Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Unabhängig davon, wer gerade Ministerpräsident ist, bei Interessenvertretungen nach außen brauchen wir einen vom Parlament gestärkten Ministerpräsidenten. Das geht nun einmal nicht anders. Geben wir ihm die Aufgaben, die er dann auch umsetzen kann. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen nun zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/4540. Ein Überweisungsantrag ist nicht gestellt worden.

Die CDU-Fraktion hat beantragt, über den letzten Satz dieses Antrages gesondert abzustimmen. Ich trenne

deshalb den Antrag. Wer dem Teil des Antrages bis zum letzten Satz seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Teil des Antrages ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über den letzten Satz des Antrags abstimmen, der lautet: „Im Übrigen wird das Ökosteuergesetz aufgehoben.“ Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? Dieser Satz hat auch keine Mehrheit gefunden. Damit ist der Antrag in der Drs. 3/4540 abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Bevor ich den Tagesordnungspunkt 27 aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die FDVP-Fraktion ihren Antrag zur Aufhebung der Neuregelung in der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgezogen hat.

(Oh! bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der PDS)

Das heißt, die heutige Landtagssitzung wird verkürzt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Beratung

Abfallwirtschaftspläne einer strategischen Umweltprüfung unterziehen

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4541

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4557 neu

Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU ist ein Ergänzungsantrag und demzufolge zulässig. - Bitte, Herr Kollege Köck, Sie haben das Wort zur Einbringung des Antrages.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie werden sich sicherlich darüber gewundert haben, das Thema „Abfallwirtschaft“ erneut auf der Tagesordnung vorzufinden; denn nahezu zeitgleich wird ein vom Landtag bereits am 10. Dezember 1998 in die Ausschüsse überwiesener Antrag zur Abfallwirtschaftsplanung des Landes gerade abschließend in den Ausschüssen behandelt.

Ich möchte gleich zu Beginn das Frohlocken bei der CDU-Fraktion dämpfen. Ich hätte aufgrund der Aktualität des Themas meinen damaligen Redebeitrag getrost wiederholen können.

Gerade weil wir mit Minister Keller zumindest in dem Punkt völlig übereinstimmen, von der gesetzlich gegebenen Möglichkeit der Verbindlichkeitserklärung von Abfallbehandlungsanlagen nicht Gebrauch zu machen was Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, mit dem letzten Halbsatz in Ihrem Änderungsantrag aber bezwecken wollen -, bereiten uns die aktuellen Entwicklungen und offiziellen Äußerungen aus dem Ministerium große Sorge.

Mit dem Verweis auf das Desaster der übergroßen Kläranlagen ist dem Umweltminister die denkbar schlechteste aller nur möglichen Begründungen für die Präferierung von nur zwei Müllverbrennungsanlagen - manchmal ist sogar nur von einer Müllverbrennungsanlage die Rede - für ganz Sachsen-Anhalt eingefallen.

Die praktische Politik von Minister Keller läuft doch gegenwärtig objektiv gerade darauf hinaus, einem bis zwei Anbietern besonders gute Startbedingungen im Wettbewerb zu verschaffen. Die Entscheidung bezüglich des Verzichts auf ein reguläres Raumordnungsverfahren für eine Müllverbrennungsanlage am Standort Staßfurt wurde sogar damit begründet.

Des Weiteren verweist der Minister auf den bestätigten Abfallwirtschaftsplan des RP Magdeburg; doch dieser ist meines Wissens noch gar nicht veröffentlicht. Im Übrigen teile ich den im Abfallwirtschaftsplan des Regierungsbezirkes Dessau vom 29. Dezember 2000 ausführlich dargelegten Rechtsstandpunkt. Ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitieren:

„Durch die Festlegung von geeigneten Standorten werden die nach sonstigen Rechtsvorschriften geforderten Verfahrensschritte nicht tangiert. Dies bedeutet, dass für einen im Abfallwirtschaftsplan festgeschriebenen Standort einer Müllbeseitigungsanlage das entsprechende Raumordnungsverfahren durchzuführen ist, weil der Abfallwirtschaftsplan bei der Festlegung des Standorts die Ziele der Landesplanung zwar einbezieht, aber nicht unter landesplanerischen Gesichtspunkten abschließend beurteilt, da er vorwiegend auf abfallwirtschaftlichen Aspekten beruht.“

Beispielsweise sind für die Anlieferung von 25 000 t Hausmüll im Jahr je nach Transportsystem zwischen 1 000 und 2 100 Fernfahrten schwerer Lkw erforderlich. Bahn- und Schiffstransport rechnen sich selbstverständlich nicht.

Einseitig werden also wie im Abwasserbereich erneut nur die betriebswirtschaftlichen Skaleneffekte - je größer, desto spezifisch billiger - in den Vordergrund gerückt. Für die Investitionen, die zusätzlich erforderlichen Ferntransportsysteme bzw. die laufenden Transportkosten von ca. 60 Pfennig je Tonnenkilometer bei einem Einzugsgebiet von 0,8 bis 1,3 Millionen Einwohnern sind dann selbstverständlich die Landkreise zuständig und natürlich am Ende der Gebührenzahler.

Die mit der Abfallablagerungsverordnung seit dem 1. März 2001 als gleichwertig zur Verbrennung eingestuften hochwertigen mechanisch-biologischen Verfahren konnten als ernst zu nehmende Alternative in den Abfallwirtschaftsplänen der Regierungspräsidien noch gar nicht ernsthaft Berücksichtigung finden.

Im Kern unseres Antrages geht es deshalb darum, die verschiedenen Konzepte bzw. Technologien einer vergleichenden Betrachtung auf der Basis einer Ökobilanzierung, zum Beispiel energetisch oder im Hinblick auf klimawirksame Treibhausgase, zu unterziehen. Insbesondere die Umweltkosten der Logistik scheinen uns bei der Variante von einer oder zwei Groß-MVA nur unzureichend berücksichtigt. Die Entwicklung der Treibstoffkosten in den letzten Wochen - wir haben gerade darüber diskutiert - sollte Anlass sein, die Konzepte auch unter dem Blickwinkel der Gebührenwirksamkeit noch einmal einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen.

Im Übrigen verweise ich auf die ausführliche schriftliche Begründung zu unserem Antrag.

Dem enormen Zeitdruck, der sich aus dem Umstand ergibt, dass spätestens ab 1. Juni 2005 nur noch vorbehandelte Abfälle - und diese auch nur auf der TA Siedlungsabfall entsprechenden Deponien - abgelagert

werden dürfen, haben wir mit der harten Terminstellung Rechnung getragen. Wir würden auch eine Terminverschiebung akzeptieren, wenn damit ein ernsthaftes Ergebnis angestrebt und nicht nur ein Alibipapier verfasst werden würde. Diese Zeitspanne sollten wir uns wirklich noch zubilligen; denn es geht um die Grundsatzentscheidung über Entsorgungswege und -gebühren für die nächsten 25 Jahre. Gerade deshalb plädieren wir für eine direkte Abstimmung.

Den Änderungsantrag der CDU-Fraktion könnten wir bis auf den letzten Halbsatz, der mit den Worten „und geeignete Flächen“ beginnt, akzeptieren und den Punkt 5 mit diesem Satz beginnen lassen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Kollege Köck, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge CDU, FDVP, SPD, DVU, PDS vereinbart worden. Zuvor erteile ich jedoch für die Landesregierung Herrn Dr. Heyer in Vertretung des Umweltministers das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Nachsicht, dass Sie zu so später Stunde auch noch mit mir vorlieb nehmen müssen. Ich möchte Ihnen aber doch gerne das vortragen, was Ihnen sonst mein Kollege Keller vorgetragen hätte.

Sachsen-Anhalt hat die Abfallwirtschaftspläne für die Regierungsbezirke Magdeburg und Dessau bereits im August bzw. im Oktober 2000 aufgestellt. Der Planentwurf für den Regierungsbezirk Halle bedarf noch der Überarbeitung aufgrund der zum 1. März 2001 in Kraft getretenen Abfallablagerungsverordnung, die unmittelbar Auswirkungen auf den Weiterbetrieb der Deponie Halle-Lochau haben wird. Entgegen den vorangegangenen Planungen steht nunmehr fest, dass ein weiterer Einlagerungsbetrieb für Hausmüll ab Juni 2005 nicht mehr zulässig sein wird. Mit der Aufstellung dieses Planes ist im dritten Quartal des laufenden Jahres zu rechnen.

Mit dem vorliegenden Antrag soll nunmehr eine Neubewertung der vorliegenden Pläne unter ökologischen Aspekten durchgeführt werden. In der Begründung heißt es hierzu: „Im Kern dieses Antrages geht es darum, die verschiedenen Konzepte bzw. Varianten der Abfallentsorgung einer Ökobilanzierung - energetisch, klimawirksame Treibhausgase - zu unterziehen“.

Dieses Anliegen, Herr Kollege Köck, ist nicht realisierbar. Eine Ökobilanzierung über zum Beispiel mechanisch-biologische Behandlungsanlagen - MBA - einerseits und thermische Behandlungsanlagen - MVA - in Sachsen-Anhalt andererseits kann nicht geleistet werden, solange die zu vergleichenden Ausgangsdaten nicht vorliegen und solange die hierzu erforderlichen Entscheidungen der verantwortlichen Körperschaften nicht absehbar sind.

Angesichts der nunmehr vorliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Bundes drängt im Übrigen auch die Zeit. Die Durchführung der im Antrag genannten Variantenvergleiche im Rahmen einer strategischen Umweltprüfung darf nicht dazu führen, dass die Entsorgungssicherheit ab 2005 für die Gebietskörperschaften

gefährdet wird. Denn unabhängig von den Investitionskosten müssen auch die Verfahren für die Genehmigungen verschiedener Anlagen durchgeführt sein. Das gilt auch bezüglich der einer mechanisch-biologischen Vorbehandlungsanlage nachgeschalteten Deponien einschließlich der Standorte. Realistischerweise muss man sagen, dass das in den noch zur Verfügung stehenden vier Jahren kaum möglich sein wird.

Auch bei Verzicht auf die im Antrag geforderte Überprüfung der Abfallwirtschaftspläne ist die zur Verfügung stehende Zeit knapp bemessen. Herr Kollege Keller hat daher inzwischen die abfallentsorgungspflichtigen Körperschaften gebeten, den Prozess der Planung und der Ausschreibung zu beschleunigen.

Im Rahmen der Ausschreibungsverfahren ist grundsätzlich dem Angebot, das die Ausschreibungsbedingungen erfüllt und am wirtschaftlichsten ist, der Zuschlag zu erteilen. Danach wird sich am Markt entscheiden, welche Anlagen letztlich gebaut werden. Ob es MBA oder MVA sein werden, ist genauso offen wie die Frage, ob es wenige große oder eine Vielzahl kleinerer dezentraler Anlagen sein werden. Natürlich darf in diesem Zusammenhang - das sage ich ausdrücklich in Richtung der antragstellenden Fraktion - die Gebührenbelastung für die Bürgerinnen und Bürger nicht außer Acht gelassen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Abfallwirtschaftspläne verstehen sich insofern nur als Planungsgrundlage zur Information und Handlungsanweisung für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Sie haben für die späteren Verfahren zur Anlagenerrichtung und zum Anlagenbetrieb lediglich vorbereitenden und rahmensetzenden Charakter, zumal sie auch nicht für verbindlich erklärt wurden.

Verbindlichkeitserklärungen nach § 29 Abs. 4 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind zwar durchaus zulässig, hätten jedoch die negative Folge, dass sie dem Wettbewerb in der Abfallwirtschaft entgegenstünden. Dies wiederum würde zu höheren Behandlungspreisen und damit letztlich zu höheren Abfallgebühren zulasten der Bürger führen. Schließlich, meine Damen und Herren, sind es die Bürger, die diese Kosten zu tragen haben.

Soweit in der Antragsbegründung auf die so genannte Plan-UVP - gemeint ist damit der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 18. Januar 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme - verwiesen wird, ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass keine konkreten Umweltauswirkungen ermittelbar sind, solange in den betreffenden Plänen keine verbindlichen Festlegungen getroffen worden sind. Danach bleibt es den abschließenden abfall- oder immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren für die zu errichtenden Anlagen vorbehalten, die erforderlichen Umweltverträglichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Dies entspricht im Übrigen auch der Auffassung des Rechtsausschusses der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, Laga.

Ich bitte deshalb um Ablehnung dieses Antrages.

Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU geht insoweit noch über den Antrag der PDS-Fraktion hinaus, als hierbei gefordert wird, geeignete Flächen für Abfallentsorgungsanlagen in Sachsen-Anhalt örtlich festzulegen.

Ich hatte bereits gesagt, dass es kontraproduktiv wäre, geeignete Flächen für Abfallbeseitigungsanlagen ver

bindlich zu machen, um den Handlungsspielraum für einen möglichst großen Wettbewerb unter den Anbietern nicht zu gefährden. Nur unter diesen Voraussetzungen werden die Landkreise ihre Abfälle zu wirklich günstigen Konditionen entsorgen können, sodass die Bürger weniger über die Abfallgebühren belastet werden.

Ich bitte deshalb, auch diesen Änderungsantrag abzulehnen, und bedanke mich herzlich, dass einige von Ihnen mir zugehört haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Herr Sachse, SPD: Natür- lich!)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Faktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Hacke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der PDS-Fraktion macht deutlich, dass sie mit dem bisherigen Stand der Abfallwirtschaftsplanung in Sachsen-Anhalt nicht so recht zufrieden ist.