Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

(Herr Dr. Polte, SPD: Darf ich eine kurze Inter- vention machen?)

- Am Ende des Tagesordnungspunktes. Geht das?

(Herr Dr. Polte, SPD: Ja!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man merkt, zehn Minuten sind zu kurz, es war schon jetzt wesentlich

länger. Vielleicht hätte man das im Ältestenrat anders regeln sollen. Schade, Herr Minister, dass Sie meine Frage nicht beantworten wollten.

(Zustimmung von Frau Bull, PDS)

Ich würde Ihre Fragen wahrscheinlich immer beantworten. Aber vielleicht ehrt es einen am Ende auch, dass Sie Fragen nicht beantworten wollen.

Herr Kurze, wie man lesen und hören kann, ändert die CDU-FDP-Regierung das Kinderbetreuungsgesetz ja nur „mit großen Schmerzen“. Jetzt weiß ich, dass ich gleich Applaus bekommen werde. Sie haben eben gesagt, die katastrophale Situation des Landes, die allein die SPD-Vorgängerregierung zu verantworten habe, zwinge die Regierung zu solchen Einschnitten.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja, das ist so!)

- Danke, wenigstens einer. - Deshalb, sagt Herr Kurze, seien die Proteste der SPD seiner Meinung nach heuchlerisch. - Herr Kurze, wie bezeichnet man eigentlich Leute - wo sitzt er eigentlich? -,

(Herr Tullner, CDU: Hier!)

die vorher jede kleine Einsparung bei der Kinderbetreuung abgelehnt und von Verwahranstalten gesprochen haben, die heute aber ein Viertel streichen?

(Herr Scharf, CDU: Das stimmt nicht, Herr Bi- schoff! - Zurufe von der SPD)

- Das kann ich Ihnen gleich vorrechnen. - Wie bezeichnet man eigentlich Menschen, Herr Scharf, die genau wussten, in welchen finanziellen Zwängen das Land steckt - deshalb haben wir damals die Pauschalen gekürzt -, und trotzdem diese Veränderung ablehnten, die aber, als sie selbst an die Macht kamen, diese Veränderungen rigoros und hemmungslos durchsetzten? Wie bezeichnet man diese Menschen?

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist eine Amnesie!)

Ich glaube, die Heuchler, lieber Herr Kurz, sitzen in Ihren Reihen. Damit meine ich nicht alle, aber sie sitzen in Ihren Reihen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Schwerpunkten. Wir sagen nein zum eingeschränkten Rechtsanspruch im Krippenalter, der insbesondere sozial schwache Familien trifft. Das Recht der Kinder auf Bildung und soziales Lernen in Gemeinschaft ist ihnen in dieser Zeit verwehrt.

(Herr Brumme, CDU: Das geht von null bis drei Jahren!)

Hier wird schon beizeiten wieder sondiert und ausgesondert mit dem Hinweis: Die Kinder sind ohnehin bei Muttern besser aufgehoben. Wenn Sie ausschließlich einem solchen Erziehungsmodell hinterherjagen, dann sollten Sie Müttern sagen: Die ersten drei Jahre zu Hause bleiben! Da gibt es gar nichts.

(Herr Tullner, CDU: Das ist doch Blödsinn!)

Das wäre jedenfalls folgerichtig.

Wissenschaftliche Studien haben schon seit Jahren deutlich gemacht, wie wichtig das Lernen in Gemeinschaft schon in den ersten Lebensjahren ist. Das wollen wir allen Kindern ermöglichen, unabhängig davon, ob ihre Eltern Arbeit haben oder nicht. Außerdem werden

Eltern ausgegrenzt, die Arbeit suchend und dabei meist sozial schlechter gestellt sind. Es soll nur noch in schwierigen familiären Verhältnissen das Jugendamt eine Ausnahme machen können. Sie wissen doch selbst, wie das dann tatsächlich passiert. Sie kennen alle solche Familien und wissen, dass die Gefahr besteht, dass die Kinder mehr oder weniger verwahrlosen - jedenfalls einige von ihnen - oder vernachlässigt werden.

(Zuruf von der CDU: Das kann doch nicht wahr sein, Herr Bischoff! - Weitere Zurufe von der CDU)

Wir sind jedenfalls froh, dass auch die Kinder von sozial Schwachen, deren Mutter keine Arbeit hat, die Möglichkeit haben, einen Kinderkrippenplatz aufzusuchen, weil sie dort die nötige Bildung und Gemeinschaft erfahren, die sie bei manchen Müttern nicht erfahren. Das wissen wir.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Das ist ein Quatsch!)

Wer ein bisschen ehrlich ist, der weiß das auch.

Zweitens. Wir haben im Land genügend ausgebildete pädagogische Fachkräfte, die aufgrund des Rückgangs der Geburtenzahlen nicht alle zum Einsatz kommen konnten. Deshalb ist es völlig unverständlich, warum Sie jetzt Hilfskräfte einsetzen wollen, unabhängig davon, dass Sie mit Ihrem Gesetz - -

(Herr Scharf, CDU: Wer hat denn diese Ausbil- dung in Sachsen-Anhalt eingeführt?)

- Sollen die gut Ausgebildeten weiter arbeitslos bleiben und Sie sagen, die anderen kommen jetzt dran?

Sie verdrängen das doch nur, damit ist doch das Problem nicht gelöst. Wenn Sie Ihren Bildungsanspruch durchsetzen wollen, dann brauchen wir doch gut ausgebildete Leute. Damit konterkarieren Sie doch Ihre eigenen Ziele.

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Außerdem fördern Sie die Abwanderung von gut ausgebildetem Personal.

Frau Feußner, als wir im Februar dieses Jahres den Antrag für mehr Bildung in den Kindergärten einbrachten - vielleicht können Sie sich noch erinnern -, da haben Sie dort gesessen und gerufen, dass wir den Eltern unterstellten, sie könnten ihre Kinder wohl nicht gut genug bilden. Da haben Sie darüber gelacht.

(Frau Feußner, CDU: Das stimmt überhaupt nicht!)

- Sehen Sie im Protokoll nach!

(Frau Feußner, CDU: Lesen Sie mal unser Wahl- programm, da sprechen wir schon lange davon!)

- Mir geht es um die Landtagsdebatte im Februar.

(Frau Feußner, CDU: Sie haben doch die Bildung nicht in das Gesetz hineingebracht!)

Da vergessen Sie, was Sie gesagt haben.

(Frau Feußner, CDU: Sie hätten das doch längst machen können, Sie hatten acht Jahre Zeit! Da haben Sie es nicht gemacht!)

- Aber als wir es dann gesagt haben - Sie müssen dazu noch sagen, dass von Ihnen in der ganzen Zeit auch

kein Antrag in dieser Richtung kam -, waren Sie dagegen. Regen Sie sich doch nicht so auf!

(Frau Feußner, CDU: Natürlich!)

- Ja, Sie regen sich immer mal auf. Das ist ja auch gut so.

(Heiterkeit)

Drittens. Die finanziellen Kürzungen um 25 % errechnen Sie anhand derer, die den Rechtsanspruch verlieren. Da sparen Sie die 41 Millionen €. Das bedeutet weniger für Kinder aus Familien mit nur einem Verdiener. Ich wüsste gern, wo hierbei die Gleichbehandlung ist. Die Einsparungen beruhen übrigens - das sieht man, wenn man die Begründung liest - auf Schätzungen und sie werden in der Praxis zu erhöhten Elternbeiträgen führen. Das wissen Sie mit Sicherheit.

Dabei ist noch gar nicht abzusehen, wie sich der Bedarf an Tagesbetreuung mit Tagesmüttern entwickelt, wer am Ende doch einen Rechtsanspruch erhält und wie das vorhandene Personal abgebaut werden soll. Unklar bleibt auch, welche Kriterien für eine Tagespflege gelten sollen, welche materielle und räumliche Mindestausstattung vorhanden sein muss, um Kinder zu betreuen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Der Verweis auf Verordnungsermächtigungen, nun in einem langen Paragrafen zusammengefasst, macht deutlich, wie viel eigentlich noch unklar ist. Im Übrigen, Herr Scharf, sind wir von Ihnen gescholten worden, wenn wir Verordnungsermächtigungen in das Gesetz geschrieben haben.