Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke, Abgeordneter Herr Lukowitz. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Fikentscher das Wort. - Er verzichtet. - Dann erteile ich dem Abgeordneten Herrn Scharf für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Scharf, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass niemand in diesem Hohen Hause, kein verantwortlicher Politiker in Sachsen-Anhalt, in Deutschland und in der zivilisierten Welt Krieg möchte.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Wir teilen selbstverständlich die Ängste vieler Deutscher vor den Auswirkungen eines Krieges auf die betroffenen Völker. Ein Krieg ohne Tote, ohne Leid, ohne Elend, ohne Gefahr und Eskalation ist eben nicht denkbar.

Aber, meine Damen und Herren, es ist einfach zu schwach, das, was sich im Irak abspielt, mit „nicht harmlos“ zu bezeichnen. Man muss es deutlicher sagen: Der Irak wird durch ein totalitäres Regime regiert. Ein menschenverachtender Diktator ist an der Spitze. Er hat bereits chemische und biologische Waffen gegen seine Nachbarn und gegen sein eigenes Volk eingesetzt. Die Bedrohung Israels und die Bedrohung der westlichen Welt sind eben auch eine Gefahr für den Weltfrieden.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Regime seine Gesinnung geändert hat - im Gegenteil. Im Jahr 1998 wurden die UN-Waffeninspektoren ausgewiesen. Seitdem hat es immer wieder Provokationen des irakischen Militärs, zum Beispiel bei den Flugverbotszonen, gegeben. UN-Chefinspekteur Blix hat immer wieder den Verdacht geäußert, dass der Irak zu einer ernsthaften Zusammenarbeit mit den UN-Waffeninspektoren eben nicht bereit ist.

Die Resolution 1441 verpflichtet den Irak zur Vernichtung aller biologischen und chemischen Kampfstoffe. Sie verbietet die Errichtung von Anlagen zum Bau von Atomwaffen. Zu den derzeitigen Erkenntnissen über verbotene Massenvernichtungswaffen im Irak gilt aber Folgendes festzustellen: Blix hat am 27. Januar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat davon gesprochen, dass es stichhaltige Hinweise dafür gibt, dass der Irak mehr Anthrax produziert hat, als er gegenüber der UN angegeben hat. Bundesgesundheitsministerin Schmidt hat am 13. November des letzten Jahres gesagt, es sei davon auszugehen, dass der Irak über Pockenvirenstämme verfüge, weshalb es eine potenzielle Bedrohung gebe.

Ich möchte Ihnen sagen, falls diese Stämme irgendwo in der westlichen Welt, vielleicht in Deutschland, zum Einsatz kommen würden, würden wir schlagartig eine ganz andere Diskussionslage bekommen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Der Irak hat die Möglichkeit, mit kleinstem materiellem Einsatz großes Unglück über die Völker zu bringen. Der Verbleib von mehreren Tausend Chemiewaffensprengköpfen ist ungeklärt. Der Verbleib größerer Mengen des Nervengases VX ist ungeklärt. Wir wissen, dass der Irak an biologischen Waffen gearbeitet hat. Die Beweise für deren Vernichtung stehen aus.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse muss man davon ausgehen, dass der Irak unter Saddam Hussein für die Völkergemeinschaft weiterhin ein äußerst bedrohliches Potenzial darstellt. Es ist eben nicht die Aufgabe der Inspektoren, in dem großen, weiten Land mit vielen Wüsten etwas zu finden, sondern es ist Aufgabe des Irak, nachzuweisen, wie die Differenz zwischen der Zahl der offensichtlich produzierten Massenvernichtungswaffen und der der angegebenen Vernichtungen aufzuklären ist.

Der Irak hat bisher nicht nachgewiesen, dass er in Bezug auf Massenvernichtungswaffen abgerüstet hat.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Weltgemeinschaft hat gelernt, dass die irakische Regierung nur unter massivem Druck vonseiten der Uno zu Zugeständnissen gegenüber den Waffeninspektoren bereit gewesen ist. Wenn diese massive Drohkulisse nicht aufgebaut worden wäre, wäre wahrscheinlich kein einziger Inspektor inzwischen in Irak. Das muss man doch festhalten. Jeder, der den Druck vom Irak wegnimmt, indem er zum Beispiel vorzeitig sagt, Deutschland sei nicht bereit, diese Drohkulisse aufzubauen, der nimmt Druck von Saddam Hussein, der stört die Waffeninspektoren bei ihrer Arbeit, der stört die Abrüstung, der stört letztlich bei dem Bemühen, den Irak mit friedlichen Mitteln zur Abrüstung zu zwingen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Man muss es an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen: Es war ein großer Fehler von Kanzler Schröder, den Irak im letzten Sommer mit als Wahlkampfthema zu benutzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine so wichtige Frage von Krieg und Frieden darf kein Wahlkampfthema sein. Deshalb halten wir es auch wieterhin für einen großen Fehler, dass Kanzler Schröder unabhängig von Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates sagt, Deutschland werde sich nicht entsprechend den Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates verhalten, wenn Deutschland diese Entscheidungen nicht passen.

Eine vorzeitige Festlegung für Deutschland auf die Isolation und die Spannungen, die wir derzeit im zwischenstaatlichen Bereich mit den Vereinigten Staaten von Amerika leider feststellen müssen, können uns nachhaltig schaden. Ich finde es wirklich sehr traurig, dass der Kanzler Deutschlands in dieser Frage erstens nicht das richtige Fingerspitzengefühl bewiesen hat, zweitens der Versuchung einer Wahlkampfrede nicht widerstanden hat und jetzt nicht in genügendem Maße in der Lage ist, einen neuen, verantwortlichen Kurs deutscher Außenpolitik einzuschlagen, der uns in die Lage versetzt, erhobenen Hauptes in der Völkergemeinschaft auf alle Politiker verantwortlich einzureden. Wenn wir uns selber in das Abseits manövrieren, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass kein Mensch Worte aus Deutschland noch ernst nimmt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Abgeordneter Scharf, würden Sie eine Frage des Abgeordneten Reck beantworten? - Bitte.

Sehr geehrter Herr Scharf, für mein Abstimmungsverhalten bezüglich Ihres Alternativantrages wäre es wichtig, dass ich Punkt 3 Ihres Antrages erläutert bekomme. Welchen Hintergrund hat dieser Punkt und an wen ist diese Aufforderung gerichtet?

Sie meinen den Punkt „Politische Willensbekundungen und Handlungen, die Beschlüssen der Vereinten Nationen entgegenstehen, sind hinderlich und schaden der Souveränität und der Durchsetzungsstärke der Vereinten Nationen“? Diesen Punkt meinen Sie?

(Herr Reck, SPD: Jawohl!)

Ich glaube, dieser Punkt ist auf der einen Seite so deutlich formuliert, dass jeder, der diesen Punkt richtig hören kann, weiß, dass wir davon ausgehen, dass vorzeitige Festlegungen deutscher Außenpolitik, bevor die UNGremien abschließend entschieden haben, unsere Mitwirkungsrechte im internationalen Maßstab schädigen und auf der anderen Seite die souveräne Handlungsweise der Vereinten Nationen schwächen.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie dürfen noch einmal nachfragen.

Ich habe also richtig verstanden, der Adressat ist die Bundesregierung unseres Landes und nicht die USA?

(Zuruf von der CDU: Beide! - Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist eine wichtige Frage!)

Selbstverständlich ist die Bundesregierung gemeint.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Gut, dass Sie das gesagt haben! - Zuruf von der PDS: Haben Sie je daran gezweifelt?)

Danke, Herr Abgeordneter Scharf. - Frau Dr. Hein, möchten Sie noch einmal für die PDS-Fraktion reden? - Das ist nicht der Fall.

Dann treten wir jetzt in das Abstimmungsverfahren ein. Wir stimmen zunächst über die Drs. 4/507 ab. Das ist der Antrag der PDS-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei einigen Enthaltungen in der SPD-Fraktion und bei Zustimmung der PDS-Fraktion ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir treten jetzt ein in die Abstimmung zur Drs. 4/509. Es handelt sich um den Antrag der SPD-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Stimmen der Opposition. Wer ist dagegen? - Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Fragen Sie bitte noch nach den Enthaltungen!)

- Ja. Wer enthält sich? - Niemand. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir treten jetzt ein in die Abstimmung über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen FDP und CDU. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich? - Bei einigen Enthaltungen in der SPDFraktion und in der CDU-Fraktion ist dieser Antrag angenommen. Damit schließen wir den Tagesordnungspunkt 7 ab.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung

Durch Deregulierung und Entbürokratisierung zum attraktiven Investitionsstandort Sachsen-Anhalt als Modellregion

Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU - Drs. 4/501

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/561

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/567

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Schrader von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftliches Wachstum, Investitionen und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen sind der Gradmesser erfolgreicher Regierungspolitik und die entscheidende und notwendige Voraussetzung für gute Sozialpolitik. Nur was erwirtschaftet wird, kann auch ausgegeben werden - eigentlich eine uralte Erkenntnis.

Wirtschaftliches Handeln, das heißt die wertschöpfende Produktion und Dienstleistung sowie Investitionen, finden in den Unternehmen statt, finden direkt in der Wirtschaft statt. Die Unternehmen schaffen die Arbeitsplätze, insbesondere der Mittelstand. Die Unternehmen wirtschaften dort am besten, wo sie die besten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben. Wesentliche Rahmenbedingungen kann die Politik beeinflussen bzw. dafür ist die Politik direkt verantwortlich.

In Deutschland stimmen die Rahmenbedingungen für gutes wirtschaftliches Handeln und für wirtschaftliches Wachstum nicht. Das wissen nicht nur die Wirtschaftsweisen und Verbände, das wissen nicht nur Union und FDP, dass wissen auch Teile der SPD und der Bundesregierung, können es derzeit nur nicht umsetzen, weil eigene Mehrheiten fehlen. Und das sagen inzwischen auch die Bürgerinnen und Bürger, indem sie sich am letzten Sonntag in Hessen und in Niedersachsen deutlich artikuliert haben.

Zu den wesentlichsten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehören die Abgaben und Steuerlasten sowie Gesetze, Verordnungen und Bürokratie. Abbau überzogener Bürokratiebelastungen und eine konsequente Deregulierung sind die beste Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Das deutsche Gesetzes- und Verordnungswerk ist inzwischen so perfektioniert, dass es klar investitionshemmend wirkt. 2 197 Bundesgesetze, 3 131 Rechtsverordnungen und über 85 000 Einzelvorschriften - diese Zahlen sagen wohl alles. Deregulierung und Entbürokratisierung sind notwendige Voraussetzungen, um das Investitionsklima zu verbessern und um einen Standort, eine Region für Investoren und für Investitionen attraktiv zu machen.

Entbürokratisierung und Deregulierung sind das erklärte Ziel der Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt will und wird Vorreiter sein. Mit dem Ersten und dem in Vorbereitung befindlichen Zweiten Investitionserleichterungsgesetz werden von der Regierungskoalition landesrechtliche Verwaltungsvereinfachungen und Deregulierungen durchgeführt, werden Landesgesetze und Verordnungen wirtschaftsfreundlicher gestaltet oder abgeschafft. Darüber werden wir bald wieder zu reden haben, wahrscheinlich schon in der nächsten Landtagssitzung.

Die Gestaltungsmöglichkeiten auf Landesebene sind jedoch beschränkt, da die maßgeblichen Deregulierungsansätze auf bundesrechtlicher Ebene zu suchen sind - im Steuerrecht, im Umweltrecht, im Bauplanungsrecht und insbesondere im Arbeitsrecht. Die Aktivitäten des Bundes beschränkten sich bislang auf einige Bürokratieerleichterungen in Randbereichen und auf Ankündigungen. Wirklich kraftvolle Deregulierungen auf Kernfeldern wurden bislang nicht angefasst.