Meine Damen und Herren! Gestern hat der Kreistag des Landkreises Aschersleben-Staßfurt die ursprünglich für den 23. Februar 2003 angesetzte Landratswahl neu auf den 13. April 2003 festgesetzt. Das ist für den Kreis gar nicht spaßig; denn durch die Verschiebung der Wahl - die Wahlbenachrichtigungskarten für den 23. Februar 2003 waren bereits mit der Post versandt - entsteht dem Landkreis ein beträchtlicher finanzieller Schaden.
Die Verantwortung für den Schaden sehe ich nicht in erster Linie bei der die Norm ausführenden Verwaltung, sondern bei denen, die das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung so verabschiedet haben, meine Damen und Herren.
Es wäre also durchaus tat- und schuldangemessen, wenn Sie in den Reihen der CDU-Fraktion eine kleine Kollekte für den Landkreis Aschersleben-Staßfurt veranstalten würden.
Um weitere Schadenfälle zu vermeiden, haben wir den Antrag gestellt, dass die Landkreisordnung und die Gemeindeordnung unverzüglich neu bekannt gemacht werden.
Lassen Sie mich abschließend etwas zu der Frage sagen, ob die Neubekanntmachung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung durch die Landesregierung einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Nach meiner Auffassung genügt ein Parlamentsbeschluss. Die Verfassung schreibt eine gesetzliche Ermächtigung nicht vor. Das ist auch einfachgesetzlich so nicht geregelt.
- Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Minister. - Nach dem Lehr- und Handbuch von Hans Schneider zur Gesetzgebung ist die Bekanntgabe der Gesamtfassung eines geltenden Gesetzes kein Akt der Gesetzgebung. Es wird nur wiederholt, was ohnehin gilt.
Andererseits ist - so hat das Herr Becker schon richtig eingeworfen - seit Jahrzehnten eine stetige Übung zu
Die Aufforderung an die Landesregierung, die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung unverzüglich neu bekannt zu machen, ist nicht so zu verstehen, dass dies sofort geschehen muss; denn wir wissen, Herr Becker, „unverzüglich“ heißt in der Rechtssprache: ohne schuldhaftes Zögern. Darin sind wir uns wieder einig.
Wenn Sie die Aufforderung also so verstehen, Herr Minister Jeziorsky und Herr Minister Becker, dass eine Ermächtigung in den angekündigten, in Bälde zu erwartenden Gesetzentwurf zur Qualifizierung der Verwaltungsgemeinschaften hineingeschrieben wird - -
- Herr Dr. Püchel, Herr Kollege Gürth hat laut „Volksstimme“ vom 5. Dezember 2002 gesagt: Dieser Gesetzentwurf werde derzeit erarbeitet. Er solle entweder noch Mitte Dezember 2002 oder Anfang Februar 2003 in den Landtag eingebracht werden.
Ich werte das so, Herr Kollege Gürth, dass die Landesregierung, an Ihre Fristsetzungen gemahnt, nun im März 2003 dieses Gesetz einbringen wird. Und wenn dort auch eine Ermächtigung zur Neubekanntmachung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung mit drin steht, dann entsprechen Sie damit voll und ganz dem Anliegen unseres Antrags, dem zuzustimmen ich Sie hiermit bitte. - Schönen Dank.
Danke sehr, Herr Abgeordneter Rothe. - Meine Damen und Herren! Damit eröffnen wir die Debatte. Es stehen fünf Minuten Redezeit je Fraktion zur Verfügung. Zunächst hat für die Landesregierung der Minister Herr Jeziorsky um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin fast geneigt, mich für den Antrag und vor allem für die Einbringungsrede beim Kollegen Rothe zu bedanken, bietet er doch ein bisschen Gelegenheit, auf grundlegende Fragen einzugehen und durch ihre Beantwortung der SPD-Fraktion einige Hilfestellungen zu geben.
Meine Damen und Herren! Sicher, das Innenministerium hat mit Erlass vom 20. Januar 2003 - ich zitiere - „aus gegebenem Anlass“ - das ist die Problematik der verschobenen Landratswahl im Landkreis AscherslebenStaßfurt - darauf hingewiesen, dass bei der Wahl von
Landräten auch weiterhin Unterstützungsunterschriften erforderlich sind, um so genannte Spaßkandidaturen zu verhindern. Aber auf diese Rechtslage nach Aufhebung der Vorschaltgesetze hatte das Innenministerium bereits mit Erlass vom 5. August 2002 hingewiesen.
Dies hatte das zuständige Regierungspräsidium - Sie haben den Namen des Landrats Leimbach genannt; damals war es noch Regierungspräsident Miesterfeld - zum Anlass genommen, nicht nur auf diese neue Rechtslage hinzuweisen, sondern diese darüber hinaus auch anhand eines konkreten Beispiels zu erläutern.
Spätestens danach hätte auch im Landkreis Aschersleben-Staßfurt bekannt sein müssen, welche Vorschriften gelten. Davon abgesehen war in den „Kommunalen Nachrichten Sachsen-Anhalts“ des Städte- und Gemeindebundes, Heft 9/2002, Seite 24, deren Bezieher auch die Landkreise sind, dargestellt, welche Vorschriften gelten und dass Unterstützungsunterschriften weiterhin erforderlich sind. Alle haben es also gewusst.
Darüber hinaus erlaube ich mir den Hinweis, dass seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in 41 anderen Kommunen Bürgermeisterwahlen durchgeführt wurden. Soweit erforderlich, wurde die Beibringung der gesetzlich vorgesehenen Unterstützungsunterschriften gefordert. Hierbei handelte es sich um die Wahl hauptamtlicher, aber auch ehrenamtlicher Bürgermeister. Sowohl eine Stadt wie Wolfen mit ca. 28 000 Einwohnern als auch kleine Gemeinden wie Seeburg mit weniger als 700 Einwohnern oder Wedderstedt mit weniger als 500 Einwohnern waren in der Lage, rechtmäßig zu handeln.
Wenn der Landkreis Aschersleben-Staßfurt in einer Pressemitteilung die Verschiebung der Landratswahl auf „missverständliche“ gesetzliche Regelungen zurückführt, ist dies aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auch auf den Vorwurf der SPD-Fraktion eingehen, der sowohl die Landesregierung als auch dieses Hohe Haus betrifft. Durch eine verunglückte Gesetzgebungstechnik sei, so Ihre Begründung, Verwirrung entstanden, und die Unsicherheit, welche Normen gälten und wo sie aufzufinden seien, ließe sich nur durch eine Neubekanntmachung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung beheben.
Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion! Wo die Vorschriften aufzufinden sind, das kann ich Ihnen gern sagen. Das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung befindet sich dort, wo alle Landesgesetze veröffentlicht werden: im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt.
Darüber hinaus ist nach meinem Kenntnisstand das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in dem von der Verfassung unseres Landes vorgegebenen Verfahren zustande gekommen. Dass im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens Fragen der Rechtsförmlichkeit erörtert werden, ist nach meinem Kenntnisstand üblich.
Aber noch kurz zur Erläuterung. Nach den Grundsätzen der Rechtsförmlichkeit führt die Aufhebung eines Änderungsgesetzes, also in diesem Fall des Ersten Vorschaltgesetzes, nicht automatisch zu einer Änderung des so genannten Stammgesetzes. Das heißt in diesem Fall: der Gemeindeordnung. Dafür bedarf es vielmehr jeweils einer besonderen Regelung, wie sie sich in Artikel 5 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwal
tung findet. Finden werden Sie dort jedoch nicht eine Aufhebung der Vorschriften über die Pflicht zur Beibringung von Unterstützungsunterschriften.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, darf ich auf die parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz verweisen. Ausweislich der Niederschrift über die 3. Sitzung des Innenausschusses antwortete der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst auf eine entsprechende Frage des Abgeordneten Herrn Rothe, dass er den Gesetzentwurf nach den Grundsätzen der Rechtsförmlichkeit mehrfach geprüft habe und dieser nach seinem Dafürhalten fehlerfrei sei.
Wenn der Landtag - Herr Rothe hat darauf hingewiesen - die in dem Antrag enthaltene Aufforderung jetzt beschließen würde, wäre die Landesregierung aus Rechtsgründen daran gehindert, dieser Aufforderung nachzukommen. Nach den Grundsätzen der Rechtsförmlichkeit, denen übrigens der Ältestenrat des Landtages am 5. Dezember 2002 - so lange ist das noch nicht her - zugestimmt hat, ist eine Neubekanntmachung möglich, wenn ein Gesetz mehrfach oder in größerem Umfang geändert worden ist.
Voraussetzung ist aber, dass im Änderungsgesetz auch eine Ermächtigung enthalten ist, die dem Fachminister die Neubekanntmachung des vollständigen Gesetzestextes im Gesetz- und Verordnungsblatt gestattet. Gestern Abend beim Schulgesetz haben Sie dies praktiziert.
Wir werden und müssen die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung neu bekannt machen. Wir wollen in diesem Jahr noch einige Veränderungen an diesen beiden Gesetzen vornehmen, sei es über das Investitionserleichterungsgesetz oder über das Funktionalreformgesetz. Wir werden im Zusammenhang mit diesen Gesetzesänderungen eine Ermächtigung in das Gesetz hineinschreiben, um eine komplette Neubekanntmachung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung vornehmen zu können.
Aus den genannten Gründen ist der heute vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig; er muss abgelehnt werden.