeit des Zusammenschlusses von Landkreisen enthalten.

Ganz abgesehen davon, daß es bei dem Prozeß im Jahr 1994 gute Gründe gab, sich nicht dazu zu entschließen, daß die Landkreise selbst entscheiden und in eine freiwillige Phase gehen, stehen wir doch jetzt in einer ganz anderen Situation. Wenn wir mehrheitlich zu der Entscheidung kommen, daß der Landesaufbau den Grundsatz der Zweistufigkeit festschreibt, dann erhalten die Kreise ein ganz anderes landespolitisches Gewicht. Ist es da zu begründen, daß die Kreise jetzt in eine freiwillige Phase treten sollen?

Wir sind der Auffassung, daß zwar darüber diskutiert und es rechtlich geregelt werden muß, daß aber der Vollzug erst im Jahr 2004 einsetzen sollte. Um weitere Risiken zu vermeiden, könnte man in modifizierter Form mit einer ganz anderen Form von Freiwilligkeit auch in den Gemeinden umgehen.

Da meine Redezeit fast zu Ende ist, möchte ich darauf hinweisen, daß unsere bisherigen Arbeitspositionen, mit denen wir in die Diskussion gehen, im Internet auf unserer Web-Seite stehen. Wir sind dort intensiv in der Diskussion, wir haben also kein Panzerschrankpapier in irgendeiner Form.

Wir lehnen den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion aus einem Grunde ab: Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf in der Diskussion noch offen ist, viel offener, als es sich der Innenminister jemals vorgestellt hat, als er ihn eingebracht hat. Aber wir haben den Innenminister ernst genommen; denn er hat gesagt: Es ist ein offenes Papier. Wenn wir jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, dann haben wir einfach nicht die Zeit, um über die Positionen noch einmal ernsthaft nachzudenken und tatsächlich noch Änderungen vorzunehmen; denn für den Herbst ist tatsächlich der Endpunkt im Hinblick auf die Festlegung der kommunalen Struktur festgesetzt worden.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Wir sind auch der Auffassung, daß dieses Hohe Haus das Gesetz nicht verabschieden wird, bevor nicht die Grundzüge des anderen Gesetzes vorliegen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Frau Dr. Paschke, Herr Kollege Hoffmann hat Ihre Internet-Seite noch nicht gelesen und hat eine Frage. - Bitte schön.

Liebe Frau Kollegin, Sie hatten vorhin gesagt, Sie könnten sich einen Teil A vorstellen. Bezog sich das auch auf nähere Zahlen in Sachen Leitbild? Könnten Sie sich also vorstellen, daß Sie auch konkrete Zahlen, wie Sie im Leitbild stehen, was die Größenordnung der kommunalen Struktur anbelangt, in diesem Vorschaltgesetz mittragen könnten?

Es betrifft vor allen Dingen die Kreise - da sind wir nicht sehr weit auseinander -, und es betrifft die Modelle in bestimmten Formen. Da könnten wir uns das vorstellen, aber nicht im Verhältnis 1 : 1 zum Leitbild. Das steht dort auch drin. Wir haben dort auch noch andere Vorschläge unterbreitet, die in die Diskussion eingehen können. Im wesentlichen konzentrieren diese sich darauf, daß man die Verwaltungskraft herstellen und trotzdem die einzelnen Einheiten in verträglicherer Struktur gestalten kann, als es jetzt im Leitbild vorgeschrieben ist.

(Zustimmung bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen, und wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Es wurde eine Ausschußüberweisung beantragt, und zwar in folgende Ausschüsse: den zeitweiligen Ausschuß für die Verwaltungsreform, den Innenausschuß und den Ausschuß für Recht und Verfassung. Immer wenn ich von Geld reden höre, höre ich auch „Finanzausschuß“. Aber es hat niemand gesagt, und deswegen steht dieser Ausschuß nicht zur Diskussion.

(Frau Budde, SPD: Brauchen wir nicht!)

Da zur Federführung unterschiedliche Anträge gestellt worden sind, lasse ich erst über die Überweisung in die genannten drei Ausschüsse abstimmen. Wir müßten dann über die Federführung getrennt abstimmen. Zur Überweisung stehen an der Gesetzentwurf und der Entschließungsantrag zu diesem Gesetzentwurf. Wer stimmt der gemeinsamen Überweisung in die drei Ausschüsse zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung und sechs Gegenstimmen ist die Überweisung mit großer Mehrheit beschlossen worden.

Wir stimmen jetzt über den federführenden Ausschuß ab. Der erste Antrag war der Antrag von Herrn Jeziorsky, den Innenausschuß als federführenden Ausschuß zu benennen. Frau Budde hatte den zeitweiligen Ausschuß für die Verwaltungsreform als federführenden Ausschuß beantragt. Wenn der erste Ausschuß, der Innenausschuß, nicht die Mehrheit bekommt, wäre automatisch der zweite genannte Ausschuß federführend.

Wer stimmt dem Antrag zu, daß der Innenausschuß federführend beraten soll? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer größeren Zahl von Enthaltungen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden und damit der zeitweilige Ausschuß für Verwaltungsreform federführend. Damit ist die Beratung zum Tagesordnungspunkt 7 abgeschlossen.

Wie vereinbart, rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte auf, die wir gestern nicht geschafft haben. Ich darf noch einmal daran erinnern, meine Damen und Herren: Wenn nicht ausdrücklich Widerspruch eingelegt wird, werden wir auf eine Unterbrechung der Sitzung zur Mittagspause verzichten und das Programm abarbeiten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Zweite Beratung

Leitlinien zur Kulturpolitik des Landes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/2161

Änderungsantrag der Fraktion der DVU - Drs. 3/2202

Kulturrahmenplanung des Landes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2171

Landeskulturkonzept

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2173

Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien - Drs. 3/3260

Die erste Beratung fand in der 28. Sitzung des Landtages am 8. Oktober 1999 statt. Berichterstatter des Ausschusses ist der Abgeordnete Herr Gebhardt. Bitte schön, Herr Gebhardt.