Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Seit In-Kraft-Treten des Verwaltungsabkommens zur Altlastenfinanzierung wurden für die Freistellung und Beseitigung von Altlasten in Sachsen-Anhalt bis einschließlich 2001 ca. 600 Millionen DM umgesetzt. Allein in den Jahren 2000 und 2001 waren es fast 285 Millionen DM. Mit diesen Mitteln wurden die ökologischen Großprojekte, aber auch über 100 verschiedene Maßnahmen im Land betreut und finanziert.

Dass dieses Geld gut angelegt ist, zeigt die Entwicklung in den betroffenen Regionen, insbesondere in den Chemieregionen. Wir stellen fest, dass sich ehemals hochgradig kontaminierte Industrieflächen in moderne Hochtechnologiestandorte verwandelt haben, die den Menschen vor Ort Arbeit und Brot geben. Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, Buna, Leuna und andere Standorte haben sich dank der mit viel Geld realisierten Sanierung zu Zentren entwickelt, die ein wesentliches Rückgrat der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt sind.

Allerdings ging auch im Bereich der Altlastenfreistellung in den letzten Jahren nicht alles reibungslos. Das hatte mit der Fülle der eingehenden Freistellungsanträge - es waren über 10 000 - zu tun. Das hatte aber insbesondere mit der offensichtlichen Überforderung der dafür zuständigen Verwaltungsbehörden zu tun. Diese Situation war im Jahr 1999 der Grund dafür, darüber nachzudenken, ob es eine neue Organisationseinheit in diesem Rahmen geben muss.

Mit der Bildung der Altlastenanstalt zum 1. Januar 2000 wurde ein wesentliches Instrument zur Verbesserung der Bewältigung der Altlastenprobleme geschaffen.

Nach drei Jahren Tätigkeit dieser Altlastenanstalt kann eingeschätzt werden, dass sie in diesen drei Jahren außerordentlich positiv gewirkt hat. Insbesondere bei der Planung und Organisation sowie bei der fachlichen Betreuung der ökologischen Großprojekte und der anderen Maßnahmen wird das deutlich. Die optimale Umsetzung der von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bereitgestellten Mittel in den letzten drei Jahren ist dafür ein ganz konkretes Beispiel. Das hat direkt mit der Existenz dieser Landesanstalt zu tun.

Auch zukünftig wird die Arbeit in diesem Bereich unentbehrlich sein. Obwohl in den letzten Jahren, wie schon gesagt, über 600 Millionen DM ausgegeben worden sind, ist davon auszugehen, dass die laufenden bzw. noch ausstehenden Sanierungsmaßnahmen gemeinsamen Schätzungen von Bund und Land zufolge noch mehr als 7,5 Milliarden DM, fast 4 Milliarden €, erfordern werden.

Aus diesem Grunde war es immer das Ziel des Landes, die Finanzierungsbeteiligung des Bundes so weit und so hoch wie möglich auszuschöpfen. Diesem Anliegen kam die Absicht des Bundes entgegen, im Rahmen der Umgestaltung der BVS den Ländern die Sanierungs- und Finanzierungshoheit für die Altlastenprojekte zu übertragen und im Gegenzug für eine Pauschalsumme aus seiner Refinanzierungspflicht entlassen zu werden.

Die folgenden so genannten Pauschalierungsverhandlungen gestalteten sich dann schwieriger als ursprünglich angenommen. Der Chance, die Sanierungsmittel in wenigen jährlichen Raten zu erhalten und nicht weiterhin in jährlichen zähen Verhandlungen darum streiten zu müssen, stand die Unsicherheit gegenüber, ob die dann bereitgestellten Mittel für diese gewaltige Aufgabe auch wirklich reichen würden.

Es ist dem Geschick des damaligen Umweltministers Konrad Keller zu verdanken, dass die Verhandlungen ein Ergebnis erzielten, das nach Einschätzung der Vertragsparteien die Kosten und die Risiken der Sanierungsprojekte wirklich abdeckt. Mit dieser Vereinbarung haben wir als Land die einmalige Chance erhalten, eigenverantwortlich und in höchstem Maße flexibel die aus der Sicht des Landes notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Nach dem im Generalvertrag genannten Verhandlungsergebnis verpflichtet sich die BVS, dem Land einen Pauschalbetrag in Höhe von 2 Milliarden DM oder 1 Milliarde €, zahlbar in fünf jährlichen Teilbeträgen, für die Sanierung der ökologischen Altlasten zu zahlen. Da mit dieser Summe bei weitem nicht die voraussichtlich notwendigen Sanierungsleistungen in Höhe von 7,8 Milliarden DM gedeckt werden können, vereinbarten die Vertragspartner, dass die jährlich bereitgestellten Mittel um die Landesmittel aufgestockt werden und die Gesamtsumme dann im Rahmen eines Sondervermögens verzinst wird.

Der Landtagsbeschluss über das Sondervermögen Altlastensanierung Sachsen-Anhalt Ende des Jahres 2000 war die konsequente und notwendige Umsetzung dieser Vereinbarung. Dem Sondervermögen fließen, wie schon gesagt, die auf der Grundlage des Generalvertrages bereitgestellten Mittel für die Sanierung der ökologischen Altlasten - und zwar ausschließlich für die Sanierung der ökologischen Altlasten, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition - zu. Zuzüglich der nach dem Verwaltungsabkommen zuzuführenden Landesmittel und der Aufzinsung ist einzuschätzen, dass in den nächsten

zehn Jahren für die Finanzierung der Altlastenaufgabe genügend Geld zur Verfügung steht - vorausgesetzt, meine Damen und Herren, die Mittel bleiben im Topf.

So sieht es allerdings zurzeit nicht aus, wenn man Äußerungen aus Regierungskreisen - erst heute wieder in der „MZ“ - Glauben schenkt. So besteht offensichtlich die Absicht, einen Teil des Sondervermögens - im Gespräch sind 150 Millionen € - zur Deckung von Haushaltslöchern zu verwenden. Das, meine Damen und Herren, würde nicht nur dem Sinn des Pauschalierungsvertrages widersprechen, es würde nicht nur dem formalen Inhalt des Vertrages widersprechen - denn hierin steht in § 4 unmissverständlich: Das Land verpflichtet sich, das Geld ausschließlich zur Beseitigung ökologischer Altlasten einzusetzen und bringt die von der BVS gezahlten Mittel in das dafür eingerichtete Sondervermögen ein -, nein, es wäre Vertragsbruch und es würde vor allem dem Ziel, das Altlastenproblem in SachsenAnhalt zu lösen, widersprechen.

Würde dieser Griff in den Altlastentopf Realität, wären die Folgen fatal; denn nur mit einer gehörigen Portion Optimismus ausgestattete Zeitgenossen glauben wohl daran, dass dies der letzte Griff sein würde. Schopenhauer aber hat durchaus nicht Unrecht gehabt, als er feststellte: Geld ist wie Seewasser; je mehr man davon getrunken hat, umso durstiger wird man.

Was Sie zu tun beabsichtigen, meine Damen und Herren, ist die Flucht vor dem Druck, den Haushalt wirklich zu konsolidieren. Und diesem Druck werden Sie auch im nächsten Jahr nachgeben, im übernächsten Jahr und immer wieder, meine Damen und Herren.

Glauben Sie denn wirklich, dass Sie in den nächsten Jahren jemals in die Lage kommen, die Gelder, die Sie dort entnommen haben, zurückzuführen, einschließlich der Landesmittel, die Sie nicht zuführen, und einschließlich der Zinsen, die in diesem Topf ausfallen?

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Wir glauben das nicht. Wir befürchten vielmehr, dass Sie mit diesem „Salto fiskale“ die Zukunft der beschriebenen Regionen aufs Spiel setzen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich kürze ab. - Die Entscheidung, die Sie offensichtlich noch nicht aufgegeben haben, wie der heutigen „Mitteldeutschen Zeitung“ zu entnehmen ist, ist investitionsfeindlich, umweltfeindlich und arbeitsmarktfeindlich. Deshalb fordere ich Sie im Namen der SPD-Fraktion auf: Lassen Sie die Finger vom Sondervermögen und verfahren Sie nicht nach dem Motto: Sorgt immer nur für den Augenblick, Gott wird schon für die Zukunft sorgen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Oleikiewitz. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Zeitz.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Nunmehr hat für die Landesregierung der Ministerpräsident Herr Professor Böhmer um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit ich es nicht vergesse, fange ich etwas vor diesem Tagesordnungspunkt an. Ich habe mich beim vorherigen Tagesordnungspunkt sehr bremsen müssen, nicht noch einmal um das Wort zu bitten. Ich habe es aber geschafft und will jetzt die Gelegenheit nutzen, Ihnen, Frau Dr. Sitte, ausdrücklich dafür zu danken, dass Sie die Gelegenheit wahrgenommen haben, wenigstens einige Dinge richtig zu stellen. So viel menschliche Größe muss es schon unter uns geben, dass wir wenigstens dort ehrlich sind, wenn wir auch in parteipolitischen Fragen unterschiedliche Meinungen haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich habe mich an dieser Stelle gemeldet, um möglichst die Weiterverbreitung jenes Unfugs zu verhindern, mit dem Sie, sehr verehrter Herr Kollege Oleikiewitz, geschlossen haben. Ich nehme Ihnen das nicht übel, wenn Sie auf Zeitungsinformationen angewiesen sind. Aber Ihr Fraktionsvorsitzender, der diesen Antrag unterschrieben hat, hat es besser gewusst; denn ich habe ihm alles erzählt, was wir vorhaben, worüber wir nachdenken und was wir nicht tun werden.

Aber er hat bewusst eine undeutliche, im Konjunktiv gehaltene Formulierung hineingeschrieben, damit wenigstens ein Verdacht in die Welt gesetzt wird und wir einen Grund haben, an dieser Stelle eine Debatte zu führen, bei der wir uns gegenseitig die Sache um die Ohren hauen können.

Alles, was Sie zu dem Fonds gesagt haben, ist richtig. Und dabei wird es auch bleiben.

(Zustimmung bei der CDU)

Zu diesem Fonds wurde festgelegt, dass dieses Geld vom Land eingenommen wird - insgesamt 2 Milliarden € -, dass dieses Geld in Raten ausgezahlt wird und dass das Land Sachsen-Anhalt dieses Geld nur für diesen Zweck ausgeben darf und für keinen anderen.

Und der Bund wusste - das ist Bestandteil dieses Vertrages -, dass das Geld, wenn es nicht sofort ausgegeben werden kann - das wusste jeder schon beim Vertragsabschluss - angelegt werden muss, damit es marktübliche Zinsen bringt, und dass diese Zinsen schon in den gesamten Vertrag einkalkuliert sind. Das ist alles. Es steht nicht im Vertrag, wo dieses Geld angelegt werden muss, bei welcher Bank oder wo auch immer.

Da üblicherweise - das wissen die meisten von Ihnen, auch in der SPD - Habenzinsen niedriger sind als Kreditzinsen, haben wir darüber nachgedacht, ob wir, wenn wir erneut einen Kredit aufnehmen müssen, nicht bei diesem Fonds Kredit aufnehmen können. Dann müssen wir nämlich nur das als Zinsen bezahlen, was wir durch Habenzinsen einnehmen würden, weil wir damit billiger wegkommen, als wenn wir zusätzliche Zinsen woandershin zahlen müssten. Dies war die Prüffrage. So weit sind wir jetzt.

Ich will auch etwas anderes erzählen, damit das allen bekannt ist, weil ich das der eigenen Fraktion erklären muss. Ich muss mir gelegentlich den Vorwurf anhören,

dass Sie Dinge, über die wir nachdenken, aus der Zeitung erfahren und dass es die Fraktion eher weiß als ich. Ich beklage das nicht, weil ich gelernt habe, mit solchen Sachen zu leben.

Aber es ist Fakt: Ich habe dieses Problem in einem Gespräch mit vier Personen, also noch drei anderen, zwei aus der Staatskanzlei und zwei aus dem Finanzministerium, durchgesprochen. Es ging darum, ob wir es so oder so oder anders machen. Wir haben uns auf eine Prüfung dieses Vorgangs geeinigt. Es muss also der Vertragspartner gefragt und der Text abgeklopft werden. Wir haben nicht beschlossen, irgendetwas zu machen. Wir haben gesagt: Dies wollen wir prüfen, weil es vernünftig wäre, wenn es möglich ist.

Zwei Tage später konnten Sie das in der Zeitung lesen, und zwei Tage später standen dort auch schon entrüstete Stellungnahmen aus der Opposition. Das ist alles nachlesbar. Das heißt für mich: Wir arbeiten in einem Umfeld, in dem es informierende Mitarbeiter gibt, die nicht zuerst bei der Koalition, sondern bei der Opposition und bei der Zeitung anrufen. Sonst käme es nicht in die Zeitung.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD: Ach, Herr Böhmer! - Herr Bullerjahn, SPD: Herr Böhmer, acht Jahre haben wir mit Ihnen vernünf- tig gestritten! - Frau Budde, SPD: Das ist nicht möglich!)

- Entschuldigung. Ich sage das meinen eigenen Mitarbeitern, damit die wissen, warum manche Sachen zuerst bei Ihnen ankommen und nicht bei ihnen. Das ist einfach so. Ich kann das nicht ändern. Ich bin auch bereit, in Zukunft damit zu leben.

(Herr Bullerjahn, SPD: Wie lange sind Sie im Par- lament? Auf dem Niveau nicht, Herr Böhmer!)

Ich bin auch bereit, in Zukunft damit zu leben.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut! - Herr Bullerjahn, SPD: Nicht auf dem Niveau, Herr Böhmer! Acht Jahre haben wir fried- lich mit Ihnen diskutiert!)

Ich halte das aus. Das führt nur am Rande am Thema vorbei. Ich will nur sagen: Es wurden, bevor Entscheidungen getroffen worden sind, Verdächtigungen gestreut, damit wir ein schönes Konfliktfeld haben.

(Frau Budde, SPD: Was für ein Konfliktfeld?)

- Sie haben es doch gerade vorgetragen bekommen, was die Landesregierung für schlimme Absichten hat. Das hat Herr Oleikiewitz eben vorgetragen, davor hat er uns gewarnt. Da sage ich Ihnen: Zurzeit ist diese Frage noch nicht entschieden, und wenn wir sie entscheiden, wird genau dieser Vertrag eingehalten. Wir würden nur die Möglichkeit prüfen, ihn zu beleihen, weil wir dabei besser weggekommen, als wenn wir woanders einen Kredit aufnehmen müssen.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Kuppe, SPD: Aber das ist doch eine aktuelle Frage!)

- Wir kommen noch zur Antwort. - Die Situation ist so, dass wir ein Defizit von 307 Millionen € decken müssen, das wir der hervorragenden Politik der Bundesregierung verdanken, wie wir heute früh schon bei der Aktuellen Debatte gehört haben.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD: Ja, ja!)

Das müssen alle anderen Bundesländer auch. Es gibt zurzeit nur zwei, die die Neuverschuldung nicht erhöhen müssen. Alle anderen müssen dies tun. Und da wir dies auch nicht werden ausschließen können, haben wir gesagt, wir müssen erstens noch einmal nach neuen Einsparungsvorschlägen suchen, um wenigstens einen Teil davon einzusparen. Ohne dass Sie die Vorschläge kennen, weiß ich jetzt schon, dass Sie morgen erzählen werden, wir sparen ohne Sinn und Verstand, weil Sie immer bessere haben, nur keine sagen. Auch das ist unser Thema. Und den Rest werden wir durch Neuverschuldung decken müssen. Das ist die Aufgabe, die es jetzt zu erfüllen gilt. Da suchen wir nach Möglichkeiten, wie wir am günstigsten weggekommen.

Diesbezüglich haben wir gesagt: Wenn wir dort etwa 440 Millionen € Guthaben haben, was Guthabenzinsen von ungefähr 5 bis 5,5 % bringt, dann müssen wir die Frage prüfen, ob wir das beleihen können, damit wir woanders, wenn wir einen Kredit aufnehmen, nicht mehr Kreditzinsen bezahlen.

Weil ich schon wusste, dass das möglicherweise eine schwierige Frage ist, habe ich dazu auch das Gespräch mit dem Bundesfinanzminister gesucht, um diese Dinge mit ihm abzuklopfen, weil ich von der Vorstellung ausgegangen bin, dass eine Schuldenaufnahme bei einem eigenen Vermögen im volkswirtschaftlichen Sinne nicht als Neuverschuldung nach außen dargestellt werden kann. Das heißt, dass eine solche Kreditaufnahme nicht in die volkswirtschaftliche Verschuldungsrechnung nach den Maastricht-Kriterien eingehen könnte. Nur darum geht es; denn wir sind letztlich Besitzer des Geldes. Aber wir besitzen es nur in einem zweckgebundenen Sonderfonds, den wir beleihen wollen. Diese Frage habe ich mit ihm besprochen.

Ich habe heute, eine halbe Stunde vor dem Beginn der Landtagssitzung, auch die schriftliche Antwort bekommen, aus der ich nur zwei Sätze vorlesen möchte, nämlich „dass eine Anlage der liquiden Mittel des Sondervermögens auch in Form von Landesanleihen nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Generalvertrags stehen würde“.