Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass über das Maß - -

Entschuldigung, Frau Abgeordnete Hein. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit schon deutlich überschritten ist. Ich bitte zu straffen.

Ich bin sofort fertig. - Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass bei der Stundenzuteilung über das heute schon geltende Maß hinaus ein schülerbezogenes Kontingent in die freie Verfügung der Schulen der Sekundarstufe I gestellt wird.

Schließlich brauchen wir - das ist mein letzter Satz - sehr dringend ein Personalentwicklungskonzept, und zwar ein qualitatives, das auch die Mangelfächer berücksichtigt. Die PDS-Landtagsfraktion wird in diesem Sinne in der nächsten Zeit parlamentarisch aktiv werden. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Frau Abgeordnete, einen Moment bitte. Sie haben die Chance, noch viel zu sagen, wenn Sie bereit sind, eine Frage zu beantworten.

Das nutze ich natürlich.

Bitte, Herr Dr. Bergner.

Frau Kollegin Hein, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie dem Ansatz des Kultusministers zur Schulentwicklungsplanung mit prinzipieller Zustimmung gegenüberstehen. Ist Ihnen bekannt, dass sich die PDS in einzelnen kommunalen Vertretungen mit dem Gegenteil profiliert?

(Frau Feußner, CDU: Richtig! Prinzipiell!)

Natürlich ist mir das bekannt und natürlich gibt es dort Gespräche mit den Mitgliedern der entsprechenden PDS-Fraktionen. Mit ist klar, dass es in den einzelnen Kreisen zu äußerst komplizierten Entscheidungen kommt. Deshalb habe ich gesagt: Das Problem der Sekundarschulstandorte ist das schwierigste.

Aber - das sehen manche auch in den PDS-Fraktionen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und aus einem gewissen Lokalpatriotismus heraus verständlicherweise anders - wenn wir die Qualität der Sekundarschulen - dahinter stehen wir - tatsächlich verändern wollen, müssen wir auch Schulgrößen erreichen, die eine höhere Bildungsqualität auch durch einen effizienteren Einsatz von Personal möglich machen.

Es gibt nämlich zwei Argumente. Die gleichen Leute, die uns vorwerfen, wir schlössen kleine Schulen, und sagen, es sei doch wichtig, kleine Schulen zu erhalten, klagen auf der anderen Seite über eine unzureichende Lehrerausstattung. Aber beides geht doch nicht zusammen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Selbst wenn wir alle zu 100 % beschäftigen könnten, würden wir in wichtigen Fächern, wie zum Beispiel den Fremdsprachen, Ethik und Religion sowie Sozialkunde, den Fachbedarf überhaupt nicht abdecken können. Wenn man mehr Klassen macht, braucht man mehr

Lehrer. Das ist logisch. Wenn man weniger Klassen hat, braucht man weniger Lehrer. Dann kann man die Lehrerstunden anders verteilen - genau das fordern wir.

(Beifall bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU: Das sagen Sie dann auch Ihren Genossen vor Ort?)

Vielen Dank. - Die DVU-FL-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Schomburg.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als uns das Thema der heutigen Aktuellen Debatte bekannt wurde, haben wir überlegt: Was könnte der Inhalt dieser Debatte sein?

(Zuruf von der CDU: Gar keiner!)

Wir haben Ihnen zugute gehalten, Sie wollten sich mit den Argumenten der Elterninitiative „Pro Schule“ auseinander setzen. Doch was müssen wir heute früh feststellen? - Es ist ein Lobgesang auf die Landesregierung. Hosianna-Rufe im Vorfeld des Weihnachtsfestes, aber keine sachliche Auseinandersetzung mit den Problemen, die derzeit eine Vielzahl von Kreistagen und die Stadträte der kreisfreien Städte bewegen.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP - Frau Stolfa, PDS: Da haben Sie nicht richtig zugehört, Herr Schomburg!)

Dabei gibt es für ein Eigenlob überhaupt keinen Grund, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn es wenigstens noch einen Grund gäbe. Aber die Verordnung kam erstens zu spät und ist zweitens fehlerhaft. Deshalb sind alle Prozesse, die jetzt im Land laufen, äußerst schwierig und sehr differenziert zu beurteilen.

Ich will die Situation aus dem Blickwinkel meines Heimatlandkreises Wernigerode beschreiben. Während wir in den 80er-Jahren stabile Geburtenraten von etwa 1 400 Kindern jährlich hatten, waren es im Jahr 1995 noch ganze 510 Geburten, also etwa ein Drittel. Heute liegen wir bei etwa 600 Geburten.

Das erfordert natürlich eine Reaktion auf der Ebene der Schulstruktur. Das streiten wir überhaupt nicht ab. Denn wir brauchen natürlich auch eine Konzentration unserer knappen finanziellen Mittel auf diejenigen Schulen, die mittel- oder langfristig erhaltenswert sind und erhalten bleiben können.

Diese Planungen bedeuten allerdings tiefe Einschnitte in die kommunale Infrastruktur unseres Landes. Deshalb sind Diskussionsprozesse zu diesen Einschnitten in Ruhe und mit Besonnenheit zu führen und nicht in Form einer überhasteten und überstürzten Diskussion, wie sie hier im Land geführt wird.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Reck hat seinerzeit nachweislich eine bereits erarbeitete Verordnung in seinem Hause liegen lassen und nicht veröffentlicht. Erst Minister Harms hat die Verordnung im Spätherbst des vergangenen Jahres der Öffentlichkeit präsentiert. Sie ist von vielen unbeachtet

geblieben, selbst vom Bildungsausschuss unseres Landtages.

(Minister Herr Dr. Harms: Das ist falsch! - Frau Kauerauf, SPD: Das ist nicht richtig!)

- Sie hat keinen wesentlichen Widerspruch in den Reihen des Bildungsausschusses gefunden, auch von unserer Fraktion; das will ich durchaus konzedieren.

(Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Heißt Be- achtung immer Widerspruch?)

Als wir uns dann im Frühjahr dieses Jahres näher mit der Verordnung beschäftigten und versuchten, über die Presse eine Diskussion mit der Elternschaft über diese Verordnung zu führen, mussten wir leider feststellen, dass es aus den Reihen der Elternschaft und auch von den Lehrerverbänden, die heute laut rufen, kaum eine Resonanz gab. Als Einziger hat sich der Kreisverband der GEW in Stendal an dieser Diskussion beteiligt.

(Minister Herr Dr. Harms: Nein!)

Deshalb sagen wir auch weiterhin: Der Termindruck, mit dem diese Verordnung umgesetzt wurde, ist viel zu groß. Es kommt zu einem Durchpeitschen von Entscheidungen durch die kommunalen Entscheidungsgremien, indem Sie die Landräte und Kreistage unter Druck setzen. Außerdem haben Sie die Verordnung zu einem Zeitpunkt eingebracht, bei dem die Nähe zu Kommunalwahlen und zu einer angestoßenen Kreisgebiets- bzw. Gemeindestrukturreform viel zu groß ist und deshalb politische Entscheidungen nur sehr schwer zu erzielen sind, vor allen Dingen solche, die Vernunftgründen folgen.

Ich komme zu den Schwächen der Verordnung. Wir haben ein Faktum festzustellen: Sie orientieren bei der Wahl von Standorten auf die so genannten zentralen Orte. Alle, die schon in den vorigen Legislaturperioden im Landtag waren, wissen, mit welchen Zufälligkeiten zentrale Orte - ich denke besonders an die Grund- zentren - oftmals platziert wurden.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ach!)

Die Schulbaupolitik der DDR nahm auf diese zentralen Orte überhaupt keine Rücksicht. So kam und kommt es aufgrund dieser formalen Kriterien häufig zu Fehlentwicklungen in der Schulstruktur.

Hinzu kommt, dass die thüringische Landesregierung diesen Prozess in Thüringen mit Schulbaumitteln in Höhe von 180 Millionen DM begleitet und damit den Kreistagen ein positives Gestaltungsmittel an die Hand gibt.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist ein wesentliches Kriterium!)

Damit können die Kreistage sagen: Wenn wir schon in bestimmten Bereichen zentralisieren müssen, dann tun wir dies aber, indem wir den Eltern etwas Positives anbieten, nämlich schöne, besser ausgestattete Schulen. Schauen wir in unseren Haushalt: Fehlanzeige!

Zum Problem der Sekundarschulen ist schon einiges gesagt worden. Ich will mich kurz fassen. Auch für uns macht das Hochziehen der Mindestschülerzahl im Sekundarbereich in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen wenig Sinn. Dies bedeutet einen zusätzlichen Konzentrationsprozess. Das führt - Herr Sommerfeld hat darauf aufmerksam gemacht - insbesondere in den Flächenlandkreisen zu einem zusätzlichen Argument für das Schulsterben, dem wir absolut nicht folgen können.

Wir bleiben dabei: Wir sollten im Bereich der Sekundarschulen eine geringere Schülerzahl als Voraussetzung für das Vorhalten einer Schule vorsehen.

(Beifall bei der CDU)

Über die Zumutbarkeit von Schulwegen kann ich mich aus Zeitgründen nicht mehr vertieft einlassen.

Die Zeit ist überschritten, Herr Schomburg. Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Herr Kultusminister, wir erwarten von Ihnen, dass Sie die oft unter schwierigen Bedingungen erstellten Schulentwicklungspläne der Kreise genehmigen werden, auch wenn sie Kompromisse enthalten, die dem überhasteten Verfahren und der durch die Landesregierung angestoßenen Diskussion zu einer Gemeinde- und Gebietsreform anzulasten sind. Das Ziel, gute und effiziente Schulstandorte zu schaffen, wird nicht erreicht. Der gravierende Unterschied - ich möchte das noch einmal darstellen - -

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Schomburg. Ihre Redezeit ist deutlich überschritten. Sie müssten jetzt die Abschlusssätze finden.

Ich mache das mit zwei Sätzen. - Erster Satz: Im Gegensatz zur Landesregierung finden wir unser Heil nicht in der Zentralisierung, sondern in der Dezentralisierung, sowohl was die gemeindlichen Strukturen als auch was die Schulstrukturen angeht.