Protokoll der Sitzung vom 29.06.2001

Das ist eine Folge von Krisen gewesen, die es so bisher nicht gegeben hat. Das waren nicht unsere, das waren Ihre Krisen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Das Ergebnis bei den Wahlen war übrigens, dass die CDU-FDP-Regierung insgesamt 13 % an Wählerstimmen verloren hat. Ich denke, das ist eine Hypothek gewesen,

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

bei der die Wendung „die Karre an die Wand gefahren“ wohl wirklich - umgangssprachlich jedenfalls - berechtigt ist.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Diese Diskontinuität in den ersten Jahren war wirklich eine Hypothek für dieses Land - ich will Ihnen gar nicht alle Einzelheiten aufzählen -, die noch lange nachwirkt.

(Herr Scharf, CDU: Hohe Investitionen! - Herr Dr. Daehre, CDU: Davon leben Sie heute noch, von den Investitionen!)

Ich möchte an der Stelle einen zweiten Fakt nennen: das Thema Neuverschuldung. Herr Professor Böhmer, wir haben uns öfter darüber unterhalten. Es ist richtig, man darf die Neuverschuldung von 1994 nicht mit der von 1995 vergleichen, weil es dann ein ganz neues System gegeben hat.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Da haben Sie es doch!)

Aber eines kann man natürlich einmal machen: Man kann die Neuverschuldung, die Sie für 1994 eingeplant hatten, mit den Neuverschuldungen der anderen neuen Bundesländer vergleichen. Dazu kann ich Ihnen sagen: Sie haben fast 5 Milliarden DM eingeplant; das ist fast ebenso viel gewesen, wie das doppelt so große Sachsen geplant hat.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Sie haben doch noch viel mehr gefordert in den ersten Jahren!)

Es war wirklich exorbitant, wie die Verschuldung für 1994 in Sachsen-Anhalt angesetzt war. Das hat sich kein anderes Bundesland getraut.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Doch, doch! Da gucken wir nach!)

Das ist einfach ein Fakt.

Ich weiß übrigens, dass Sie als Finanzminister nicht eine solche hohe Verschuldung wollten; die hat Ihnen der Ministerpräsident reingedrückt.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU, nickt mit dem Kopf)

Ich gebe das bei der ganzen Geschichte einfach einmal zu. Aber ich rede jetzt auch nicht über das, was Sie wollten, ich rede hier leider über die CDU-Politik als Ganzes. Dazu muss das dann schon gesagt werden.

Nächster Fakt. Nehmen wir einmal das Thema Verwaltungsstruktur, das uns heute bekanntermaßen wirklich ärgert. Es ist in Deutschland anerkannt, dass es Unsinn ist, die Struktur von Regierungspräsidien neben einer völlig ausufernden Struktur von Landesämtern aufzubauen. Das haben Sie geschafft. Übrigens haben wir schon damals in der Legislaturperiode angefangen, darüber zu diskutieren, wie man es wegkriegen könnte. Sie haben es konsequent ausgebaut, wir müssen es jetzt abbauen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn das nicht eine Hypothek ist, die wir haben, dann weiß ich es nicht.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS - Frau Stange, CDU: Und was machen Sie seit sieben Jahren? Was machen Sie denn?)

- Es ist doch so. Das ist ein Fakt.

Reden wir einmal über das Thema Personal.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Richtig ist: Es waren erhebliche Reduzierungen erforderlich. Aber bis 1993 gab es eben das Sonderkündigungsrecht. Wenn Sie es wenigstens aus sozialer Überzeugung nicht gemacht hätten, aber Sie haben aus Unfähigkeit das Personal nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgebaut.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Dr. Daehre, CDU: Das ist eine Unverschämtheit! - Herr Scharf, CDU: Wenn Sie sich mal daran gehalten hätten! Das haben Sie uns vorgeworfen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich erinnere mich an Debatten, die wir geführt haben, auch mit Vertretern der Hochschulen, die sich richtig darüber geärgert haben, dass vom Kultusministerium nicht die entsprechenden Kündigungen gekommen sind, weil sie wussten: Wenn es in dieser Woche nicht mehr kommt, ist es vertrottelt.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Und Sie hätten die Leute auf die Straße geschickt!)

Dadurch sind wir noch Jahre später im Nachteil. Sehen Sie sich die Probleme der Universität Halle an, dann wissen Sie es.

(Herr Scharf, CDU: Sie sind doch Sturm gelaufen gegen diese Entlassungen!)

Es gibt dafür noch mehrere Beispiele, wir brauchen uns nicht bei einem aufzuhalten.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Aber die Aktuelle Debatte gibt keine Gelegenheit, ausführlich darüber zu diskutieren.

Das Stichwort Gebietsreform. Ich weiß es genau: Im Innenministerium lagen auch im Jahr 1992 schon Vorstellungen zu den Kreisen vor, die ungefähr unseren heutigen entsprechen. Wir hätten das damals schon machen können.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Sie waren schließlich zu feige, die vernünftigen Lösungen durchzusetzen, weil Sie Angst hatten, dass Sie die Wahlen verlieren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Theil, PDS - Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU, schüt- telt den Kopf)

Mir wird gelegentlich vorgeworfen, ich würde das Land sozusagen rosarot malen. Dazu will ich erst einmal klar festhalten: Ich habe nie von blühenden Landschaften geredet, das Copyright hat ein anderer, und der sitzt auch auf der anderen Seite.

(Unruhe bei der CDU)

Es gibt Dinge, die sind gut in unserem Land; es gibt Dinge, die sind schlechter. Ich will Ihnen sagen, die Tatsache, dass die CDU nicht an der Regierung beteiligt ist, gehört sicherlich nicht zu den schlechten Fakten dieses Landes.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Herr Dr. Daehre, CDU: Sieben Jahre!)

Es gibt die immer gut gepflegte Legende, dass die CDU eine besondere wirtschaftspolitische Kompetenz habe. Ich kann das in Berlin nicht erkennen,

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU)

wo Diepgen und Landowski dafür gesorgt haben, dass Milliarden verschwunden sind. Das kann wirklich nicht von wirtschaftspolitischer Kompetenz zeugen,

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU)

übrigens auch in unserem Lande nicht. An eine Sache erinnern sich wahrscheinlich alle noch: Die CDU-Fraktion ist konsequent gegen die Privatisierung von Buna gewesen. Heute freuen wir uns alle, dass wir BSL als einen soliden Standort haben.

(Herr Scharf, CDU: Wann kommen die denn? - Weitere Zurufe von der CDU)

So viel zu dem Thema wirtschaftliche Kompetenz. Jedenfalls darf sie sich nicht darin erschöpfen, dass Sie wie apokalyptische Reiter über das Land ziehen und im Grunde genommen - wir haben das vorhin gehabt die Dinge immer schlimmer darstellen, als sie sind, und damit den Menschen, die sich wirklich anstrengen, eher den Mut nehmen, als das zu tun, was nötig wäre: Mut zu machen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Wie lange regieren Sie eigentlich schon?)

Meine Damen und Herren! Ich denke, es gab einen guten Grund dafür, zu sagen: Sie haben die Sache vor die Wand gefahren, und wir mussten anpacken und einen Neuanfang in diesem Land machen.