Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Es versteht sich von selbst, dass eine Leistung nicht nur nach ihrer Größe bzw. nach ihrem Umfang, sondern auch nach ihrer Qualität beurteilt werden muss. Hierzu gehören selbstverständlich neben der Pünktlichkeit etwa die einwandfreie Benutzbarkeit der unmittelbar dem Fahrgast dienenden Geräte und Einrichtungen, wie zum Beispiel Toiletten, Beleuchtung etc. in den Zügen. Dies gilt auch für entsprechende Einrichtungen in den Bahnhöfen.

Dies alles war bereits im Einvernehmen mit der Bahn schriftlich festgehalten worden. Nunmehr sollen diese bisher freiwillig von der Deutschen Bahn AG erfüllten Qualitätsstandards vertraglich festgeschrieben werden. Bei Nichteinhaltung sollen allerdings, anders als bisher, auch Sanktionen möglich sein.

Die Deutsche Bahn AG ist durchaus dazu bereit, besteht aber im Gegenzug auf der Auszahlung von ca. 6 Millionen DM an ausstehender Vergütung für die Jahre 1999 und 2000.

Die CDU begrüßt ebenfalls grundsätzlich die vereinbarte Vertragsänderung. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um einen selbstverständlichen Vertragsinhalt. Vor überzogenen Forderungen kann allerdings nur gewarnt werden. Vor allem dann, wenn absehbar wird, dass sie mehr Geld kosten könnten.

Ausweislich der von der Landesregierung gewählten Struktur, die von uns kritisiert wird, fällt es in den Aufgabenkreis der Nasa, entsprechende Stichproben durchzuführen. Die Nasa bedient sich dazu bereits heute externer Hilfskräfte. Ich hoffe nicht, dass die Nasa hierfür zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt haben will.

Das waren meine Ausführungen. Wir sind für eine Überweisung in den Ausschuss. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Sachse.

Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag der PDS-Fraktion ist auf Zustimmung formuliert, weil von der Landesregierung eine Berichterstattung zu den Begriffen Qualitätsstandard und Qualitätskriterien erbeten wird. Dazu passt auch der Begriff Kundenbetreuer.

Diese Begriffe sind in der Vergangenheit immer wieder diskutiert worden, spätestens seit der Erarbeitung des ÖPNV-Gesetzes im Jahre 1995. Diese Begriffe werden künftig auch für den Ausschreibungswettbewerb eine große Bedeutung haben. Ich denke, die rechtlichen Konstruktionen sind klar.

Wir sollten uns im Ausschuss den Bericht geben lassen und ihn bei den weiteren Aktivitäten berücksichtigen. Die SPD-Fraktion wird diesem Antrag die Zustimmung geben.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Dr. Heyer)

Herr Weich, Sie haben jetzt für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fragen der Mobilität sind eng mit der Qualität der dafür zu erbringenden Leistungen verknüpft. Die berechtigte, aber teils überzogene Kritik an der Deutschen Bahn sollte nicht dazu führen, das Kind mit dem Bade auszuschütten, sondern uns dazu veranlassen, darauf zu achten, dass die von diesem Parlament gefassten Beschlüsse und Gesetze buchstabengetreu und im Geiste umgesetzt werden.

So ist die unlängst von Vertretern aus Politik und Wirtschaft des Burgenlandkreises in einer öffentlichen Diskussion zum öffentlichen Personennahverkehr aufgeworfene Frage mehr als berechtigt, ob bei allen Vorhaben auch der ländliche Raum entsprechende Berücksichtigung findet.

Die Befürchtung, dass der Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr aus vorgeschobenen Gründen dazu führen kann, die notwendige Mobilität der im ländlichen Raum Lebenden einzuschränken, weil hohe Subventionen nicht mehr tragbar sind, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Die Frage ist doch ebenso berechtigt, ob es bei einer EU-weiten Ausschreibung Anbieter gibt, die bestimmte Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr übernehmen. Untrennbar ist damit auch die Wahrnehmung der berechtigten Interessen der im ländlichen Raum Lebenden verbunden. Das alles ist nicht unmöglich und kann im Vorfeld von Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen beachtet werden.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zur Berichterstattung der Landesregierung in den Ausschüssen ist durchaus dienlich, um den erreichten Stand darzustellen und zugleich auf die eingangs genannten Probleme der Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum einzugehen.

Die Ansprüche und Anforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt sind hoch, aber durchaus erreichbar. Natürlich muss man danach fragen, ob diese Anforderungen erfüllt und nicht

nur angestrebt werden. Ich denke an die Zielstellung, eine Verlagerung von Fahrten im motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr vorzunehmen, aber auch an jene Forderung, bei der Planung und Gestaltung der Infrastruktur und von Angeboten des Nahverkehrs die Bedürfnisse der Fahrgäste, insbesondere der Frauen, der Kinder, der Behinderten, der Personen mit Mobilitätseinschränkungen und der älteren Menschen, zu berücksichtigen.

Die Betreuung der Fahrgäste ist nicht immer mit hohen Investitionen verbunden; denn wir wissen, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals können über manche gegenwärtige Unzulänglichkeit der baulichen Voraussetzungen im Nahverkehr hinweghelfen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, das Eintreten des Parlaments für den soeben beschriebenen Personenkreis ist eine fortwährende Aufgabe und darf sich keineswegs auf den öffentlichen Personennahverkehr beschränken. Nützlich und notwendig ist die beantrag- te Berichterstattung allemal. Die freiheitliche Fraktion stimmt dem Antrag der von uns heiß geliebten Partei der roten Diktatur ausnahmsweise zu. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP - Herr Dr. Süß, PDS: Ach nee! Vor Weihnachten! - Weitere Zurufe von der PDS)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Hoffmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sachlage ist relativ einfach. Die DB AG entlässt Servicepersonal, insbesondere Zugbegleiter. Damit gehen - das ist in der Strategie der Bahn AG nichts Neues - erneut Arbeitsplätze verloren.

Die Folge dieser Maßnahme ist die weitgehende Ausgrenzung von ca. 20 % der potenziellen Bahnkunden und damit mit Sicherheit eine erhebliche Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Bahn.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwieweit diese Maßnahmen der Deutschen Bahn AG im Einklang mit den Verträgen - oder auch Nichtverträgen? - zwischen dem Land und der Deutschen Bahn AG stehen. Ganz sicher stehen sie nicht im Einklang mit dem Bericht der Landesregierung zum barrierefreien ÖPNV.

(Zustimmung bei der PDS)

Dort heißt es auf Seite 7 unter anderem zum SPNV - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin -:

„Verbesserung der Lage und der Ausstattung der Zugangsstellen und deren Umfeldes, Ausbau von Schnittstellen, Einsatz attraktiver, zeitgemäßer und behindertengerechter Fahrzeuge, ausreichende Bedienungsdichte entsprechend raumordnerischen Kriterien und der anzustrebenden Verkehrsnachfrage, Verbesserung der Fahrgastinformation, unter anderem durch den Aufbau des Informationssystems Insa und von Mobilitätszentralen sowie weiterer Serviceleistungen, Verbesserung der Verknüpfung des SPNV mit anderen Verkehrsträgern usw. Bis zum Jah- re 2010 soll ein deutlich verbessertes und qualitätsgerechteres SPNV-Angebot nach diesen Kriterien verfügbar sein.“

An diese Stelle passt der Auszug aus dem Schreiben der Deutschen Bahn AG an die Reisenden, das der Kollege Kasten vorhin erwähnt hatte. Ich zitiere - mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin - einen Abschnitt aus diesem Brief:

„Da bei diesem neuen Abfertigungsverfahren moderne Technik für Ihre Sicherheit eingesetzt wird, haben unsere Kundenbetreuer mehr Zeit für Serviceaufgaben im Zug. Bitte beachten Sie, dass auf Bahnhöfen und Haltepunkten der Kundenbetreuer nicht mehr am Bahnsteig steht und auch nicht mehr mit seinem Achtungspfiff den letzten Reisenden zum Einsteigen auffordern kann. Das technikbasierte Abfertigungsverfahren erfordert ein zügiges Ein- und Aussteigen, bietet Ihnen jedoch höchste Sicherheit im sensiblen Türbereich des Zuges.“

Diese Maßnahme der Deutschen Bahn AG steht auch nicht im Einklang mit den Äußerungen von Dr. Frank Dornach, dem Vorstand der Servicebarometer AG München, auf dem zweiten Regio-Forum im Juni 1999 unter dem Thema „Innovationen im Nahverkehr“. Nach Dornachs eigener Aussage steht der Servicegedanke ganz oben. In der Podiumsdiskussion unter dem Motto „Der Kunde muss im Mittelpunkt stehen“ sagte er unter anderem - ich zitiere noch einmal mit Ihrer Genehmigung -:

„Es gibt die Mussleistungen, die vom Kunden erwartet werden und erfüllt werden müssen. Wenn sie fehlen, droht der Kunde mit Abwanderung. Zu den Mussleistungen zählen die Sauberkeit, die Sicherheit und die Pünktlichkeit. Der Kunde vergleicht die Bahnleistung mit vielen anderen Leistungen. Die Leistungen der DB müssen dabei mithalten können.“

Wie jeder Bahnkunde leicht feststellen kann, klaffen zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit Welten. Mit dem Abbau von Servicepersonal wird diese Kluft noch vergrößert. Der Deutschen Bahn AG laufen die Kunden nicht weg; nein, sie selbst vertreibt sie mit ihren Konzepten.

Falls Sie meine Ausführungen nicht überzeugen sollten, stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Ich fahre mit der Bahn und möchte ein- oder aussteigen. Wenn kein Zugbegleiter da ist, bleibt mir nur die Möglichkeit, mit dem Schal zu winken, um den Lokführer auf mich aufmerksam zu machen. Der darf aber seinen Führerstand nur im Notfall verlassen. Bin ich dann der Notfall?

Für behinderte Menschen ist es jetzt schon schwierig, mit der Bahn zu fahren. Künftig wird dies nahezu unmöglich sein; es sei denn, man macht aus einer Reise einen Abenteuerurlaub. Aber Spaß beiseite; mir ist es damit bitter ernst.

Das Resultat ist, dass ein großer Teil der Schwerbehinderten auf den Pkw ausweichen muss. Das ist nicht nur unökologisch, sondern für einen Großteil der Betroffenen nicht finanzierbar. Delikaterweise bekommen nur ca. 20 % der Behinderten, nämlich die außergewöhnlich Gehbehinderten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, unter Umständen einen Zuschuss zum Pkw. Auch nur diese kommen in den Genuss der Entfernungspauschale. Alle diejenigen, die nicht arbeiten gehen und damit kein Einkommen haben, die diese Erleichterung also noch dringender benötigten, gehen leer aus.

Wir haben gestern im Landtag die neue Landesbauordnung beschlossen. Unter anderem ging es dabei darum, Barrieren für behinderte Menschen, Kinder und ältere Bürger abzubauen und zu überwinden. Bei der Deutschen Bahn AG dagegen werden Barrieren aufgebaut.

Wir sollten uns als Land selbst in die Pflicht nehmen und alle Möglichkeiten nutzen, in unserem Sinn auf die Deutsche Bahn AG einzuwirken. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Kollege Hoffmann. - Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und stimmen nun über den Antrag ab. Frau Kollegin Weiß, aus meiner Sicht ist über den Antrag direkt abzustimmen;

(Frau Weiß, CDU: Ja!)

es sei denn, Sie wollen darüber noch einmal im Ausschuss beraten. - Wir stimmen also über den Antrag in der Drs. 3/3969 direkt ab. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt 34 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf:

Beratung

Maßnahmen zur Prävention und Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Straftaten

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/3970

Der Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Herrn Rothe. Bitte schön, Herr Rothe.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Stadtrat der Stadt Halle hat am 22. November 2000 einstimmig eine Erklärung gegen Rechtsextremismus und rechte Gewalt beschlossen, aus der ich zu Beginn meiner Ausführungen zitieren möchte:

„Der Stadtrat von Halle (Saale) verurteilt auf das Schärfste die rechtsextremistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen der jüngsten Vergangenheit in ganz Deutschland, aber speziell auch in Halle (Saale). Die Mitglieder des Stadtrats treten der rechten Gewalt entschieden entgegen. Dazu verpflichten uns unsere Geschichte und unser Bekenntnis zur Demokratie.“

Meine Damen und Herren! Der Beschluss des halleschen Stadtrats spiegelt die Einmütigkeit hinsichtlich der Bekämpfung des Rechtsextremismus wider, zu der wir im Landtag mit der Annahme inhaltlich gleich lautender Anträge der Fraktionen der SPD und der PDS so- wie der Fraktion der CDU in der Sitzung am 14. September 2000 gefunden haben. Dieser Beschluss hat überall im Land eine positive Resonanz gefunden. Die Stadt Halle ist nur ein Beispiel.