Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Ich äußere noch einmal meine Bitte an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Bis wir eine Regelung in der Geschäftsordnung gefunden haben, sollte in den Fraktionen noch einmal darüber beraten werden, damit wir nicht wieder vor ähnlich schwierige Situationen gestellt werden. Außerdem müssten natürlich die Änderungsanträge etwas eher eingereicht werden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Beratung

Senkung der steuerlichen Belastung bei Kraftstoffen und Heizöl

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/4540

Der Antrag wird vom Abgeordneten Herrn Wolf eingebracht. Bitte, Herr Wolf, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine Panik, es folgt keine namentliche Abstimmung.

(Frau Kauerauf, SPD: Ist ja nicht zu fassen!)

Ich bringe den Antrag ein.

(Unruhe)

Kollege Wolf, einen Moment bitte. - Meine Damen und Herren! Ich bitte die nötige Ruhe im Haus wieder herzustellen.

Die Benzinpreisdiskussion geht in eine neue Runde und nimmt angesichts der erneuten Preiserhöhung an Schärfe deutlich zu. Nachdem sich die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Regierung Sachsen-Anhalts in den letzten Jahren mithilfe der Lügensteuer am Benzinpreis vergriffen hat, wurden auch andere hellhörig. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Ölmultis zeitgleich nachziehen und satte Gewinne einstreichen wollen, da

sie sich im Vergleich zu den Einnahmen des Staates aus der Mineralölsteuer unterrepräsentiert sehen.

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat laut der nach eigenen Angaben überparteilichen und unabhängigen „Mitteldeutschen Zeitung“ die Mineralölkonzerne nach einer weiteren Erhöhung des Ölpreises um zwei Pfennig scharf angegriffen. Er bezeichnete ihre Preispolitik als Sauerei und Unverschämtheit. So weit, so gut.

Es erweckt natürlich Neugierde, welche Worte er dann für die Steueranteile des Staates hat. Und wie will er dann die Anhebung der Ökosteuer um 35,7 Pfennig bis zum Jahr 2003 bezeichnen?

Jede Erhöhung der Mineralölpreise beschert Herrn Eichel nebenbei über die Mehrwertsteuer einen warmen Geldregen, kassiert er doch bei jeder Erhöhung um 10 Pfennig pro Liter 1 Milliarde DM mehr Steuern im Jahr. Im Jahr 2000 kamen damit etwa 5 Milliarden DM automatisch in die Kasse.

Die Preise an den Tankstellen sind - was für ein unglaublicher Zufall? - nahezu identisch. Anfangs meldete sich noch das Kartellamt zu Wort, jetzt nicht mehr.

Das Letzte, was Sachsen-Anhalt gebraucht hätte, ist die so genannte Ökosteuer und einen Ministerpräsidenten, der im Bundesrat einen Auftrag des Landesparlaments missachtet und die Ökosteuer mitbeschließt. Aus allen bekannten Hemmnissen ragt die von Ministerpräsident Höppner mitbeschlossene und verteidigte ÖkosteuerAbzocke am meisten heraus. Und die Spirale dreht sich. Firmenpleiten im großen Stil, Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung wegen drohender Verarmung, Geburtenrückgang, der größte Wohnungsleerstand in Deutschland, Überalterung und verwelkte Kulturlandschaften.

Meine Damen und Herren! Die nahezu 75 % des Spritpreises betragende Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuer beflügelt den Rückgang der Steuereinnahmen für den im Siechtum befindlichen Haushalt der Bundesregierung. Eichel gibt Mindereinnahmen in Höhe von 3 Milliarden DM zu. Jetzt hört man: 65 Milliarden DM bis zum Jahr 2004. Was soll man da noch glauben? Das ist auch für Sachsen-Anhalt nicht gut.

Jeder siebente Arbeitsplatz hierzulande hängt unmittelbar von der Produktion, dem Vertrieb, der Instandsetzung oder der sonstigen gewerblichen Nutzung des Autos ab. Fast jeder Arbeitnehmer ist wegen langer und umständlicher Anfahrtswege zur Arbeit oder wegen innerbetrieblicher Arbeitszeitmodelle auf den eigenen Pkw zwingend angewiesen.

Wer über den Kraftstoff an der Steuerschraube dreht, gefährdet Arbeitsplätze; Kaufkraft geht somit verloren. Ohne Kaufkraft kein Wirtschaftswachstum und keine neuen Arbeitsplätze. Wer also die Mobilität beschneidet, vergreift sich an der Existenzgrundlage des Bürgers. Dann heißt es wieder: Wir brauchen die Bereitschaft zur Mobilität. - Das ist unverschämt, aber wahr.

Angesichts der derzeitigen Verhältnisse im Lande und der Arbeitslosenquote von mehr als 20 %, von Firmenpleiten und der deutlich über der EU-Vorgabe von 2 % - diese ist bei der Euro-Einführung gemacht worden gelegenen Inflationsrate von beachtlichen 3,4 % frage ich: Standpunkt zur steuerlichen Belastung immer noch fest? Kurs weiter halten? Bremse und Gas weiter verwechseln? - Hoffentlich nicht.

Die erheblichen Mehrbelastungen aufgrund gestiegener Benzin-, Diesel- und Heizölpreise gefährden gerade die

kleinen und mittleren Handwerksbetriebe in ihrem Bestand. Der knapp kalkulierende Mittelstand kann die Belastung aus den rapide gestiegenen Preisen für Energie in verschiedensten Formen nicht mehr verkraften. Der Wettbewerb lässt die Weitergabe der entsprechenden Kosten an den Kunden kaum zu.

Die Ökosteuer hat versprochene Ziele nicht erreicht. Die Öko- und die Kraftfahrzeugsteuer, welche nichts anderes als verdeckte und einseitige Straßenbenutzungssteuern sind, verzerren die Wettbewerbsbedingungen in Europa. Überdeutlich ist der Preisanstieg, welchen der private Haushalt querbeet hinnehmen muss. Sicherlich ist dieser Kostenanstieg nicht unerheblich für die höchste Inflationsrate in Deutschland. Es ist müßig zu erwähnen, wer Platz 1 in der Negativstatistik hält.

Die Autofahrer waren bereits unter Kohl die Melkkühe der Nation. Dumm nur, dass die SPD mit der Ökolüge zur Keulung übergeht.

Mineralölsteuer, Kfz-Steuer, Versicherungssteuer, Mehrwertsteuer - Eichels Steuerfass ist ohne Boden. Milliarden verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Die Geldflüsse bleiben unklar. 30 DM mehr Kindergeld - nur einmal tanken und weg ist das Geld.

Ein Teil der Bevölkerung bereut bereits jetzt, ihre alte konventionelle Heizung gegen eine Öl- oder Gasheizung ausgewechselt zu haben; denn der Holzscheit vom Forst rentiert sich bei diesen Preisen immer mehr.

Der ADAC schlägt Alarm. Ein Steueranteil von über 75 % auf so wichtige und unverzichtbare Güter wie Benzin und Diesel ist nicht länger hinnehmbar. Schon jetzt bringt die Mineralölsteuer dem Bund ein Fünftel aller Steuereinnahmen ein. Dem stehen keine entsprechenden Ausgaben für den Straßenverkehr gegenüber, wie man es erwarten könnte. Der Umfang der Investitionen in die Straße hält schon lange nicht mehr Schritt mit dem wachsenden Verkehr. Die Folgen zeigen sich im hohen Brennstoffverbrauch aufgrund des zäh fließenden Verkehrs. Der jährliche volkswirtschaftliche Schaden wird vom ADAC auf 200 Milliarden DM beziffert.

Betrachten wir nur den vierspurigen Ausbau der A 14, die dem Verkehrsstrom nicht standhält. Hohe Emissionen sind die Folge. War aber nicht gerade die so genannte Erziehung zum energiebewussten Fahren und der schonende Umgang mit fossilen Brennstoffen die Begründung für die Einführung der Ökosteuer? Oder war von Anfang an alles nur eine Finte, damit angeschlagene Haushalte saniert werden können? Oder wird das Abenteuer Europa oder Kosovo so finanziert? Der Fluss der Mittel bleibt einfach im Dunkeln.

Was ist von der großen Zukunftsverheißung des rotgrünen Ökologismus geblieben? Die brave Welt der Umweltgerechtigkeit ist an der Realität ihrer Macher gescheitert.

Bemerkenswert ist, dass die Entstellung des Umweltbegriffs gar nicht mehr auffällt und der Deckel Öko auf alles zu passen scheint. Ökofleisch und Ökowurst, was darin war, wussten wir spätestens nach BSE und MKS. Ökosteuer gleich Rentensicherung. Warum dann Rentendebatten, wenn so viel Geld hereinkommt?

(Herr Sachse, SPD, lacht)

Die Entfernungspauschale wird von den Ökologen und Grünenpolitikern wie das Ei des Kolumbus behandelt. Jeder sollte nun glücklich sein. Aber die Entlastung

durch die Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale bei gleichzeitiger Erhöhung von 70 auf 80 Pfennig ist nur Baldrian.

Meine Damen und Herren! Gehen wir einmal von dem derzeitigen Benzinpreis von ca. 2,21 DM für Super bleifrei aus. Dieser Betrag enthält bei einen Steueranteil von 75 % 1,66 DM Steuern. In den nächsten zwei Jahren werden es nochmals jeweils sieben Pfennig Ökowuchersteuer inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen Mehrwertsteuer sein.

(Herr Sachse, SPD: Versteht der den Schwach- sinn selber?)

Vergessen wir auch nicht die Schwefelabgabe in Höhe von drei Pfennig ab November; denn Kleinvieh macht auch Mist.

Im Jahr 2003 sind wir dann bei insgesamt 35,7 Pfennig pro Liter seit der Erhebung des Ökoaufschlages. Damit sind wir in Europa endlich führend vor England.

Den ausländischen Spediteur juckt das herzlich wenig. Mit dem erhöhten Tankvolumen ihrer Fahrzeugflotten kommen sie locker ohne Tankstopp durch Deutschland. Ohne Maut sind wir schlicht die eigenen Wettbewerbsverzerrer. Es muss also ein Ausgleich geschaffen werden. Eine Anregung dazu steht im Antrag.

Meine Damen und Herren! Hinweise zum Kraftstoff sparenden Fahren als Möglichkeit, um den hohen Benzinpreis abzufedern, sind für die Betroffenen mittlerweile der blanke Hohn. Da können die Politiker auch gleich auf Tretautos verweisen. Heizkostenzuschüsse hier, Er-höhung der Entfernungspauschale dort, überall nur Flickschusterei. Auch deshalb muss die Mineralölsteuer um 50 Pfennig und die Heizölsteuer um 30 Pfennig pro Liter gesenkt und die Ökosteuer aufgehoben werden. Weiterhin schlagen wir zur Kompensation der bereits erhobenen Ökosteuer vor, die KfzSteuer-Pflichtigen für ein Jahr von der Kfz-Steuer-Pflicht zu befreien. Das sind Vorschläge, die man aufgreifen kann.

Ich möchte es Ihnen allen heute noch einmal deutlich sagen: Die Interessen des Landes Sachsen-Anhalt haben an erster Stelle zu stehen. Wenn dieses Land die größten Schmerzen mit der Ökosteuer und ihren Begleitproblemen hat, muss auch von hier aus gehandelt werden. Oder meint man, andere Länder würden das für uns tun?

Der Ministerpräsident hat die Aufgabe, seine Fehlabstimmung im Bundesrat rückgängig zu machen. Die Abstimmung über unseren Antrag ist nicht entscheidend. Entscheidend sind das Thema und ein Impuls. Ich werde in der Debatte noch weitere Ausführungen machen. Danke.

(Beifall bei der FDVP - Herr Sachse, SPD: Ver- schonen Sie uns bloß mit dem Kram!)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge SPD, DVU, PDS, CDU und FDVP. Als erster Rednerin erteile ich für die Landesregierung Ministerin Frau Budde das Wort. Sie spricht in Vertretung des Herrn Finanzministers.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tatsächlich müssen die Autofahrer in Deutschland für Benzin inzwischen sehr tief in die Tasche greifen, so tief wie noch nie. Innerhalb von weniger als vier Wochen haben die Mineralölunternehmen siebenmal die Preise erhöht. Die Ölkonzerne begründen dies mit hohen Preisen auf dem europäischen Markt in Rotterdam.

In der Tat wurden die Großhandelspreise für Benzin unter anderem auch durch den notwendigen Aufbau von Benzinbeständen in den USA auf mehr als 300 Dollar je Tonne getrieben. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent kletterte zum Beispiel auf mehr als 26 Dollar.

In den USA kann der Benzinverbrauch inzwischen nicht mehr durch heimische Raffinerien gedeckt werden. Außerdem haben einige US-Bundesstaaten ihre Anforderungen an die Benzinqualität erhöht, das heißt, sie fordern schwefelarmen Kraftstoff, obwohl dieser derzeit in den USA noch gar nicht hergestellt werden kann.

Gleichzeitig haben die Ölkonzerne im ersten Quartal dieses Jahres aber Rekordgewinne eingefahren. So verzeichnet zum Beispiel BP in diesem Zeitraum einen Spitzengewinn von 8,8 Milliarden DM. Das ist nicht nur in Großbritannien auf großes Unverständnis und Empörung gestoßen.

Die Ursachen der hohen Preissteigerungen für Kraftstoffe und Heizöle sind eindeutig in einer Verknappungspolitik und in den aus verschiedenen Gründen hohen Notierungen am europäischen Markt in Rotterdam zu sehen sowie in der Preispolitik zu suchen.

Schon die zeitliche Abfolge müsste jedem verdeutlichen, dass der Preisanstieg in den letzten Wochen nichts mit dem Anstieg der Mineralölsteuer auf Benzin um 6 Pfennig pro Liter zu tun hat. Zwischen Dezember 1998 und heute ist der Preis je Liter Benzin um über 50 Pfennige gestiegen. Lediglich 18 Pfennige entfallen auf die bisherigen Stufen der ökologischen Steuerreform.