Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

ter die Forderung nach militärischem Eingreifen, und das unter deutscher Beteiligung, steht.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das haben wir im Koso- vo gemacht, oder nicht?)

Die PDS lehnt dieses Ansinnen aber nun einmal vor allem auch in dieser Undifferenziertheit ab. Der Schwerpunkt der PDS ist an dieser Stelle, dass immer - und davon ist kein Wort in diesem Antrag zu lesen - Maßnahmen zur zivilen Konfliktlösung ausgeschöpft werden müssen, bevor man auch nur über militärisches Eingreifen nachdenkt.

Zu Punkt 2 haben wir die grundlegendsten Bedenken. Wie schon so oft werden auch an dieser Stelle keinerlei Bedingungen formuliert und der historische Kontext ausgelassen. Es werden damit keine Lösungen vorgeschlagen und keine Forderungen für die Zukunft erhoben, sondern es wird wieder einmal die Frage nach hinten offen gehalten.

Sie wissen, dass sich die PDS Versuchen, die Ergebnisse der Nachkriegsordnung infrage zu stellen, stets widersetzt hat. Wir werden das auch heute nicht anders halten.

Das Recht auf Heimat in die Grundrechtscharta aufzunehmen mag ein berechtigtes Anliegen sein, aber die EU-Grundrechtscharta - es ist heute schon gesagt wurden - setzt Rahmenbedingungen, die, wenn sie überall durchgesetzt werden, dieses Recht auf Heimat garantieren können.

Gleichzeitig muss aber gesichert werden, dass der europäische Einigungsprozess nicht mit Forderungen, die Unruhe und Ängste in den osteuropäischen Nachbar- ländern der Bundesrepublik hervorrufen, belastet wird.

Zum Änderungsantrag der SPD. Ihn unterscheidet vom CDU-Antrag vor allem, dass er das Problem des Minderheitenschutzes und der Vertreibung nach vorn aufmacht und dass er die Rechte von Menschen in ganz Europa betont und nicht auf die Mitglieder der EU reduziert. Deshalb wird die PDS dem Änderungsantrag der SPD zustimmen und den so geänderten Antrag auch annehmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Schomburg noch einmal das Wort.

Herr Schomburg, CDU:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich im Wesentlichen auf die Abfassung des Antrags beschränken, wobei ich der Meinung bin, dass wir uns, denke ich, relativ friedlich auf einen gemeinsamen Text einigen können, ohne große Kampfabstimmungen darüber zu vollführen.

Zunächst einmal sind wir damit einverstanden, wenn wir Nr. 2 im Sinne der Intention des SPD-Antrages ändern, weil natürlich die vier Wochen Zeit, die seit der letzten Behandlung dieses Tagungsordnungspunktes vergangen sind, auch bei der Beratung der EU-Grundrechtscharta entscheidend waren und die Verabschiedung quasi vor der Tür steht. Insofern hat uns an dieser Stelle die Zeit überholt und die im Antrag aufgemachten Forde

rungen sind nicht umsetzbar. Insofern stimmen wir einer Änderung unseres Antrages in Nr. 2 zu.

Was die einzelnen Absätze angeht, die im CDU-Antrag enthalten sind, so halten wir doch an diesen fest. Wir erleben es jetzt im ehemaligen Jugoslawien, dass wir, das heißt die Europäische Gemeinschaft, ab und zu Einzelner habhaft werden, die in den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan schweres Unrecht auf sich geladen haben. Ich meine nicht den einfachen Soldaten, sondern Verantwortliche von Internierungslagern oder Befehlshaber von Einheiten, die Menschen umgebracht haben, die vergewaltigt haben, und damit sind Namen wie Karadzic und Milosevic verbunden.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

Ich weiß, in Den Haag werden Strafrechtsverfahren nach einem Recht verfolgt, das sich mir in der konkreten Ausformulierung entzieht, da ich die Kenntnisse im Moment nicht habe. Frau Ministerin Schubert hat auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes hingewiesen, dessen Verabschiedung unmittelbar bevorsteht. Insofern stehen wir bei diesem Prozess sicherlich vor einem wichtigen Schritt.

Ich denke aber, dass die Forderung in Absatz 2 des ersten Punktes aufrechtzuerhalten ist,

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

weil es in diesem Bereich sicherlich eine Fülle von Fällen gibt, die jetzt noch nicht erfasst sind. Auch hier müssen wir nach unserer Auffassung auf einer dynamischen Weiterentwicklung und Weiterbehandlung dieses Themas bestehen.

Zum dritten Absatz. Was haben wir denn im Kosovo erlebt? Mit einem relativ - ich sage: relativ - entschlossenen Handeln von Nato-Mitgliedstaaten ist es gelungen, die kriegerischen Auseinandersetzungen, die dort aus dem Ruder zu laufen drohten, doch noch relativ einzuengen.

Ich weiß auch, es sind viele Opfer zu beklagen gewesen und es ist sicherlich nicht alles so wunderbar gelaufen. Aber ich denke, hinter diese Haltung werden wir in der Zukunft nicht zurückgehen können, wenn es darum geht, - wir sprechen einmal für Europa - die Menschenrechte aufrechtzuerhalten und Menschenrechtsverletzungen zu ahnden.

Frau Dirlich, die Lehren aus der Vertreibung der Nachkriegszeit sind es eigentlich, die uns dazu ermutigt haben, uns diesen Punkt einmal vorzunehmen und ihn zu debattieren. Man könnte unter diesem Punkt auch über die Frage debattieren: Wie kann geschehenes Unrecht wiedergutgemacht werden? Ich habe die Debatte nicht auf diesen Punkt angelegt, sondern auf die Lehren für die Zukunft.

Mir ist bei meinen Nachforschungen, als ich den Beitrag vorbereitet habe, ein Artikel in die Hände geraten, in dem berichtet wurde, dass die führenden Vertreter der polnischen Exilregierung, die damals in London saß, und die Vertreter der polnischen Streitkräfte, die damals an der Seite der Alliierten gekämpft haben, sich gegen eine Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in dem Maßstab, wie es Stalin wollte, gewehrt haben. Sie wollten bestimmte zusätzliche Territorien haben, aber sie wollten nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile nicht in polnisches Staatsgebiet umwandeln, die schließlich doch in polnisches Staatsgebiet umgewandelt wurden. Erst aufgrund des massiven Drucks der Ro

ten Armee und auf Stalins Wunsch wurde dieses so vollzogen.

Wir dürfen nicht vergessen, Stalin verfolgte einen bestimmten Zweck. Er wollte das Nachkriegsdeutschland durch dieses Übermaß an Flüchtlingen, was dann nach Deutschland kam, wirtschaftlich, aber auch politisch destabilisieren. Das war sein politisches Ziel, das er damit verfolgte.

Dass dieses Ziel nicht erreicht wurde, ist allein den Heimatvertriebenen zu verdanken,

(Zustimmung bei der CDU)

die im Jahr 1950 durch ihre Charta jeglicher Form von Revanche und einem Zurückgehen in die Heimat, zumindest mit kriegerischen Mitteln, nicht zugestimmt haben, die sich durch eine beispielhafte Integrationsleistung in die Bevölkerung in Sachsen, Schwaben, auch in weiten Gebieten Norddeutschlands eingelebt haben. Dies war sicherlich nicht einfach, wenn man die verschiedenen Volksstämme in Deutschland mit ihren Befindlichkeiten gegenüber Andersdenkenden kennt.

Herr Kollege Schomburg, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich komme zum Ende. - Um diese Punkte zu erhalten, aber trotzdem der Intention der SPD-Fraktion zu folgen, schlage ich folgenden Weg vor: Könnten wir nicht über die Absätze der Nr. 1 und über die Nr. 2 des CDUAntrages abstimmen? Durch Ihr Abstimmungsverhalten könnten Sie dann Ihrer Intention folgen und wir könnten uns dann noch auf ein Ergebnis einigen. Wir sollten also über die drei Absätze der Nr. 1 einzeln abstimmen und über die Nr. 2 in der Fassung des Antrags der SPDFraktion.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Entschuldigung, Herr Schomburg, jetzt ist erst einmal Ihr Redebeitrag beendet. Sie haben einen Vorschlag gemacht. Es wird dann zu besprechen sein, wie man damit umgeht. Damit ist erst einmal die Debatte beendet.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Wir haben zwei Anträge vorliegen. Niemand hat eine Ausschussüberweisung vorgeschlagen, das heißt, wir stimmen jetzt über die Anträge ab. Zunächst müssen wir über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abstimmen.

Nur wenn die SPD-Fraktion von sich aus einwilligt, einen anderen Weg mitzugehen, bin ich auch bereit, dies zu tun. Dies müsste aber signalisiert werden. - Herr Kollege Fikentscher.

Herr Präsident, wenn Sie die Punkte einzeln zur Abstimmung stellen würden, dann käme heraus, dass unser erster Punkt die allgemeine Zustimmung findet. Nach dem, was ich von Herrn Kollegen Schomburg gehört habe, wird auch unser zweiter Punkt die Zustimmung bekommen. Damit wäre der zweite Punkt des CDU-Antrages praktisch zurückgezogen, sodass man über die beiden Absätze einzeln abstimmen müsste.

Dann werden wir dies mit Ihrem Einverständnis tun.

Damit sind wir einverstanden.

Danke. - Dann stimmen wir über den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion in der Drs. 3/3640 ab.

Ich rufe Punkt 1 auf. Wer dem ersten Absatz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zwei Stimmenthaltungen und ohne Gegenstimme ist dies so beschlossen.

Ich rufe den zweiten Absatz von Punkt 1 auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann hat dieser zweite Absatz keine Mehrheit gefunden.

Ich rufe den dritten Absatz von Punkt 1 auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer größeren Zahl von Stimmenthaltungen ist auch dieser Absatz mit Mehrheit abgelehnt worden.

Dann rufe ich Punkt 2 des CDU-Antrages in der Fassung des SPD-Antrages auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich

um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen und sechs Gegenstimmen ist auch dies mit großer Mehrheit beschlossen.

Der endgültige Beschluss besteht aus dem Punkt 1, erster Absatz, und Punkt 2 in der veränderten Fassung.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Beratung über den Tagesordnungspunkt 13 abgeschlossen.

(Unruhe)

- Entschuldigung, meine Damen und Herren, ich würde gleich zum Schluss kommen wollen, würde dies aber bitte noch einigermaßen in Ruhe und geordnet tun wollen.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir heute Abend um 20 Uhr von der Bundeswehr zu einem parlamentarischen Abend eingeladen worden sind, schlage ich vor, dass wir die beiden Punkte, die noch für heute vorgesehen waren, morgen am Vormittag mit beraten, wahrscheinlich nach dem Punkt 17, der als erster beraten werden soll, und danach in der Tagesordnung fortfahren.

Ich würde damit jetzt die 44. Sitzung beenden und für morgen, 9 Uhr die 45. Sitzung einberufen.

Ende der Sitzung: 19.52 Uhr.