Meine Damen und Herren, dass ich Ihnen einen solchen Erfahrungsbericht überhaupt vorstellen kann, ist letztlich der Änderung des Volksabstimmungsgesetzes von 1995 zu verdanken. Erst die damit eingeführten wesentlichen Verfahrensvereinfachungen, für die ich mich persönlich in der ersten Wahlperiode eingesetzt hatte, haben dem Vorgängergesetz der CDU-FDP-Regierung den Charakter eines Volksabstimmungsverhinderungsgesetzes genommen.
Lassen Sie mich einen kurzen Blick zurück werfen. Unsere Landesverfassung sieht in den Artikeln 80 und 81 unmittelbare Mitwirkungsrechte für die Bürgerinnen und Bürger im Bereich der politischen Willensbildung vor. Die Aufnahme plebiszitärer Beteiligungsformen in unsere Landesverfassung war nicht zuletzt ein sozialdemokratisches Verdienst.
Mit der in Artikel 80 eröffneten Möglichkeit der Volksinitiative können bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung sowie Gesetzentwürfe an das Parlament herangetragen werden. Im Wege des Volksbegehrens kann ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht werden. Nimmt der Landtag diesen Entwurf nicht unverändert an, findet ein Volksentscheid statt. Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt: Näheres bestimmt ein Gesetz.
Die SPD war es, die die Ausführung des Verfassungsauftrages übernahm, das Nähere in einem Gesetz zu regeln, und einen ersten Entwurf für ein Durchführungsgesetz zu den Verfassungsbestimmungen vorlegte. Um es auch zu personifizieren: Ich war es damals, Herr Bergner,
der den Entwurf erarbeiten ließ und ihn in den Landtagsausschüssen vertreten hat. Ich weiß noch genau, wie die Vertreterinnen und Vertreter von CDU und FDP in den Ausschüssen agierten.
Die Dringlichkeit eines Ausführungsgesetzes hatte sich im Jahre 1993 gezeigt, als sich der Landtag unter anderem mit der Volksinitiative „Gegen unsoziale Mieten“ befasste. Eine parlamentarische Behandlung erfolgte, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine gesetzlichen Ausführungsbestimmungen vorhanden waren. Diejenigen, die dabei waren, wissen noch, wie wir das damals geregelt haben: Herr Claus von der PDS konnte damals hier sprechen; er war gleichzeitig Vertreter der Initiative. Das war die Brücke.
Die damalige Landesregierung unter Ministerpräsident Münch und die CDU-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden
Herrn Dr. Bergner zeigten keinerlei Interesse daran, ein Ausführungsgesetz zu erarbeiten. Also nahmen wir es auf uns und legten einen Entwurf vor. Unser Entwurf vom Februar 1993 enthielt Verfahrensregelungen, die es im Rahmen der engen verfassungsrechtlichen Vorgaben ermöglichen sollten, dass das in der Verfassung garantierte Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Beteiligung an der plebiszitären Willensbildung tatsächlich zum Tragen kommen konnte.
Die Fraktionen der Regierungskoalition brachten daraufhin - man könnte fast sagen, lange Zeit später - einen eigenen Gesetzentwurf ein, in dem die in unserem Entwurf vorgesehenen Verfahrenserleichterungen und öffentlichen Förderungen zugunsten der Initiatoren von Volksabstimmungen gestrichen waren.
Ich kann an dieser Stelle nicht auf alle von CDU und FDP gewollten Restriktionen eingehen, die die Durchführung von Volksabstimmungen erschweren sollten und die schließlich auch das am 27. Mai 1994 verabschiedete Gesetz enthielt. Im Wesentlichen waren das - jetzt bitte ich meinen Kollegen Remmers, genauer zuzuhören - die Beschränkung der Eintragungsmöglichkeiten für ein Volksbegehren auf die in den Amtsräumen ausliegenden Unterschriftslisten und keine Möglichkeit für eine freihändige Unterschriftensammlung.
Sie sprachen von der Straßensammlung, die verhindert wurde. Sie hatten das damals explizit aus dem Entwurf herausgestrichen, weil Sie das verhindern wollten.
Jetzt kommen wir zu den Fristen. Wir hatten eine Eintragungsfrist von sechs Monaten vorgesehen. Sie hatten eine kurze Eintragungsfrist von einem Monat vorgesehen.
keinerlei öffentliche Unterstützung der Initiatoren in Form von Kostenzuschüssen und eine Bestätigung des Wahlrechts der Unterzeichner bei Volksinitiativen durch die zuständige Meldebehörde. Die Volksinitiative sollte sich die Bestätigung durch die Meldebehörde holen!
Der Abgeordnete Herr Seidel sagte bei der Verabschiedung - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident -:
„Ich möchte zunächst feststellen, dass meine Fraktion sehr erfreut ist, dass fast alle Gesetzespassagen die Handschrift der beiden Regierungsfraktionen tragen.“
Auf meinem Platz liegt der ganze Vorgang. Wenn Sie noch mehr lesen möchten, dann gebe ich Ihnen gern die Unterlagen. Sie finden eine ganze Menge, auch an Zitaten.
„Die Bürger des Landes mussten die Erfahrung machen, dass Anliegen, die für die Regierungsmehrheit von SPD und PDS unliebsam sind, mit zahlreichen Verfahrenstricks behindert werden konnten. Das muss sich ändern.“
Herr Innenminister, können Sie mir bitte in Erinnerung rufen, wer zu diesem Zeitpunkt Justizminister war?
Zu diesem Zeitpunkt gab es einen Minister, der für zwei Ressorts zuständig war, für Justiz und Inneres. Das war Kollege Remmers, den ich immer noch sehr schätze.
Jetzt zurück zu meinem geschätzten Kollegen Herrn Dr. Bergner. Heute legt er in der „Volksstimme“ noch einmal kräftig nach, indem er SPD und PDS vorwirft, die Bürgerinitiative mit Verfahrenstricks massiv - sogar massiv - behindert zu haben.
Lieber Herr Bergner, zum Schluss: Ich würde es nie wagen, Sie als Heuchler zu bezeichnen. Dazu kennen wir uns zu lange und dazu schätze ich Sie zu sehr. Das wissen Sie ganz genau. Aber was Sie hier betreiben, ist reine Heuchelei.
Meine Damen und Herren! Nachdem sich die politischen Machtverhältnisse im Jahr 1994 geändert hatten, wurde eine grundlegende Änderung der Durchführungsregeln und eine Neufassung des Volksabstimmungsgesetzes vorgenommen. Die Gesetzesänderung und damit die Aufhebung der wesentlichen Restriktionen habe ich selbst als eine meiner ersten Aufgaben bei meinem Amtsantritt als Innenminister auf den Weg gebracht.
- Den Initiatoren hat es genützt. Es gab schon mehrere. Sie hatten selbst schon einmal eine Initiative gestartet.
Im Bereich der Volksbegehren wurde das bisherige Antragsquorum von 25 000 wieder auf 10 000 Unterschriften gesenkt, auf eine förmliche Listenauslegung wurde verzichtet und eine freihändige Sammlung außerhalb von Amtsräumen wieder möglich und die Eintragungsfrist bei der Sammlung von Unterschriften wurde von einem Monat auf sechs Monate verlängert. Insgesamt hat es also Verfahrensvereinfachungen gegeben, die
das Verfahren sowohl bürgerfreundlicher gestalten als auch den Verwaltungsaufwand für die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften erheblich mindern.
Meine Damen und Herren! Inwieweit sich die bestehenden Regelungen in der Praxis bewähren, zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die mit dem Volksbegehren „Für die Zukunft unserer Kinder“ gesammelt wurden und werden. Die Eintragungsfrist für die Sammlung der Unterschriften endete am 10. März 2001. Die Unterschriftsbögen sind, wie gesagt, am Dienstag dem Landeswahlleiter übergeben worden. Der Landeswahlleiter übersendet die Unterschriftsbögen nunmehr zur Überprüfung der Eintragungen an die Meldeämter.