Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Einführung der konjunkturhemmenden Ökosteuer durch diese Bundesregierung und der damit einhergehenden Erhöhung der Mehrwertsteuer haben sich für alle Menschen der Bundesrepublik Deutschland die Lebenshaltungskosten erhöht.

Hinzu kommt die Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel, hervorgerufen durch die Medienkampagne bei der BSE- und MKS-Krise. Keine Lohnerhöhung, wenn es sie überhaupt gibt, kann mit dieser hausgemachten inflationären Entwicklung mithalten. Das ist besonders hart, weil es zweimal unsere Bauern und Agrargenossenschaften trifft. Diese, welche den Übergang in die Privatisierung gewagt haben, müssen nun jährlich mit immer weniger Gasölrückerstattung auskommen und haben dabei zumeist noch eine hohe Zinsbelastung zu tragen, weil sie in ihre Höfe und Anlagen investiert haben.

Die Belastung unserer Bauern durch die BSE- und die MKS-Krise wollen wir hierbei einmal besser außer Acht lassen. Ganz unverständlich scheint uns aber die Berechtigung der degressiven Gasölrückerstattung zu sein, weil dadurch gerade die größeren Betriebe benachteiligt werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Hause haben wir schon einmal über die Lage der Unterglasgartenbaubetriebe gesprochen, welche auch unter der Ökosteuer

zu leiden haben. Viele Betriebe betreiben ihre Gewächshäuser nur noch im Sommer, wenn sie nicht heizen müssen. Das hat schon viele Arbeitsplätze gekostet und das müssen wir jetzt in der Landwirtschaft verhindern.

Die Landesregierung muss im Bundesrat darauf bestehen, dass die Ökosteuer wenigstens so lange ausgesetzt wird, bis eine deutliche Konjunkturentwicklung zu verspüren ist. Des Weiteren muss in Zukunft die Gasölrückerstattung wieder linear berechnet werden. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kannegießer, DVU)

Vielen Dank. - Für die PDS-Fraktion hat der Einbringer des Antrages, Herr Czeke, die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu den Diskussionsbeiträgen. Bitte.

Danke, Herr Präsident. - Zur Ökosteuer: Die Bundestagsfraktion der PDS hat diese abgelehnt, ohne Wenn und Aber. - Frau Wernicke, wir haben dazu hier im Haus die Position gehabt, die Ökosteuer ist mit uns zu machen, aber nicht so. Das ist doch immer noch ein feiner Unterschied.

Ich habe bisher angenommen, wir haben immer noch das Recht der freien Meinungsäußerung, sodass ich zwar Ihre guten Wünsche für die zukünftigen Anträge unsererseits entgegennehme, Ihnen aber verspreche, dass wir nicht nur zu dem Thema Eigentum sprechen werden, weil wir dazu schon einmal eine Diskussion hatten und weil wir mit Ihnen in dieser Hinsicht beim Thema Bodenreform auch nicht weiterkommen.

(Beifall bei der PDS)

Wir werden uns also auch weiterhin dieses Themas annehmen.

Frau Helmecke, Sie hätten sich dazu gar nicht äußern sollen. Ich will nicht überheblich klingen, aber wenn man von der Praxis in der Landwirtschaft keine Ahnung hat, dann sollte man sich einen kleinen Matchboxtrecker nehmen und sich in Ruhe in einen Sandkasten setzen und dann ist es aber gut.

(Heiterkeit bei der PDS - Frau Helmecke, FDVP: Wo ist da die Stelle zum Lachen? Oder soll ich mich unter dem Arm kitzeln, damit ich lachen kann? - Frau Wiechmann, FDVP: Wieder so ein Flegel! Es ist ja unglaublich!)

- Die Situation ist so ernst, dass wir darüber gar nicht mehr lachen wollen, und wenn Sie dann hier herumkeifen, dann fragen Sie doch einmal Ihren Vertreter im Agrarausschuss, was der dort so treibt.

(Zuruf von Frau Helmecke, FDVP)

Herr Präsident, ich -

Frau Helmecke, für eine lebhafte Debatte waren das genug Zwischenrufe.

(Frau Helmecke, FDVP: Ja, ist in Ordnung, Herr Präsident!)

Ich schaffe es allerdings auch, das Gekeife zu übertönen, ich wollte aber doch den Pegel so halten, dass es passt.

(Unruhe bei der FDVP - Zuruf von Frau Wiech- mann, FDVP)

Herr Keller, mir ist Ihre Ansicht zu der Geschichte einfach zu oberflächlich. Bei der Unterglasproduktion haben wir auch schon einmal solch eine Aufrechnung gemacht, und mittlerweile ist einer der größten Produzenten des Landes Sachsen-Anhalt in Salzwedel in Insolvenz, weil wir dort auch nicht klarkommen.

Wir haben doch eindeutig dargelegt, dass wir mit 50 Pfennig, auch wenn wir es jetzt um sieben Pfennig abgesenkt haben, dreimal so hoch liegen wie die anderen Nationen, die als knallharte Mitwettbewerber im europäischen Maßstab gelten. Wir haben es ausgeführt.

In dieser Hinsicht ist es mir zu wenig. Wenn Sie nun keinen Bericht erstatten wollen, dann müssen wir das in Selbstbefassung hinbekommen. Wir wollen die Zahlen auf dem Tisch haben. Dass wir das auf Landesebene nicht ändern können, ist uns auch klar, aber dann müssen wir eben an die Bundesebene ran. Wir können nicht so tun als ob, während Frau Künast alle Kosten, die es irgendwo gibt, an die Landwirtschaft weitergibt.

Sie haben eben auch noch einmal die Teuerungsrate angesprochen. Jeden Tag stehen in der Zeitung neben den Spritpreisen die inflationstreibenden Faktoren, zum Beispiel die gestiegenen Nahrungsmittelpreise.

Nun sage ich Ihnen als praktizierender Landwirt, der die Urproduktion als Grundlage bietet: Wir bekommen von dieser Steigerungsrate nicht einen Pfennig ab. Die Brötchen sind verteuert worden. Dazu hieß es: Es liegt am Mehl. Jeder denkt, die Landwirte sind uns lieb und teuer. Das Fleisch ist aufgrund von BSE und MKS teurer geworden. Auch in dieser Hinsicht liegen wir jenseits von Gut und Böse.

Nun betrifft es die anderen Grundnahrungsmittel auch noch. Der Preis für Milch ist im Handel klammheimlich um 30 Pfennig pro Liter gestiegen. Sicher, wir haben immer beklagt, dass ein Liter Milch preiswerter ist als ein Liter Mineralwasser. Jetzt hat der Handel das zulasten aller Verbraucher korrigiert und wir hatten eine Inflationsrate wie schon lange nicht mehr.

Es kann aber nicht so sein, dass wir das alles auf die Landwirtschaft abwälzen. Dann kommen noch ein paar Folgekosten. Sie sagen einfach: Na gut, dann müssen wir eben ein paar Mark aus dem Gewinn streichen. Die Landwirte erfüllen aber auch Vertragsnaturschutzauflagen, für die sie zum Beispiel auch Diesel verwenden müssen, wenn sie die entsprechenden Flächen befahren. In dieser Hinsicht muss Frau Künast sich die Fragen gefallen lassen: Wie wird es denn da mit den Steigerungsraten? Wie wollen wir denn das abfangen?

Hierbei sprechen wir aber von Modulation. Jeder nimmt das Wort in den Mund. Wir wissen aber noch nicht so recht, was wir damit anfangen können.

Wenn der Antrag nicht in den Ausschuss überwiesen wird, wenn man uns eben nur gute Absichten unterstellt und wir jetzt hier im wahrsten Sinne des Wortes wie der „Wolf im Schafspelz“ daherkommen, dann nehmen wir das zur Kenntnis. Wir werden uns dann im Rahmen des Selbstbefassungsrechtes auch bei knappen Kassen der Problematik annehmen. Wir kommen ja nachher auch

noch einmal zu einem prekären Problem, das die Landwirtschaft berührt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Damit ist die vereinbarte Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden und wird auch durch den Inhalt des Antrages nicht nahe gelegt. Daher muss direkt abgestimmt werden.

Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei Zustimmung durch die gesamte PDS-Fraktion und bei Gegenstimmen aller übrigen Fraktionen ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Damit ist die Beratung zum Tagesordnungspunkt 22 abgeschlossen. Wir kommen dann zu den für den heutigen Tag vereinbarten letzten beiden Tagesordnungspunkten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:

Beratung

Betriebsbedingte Kündigungen für Waldarbeiter vermeiden

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4667

Dieser Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Herrn Gallert. Bitte schön.

Werte Kolleginnen! Werter Herr Präsident! Ich möchte den Antrag der PDS-Fraktion zu dem Thema „Betriebsbedingte Kündigungen für Waldarbeiter vermeiden“ einführen. Wir haben es bei diesem Gegenstand mit einer Besonderheit zu tun. Wir haben hier zum ersten Mal betriebsbedingte Kündigungen im Landesdienst SachsenAnhalts zu thematisieren. Ich denke, dies ist eine Zäsur, die an diesem Haus nicht vorbeigehen darf.

Dabei sind die Probleme objektiv, und niemand, der hier sitzt, dürfte sie ernsthaft leugnen. Wir haben eine immer geringer werdende verfügbare Finanzmasse. Es geht aber nicht darum, den Landeshaushalt hierzu in seiner Gesamtheit zu betrachten, sondern es geht darum, zu schauen, wie viel von dieser Finanzmasse noch flexibel einsetzbar ist. Wir haben aufgrund der Entwicklung, dass die Finanzmasse immer geringer wird, einen immer stärker werdenden Druck auf die Personalkosten, und das hat Konsequenzen bis hin zu den Landesbediensteten.

Nun hatten auch die Waldarbeiter ursprünglich im Landesdienst eine Perspektive erhalten. Auch der entsprechende Überhang von Personal in diesem Bereich sollte mit einem sozialverträglichen Programm, das im Umweltministerium und im Landwirtschaftsministerium entwickelt worden ist, zurückgeführt werden. Es sollte ursprünglich auf betriebsbedingte Kündigungen in diesem Bereich verzichtet werden.

Aber dann kam die Eichel‘sche Steuerreform, die Auswirkungen auf den Landeshaushalt Sachsen-Anhalts hatte: die Reduzierung der verfügbaren Finanzmasse um über 600 Millionen DM und damit eine dramatische Ver

schärfung der haushalterischen Situation in SachsenAnhalt. Danach kam ein Problem auf uns zu, und zwar der Vorschlag, den Personalabbau im Bereich der Waldarbeiter mit betriebsbedingten Kündigungen zu realisieren.

Wir haben hier allerdings nur einen Ausschnitt des gesamten Bereichs der Landesbediensteten und wir haben eine Lösungsvariante, die außerhalb von Sachsen-Anhalt in viel größerem Umfang und viel skrupelloser realisiert wird. Wir haben diese Lösungsvariante zum Personalkostenproblem in Thüringen zum Beispiel in der Form, dass dort die CDU-Regierung jetzt Massenentlassungen von Lehrern vorbereitet.

Wir als PDS halten das in diesem Bereich ebenso wie im Bereich der Waldarbeiter für den falschen Weg. Dazu will ich einige Begründungen anführen.

Zum einen haben wir es hier mit einer Sichtweise auf den öffentlichen Dienst zu tun, die wir grundsätzlich für falsch halten, nämlich den öffentlichen Dienst in erster Linie oder fast ausschließlich als Kostenfaktor zu sehen, ohne die Produktivität in diesem Bereich wirklich zu akzeptieren und zu berücksichtigen.

Wir haben es mit einer öffentlichen Diskussion zu tun, die nur noch über Personalabbau im öffentlichen Bereich redet, ohne darüber zu reden, was in diesem Bereich für die Gesellschaft wirklich geleistet wird. Wenn man auf diese Frage kommt, dann wird einem auch eine Antwort gegeben, und zwar die Antwort des schlanken Staates, die Antwort, dass die Aufgaben, die in diesem öffentlichen Bereich realisiert werden, überflüssig sind, dass man sie sich nicht mehr leisten kann und dass man darauf in Zukunft verzichten sollte.

Wir denken, dass diese Antwort aber in fast allen Fällen falsch ist, weil sie Folgekosten für die nächsten Generationen verursacht oder weil sie genau diese Leistungen zwar aus dem Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung streicht, diese aber im Bereich der privaten Vorsorge meist wieder realisiert werden müssen. Dort sind die Bedingungen für die einzelnen Personen natürlich sehr unterschiedlich.

Wir wollen eine Effizienzerhöhung im öffentlichen Dienst. Wir als PDS akzeptieren durchaus, dass es ein legitimes Argument der Kostensenkung im öffentlichen Dienst geben muss, aber das Hauptziel der Effizienzerhöhung im öffentlichen Dienst muss aus unserer Sicht ein Mehr an Dienstleistungen aus diesem Bereich für die Gesellschaft sein und nicht ein Weniger.