Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 55. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.
Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 28. Februar 2001 hat das Mitglied des Landtages Herr Manfred Stephan mitgeteilt, dass er mit Wirkung vom 28. Februar 2001 aus der Fraktion der SPD ausgetreten sei.
Herr Stephan hat somit den Status eines Abgeordneten ohne Fraktionszugehörigkeit. Die Stärke der Fraktion der SPD beträgt damit 46 Mitglieder. Das hat jedoch keine Auswirkungen auf die Sitzverteilung in den parlamentarischen Gremien.
Mit Schreiben vom 22. März 2001 hat mich der Vorsitzende der Fraktion der DVU-FL davon in Kenntnis gesetzt, dass sich die Fraktion mit sofortiger Wirkung in Fraktion der Deutschen Volksunion umbenannt habe.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die heutige Landtagssitzung liegen folgende Entschuldigungen vor:
Herr Ministerpräsident Dr. Höppner entschuldigt sich für die heutige Sitzung. Er nimmt an der Ministerpräsidentenkonferenz teil.
Herr Minister Dr. Püchel wird am heutigen Tag in Vertretung des Ministerpräsidenten die Ansprache zur Festveranstaltung anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Landesverbandes Ost des Deutschen Bundeswehrverbandes halten. Er wird die Sitzung gegen 15.30 Uhr verlassen.
Herr Minister Gerhards kann entgegen seiner bisherigen Annahme aufgrund kurzfristiger Terminverschiebungen an der heutigen Sitzung des Landtages teilnehmen. Er entschuldigt sich jedoch für die Landtagssitzung am Freitag wegen seiner Teilnahme an der Beratung des Vermittlungsausschusses des Bundestages und des Bundesrates, die am späten Donnerstagabend in Berlin stattfindet, und wegen damit zusammenhängender terminlicher Verpflichtungen am Freitag.
Herr Minister Dr. Harms entschuldigt sich für die Sitzung des Landtages am Freitag. Am 6. April 2001 beginnt die 5. Europäische Denkmalpflegeministerkonferenz in Slowenien. Herr Dr. Harms ist beauftragt worden, die deutsche Delegation zu leiten. Er wird die Landtagssitzung deshalb heute gegen 15 Uhr verlassen.
Frau Ministerin Budde nimmt am 6. April 2001 an einer Podiumsdiskussion während der Unternehmerinnenmesse in Leipzig teil, sodass sie die Sitzung am Freitag gegen 13 Uhr verlassen muss.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 30. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Bei der Aufstellung der Tagesordnung ist versehentlich das Thema „Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung der ärztlichen Zweigsprechstunden“ aufgenommen worden. Die Beschlussempfehlung für das Plenum ist noch nicht beratungsfähig und deshalb ist dieser Punkt von der Tagungsordnung zu streichen.
Im Ältestenrat wurde vereinbart, die Tagesordnungspunkte 1, 8, 9 und 10 als erste Punkte am morgigen Beratungstag zu behandeln.
Meine Damen und Herren! Herr Minister Püchel hat darum gebeten, den Tagesordnungspunkt 17 - Umgang mit dem Volksabstimmungsgesetz - zeitlich zu verlegen, da er an der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt teilnehmen möchte. Nach der Orientierung des Zeitplanes würde die Behandlung dieses Themas in den Zeitraum der angezeigten Abwesenheit des Ministers fallen. Deshalb schlage ich vor, den Tagesordnungspunkt 17 am heutigen Tag nach dem Tagesordnungspunkt 3, also als zweiten Tagesordnungspunkt nach der Mittagspause, zu behandeln.
Zusätzlich ist als Tagesordnungspunkt 26 folgendes Thema aufzunehmen: „Neuwahl der Vertrauensleute und deren Stellvertreter für den beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt zu bestellenden Wahlausschuss gemäß § 23 der Finanzgerichtsordnung.“ Dazu liegt Ihnen ein Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der PDS in Drs. 3/4403 vor. Von den Fraktionen wurde mir dazu im Vorfeld Einverständnis signalisiert.
Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Ich sehe, dass es keinen Widerspruch gegen die Tagesordnung gibt. Somit können wir so verfahren.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum zeitlichen Ablauf der 30. Sitzungsperiode machen. Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die heutige Sitzung wegen der um 20 Uhr beginnenden parlamentarischen Begegnung mit dem Verband beratender Ingenieure gegen 19.30 Uhr zu beenden. Die morgige Sitzung beginnt um 9 Uhr.
Die fragestellenden Fraktionen der PDS und der CDU beantragten jeweils fristgemäß, die Großen Anfragen zur Aussprache auf die Tagesordnung zu setzen. Gemäß § 43 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt, anschließend erhält es die Landesregierung. Der Ältestenrat schlägt jeweils eine Debatte von 30 Minuten Dauer vor. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlussbemerkungen zu machen.
Für die Debatte wird die folgende Reihenfolge vorgeschlagen: CDU mit sechs Minuten, DVU mit fünf Minuten, SPD mit acht Minuten, FDVP mit fünf Minuten und PDS mit sechs Minuten Redezeit.
Ich erteile nunmehr der Fraktion der PDS das Wort. Für die Fragestellerin spricht der Abgeordnete Herr Dr. Eckert. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat mit der Großen Anfrage zur Perspektiv- und Netzplanung sozialer Einrichtungen ein Problem aufgegriffen, das aus unser Sicht in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde. Seitdem Ende 1994 von der Landesregierung ein umfangreiches Papier vorgelegt worden ist, das im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mehrfach beraten wurde, hat es Diskussionen zur Fortschreibung nur auf Teilgebieten gegeben. Es bestand aber damals Konsens, dass alle Beteiligten die vorgelegten Dokumente als vorläufige Planung betrachten und eine abschließende Perspektivund Netzplanung noch nicht möglich ist, da viele Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Das Papier trug also ausdrücklich Werkstattcharakter.
„Zur Realisierung des Landtagsbeschlusses ist der Landtag zu unterrichten, dass der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales die vorgelegte Perspektiv- und Netzplanung zur sozialmedizinischen Versorgung zur Kenntnis nimmt und das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales auffordert, über Fortschreibungen und Ergänzungen laufend zu berichten.“
Hinsichtlich des Teils Krankenversorgung wurde dem Beschluss mit der jährlichen Krankenhausplanung entsprochen. Auch im Rahmen der jährlichen Haushaltsberatungen wurden sektoral Probleme diskutiert. Aber zur Frage einer abgestimmten und umfassenden Perspektiv- und Netzplanung sozialer Einrichtungen gab es seitens der Landesregierung kaum Informationen und kaum eine Einbeziehung des Ausschusses in die Bestimmung von Zielen und Maßnahmen.
Meine Damen und Herren! Um es noch deutlicher zu sagen: In den vergangenen Jahren hat sich zwar manches verändert und entwickelt, aber das Ergebnis kann nicht zufrieden stellen. Die Landesregierung wurde zu wenig dahin gehend aktiv, über differenzierte direkte und indirekte Anreize wünschenswerte und verbal von der Landesregierung immer geforderte ambulante Strukturen zu befördern. Deutlich wird das unter anderem beim Betrachten der Situation hinsichtlich der Versorgung von Menschen mit seelischen Behinderungen und von Menschen mit chronischen Suchterkrankungen. So schreibt die Landesregierung in den Vorbemerkungen auf Seite 2 der Antwort - ich zitiere -:
„Die Planung für Menschen mit seelischen Behinderungen und für Menschen mit chronischen Suchterkrankungen wurde parallel zum Aufbau von Strukturen bis 1996 umfassend erarbeitet... Auf dieser Basis erfolgte ein kontinuierlicher Aufbau mit dem Ziel, den Grundbedarf zu decken, den Zuwachs an Behindertenzahlen aufzufangen und Fehlbelegungen abzubauen. Insofern wurden die Planung und deren Umsetzung stetig dem steigenden Bedarf angepasst.“
„Eine veränderte Situation entstand durch die Gesetzesänderung des BSHG vom 23.07.1996... Im Land wurde alsbald mit der Erarbeitung des Rahmenvertrages nach § 93 d Abs. 2 BSHG begonnen. Die Landesregierung nutzte die Gelegenheit, um einen Paradigmenwechsel im Sinne einer deutlichen Stärkung der Integrationsmöglichkeiten und der Förderung der Selbstverwirklichung von Menschen mit Behinderungen einzuleiten...“
Worin besteht nun aber der Paradigmenwechsel in der Praxis zum Beispiel hinsichtlich der Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“? Diese Frage bleibt offen. Die Realisierung dieses Grundsatzes wird allerdings nicht durch die ständige Wiederholung in Grußworten befördert und auch nicht dadurch, dass Landesmittel mit der Begründung gekürzt werden, dies sei allein kommunale Zuständigkeit.
Uns fehlt auch ein Bezug zur Grundgesetzergänzung im Jahr 1994 als möglichem Ausgangspunkt für eine andere, eine emanzipatorische Politik oder der Bezug zu Überlegungen für ein Landesgleichstellungsgesetz.
In der Antwort gib es auch keine Aussage dazu, dass seit dem Jahr 1996 die Ausgaben für die Behindertenhilfe nach dem BSHG gedeckelt und damit erhebliche Schwierigkeiten im Hinblick auf den Aufbau neuer Strukturen entstanden sind. Hinzu kommt noch die wirklich irreführende Formulierung „alsbald wurde mit der Erarbeitung des Rahmenvertrages begonnen“. Erste Überlegungen auf Landesebene zur Umsetzung der §§ 93 ff. BSHG wurden erst im Verlauf des Jahres 1998, also zwei Jahre nach der Novellierung des BSHG, angestellt.
Gegenwärtig wächst zwar in der Landesregierung die Erkenntnis, dass die in den vergangenen Jahren entstandenen Strukturen nicht zukunftsfähig sind. Dennoch scheut sich die Landesregierung, ein Bild künftiger Strukturen der Betreuung, der Dienstleistung und der Selbstentfaltung behinderter Menschen zu entwerfen und Ziele einer emanzipatorischen Politik zu formulieren. Auf Seite 2 heißt es dazu - ich zitiere erneut -:
„werden sich die zukünftigen Strukturen herauskristallisieren, sodass dann eine sinnvolle Anpassung der Kapazitäten beziehungsweise eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Überarbeitung der Netzplanung erfolgen kann.“
Es bleibt offen, wozu wir planen wollen oder sollen, wenn wir erst einmal abwarten. Was will die Landesregierung? Welche Ziele verfolgt sie? In welche Richtung will sie aktiv werden oder wird sie sogar aktiv?
Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung unter Beachtung veränderter Bedingungen ihre Ziele und ihre Politik formuliert und wirklich ständig fortschreibt. Perspektiv- und Netzplanung heißt in unserem Verständnis, dass Politik fachpolitische Aussagen zu ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungsangeboten treffen muss, auf deren Grundlage dann mögliche regionalspezifische Anreize für Einrichtungsträger und Selbsthilfegruppen geschaffen werden können, damit eine An
Dringend geboten ist der zielstrebige Aufbau differenzierter ambulanter Angebote, der einhergeht mit einer Begrenzung der nach wie vor spektakulär hohen Zahl stationärer Plätze. Dies ist eben nur über eine fachlich begleitende Netzplanung und die daraus resultierenden Anreizsysteme umsetzbar. Hierbei ist nun einmal die Landesregierung gefordert, ihre Ziele darzustellen.
Aus den problematischen und unbefriedigenden Antworten möchte ich noch zwei Komplexe herausgreifen. In einem ersten Komplex geht es um die Aussage, dass seit 1994 besonderer Wert auf die Umsetzung der Grundsätze ambulant vor teilstationär vor stationär, bedarfsgerecht und möglichst gemeinde- und wohnortnah gelegt wurde, sowie um die Aussage, dass mit den auf der Basis der noch gültigen Netzplanung geschaffenen Plätzen die notwendige Grundversorgung gewährleistet ist.