Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Wiechmann, FDVP)

Aber wir haben nie bezweifelt, dass Steuerentlastungen und die Senkung der Staatsquote nötig sind und durch die Lafontaine-Blockade im Bundesrat viel zu lange verhindert wurden.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern werden wir also bei den Haushaltsberatungen kein Klagelied über Steuerausfälle anstimmen. Wir werden aber den Ministerpräsidenten fragen, was SachsenAnhalt beim großen Bestechungspoker im Bundesrat am 14. Juli von der Bundesregierung für seine Zustimmung zur Steuerreform bekommen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Wo, Herr Ministerpräsident, sind die 60 Millionen DM, die wir angeblich vom Bund bekommen sollten, denn eingestellt? Wir haben sie nicht gefunden.

(Herr Gürth, CDU: 60 Millionen DM nur? Das sind doch mehr! - Herr Scharf, CDU: Wo stehen sie denn?)

Meine Damen und Herren! Wir wollen aber vor allen Dingen wissen, wo der Ministerpräsident in der ordnungspolitischen Frage der Notwendigkeit von Steuerentlastungen steht, bei der PDS-Kritik oder bei der CDUPosition, dass die Senkung der Staatsquote und der damit verbundene Verzicht auf Steuereinnahmen für unsere Wirtschaft unerlässlich sind.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Die Äußerungen des Ministerpräsidenten zu dieser Frage sind jedenfalls höchst gegensätzlich. Zu Zeiten der CDU-F.D.P.-Bundesregierung galt ihm eine Senkung der Steuersätze als eine „Umverteilung von unten nach oben“, die die „Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer“ macht. Als Herr Eichel sein Steuerkonzept vorlegte, das über die Kapitalgesellschaften an die Reichen besondere Bonbons verteilt, erklärte der Ministerpräsident, dies sei „ein Segen für unser Land“.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Helmecke, FDVP)

Herr Ministerpräsident, wir hoffen, dass Ihre wechselnden Stellungnahmen nicht Ausdruck parteipolitischen Opportunismus, sondern ordnungspolitischer Einsicht sind; dann können wir uns nämlich tatsächlich zusammenfinden.

Wir hoffen vor allen Dingen, dass Sie unter dem Stichwort „Umverteilung von unten nach oben“ etwas ganz anderes einsehen, nämlich dass eine andere steuerpolitische Maßnahme die eigentliche Umverteilung von unten nach oben, die wirkliche soziale Schieflage, die unvertretbare Belastung für Einkommensschwache ausmacht. Das ist nicht die Senkung der Einkommensteuersätze, sondern die so genannte Ökosteuer, gegen die sich berechtigte Proteste erheben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Eine Verbrauchssteuer auf ein sich verteuerndes Gut des täglichen Bedarfs muss mit fatalen Verteilungswirkungen zulasten bestimmter Berufsgruppen des ländlichen Raums, kinderreicher Familien, Transfereinkommensbezieher und anderer verbunden sein. Wir appellieren deshalb an Sie, Herr Ministerpräsident, - Sie werden bald im Bundesrat Gelegenheit dazu haben - im Interesse unseres Landes und seiner Bürger: Treten Sie dieser steuerpolitischen Preistreiberei entgegen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP - Zustim- mung bei der DVU-FL)

Meine Damen und Herren! Weil wir die Haushaltsprobleme nicht dadurch lösen, dass wir auf steuerreformbedingte Einnahmeausfälle schimpfen, wie es möglicherweise die PDS tun wird, müssen wir uns bewusst werden, dass der Schlüssel zur Haushaltskonsolidierung vor allem in der Begrenzung der Personalkosten und damit beim Personalabbau liegt.

Welch skandalöse Versäumnisse mit einem nachweisbaren Schaden in der Regierungszeit der Regierung Höppner zustande gekommen sind, belegt der Umstand, dass wir in Sachsen-Anhalt nach wie vor und unverändert die höchste Beschäftigungsquote in der Landesverwaltung aller Bundesländer haben, obwohl wir inzwischen das am meisten verschuldete Land sind.

(Herr Gürth, CDU: Sechs Jahre verschenkt!)

Trotz wiederholter Beauftragung durch den Landtag - insofern, Herr Minister, verstehe ich Ihr Eigenlob in diesem Punkt sehr wenig - liegt bis heute kein schlüssiges Personalkonzept vor.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU - Zuruf von der CDU: Schweinerei!)

Der Regierungschef hat die Dimension dieses Problems offenbar noch immer nicht erkannt, denn er fällt von einer widersprüchlichen Aussage in die nächste. So geißelte er in seiner Rede am 30. Januar 1998 in Halle die Absicht der CDU, öffentliches Personal abzubauen,

und machte das Versprechen - ich zitiere, Herr Präsident -:

„Die SPD und nur die SPD ist in Sachsen-An- halt ein Garant dafür, dass die, die im Landesdienst arbeiten, wissen, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben.“

(Herr Gürth, CDU: Ein Schwindler!)

Wenig später lesen wir in einem Interview der „Volksstimme“ von demselben Ministerpräsidenten:

„Manchmal bewegen sich die Menschen nur, wenn Kündigung droht.“

(Herr Gürth, CDU: Oh! - Zuruf von Frau Werni- cke, CDU)

Meine Damen und Herren! Unter solchen Höppner’schen Meinungspendeleien kann niemand erwarten, dass die Landesregierung ein schlüssiges Konzept entwickelt, wie sie mit dem Personal umgehen muss. Insofern fehlt es an Entscheidungen,

(Herr Gürth, CDU: Peinlich!)

die längst überfällig sind, wie zahlreiche Fallbeispiele belegen. Als jüngstes Beispiel erwähne ich die Waldarbeiter. Seit die damalige Landwirtschaftsministerin Frau Wernicke im Jahr 1993 im Landtag um die Lösung des Problems gekämpft hat, ist bekannt, dass bei diesem Personalkörper etwas geschehen muss. Jedoch erfolgte in all den Jahren nicht eine einzige Festlegung.

Nun sollen ohne einen einzigen Stellenvermerk im Haushalt plötzlich 500 Entlassungen verfügt werden. Auffanglösungen erwiesen sich als europarechtlich nicht tragfähig. Es kann uns doch nicht verwundern, meine Damen und Herren, dass sich die Betroffenen unter diesen Bedingungen als Opfer eines Willküraktes fühlen.

(Herr Gürth, CDU: Genau!)

Dass sie, was ich am Runden Tisch - einige Kollegen waren dabei - erlebt habe, die Frage stellen, warum auf der einen Seite vorher bei 1 000 Hortnerinnen eine Arbeitsplatzgarantie festgeschrieben wurde und sie plötzlich von der Kündigung bedroht sein sollen, ist auch eine Frage, für die man in dieser Lage Verständnis haben muss.

Wir brauchen das Personalabbaukonzept nicht nur, weil wir Stellenvermerke an einer bestimmten Gruppe festsetzen wollen, sondern weil wir den Leuten auch deutlich machen müssen, dass es über alle Personalkörper und Behörden hinweg eine Gerechtigkeit im Umgang mit den Beschäftigten gibt. Das ist hierbei überhaupt nicht gegeben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Beifall bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Kürzlich stellte der Finanzminister fest, der vorgesehene Abbau von 13 000 Stellen könne im vorgesehenen Zeitrahmen nicht erfolgen, weil die Tarifverträge der Lehrer beachtet werden müssten. Herr Finanzminister, Sie haben heute eine Erklärung mit den Schülerzahlen nachgereicht.

Das sind alles Zahlen, die seit langem bekannt sind. Ich frage mich, warum haben Sie uns bei dem letzten Haushalt Zielzahlen vorgegaukelt, ohne diese Zahlen ausreichend zu berücksichtigen. Ich denke, es ist eine Brüskierung des Parlaments, dass seinerzeit die Zielzahlen für die mittelfristige Finanzplanung ausgegeben wurden

und diese noch am selben Abend durch Äußerungen des Finanzministers revidiert wurden.

(Zurufe von Herrn Scharf, CDU, und von Herrn Schulze, CDU)

Die Zielzahlen der Landesregierung für den Personalabbau sind so lange nicht ernst zu nehmen, solange sie nicht in verbindlich geltende Stellenpläne umgesetzt sind. Darauf warten wir seit Jahren.

(Zustimmung bei der CDU)

Es geht nicht nur um den gesteuerten Personalabbau. In unserer Großen Anfrage zur Polizei ist deutlich geworden, dass wir auch die Frage nach der Altersstruktur stellen müssen, um funktionsfähige Personalkörper zu erhalten

(Zuruf von Minister Herrn Gerhards)

und um nicht schlagartig vom Zustand der Überalterung in den Zustand des akuten Nachwuchsmangels zu fallen.

Die CDU-Fraktion wird die Umsetzung eines schlüssigen Personalkonzeptes auch aus der Opposition heraus unterstützen; denn dieses Problem, meine Damen und Herren, ist auch aus unserer Sicht zur finanzpolitischen Schicksalsfrage für unser Land geworden. Aber ein solches Konzept muss erst einmal vorliegen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Herr Finanzminister, es bereitet mir langsam Sorgen, dass Sie die Realisierung der Zahlen immer weiter hinausschieben und auf die demografischen Veränderungen warten. Sie werden die Probleme der Personalbewirtschaftung nicht durch die Hoffnung lösen können, dass die Leute immer älter werden und irgendwann in Pension gehen.

(Herr Becker, CDU: Das ist es!)

Dies ist keine geordnete Personalpolitik und würde von schwerem Schaden für unser Land sein.

(Beifall bei der CDU)